Seiana nickte wortlos bei seiner Zusammenfassung, und dann, noch bevor sie etwas sagen konnte, verschwand der Duccius auch schon. Müde und zumindest in der Hinsicht erleichtert, dass sie sich endlich setzen konnte, ging sie zu dem Stuhl und ließ sich mit einem lautlosen Seufzen nieder. Erst dann fiel ihr auf, dass sie ihn gar nicht gefragt hatte, ob irgendeine Chance bestand, dass sie Faustus besuchen konnte. Oder wenigstens Briefe schreiben... einen, zumindest, an ihre Familie. Unwillkürlich rieb sie sich erneut über die Stirn, und plötzlich spürte sie wieder Tränen aufsteigen, Tränen, die sie um jeden Preis zu unterdrücken versuchte. Es zehrte alles so an ihren Nerven, die Erschöpfung, die immer noch so schnell von ihr Besitz ergriff, die Leere, die Gefangenschaft... auch wenn sie nicht mehr im Carcer saß, sie konnte noch nicht einmal einen Fuß vor den anderen setzen in dieser Castra, ohne dass sie auf Schritt und Tritt begleitet wurde. Das Schlimmste aber war: sie fühlte sich so unglaublich hilflos. Es gab nichts, was sie tun konnte. Nichts, außer sich darauf zu verlassen, dass der Duccius ihnen helfen würde... und darauf zu hoffen, dass Cornelius von einem anderen Kaliber war als Vescularius.
~~~
Erneut vergingen einige Tage, in denen Seiana sich daran gesetzt hatte sich weiter mit der Schola auseinander zu setzen – und im Übrigen versucht hatte, nicht daran zu denken, in welcher Lage sie sich befand. Tag für Tag wurde das tatsächlich leichter... man gewöhnte sich an so ziemlich alles, wenn es nur lang genug dauerte. Sie hatte immer noch Phasen, in denen sie das Gefühl hatte dass alles über ihr zusammenbrach, aber diese wurden doch etwas seltener, und sie nahmen auch in ihrer Intensität ab – auch wenn sie sich nach wie vor bewusst darüber war, wie düster ihre Lage war, blieben die Phasen nach und nach aus, in denen ihr alles völlig hoffnungslos zu sein schien.
„Herein“, murmelte sie nebenbei und sah auf, als es klopfte und sich die Tür gleich darauf öffnete. Kein Soldat, der ihr irgendeinen Befehl hinknallte... aber auch keiner der Sklaven, die das Essen oder sonst etwas brachten. Ein neuer Sklave war es, einen, den Seiana noch nicht kannte. Sie lehnte sich zurück und musterte ihn, darauf wartend, dass er sagte weswegen genau er hier war. Dann allerdings passierte etwas, was sie völlig perplex zurückließ. Der Mann tickte aus. Seiana wusste nicht genau, was er genommen hatte, oder wen er in ihr sah... aber er tickte völlig aus. „Ich habe nicht vor...“ versuchte sie seine Tirade zu unterbrechen, stand auf – was scheinbar ein Fehler war –, hob dann die Hände in der unwillkürlichen Geste, die zeigte dass sie nichts Böses wollte – was auch nicht half –, und blieb schließlich einfach nur verblüfft stehen, als der Sklave davon rannte, als seien alle Furien hinter ihm her. Nach einem Moment – sie konnte ihn immer noch schreien hören – ging sie zur Tür. „Was war das denn?“ fragte sie den Soldaten, der davor Wache hielt.