„Seiana“, verbesserte sie ihn leise, und blieb im Übrigen steif sitzen. Verrückt, schoss es ihr durch den Kopf. Der Mann neben ihr war verrückt. Sie begriff nur die Hälfte von dem, was er von sich gab, und selbst das klang wirr und zusammenhanglos. Und wie er den Griff des Dolchs massierte... Seiana wünschte sich in diesem Augenblick überallhin, sogar in den Carcer – nur weg von ihm. Sie fühlte sich ganz definitiv nicht wohl dabei, hier so nah bei einem Verrückten zu sitzen, und das hätte sie wohl auch nicht, wenn es ihr gut gegangen wäre. Flüchtig sah sie zu den beiden Milites, die sie als ständige Wachhunde begleiteten, aber die hatten nur in der Nähe Aufstellung bezogen und warteten mit ausdruckslosem Gesicht darauf, dass sie sich wieder rührte und woanders hinging – um ihr dann nachzutrotten.
Noch während sie dorthin sah, bewegte sich der Centurio neben ihr urplötzlich, der Dolch blitzte auf, und Seiana konnte ein ganz leichtes Zusammenzucken nicht unterdrücken – aber er ging nicht etwa mit der Waffe auf sie los, wie sie halb und halb erwartet hatte, sondern steckte sie nur weg. Und griff dann, schneller als sie reagieren konnte, nach ihrer Hand. Seiana erstarrte erneut, wagte es nicht, ihre Hand aus seiner zu ziehen, obwohl sie das eigentlich am liebsten getan hätte, und obwohl er sie nicht einmal allzu fest hielt. Der Mann machte ihr Angst, und mittlerweile war es nicht mehr einfach nur die Erinnerung an sein vergangenes Verhalten, mittlerweile war es sein Verhalten jetzt, das Grund dafür gab. Wie um alles in der Welt ging man mit einem Verrückten um? „Ich... weiß es nicht“, antwortete sie zögerlich auf die Frage, die er dann am Schluss stellte, auch wenn sie sich nicht so sicher war, ob er sie tatsächlich ihr gestellt hatte. Aber einfach nur schweigend da zu sitzen erschien ihr auch keine gute Alternative, nicht wenn da ein Verrückter neben ihr saß, der womöglich auf eine Reaktion wartete. „Du solltest dich vielleicht ausruhen.“