Beiträge von Decima Seiana

    http://img261.imageshack.us/img261/6518/raghnall.png Raghnall verschwand, kaum dass der Senator bestätigt hatte, dass das tatsächlich die ganze Botschaft war: eine Nachricht ohne Nachricht. Aber der Mann würde schon wissen, was er sagte... hoffte Raghnall jedenfalls. So oder so hatte er kaum eine Wahl als einfach den Anweisungen zu folgen, und so lief er erneut durch die Stadt, folgte der Wegbeschreibung und traf schließlich tatsächlich auf das Anwesen mit den goldfarbenen Caducei in der Porta. Was hieß Anwesen: eine ausgewachsene Villa war das, wie er feststellte... Während Raghnall klopfte, fragte er sich flüchtig, ob die Caducei aus echtem Gold waren.







    SKLAVE - DECIMA SEIANA

    http://img718.imageshack.us/img718/5630/alvaroh.jpg Álvaro sah, wie Raghnall noch kurz nickte auf die Bestätigung hin, dass das tatsächlich schon die ganze Nachricht war – dann verschwand der Gallier wieder nach draußen. Der Custos corporis selbst, der bislang die ganze Zeit an der Seite des Senators geblieben war, von dem die Decima laut Raghnalls Worten wollte, dass er ihn beschützte, war auch hier an dessen Seite geblieben, immer so in seiner Nähe, dass er nicht störte, aber dennoch ein beständiger Schatten, bereit einzugreifen wenn es erforderlich werden würde. Was sich nun allerdings änderte, als der Mann ihm zum ersten Mal einen Befehl gab. Álvaro nickte. „Sehr wohl, Dominus“, murmelte er halblaut und blieb bei der Tür, sah dem anderen Sklaven hinterher, wie er sich entfernte, und richtete seine Aufmerksamkeit hauptsächlich auf das, was da draußen los war... und ob sich möglicherweise jemand näherte.





    CUSTOS CORPORIS - DECIMA SEIANA

    „Warte“, war zu hören, abgesehen davon rührte sich zunächst kaum etwas – nur Schritte mochten vielleicht zu hören sein, die sich entfernten. Nach kurzer Zeit kamen diese allerdings auch schon wieder, im Anschluss war zu sehen, dass in der kleinen Öffnung ein paar Augen auftauchte, jemand, der hinaus sah – dann öffnete sich das Konstrukt tatsächlich.

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    Umrahmt von zwei Männern, die wachsam und ein wenig misstrauisch den Ankömmling musterten, stand Rhea, einen deutlichen Ausdruck von Erleichterung auf dem Gesicht. „Dominus! Den Göttern sei Dank, es geht dir gut“, begrüßte sie ihn und machte Platz, damit er eintreten konnte.








    VILICA - GENS DECIMA

    Seiana zuckte auch zusammen, als Faustus das tat, als er sogar abwehrende Bewegungen zuerst machte, aber sie ließ sich nicht beirren, wurde nur noch vorsichtiger. Er war da. Er war da, und sie war tatsächlich bei ihm, konnte ihn sehen, ihn berühren. Bis zu diesem Augenblick war ihr nicht klar gewesen, wie groß ihre Angst gewesen war, dass sie ihn womöglich nicht mehr lebend zu Gesicht bekommen würde. „Faustus“, murmelte sie erneut, und als er sie nun ansah, auf eine Art, bei der sie sich nicht so sicher war ob er sie überhaupt erkannte, konnte sie nicht verhindern, dass ein leises Schluchzen aus ihrer Kehle drang. Sie kniete weiterhin neben seiner Pritsche, neigte sich aber nach vorn, strich mit den Fingern einer Hand weiter über seine Wange und berührte von der Seite seine Stirn mit ihrer, während sie versuchte, die Tränen zu unterdrücken – von denen trotzdem ein paar aus ihren Augen rannen und hinunter tropften auf sein Gesicht. „Bei den Göttern, du hast mir so gefehlt. Du...“ Sie schluckte mühsam. „Wie geht’s dir?“ Blöde Frage. Sie wusste, dass es eine blöde Frage war, im Grunde schon bevor sie sie gestellt hatte. Von dem, was sie überhaupt in dem schummrigen Licht hatte erkennen können, sah er nicht allzu gut aus, und davon abgesehen: er war ein Gefangener, und das seit schon seit Wochen. War außerdem verletzt worden. Natürlich ging es ihm nicht gut. Trotzdem war ihr die Frage ohne nachzudenken einfach über die Lippen gekommen, und ihr fehlte gerade sowieso jedwede Eloquenz, um irgendetwas Intelligenteres oder Angebrachteres zu finden, was sie hätte sagen können.

    Wie angekündigt, hatte Seiana sich nach dem Gespräch mit dem Duccius hingesetzt und die Briefe niedergeschrieben – und sogar mit dem Abdruck des Familiensiegels abgezeichnet, das sie an jenem Tag einfach behalten hatte, als der Duccius ihr die Unterzeichnung jenes Schreibens abverlangt hatte, das die Kinder ihres Onkels einzig und allein der Mutter anvertraute... und sie damit ihrer eigenen, ihrer eigentlichen Familie entzog. Bereit abgeholt zu werden lagen die Tabulae auf dem Tisch.


    Salve Messalina,


    Duccius Vala, Tribunus laticlavius der VIII, hat mir von deinem Schreiben berichtet. Nach allem, was ich weiß, geht es deinem Vater den Umständen entsprechend gut – genauso wie es mir gut geht, und ich hoffe auch meinem Bruder. Wie es mit uns weiter geht, wird allerdings allein Cornelius entscheiden. Bis er nach Rom gekommen ist, werden wir also alle warten müssen.
    Diesem Schreiben beigefügt erhältst du zwei weitere – für unsere Familie in Rom und in Tarraco. Ich bitte dich darum, sie weiter zu leiten, damit unsere Verwandten erfahren was bislang vorgefallen ist. Ich hoffe du bist wohlauf und sicher im Atrium Vestae!


    Vale bene,
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    Casca, Dexter,


    ich hoffe ihr und der Rest des Haushalts seid wohlauf. Was die Decimi im Carcer angeht: Faustus Serapio, Titus Varenus und ich geht es den Umständen entsprechend gut. Macht euch keine allzu großen Sorgen um uns – was mit uns passieren wird, wird von Cornelius entschieden, sobald dieser die Stadt erreicht. Bis dahin heißt es für uns warten. Kümmert euch um den Haushalt und vergesst vor allem nicht, euch um die decimischen Klienten und Freunde zu bemühen. Wir werden sie in der nächsten Zeit dringender brauchen denn je. Sollte darüber hinaus der Tribun Duccius Vala auf euch zukommen und irgendetwas benötigen: er ist ein Verbündeter. Tut was in eurer Macht steht, um seinen Wunsch zu erfüllen.


    Vale bene,
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    Salvete, mea familia!


    Dank eines glücklichen Umstands bin ich in der Lage, euch ein paar Zeilen zu senden. Das Wichtigste zuerst: der Bürgerkrieg neigt sich dem Ende zu – Rom ist eingenommen, nach allem was ich hörte, ist auch der Palast bereits gefallen. Von unserer Familie wurden Faustus Serapio, Titus Varenus und ich in Haft genommen. Den Umständen entsprechend geht es uns gut, was allerdings aus uns wird, liegt in der Hand des Cornelius, wenn er Rom erreicht. Neben Messalina im Atrium Vestae sind Caius Dexter und Cnaeus Casca die einzigen verbliebenen Decimi in der Casa. Ich denke es wäre von Vorteil, wenn die beiden Unterstützung bekämen, solange der Rest von uns gefangen ist – sofern einer von euch kommen und ihnen in Rom beistehen kann, wird dies für unsere Familie sicher hilfreich sein.
    Ich hoffe, ihr alle befindet euch wohlauf!


    Valete,
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    Natürlich sagte der Mann ihr nicht, worum es ging, sondern hieß sie einfach ihm zu folgen. Seiana gehorchte, zog nur das Tuch enger um sich, während der Schreiber sie durch das Gebäude führte. Zum Eingang. Zu den Treppen in den Carcer. Ein Schaudern lief durch ihren Körper, während zwei Dinge gleichzeitig durch sie hindurch fuhren: die Befürchtung, der Duccius könnte beschlossen haben, dass die Hilfe der Decimi nicht genug sei, und sie nun wieder im Carcer landen würde – und die Hoffnung, sie könnte Faustus sehen. Beides war etwas, was sie nicht so ganz wahrhaben wollte, nicht in diesem Augenblick jedenfalls, vor allem letzteres nicht, weil die Enttäuschung so viel schwerer sein würde, wenn sie die Hoffnung zuließ. Aber tatsächlich war es das, was der Tribun ihr nun doch gewährte, entgegen seiner Worte vom Abend: er ließ sie zu ihrem Bruder. Für einen Moment stand sie einfach fassungslos da, als die Zellentür sich öffnete und sie das begriff, und erst, als der Schreiber ihr sagte, dass sie etwas Zeit hätte – Zeit –, konnte sie sich immerhin so weit lösen, dass sie eintrat in die Zelle. Ging sie zuerst langsam, überbrückte sie dann die Distanz bis zur Pritsche schnell, ließ sich auf die Knie sinken und streckte eine Hand aus. Berührte das Gesicht ihres Bruders, strich sacht über seine Wange, seine Haare. „Faustus“, wisperte sie.

    Der Schreiberling war es. Seiana starrte ihn einen Augenblick an, ohne etwas zu sagen, versuchte die letzten Reste des Schlafs zu vertreiben und sich gleichzeitig darüber klar zu werden, was eigentlich los war. Und als sie sich langsam darüber klar wurde, fragte sie sich, was das sollte... natürlich ohne dass sie sich tatsächlich einen Reim darauf machen konnte. Was ihr allerdings klar war war, dass sie kaum etwas tun konnte. Sie war immer noch eine Gefangene, wenn sie auch nicht im Carcer saß. Wortlos stand sie auf und griff nach einem großen Tuch, dass sie sich um den Körper schlang, bevor sie zu dem Schreiber trat. „Kannst du mir sagen, worum es geht?“

    Bleib, wollte sie ihn eigentlich bitten. Die Gespräche mit dem Duccius waren die einzige Abwechslung, die sie hatte, und sie wollte nicht, dass dieses schon endete, wollte nicht schon wieder allein gelassen werden, allein mit sich und ihren Gedanken. Aber natürlich sagte sie nichts. Ein „Sicher“ war das einzige, was ihr ein weiteres Mal über die Lippen kam, als der Duccius sich verabschiedete, und nach einigen weiteren Momenten, in denen sie einfach nur da saß und ins Leere starrte, zog sie eine der Wachstafeln heran und begann zu schreiben.


    ~~~


    Sie war noch eine lange Zeit wach gewesen, weniger weil sie so lange gebraucht hatte um die Briefe zu schreiben, sondern weil sie generell spät ins Bett ging. Ihr Schlaf war allerdings wie so häufig eher unruhig, und so dauerte es nicht lang, bis sie wach wurde von dem Klopfen. Zuerst zögerte, weil sie nicht sicher war, was genau sie geweckt hatte... aber als es dann ein weiteres mal klopfte, setzte sie sich schlagartig aufrecht hin. „Ja?“

    Er lebt. Seiana hatte auf etwas mehr gehofft als das. Irgendetwas, irgendeine Aussage darüber, wie es ihrem Bruder ging, irgendetwas woran sie sich klammern konnte. Sie griff wieder nach dem Stylus, den sie zu Anfang des Gesprächs in den Fingern gehabt hatte, begann mit ihm zu spielen, nicht langsam oder nachdenklich, sondern mit nervösen, kleinen Bewegungen, in denen zu viel Druck lag. Wo sie unter normalen Umständen niemals auf diese Weise gezeigt hatte, unter welcher Anspannung sie sich befand, zerrte ihre momentane Lage zu sehr an ihren Nerven, als dass sie sich völlig im Griff gehabt hätte. Und das einzige, was der Duccius ihr gab, war ein: er lebt. Nur das, um sich daran festzuhalten. Zu wenig für ihr angespanntes Nervenkostüm. „Sicher...“ Dass er die Briefe lesen würde, damit hatte sie gerechnet, alles andere wäre verwunderlich gewesen. „Ich werde die Schreiben heute Abend noch aufsetzen.“ Seiana umklammerte den Stylus, als ihr plötzlich bewusst wurde, was sie tat, und sah den Tribun an. „Danke, dass du das möglich machst, Duccius.“

    http://img853.imageshack.us/img853/2552/rheavilica.jpg Rhea war... schockiert, als sie die Casa endlich wieder betrat. Sie hatte ja mit dem Schlimmsten gerechnet – aber dass das Schlimmste so schlimm sein würde, hätte sie dann doch nicht gedacht. Das Haus selbst stand noch, aber das schien so ziemlich das Einzige zu sein, was noch ganz war. Alles andere... Rhea fehlten die Worte. Sie war einfach fassungslos. So lange lebte sie nun schon in diesem Haus, es war ihr Zuhause, und es in diesem Zustand zu sehen, schockierte sie auf einer tieferen Ebene als sie je geahnt hätte. Das Gefühl von Sicherheit, von Geborgenheit, das sie sonst immer gehabt hatte hier, war plötzlich massiv erschüttert. Es war schon die ganze Zeit über im Wanken gewesen, seit die Soldaten aufgetaucht waren und ihnen gezeigt hatten, dass es nichts gab, was sie hätte aufhalten können, und es war nicht besser geworden dadurch, dass sie hatten fliehen müssen vor dem Mob... aber jetzt hierher zurück zu kommen und zu sehen, wie wenig übrig geblieben war, wie wenig Schutz diese Mauern wirklich boten, wenn es hart auf hart kam... zu sehen, wie zerstört ihr Zuhause war... Rhea hatte das Gefühl, dass irgendetwas unwiderruflich zerbrach in ihr durch diesen Anblick.


    Den anderen ging es offenbar ähnlich wie ihr – zumindest schien keiner großartig erpicht darauf sich zu unterhalten. Sie alle standen nur sprachlos da und oder wanderten ebenso sprachlos durch die Casa, starrten auf die Zerstörung, die ihnen begegnete, während vom Vestibulum bereits ein Hämmern zu hören war von den Veteranen, von denen einige die Tür behelfsmäßig ersetzten, während andere die Bewachung des Hauses erneut übernahmen. Letztlich war es dieses Geräusch, das Rhea aus ihrer Trance riss. Es half nichts. Alles Starren, alle Fassungslosigkeit, alles Jammern, das vielleicht später einsetzen mochte, half nichts. Es musste weitergehen. Und sie war die Vilica... es war ihre Verantwortung dafür zu sorgen, dass es irgendwie weiterging. Also versuchte sie, sich zusammenzureißen. Und während die anderen Sklaven sich nach und nach zurückzogen, sich irgendwo verkrochen, um sich gegenseitig zu trösten oder allein zu schlafen, weil in dieser Nacht, nach den Geschehnissen des Tages keiner mehr einen Nerv dafür hatte, jetzt noch mit dem Aufräumen zu beginnen, und ohnehin keiner der Decimi hier war, um das zu bemängeln – während also die übrigen Sklaven sich zurückzogen, blieb Rhea noch bis weit in die Nacht hinein auf, besah sich das Haus, die Zerstörung darin mit einem objektiven Blick, machte sich Notizen, was alles kaputt war, was repariert oder ersetzt werden musste, was am dringendsten zu tun war und was Zeit hatte, bevor auch sie irgendwann ins Bett ging.





    VILICA - GENS DECIMA

    Als der Mob endlich wieder verschwunden war, lag die Casa Decima da, ein großes Haus, schweigend und verlassen. Von außen war kaum zu erkennen, wie zerstört das Innere des Hauses war – nur die zerborstenen Überreste der Porta gaben einen Hinweis darauf. Und so verging zunächst die Zeit, bevor schließlich jemand vorbei sah, der auch tatsächlich Interesse an dem Haus hatte. Ursprünglich war eigentlich geplant gewesen, dass einer der Veteranen das Haus beobachtete für den Fall, dass der Rest es verlassen musste, um feststellen zu können, ab wann man wohl zurückkehren könnte... aber nachdem zuerst ein paar von ihnen von den Soldaten mitgenommen worden waren und sie sich später bei der Flucht zwangsläufig hatten aufteilen müssen, weil die beiden einzigen Römer unter ihren Schützlingen unbedingt woandershin hatten gehen wollen, waren sie zu wenige gewesen, um einen Mann nur dafür abzustellen, ein geplündertes Haus zu beobachten. Also kam erst mit dem Einbruch der Nacht jemand vorbei, nachdem auf den Straßen generell endlich Ruhe eingekehrt war, der nachprüfte, wie es im Haus der Decimi aussah – und als er feststellte, dass auch hier Ruhe herrschte und keiner mehr randalierte, holte er den Rest nach. Wären die Römer bei ihnen gewesen, so hätten sie diese mit ein paar Bewachern zurückgelassen, aber so waren es alle, die noch in dieser Nacht zurückkamen: die Veteranen und die decimischen Sklaven.

    Seiana schloss für einen winzigen Moment die Augen, als der Hinweis kam, dass der Cornelius auch über sie richten würde. Sie wusste das. Sie verdrängte es nur in aller Regel. Sie wollte nicht darüber nachdenken, was möglicherweise mit ihr sein könnte, und ohnehin war sie nicht wichtig.


    Beim darauffolgenden Thema schloss sie erneut die Augen, und diesmal für länger. Natürlich sagte er nein. Eigentlich hatte sie mit nichts anderem gerechnet. Aber was war, wenn das Schlimmste eintrat, wenn Faustus tatsächlich zum Tod verurteilt wurde? Wenn es wirklich dazu kommen sollte, wollte sie ihn wenigstens noch einmal, ein einziges Mal gesehen haben. Und wenn der Cornelius erst mal hier war, würde es vielleicht erst recht nicht mehr möglich sein. Trotzdem nickte sie nur stumm, als die ablehnende Antwort kam. „Wie geht es ihm?“ kam ihr dann nach einem Moment des Schweigens doch noch über die Lippen, bevor sie auf die Sache mit den Briefen einging. „Ich glaube kaum, dass Klienten der Decimi sich derzeit in Rom gerne zu erkennen geben. Aber ich denke dass sicher der ein oder andere aufgetrieben werden kann. Leichter möglich wäre es aber wohl, einen meiner Angestellten zu nehmen. Oder... wirst du Messalina antworten? Dann könnten ihr die Schreiben gebracht werden.“ Dann könnten die Schreiben vielleicht an sie gehen.

    http://img261.imageshack.us/img261/6518/raghnall.png Raghnall schlug ein rasches Tempo an, um so schnell wie möglich sicheres Terrain zu erreichen, und tatsächlich kamen sie gut durch – besser, als er gedacht hätte. Ein paar Mal kamen ihnen irgendwelcher Lärm ziemlich nahe, aber letztlich schafften sie es immer irgendwie noch auszuweichen, so dass sie schließlich unbehelligt den Tempelbezirk erreichten, in dem das Capitolium Vetus lag. Und kaum hatten sie es erreicht, übernahm auf einmal der Senator die Führung, noch bevor Raghnall hätte fragen können wohin sie nun sollten. Wortlos folgte er nun ihm, überholt auch von Álvaro, der dem Senator nicht von der Seite wich, bis sie zu einer einfachen Tür kamen, die der Mann öffnete und durch die sie eintraten. Das hieß: die anderen traten ein. Raghnall wurde aufgehalten, nur um sich einen Auftrag von seinem zwischenzeitlichen Herrn einzufangen, der ihn wieder auf die Straßen Roms schickte. Er hoffte die Decima hatte gewusst, was sie getan hatte... und dass sich das für ihn noch irgendwie auszahlte. Sonderlich scharf darauf, da draußen noch mal das Risiko einzugehen, entweder dem Mob oder irgendwelchen Soldaten in die Hände zu fallen, war er nicht. „Der die Stadt mit den Toten verließ. Wertvollstes Vermächtnis im Weidengeäst“, wiederholte er mit einem Nicken, und wartete dann für einen Moment darauf, dass die eigentliche Nachricht noch kam. Tat sie nicht. Jedenfalls sagte der Senator erst mal nichts mehr. „Ist das alles, Herr?“ vergewisserte er sich noch mal, bevor er wieder los lief.





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

    Immer noch wagte Seiana nicht wirklich, sich einfach so zu entfernen, und deswegen wartete sie, auch als er wieder abzudriften schien. Bis er schließlich wieder auftauchte aus seinen Gedanken... immer noch klar, wie sie mit leiser Erleichterung feststellte. „Danke“, murmelte sie auf seine Worte hin, und diesmal war sie sogar geneigt, ihm zu glauben, auch wenn ihr seine Wünsche nicht viel brachte. Es ging ihr weniger um sich, mehr um ihren Bruder... Sie bemühte sich, sich nicht allzu sehr damit zu beschäftigen. Wenn sie wirklich darüber nachdachte, was sie wohl erwarten mochte, was der Cornelius wohl entscheiden würde, wurde ihre Angst um Faustus zu groß.


    Sie bewegte sich ein bisschen, war doch zu langes Stehen auf der Stelle für ihre Fußsohlen nach wie vor zu unangenehm, und registrierte dann erleichtert, dass er seinen Helm aufsetzte. „Vale, Centurio... Mögen die Götter dich wohlbehalten in deine Heimat bringen“, erwiderte sie seinen Abschiedsgruß, und sah ihm hinterher, als er ging. Sie wurde nicht schlau aus dem, was da gerade passiert war. Aus dem, was sie da gerade mit dem Mann erlebt hatte... Irgendetwas schien da zu sein, irgendetwas belastete ihn, und das so sehr, dass er ihr innerhalb kürzester Zeit zwei völlig unterschiedliche Seiten gezeigt hatte – drei, wenn man bedachte wie er sich nun hielt, kaum dass er den Helm wieder angezogen hatte und davon marschierte. Und auch wenn sie letzteres für normal hielt, dass Soldaten sich durchaus anders benahmen, je nachdem ob sie nun privat oder offiziell verkehrten – ersteres war es ganz sicher nicht. Er war so... wirr gewesen. So sehr, dass sie sich nach wie vor nicht sicher war, ob er nicht vielleicht doch verrückt war. Und auch wenn das nicht ihr Problem war, schon gar nicht mehr seit er nun gegangen war, hing ihr dieses kurze Gespräch doch noch ein wenig nach, als sie sich wieder umwandte und von ihren Wachhunden zurück zu ihrem Zimmer bringen ließ.

    Seiana zog erleichtert ihre Hand zurück, als der Centurio sie losließ, und musterte ihn weiterhin verwirrt. Für einen Augenblick befürchtete sie ernsthaft, ob er nun gleich tot umfallen würde. Hin und wieder passierte das... Menschen bekamen Schmerzen in der Brust und starben. Nur hoffentlich, hoffentlich geschah das nicht jetzt diesem Mann. Am Ende würde ihr noch die Schuld gegeben dafür, wenn der Verrückte neben ihr starb, während er mit ihr redete. Gar nicht zu reden davon, dass man das wohl als ziemlich schlechtes Omen werten konnte – als würde es ihr und ihrer Familie zur Zeit nicht schon schlecht genug gehen.


    Dann allerdings änderte sich etwas in der Haltung des Centurios. Er schauderte kurz, bevor er sich umsah und schließlich aufstand, und von einem Moment zum anderen schien er ein anderer zu sein. Wesentlich klarer nun. Nicht mehr so... verrückt. Seiana war dieser plötzliche Wechsel fast genauso wenig geheuer wie es sein voriges Verhalten gewesen war, und sie traute dem auch nicht so ganz... aber immerhin wirkte er jetzt halbwegs normal, und wenn es so blieb, würde sie sich ganz sicher nicht beschweren. Sie erhob sich ebenfalls, kaum dass er aufgestanden war, und nutzte die Gelegenheit, unauffällig einen Schritt zurückzutreten, ein bisschen Distanz zwischen ihn und sich selbst zu bringen. „Das werde ich sehen, wenn Cornelius in Rom eintrifft, Centurio. Er entscheidet“, antwortete sie, ohne einen Grund dafür zu liefern, warum sie nicht wie die meisten anderen Gefangenen in einer Zelle im Carcer sitzen musste.

    Seiana legte das Schriftstück auf den Tisch, sagte aber nichts weiter dazu. Aus den Worten des Duccius schloss sie, dass er nicht vorhatte, Varenus nun wieder schlechter zu behandeln wegen dieses Briefs, und das genügte ihr. Hätte er wirklich vorgehabt, ihn freizulassen, hätte er das wohl schon bei ihrem letzten Gespräch gesagt – jetzt noch mal danach fragen würde sie sicher nicht. Zumal ihr in erster Linie daran lag, das Wohlwollen des Duccius für Faustus aufzuheben. Anders als Messalina, die zwar die übrigen gefangenen Decimi erwähnte, aber mit keinem Wort nach ihrem Wohlergehen fragte, dachte Seiana zwar an ihre übrigen Verwandten – aber wer ihr am wichtigsten war, war ihr Bruder. Und sie wollte, dass der Duccius sich für Faustus einsetzte, wenn es irgend möglich war. Varenus mochte keine angenehme Zeit im Carcer haben, aber er war nur ein kleines Licht, sie war sich sicher, dass er freigelassen werden würde, wenn der Cornelius erst einmal in Rom war – die Frage war nur, wie sehr seine Karriere beschädigt sein würde. Faustus dagegen... das war etwas völlig anderes. Wenn es ganz schlecht lief, drohte ihm das Todesurteil. Er konnte alles brauchen, was auch immer ihr zur Verfügung stand, um es zu seinen Gunsten in die Waagschale zu werfen.


    „Dann wird sie sich damit abfinden müssen, dass ihr Vater vorerst nicht frei kommt“, erwiderte sie nur und schwieg einen Moment, bevor sie beschloss, die Gelegenheit zu nutzen, wo der Tribun nun schon bei ihr war. „Ich hätte ebenfalls eine Bitte an dich... das heißt, eigentlich zwei.“ Wobei sie allerdings stark davon ausging, dass er zumindest die zweite ablehnen würde. „Ich würde gerne meiner Familie schreiben, in Rom und in Tarraco, wenn du nichts dagegen hast. Und ich...“ Sie räusperte sich. „Gibt es eine Möglichkeit, dass ich meinen Bruder sehen kann?“

    „Nein“, antwortete Seiana leise. Sie war kein Soldat. Sie war auch noch nie in Germanien oder am Danuvius gewesen. Natürlich nicht. Und sie hatte in diesem Moment auch nicht daran gedacht, wie es in den Provinzen wohl weiter gehen würde, nachdem der Bürgerkrieg erst mal beendet war – sie hatte einfach nur irgendetwas sagen wollen, was den Mann neben ihr einigermaßen bei Laune hielt. Aber irgendwie schien sie nicht so ganz den richtigen Ton oder das richtige Thema getroffen zu haben, oder beides. Nur: was sollte sie nun darauf sagen? Es kam wohl kaum in Frage mit ihm nun darüber zu diskutieren, wer Schuld war an diesem verdammten Bürgerkrieg. Wer im Unrecht war, und damit von vornherein erst gar keinen Krieg hätte anzetteln dürfen. Und darauf hinzuweisen, dass es ganz gewiss nicht sie gewesen war, die damit zu tun gehabt hatte, war auch müßig... genauso wie die Tatsache, dass er wohl nicht zu den Legionen hätte gehen dürfen, schon gar nicht in Germania, wenn ihm ein Krieg schon so die Sinne verwirrte. „Aber der größte Teil meiner Familie besteht aus Soldaten“, fügte sie schließlich, fast noch leiser, hinzu. Allein durch ihre Verwandten hatte sie genug mitbekommen, um doch zumindest in etwas zu wissen, wovon sie sprach.


    Als er sich dann plötzlich wieder an die Brust fasste und diese rieb, sah Seiana, nun etwas verwirrt, zu ihm hinüber. „Was ist?“ fragte sie unwillkürlich, und zum ersten Mal seit sie den Centurio gesehen hatte ohne allzu ausführlich darüber nachzudenken, wie sie wohl am besten reagieren sollte.

    Und wieder redete er und redete auf ihre wenigen Worte hin. Aber so lange er redete, kam ihm wenigstens nichts anderes in den Sinn... mit Reden konnte sie ihn vielleicht bei Laune halten, genug, dass sie irgendwann einfach gehen konnte. Sie saß weiter einfach da, in sehr gerader, aufrechter Haltung, und hörte ihm zu. Sie hatte schon andere Dinge durchgestanden. Sie würde einfach sitzen bleiben... ruhig bleiben. Trotzdem warf sie erneut den beiden Soldaten einen flüchtigen Blick zu und überlegte kurz, ob sie wohl schnell genug sein würden, sollte der Centurio seinen Dolch doch wieder ziehen.
    Nebenbei allerdings hörte sie doch auch tatsächlich zu – und begriff nach und nach, dass er scheinbar in irgendeiner Form traumatisiert war. Soldat, im Krieg, sein erster vermutlich, wenn sie sich ansah wie jung er noch war. Seiana musste an die wenigen Male denken, bei denen sie mit Faustus über seine Kriegserlebnisse gesprochen hatte. Faustus. Der auch irgendwo hier war, ganz in ihrer Nähe eigentlich – und doch so unerreichbar war für sie, dass er genauso gut in Syria sein könnte.
    Sie wurde erneut abgelenkt, als der Centurio ihre Hand fester griff und wieder etwas fragte. Nimmst du meine Entschuldigung an... Genau genommen hatte er sich gar nicht entschuldigt, aber Seiana hielt es für keine gute Idee, jetzt auf solcherlei Spitzfindigkeiten zu bestehen. Oder gar abzulehnen. „Sicher“, hörte sie sich also antworten, und presste dann die Lippen aufeinander, weil es nicht mal in ihren eigenen Ohren glaubwürdig klang. Gut gemacht. So besänftigte man einen Verrückten, der mit den Erlebnissen des Kriegs nicht klar kam und sich scheinbar nach Vergebung sehnte. „Im Krieg gelten andere Regeln“, fügte sie hinzu, bemüht, besänftigend zu klingen, auch wenn sie die Steifheit nicht los wurde. „Aber dieser ist nun vorbei. Du wirst sicher bald heimkehren können.“