Beiträge von Decima Seiana

    Seiana hatte einen langen Tag hinter sich, als sie die Via Appia schließlich erreichte und auf das Grabmal der Iunier zuhielt. Es war früher Abend... der Mond war bereits zu sehen, schwach leuchtend stand er am immer noch hellen Abendhimmel. Erhalten hatte sie das Gedicht bereits am Morgen, und noch am Vormittag hatte sie die Acta verlassen. Wenn sie abends noch unterwegs war, brauchte sie eine gute Begründung... und sie hätte sich auch dann eine einfallen lassen, wenn ihr Mann ihr nicht von seinem Verdacht, seinem Misstrauen mitgeteilt hätte.
    Entsprechend hatte sie heute sämtliche ihrer in Rom ansässigen Betriebe und Güter besichtigt, eine unangekündigte Überprüfung, ob auch alles seinen rechten Gang ging und die Bediensteten vernünftig arbeiteten. Das war etwas, was sie in den vergangenen Jahren bereits hin und wieder getan hatte. Es trieb die Untergebenen an, wenn sie damit rechnen mussten, dass sie jederzeit im Raum stehen könnte. Und gerade in dieser Zeit bot sich ein solcher Besuch noch viel mehr an, weil die Unruhe, der drohende Bürgerkrieg und die damit verbundenen Schwierigkeiten bei Lieferung und Geschäft manchen vielleicht dazu verleiten mochte, es nicht ganz so genau zu nehmen... mit der Arbeit, den Produkten, den Finanzen. Der Vorteil war: sie hatte solche Besuche selbst in ihrem Sklavenkreis nie groß angekündigt, nur unter ihren Vertrauten, um zu vermeiden, dass jene in den Geschäften gewarnt wurden – weil es Solidarität gab unter Sklaven, und in manchen Fällen Freundschaften. Insofern war es nicht verwunderlich, dass sie dafür von ihrem sonst in der Regel durchgeplanten Tagesablauf abwich, ohne das groß erzählt zu haben... und die Vertrauten unter ihren Sklaven würden genau das weiter geben: dass sie vorher davon gewusst hatten. Und weil sie dieses Vorhaben zwangsläufig bis nach Ostia führte, wo ihr Fernhandel seinen Hauptsitz hatte, war auch erklärt, falls sie über Nacht nicht zurückkam. Aber mit ein bisschen Glück fiel es ihr Mann überhaupt nicht auf, dass sie erst spät heimkommen würde, oder erst morgen... es kam nicht gerade selten vor, dass sie sich tagelang nicht sahen, weil zumindest ihr Alltag nach wie vor mit viel Arbeit angefüllt war.


    Sie zögerte ein wenig, als sie das Familiengrab der Iunier schließlich erreicht hatte – entschied sich aber dann dagegen, gleich hineinzugehen. Es konnte immer noch sein, dass sie falsch gelegen hatte mit ihrer Interpretation. Falls niemand da war, war das kein Problem, aber sie würde in Erklärungsnöte kommen, wenn jemand anders gerade da war und sie sah. Sie winkte einen ihrer Leibwächter heran – Bran, der eine recht... eigene Art hatte, oder besser gesagt: reichlich unverschämt war, und damit ziemlich ungeeignet, irgendwelche Aufgaben zu übernehmen, die in irgendeiner Form höflichen Kontakt mit anderen Leuten erforderte. Was aber auch hieß, dass er in der Regel immer im Hintergrund blieb und sein Gesicht kaum direkt mit ihr in Verbindung zu bringen war, wenn er irgendwo allein gesehen wurde, anders als Álvaro. Bran war es also, der zuerst die Grabstätte der Iunier betrat und sich vorsichtig umzusehen begann.

    Ad Auctrix
    Acta Diurna
    Roma


    Gedicht an die schöne Helena


    Sieh zu schöne Helena,
    denn Paris sehnt sich nach deiner Anmut.
    Entflieh den Fängen des Menelaos,
    und mache dich auf die Reise während Helios bereits Selene in seinem Rücken wähnt.
    Dort sollst du ihn treffen, deinen Geliebten,
    wo auf Lorbeerkränzen gebettet, Iuno mit der Macht des Iuppiter über ihre Nachfahren wacht.


    Ampius I turius Senecio


    Als Seiana das Gedicht angefangen hatte zu lesen, hatte sie sich im allerersten Moment nichts gedacht, und war schon dabei es wieder wegzulegen und in die Redaktion zu geben – wo es vermutlich einfach aussortiert werden würde. Dann allerdings erstarrte sie. Achte auf die Acta-Post in nächster Zeit, hallte es durch ihren Kopf. Zögernd zog sie ihre Hand zurück, die die Nachricht hielt und schon über dem Ablagestapel schwebte, lehnte sich zurück und begann das Gedicht nun doch zu lesen. Einmal. Zweimal. Ein drittes Mal. Der Name am Schluss, die Initialen, dazu sein Hinweis bei ihrem letzten Treffen... so vorsichtig und misstrauisch Seiana für gewöhnlich war, sogar sie bezweifelte, dass das hier ein Zufall war.
    Ein Kribbeln breitete sich in ihrem Körper aus. Ein Gedicht. Er hatte ihr ein Gedicht geschrieben. Und wie passend war der Vergleich darin... Sie fand es zwar verwegen, dass er sie damit ausgerechnet mit Helena gleichsetzte, aber davon abgesehen schien es wie auf sie zugeschneidert zu sein, Paris, Helena, Menelaos. Ihre Finger strichen zart über den Brief, als wäre es Senecas warme, lebendige Haut unter ihren Kuppen und nicht das tote Material. Sie war traurig und erfreut zugleich, war gerührt über das, was er geschrieben hatte und wie, sehnte sich nach ihm und spürte doch auch wieder das schlechte Gewissen... und das Wissen um die Trostlosigkeit dessen, was sie hatten, weil sie keinen Weg für sie sah, keine Zukunft. Und trotzdem stand es außer Frage, dass sie sich mit ihm treffen würde. Sie konnte nicht dagegen anreden, dass es riskant war und falsch. Zumal sie inzwischen wusste, dass ihr Mann misstrauisch war, dass irgendjemand ihm etwas erzählt hatte... und Seiana war sich sehr sicher, wer das gewesen war. Sie hatte Raghnall und noch ein paar andere beauftragt, sich eingehend umzuhören, aber niemand hatte etwas von irgendwelchen Gerüchten über eine angebliche Untreue von ihr gehört. Jede Menge anderer Gerüchte, Wertungen, Urteile über sie – aber nicht darüber, dass sie ihren Mann betrog. Die Iunia hatte also tatsächlich wahr gemacht, was sie gedroht hatte... Aber Seiana hatte im Grunde nie daran gezweifelt, dass sie es tun würde. Sie hatte schon einmal ihr gesellschaftliches Leben zerstört. Und nachdem die Iunia selbst dafür gesorgt hatte, dass Seiana endlich die Augen öffnete und nach keinen Entschuldigungen mehr dafür suchte, was damals mit Archias geschehen war, war ihr auch bewusst, dass die falsche Schlange schon damals mit voller Absicht gehandelt hatte. Allein ihr Verhalten bei der Cena, zu der ihr heutiger Ehemann geladen hatte, wie sie sich an Archias heran gemacht hatte, obwohl dieser damals noch offiziell mit ihr verlobt war, ohne auch nur einen Funken von Schamgefühl, und was sie dann noch getan hatte – was Seiana am liebsten vergessen hätte –, hätte ihr eigentlich schon die Augen öffnen müssen. Aber besser spät als nie... so lange es nur nicht zu spät war.


    Trotz alledem hatte sie aber auch keinen Zweifel daran, dass das, was sie mit Seneca hatte, auf verquere Art zugleich richtig war. Dass es gut war. Was konnte es sonst sein, wenn allein die Aussicht auf ein Treffen sie so freute? Wenn allein seine Gegenwart sie einfach glücklich sein ließ und mit einer Ruhe füllte, die sie sonst nie empfand? Sie würde ihn wiedertreffen. Sie konnte gar nicht anders.
    Wieder glitten ihre Finger über den Brief, während sie ihn ein weiteres Mal las, eingehend, die Hinweise betrachtend. Sie konnte keinen entdecken, welchen Tag er meinte... und über den Ort war sie sich nicht ganz sicher. Aber sie verstieß ohnehin gegen sämtliche Regeln, die sie sich selbst immer auferlegt hatte, was spielte es da schon für eine Rolle, noch ein Risiko einzugehen. Was sollte schon passieren, außer dass sie enttäuscht sein würde, wenn sie falsch lag... es war besser als hier zu bleiben und sicher enttäuscht zu sein. Also rief sie nach ihrem Leibwächter, gab ein paar Anweisungen... und verließ nach einiger Zeit die Acta wieder.

    Zitat

    Original von Appius Terentius Cyprianus
    Appius winkte resignierend ab. Rausfinden würde er hier wohl nichts. Da mußte er andere Quellen auftun:"Nun gut ich denke so kommen wir nicht weiter. Ich werde versuchen rauszufinden, wer diese gerüchte in die Welt gesetzt hat. Ich meine wenn du tatsächlich unschuldig bist, dann wird sich dies alles schon aufklären."


    Zu sagen Seiana hätte ein ungutes Gefühl bei der Sache, wäre massiv untertrieben gewesen. Ihr Mann reagierte kaum auf das, was sagte, er schien sich ihre Worte nicht einmal wirklich durch den Kopf gehen zu lassen. So kommen wir nicht weiter. Ich werde versuchen rauszufinden, wer diese Gerüchte in die Welt gesetzt hat. Wenn du tatsächlich unschuldig bist... Wenn du tatsächlich unschuldig bist. Es klang, als hielte er es eigentlich nicht für möglich, dass ihr da nur jemand böswillig schaden wollte – ihr, ihrer Familie oder ihm. Oder dachte sie das nur, weil sie nun mal einfach nicht unschuldig war? „Ja, das wird es“, antwortete sie mit einer Überzeugung, die sie nicht empfand. „Und ich schlage vor du beginnst mit der Person, von der du diese Gerüchte überhaupt hast. Allzu weit können sie nicht gestreut sein, sonst hätte ich auch schon davon gehört.“ Immerhin war sie Auctrix... sie hörte jede Menge Gerüchte, es gehörte zur Acta dazu, sich damit zu befassen. Und was über sie erzählt wurde, interessierte sie dabei in der Regel deutlich mehr als die meisten von den Dingen, die sonst so herein flatterten.

    Ion, der Türsklave, nahm die Post wie stets entgegen... und wie stets sortierte er vor, was wohin kam: allgemein in die Redaktion, speziell für den ein oder anderen Mitarbeiter... und manche direkt für die Auctrix. Entsprechend brachte er die Briefe, Wachstafeln und Schriftrollen zu ihren jeweiligen Empfängern. Mit der Post für die Auctrix landete also auch das Gedicht bei Seiana auf dem Schreibtisch, wo sie es schließlich, nach einigen anderen Briefen, die direkt an sie adressiert waren, schließlich las.

    Als Seneca wiederholte, dass er sich Sorgen mache, dass sie in Sicherheit wissen wolle, nickte Seiana nur leicht, bevor sie ihn umarmte. Sie wollte einfach nicht daran denken, welche Gefahr drohte, auch wenn ihr klar war, dass es dumm war, das Ganze einfach zu verdrängen. Aber sie verließ sich einfach darauf, dass sie noch Zeit hatte... und dass Faustus ihr tatsächlich Bescheid geben würde, wenn es zu brenzlig wurde. Und sie war gut im Verdrängen... sie verdrängte noch viel mehr als nur den aufziehenden Bürgerkrieg. Dass sie schwanger war, um nur ein Beispiel zu nennen... Seiana lenkte ihre Gedanken vehement in eine andere Richtung, und Seneca half ihr dabei ziemlich effektiv, indem er sie küsste. Als seine Lippen dann zu ihrem Ohr wanderten, erschauerte sie kurz, und als er zu sprechen begann, blieb ihr die Luft weg. Geliebte. Geliebte. Das Wort sickerte wie süßer, warmer Honig durch sie hindurch und ließ sie erneut leicht schauern. Sie konnte es nicht fassen, immer noch nicht, vielleicht nie, was da zwischen ihnen war. Ihre Lippen verzogen sich zu einem sachten Lächeln, das allerdings bald wieder schwand. Wieder war da der Anflug von schlechtem Gewissen, von dem Bewusstsein, dass es falsch war, und davon, dass es riskant war... zu riskant, möglicherweise. Sie sollte ablehnen, ihm sagen, dass es besser war sich nicht mehr zu treffen, ihn drängen vorsichtig zu sein... aber was machte sie dann hier in seinen Armen? Sie wusste, dass es das Richtige wäre das hier zu beenden, nach den Regeln von Gesellschaft, Moral, Ehre... und ihrer und seiner Sicherheit. Aber sie brachte es nicht über sich. Seneca war das Beste, was ihr seit langem, wenn nicht je passiert war. Sie brachte es einfach nicht fertig, ihn aufzugeben. „Ich dich auch“, antwortete sie also nur leise und schmiegte sich für einen Moment noch ein wenig enger an ihn, bevor sie fortfuhr: „Adressier es an mich direkt... dann landet es ohne Umwege auf meinem Schreibtisch.“ Botschaften, die an den Auctor direkt gingen, wurden von keinem anderen gelesen, das war schon vor ihrer Zeit an der Spitze der Acta so üblich gewesen.


    Dann begann er auch schon sich von ihr zu lösen. Und Seiana war wieder einmal überrascht, wie weh ihr das tat, wie wenig sie ihn gehen lassen wollte, wie sehr sie sich wünschte, einfach nur mehr Zeit mit ihm zu haben. „Ja, du hast Recht.“ Seiana lächelte traurig und klammerte sich an den Gedanken, dass sie sich vielleicht, hoffentlich, bald wieder sehen würden. „Raghnall wird dich durch das Haus begleiten.“ Sie neigte sich nach vorn, suchte noch einmal die Nähe zu ihm, küsste ihn, bevor sie ihn endgültig losließ und einen Schritt zurück machte. „Pass auf dich auf.“


    Nur kurze Zeit später brachte der gallische Sklave den Prätorianer durch die Casa Decima nach draußen – wobei er diesmal den Weg durch den Sklaventrakt nahm und ihn an der Seitenpforte hinausließ, die für Bedienstete und Lieferungen gedacht war und in eine kleine, unauffällige Seitenstraße hinausführte. Seiana unterdessen blieb, wo sie war... sie würde noch einmal zu ihrem Bruder gehen müssen, würde ihm Rede und Antwort stehen müssen, aber im Moment fühlte sie sich dazu nicht imstande. Sie sehnte sich nach Seneca, eine Sehnsucht, die weh tat, umso mehr, da sie keinen Weg sah, wie sie damit umgehen sollte. Dazu kamen die ganzen Schwierigkeiten, die sich auftaten. Die Iunia, die eine Gefahr darstellte, die Seiana immer noch nicht gebannt sah, die Schwangerschaft, und schließlich auch der Bürgerkrieg. Sie ließ sich auf die Bank sinken, die in der Diana-Laube stand, verbarg ihr Gesicht in den Händen und kämpfte, zum ersten Mal seit langem, gegen Tränen an, die aufstiegen.



    Sim-Off:

    Mag wer?

    Seiana schloss für einen Moment die Augen und versuchte, versuchte wirklich, ihm zu glauben. Ihm zu vertrauen. Das Problem war nur: sie traute ihr nicht. Und sie hielt es durchaus für möglich, dass die Iunia ihrem Verwandten einfach etwas vorgemacht hatte – und weiter vormachen würde –, um ihre Ziele zu erreichen. Aber was blieb ihr schon, außer trotz aller Unsicherheit einfach darauf zu vertrauen, dass Seneca sich schon darum kümmern würde? Dass er sie schützen würde? Nichts. Nach dem heutigen Intermezzo in der Casa Pompeia ging sie davon aus, dass ein Gespräch zwischen ihr und der Lecttrix ohnehin scheitern würde, weil die Iunia gar nicht wollte, dass sie sich einig wurden... und sonst fiel ihr nichts ein, was sie selbst noch hätte unternehmen können. Außer tatsächlich gegen die Iunia vorzugehen... zu versuchen, sie zum Schweigen zu bringen, indem sie etwas fand, was sie gegen sie verwenden konnte, ob nun erfunden oder nicht. Aber da hatte Seiana Hemmungen... wegen Seneca.


    Der gerade davon sprach, dass auch sie Rom verlassen sollte. Es rührte sie, dass er sich Sorgen um sie machte, sie fand es immer noch... so unglaublich, dass Seneca... dass er... nun, so zu ihr stand wie er es tat. Trotzdem fand sie den Gedanken, Rom wieder verlassen zu müssen, nicht im Mindesten erbaulich. Der Tag, die Nacht, in der Seneca dort gewesen war bei ihrem letzten Aufenthalt in den Albaner Bergen, waren mit Abstand das Beste gewesen, was sie erlebt hatte... aber der Rest dort war bestenfalls halbwegs erträglich gewesen. Die Einsamkeit, die dort noch schlimmer war als in Rom, der Mangel an sinnvoller Beschäftigung und Konversation und ganz generell Ablenkung... sie fand allein den Gedanken daran schon furchtbar. Und obwohl Seiana durchaus in der Lage war, einigermaßen realistisch einzuschätzen, welche Gefahr Rom drohen konnte: sie wollte es nicht wahrhaben. Sie wollte einfach nicht, weil es nur den einen Schluss zuließ, dass verschwinden sollte, wer konnte, und je eher desto besser. Also verdrängte sie ihre Furcht davor, dass der Bürgerkrieg tatsächlich Rom erreichen könnte, und davor, was geschehen könnte falls er es tat... und vor allem davor, was passieren würde, wenn die Rebellen gewannen und die Decimer nicht rechtzeitig die Seite wechselten. Oder Faustus sogar noch irgendetwas unglaublich Heroisches... und zugleich unglaublich Dummes tun würde, weil er daran glaubte, dass Salinator zu Recht Kaiser war und sich den Rebellen nicht unterwerfen würde. Nein... daran wollte sie einfach nicht denken. „Ich denke ich werde es rechtzeitig erfahren, wenn es hier wirklich zu gefährlich werden sollte“, erwiderte sie, ohne dabei zu versprechen, dass sie gehen würde. „Mein Bruder kümmert sich um meine Sicherheit. Mach dir um mich keine Sorgen.“ Ihr Bruder. Der schon wieder in irgendeinen Krieg hineingezogen werden würde, um den sie schon wieder Angst würde ausstehen müssen. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass es jetzt noch jemanden gab, der ihr so viel bedeutete... Seiana presste die Lippen aufeinander und schob die Gedanken daran weg, dass jemand kommen könnte – wozu hatte sie immerhin Raghnall befohlen, Wache zu halten? –, überbrückte den letzten Schritt und umarmte Seneca, schmiegte sich an ihn. „Pass nur auf dich auf.“

    Seiana verkniff sich einen Kommentar darüber, was ihre Meinung dazu war, ob das nun die Art der Iunia war oder nicht. Es würde wenig Sinn machen, und im schlimmsten Fall zu einem Streit mit Seneca führen. Sie wusste nicht warum, aber sie wusste dass er seine Cousine liebte... während sie mittlerweile nicht mehr weit von Verachtung war. Es konnte gar nicht gut gehen, wenn sie wirklich über Axilla zu sprechen begannen.


    „Nicht dass ich wüsste“, antwortete sie leise. Ihre Unruhe wurde nicht gerade nicht unbedingt besser, fiel ihr doch durchaus auf, dass er immer noch keine Antwort gab auf ihre Frage, dass er ihr nicht sagte, er hätte dafür gesorgt, dass seine Verwandte den Mund hielt. „Selbst mein Bruder weiß nichts... ich habe ihm nur gesagt, dass es Probleme mit Iunia Axilla gibt, und dass du mir einen Gefallen schulden würdest. Die einzige, die Bescheid weiß, ist deine Verwandte.“ Seiana biss sich auf die Lippen, als sie merkte, dass sie einen winzigen Vorwurf im Klang ihrer Stimme nicht unterdrücken konnte. Warum um alles in der Welt hatte er nur ausgerechnet die Iunia einweihen müssen... sie hatte doch auch nicht mit Faustus gesprochen. So sehr sie sich bemühte, diese Gedanken ein für alle Mal aus ihrem Kopf zu verbannen, jedes Mal, wenn sie wieder daran dachte, haderte sie auch wieder damit, dass Seneca nicht jedes Risiko gemieden hatte... dass er nicht einfach geschwiegen hatte.
    Mehr um abzulenken, fügte sie noch an: „Sonst hätte niemand etwas merken können. Woher auch, wir... haben uns ja nicht getroffen.“ Jetzt klang etwas wie Sehnsucht in ihrer Stimme durch, Sehnsucht nach ihm. Sie legte eine Hand auf seine Wange und strich mit dem Daumen darüber, über seine Haut, seine Lippen, und ertappte sich bei dem Wunsch, sich einfach an ihn zu lehnen, ihn zu küssen, seine Wärme zu spüren und mehr. Ihre Lippen öffneten sich leicht, aber nach einem Augenblick seufzte sie nur ganz leise. Da stand noch etwas aus. „Seneca... bist du sicher, was sie betrifft? Hast du dafür gesorgt, dass sie nichts sagt?“

    Sie war sich da ganz und gar nicht sicher, dass die Iunia nichts sagen würde. Seiana wusste nicht warum, aber Senecas Cousine hasste sie – sie hatte lange gebraucht, um sich das zu einzugestehen, hatte lange versucht einfach zu ignorieren, was in der Vergangenheit passiert war, was sie ihr angetan hatte, aber das war nun vorbei. Axillas Verhalten ihr gegenüber bei ihrem letzten Aufeinandertreffen hatte Seiana, endlich, die Augen geöffnet... die Iunia hasste sie. Und der heutige Vorfall hatte sie nur darin bestätigt – und darin, dass sie gar nicht misstrauisch genug sein konnte.


    Seiana sagte allerdings nicht auf diesen Kommentar, weil Seneca gleich darauf ihre Lippen mit seinen berührte, und sie konnte nicht anders, als den Kuss zu erwidern, auch wenn irgendwo in ihrem Hinterkopf etwas versuchte darauf zu beharren, dass das eine schlechte Idee war – nicht nur, weil sie in der Casa Decima waren, wenn auch an einem ungestörten Ort, sondern auch, weil das Thema zu drängend war. Aber sie hatte ihn so lange nicht gesehen... so lange nicht gespürt. Sie war gut darin, meistens, die Sehnsucht zu unterdrücken, einfach weil sie generell gut darin war, sich und ihre Emotionen zu kontrollieren, aber jetzt, wo er bei ihr war, wollte ihr das einfach nicht so gut gelingen. Sie blieb mit ihrer Wange an seiner, auch als sich ihre Lippen voneinander gelöst hatten, und erst, als er noch etwas anfügte, brachte sie wieder etwas Abstand zwischen ihn und sich und sah ihn an, ein wenig verblüfft, während sie eine Augenbraue leicht anhob. „Geschehen? Reicht es nicht wenn ich sage, dass sie offensichtlich ein Gespräch mit mir meidet, und das obwohl sie meine Mitarbeiterin ist?“ fragte sie zurück. „Sie war zu Hause. Ihr Mann hatte mich sogar zur Cena eingeladen – und hat mich zuerst eine halbe Ewigkeit ohne jede Begründung warten lassen, um mich dann hinauszuwerfen, und warum? Weil er angeblich kurzfristig in die Kanzlei musste... und seine Frau, mit der ich ja eigentlich reden wollte, die ist – auch angeblich – schon ins Bett gegangen. Noch vor der Cena.“ Seiana schnaubte leise. „Reicht das, um misstrauisch zu sein?“

    Seiana schloss die Augen, als seine Hand ihre Wange berührte, und für einen Moment stand sie still wie eine Statue, immer noch in der vagen Befürchtung gefangen, das hier könnte sich als Trugbild herausstellen... aber die Berührung blieb, und Seiana schmiegte ihre Wange an seine Handfläche, seufzte leise und berührte mit ihren Lippen seine Haut, während sie ihre Hand auf seine legte. Für den Augenblick verdrängte sie einfach, weswegen sie überhaupt hier waren, warum sie nach ihm hatte rufen lassen... aber es kam nur zu bald wieder zurück. Sie öffnete die Augen wieder, als Seneca sie nach dem Grund für sein Hiersein fragte, und ließ ihre Hand sinken, wobei sie die seine festhielt, so dass sie sich von ihrer Wange löste und ebenfalls nach unten sank... ließ allerdings nicht los, sondern verschränkte ihre Finger mit seinen. „Ich wollte heute mit Iunia Axilla reden“, begann sie ruhig, leise. „Ohne Erfolg. Sie ist mir aus dem Weg gegangen. Sie hat sich verleugnen lassen und ihren Ehemann mit einer geradezu lächerlichen Ausrede vorgeschickt... und nach dem, wie unser letztes Gespräch lief, kann das kein gutes Zeichen sein.“ Seiana presste kurz die Lippen aufeinander. „Hast du mit ihr gesprochen? Hast du dir von ihr versprechen lassen, dass sie den Mund hält? Ich muss da sicher sein, Seneca, ich... hab zu viel zu verlieren.“ Und sie traute der Iunia nicht. Sie wollte eine Sicherheit, irgendeine, auch auf die Gefahr hin, dass Seneca sie für paranoid hielt. Oder entrüstet sein würde, dass sie ihm nicht genug vertraute... und seiner Verwandten gar nicht.

    Als sie Faustus' Officium wieder verlassen hatte, hielt Seiana erst einmal einen kurzen Moment inne und atmete tief durch. Zu behaupten, ihr Bruder wäre nicht erbaut gewesen, war noch untertrieben... er war im Gegenteil zunächst ziemlich empört gewesen, und er hatte ja auch Recht damit. Das wusste sie. Sie hätte seinen Namen nicht einfach so benutzen dürfen, sie hätte ihn nicht einmal nach so etwas fragen dürfen. Stattdessen hatte sie ihn vor vollendete Tatsachen gestellt. Natürlich war er sauer gewesen, und man musste kein Haruspex sein um vorher sagen zu können, dass das noch nicht ausgestanden war für sie... dafür war Raghnall zu rasch mit der Meldung aufgetaucht, dass Seneca angekommen war. Aber immerhin: Faustus hatte zähneknirschend eingewilligt, dass sie erst mal mit seinem Optio besprach, was sie besprechen wollte, und sie hatte versprochen, dass sie danach wieder zu ihm kommen würde. Um sich anzuhören, was auch immer Faustus ihr dann an den Kopf werfen würde.


    Wenige Augenblicke später tauchte sie dann im Garten auf, ging zur Diana-Laube, die für ihre Zwecke nahezu perfekt lag – sie hatte noch überlegt, ob sie vielleicht in ein Gästezimmer gehen sollten, aber anders als in all den letzten Jahren, in denen sie hier gelebt hatte, war das Haus derzeit recht voll. Es lebten definitiv zu viele Menschen hier, um sich einfach in einem Raum zu unterhalten, der theoretisch allen offen war – und Seiana hatte keinen eigenen Raum mehr hier. Die Diana-Laube im hinteren Teil des Garten, abgelegen und geschützt von verschiedenen Pflanzen, sollte hingegen ausreichend vor unerwünschten Lauschern geschützt sein. „Bleib da vorne und pass auf, dass uns keiner stört“, gab sie Raghnall dennoch die Anweisung, zusätzlich aufzupassen, bevor sie die letzten Schritte überwand und schließlich Seneca gegenüber stand. Und was sie bis zu diesem Moment noch hatte verdrängen, forderte jetzt plötzlich seinen Raum, das Herzklopfen, die Freude ihn zu sehen, fast so etwas wie Erstaunen darüber, dass er tatsächlich da war... sie blieb stehen, einen Schritt vor ihm, wagte nicht ihn zu berühren, fast als könne er verschwinden, wenn sie es auch nur versuchte, sah ihn nur an, und selbst ihre Zunge schien nicht mehr ganz so zu arbeiten wollen wie sonst, denn alles, was sie in diesem ersten Moment über die Lippen brachte, war ein simples: „Seneca.“

    Zitat

    Original von Aulus Iunius Seneca
    Wie "befohlen" erschien Seneca so schnell wie sein Dienst es eben erlaubte in der Casa Decima, unsicher, aber doch deutlich klopfte er an die Pforte des stadtbekannten Hauses, welches eventuell nicht der beste Ort für dieses Treffen war..


    [Blockierte Grafik: http://img261.imageshack.us/img261/6518/raghnall.png]


    Raghnall hatte eigentlich Order gehabt, gleich mit dem Iunius zu kommen, aber nachdem der nicht sofort konnte, beschloss er, schon mal zurück zur Casa Decima zu laufen und da auf ihn zu warten. Entsprechend war es auch er, der die Tür öffnete, kaum dass das erste Klopfen erklungen war. „Optio!“ Oh ja. Jetzt konnte er sich ein kleines bisschen mehr leisten. „Welch Freude dass du es so rasch hast einrichten können. Tritt doch ein und warte im Vestibulum einen Moment.“ Er grinste den Iunius an und winkte ihn ins Haus hinein, froh darum, dass es schon fast dunkel war inzwischen, bevor er den Schwarzrock im Vestibulum stehen ließ und sich kurz davon machte. Als Raghnall wieder auftauchte, kam nur ein einfaches: „Komm mit“ über seine Lippen, bevor er den Iunius dann in den Garten geleitete, in den hinteren, abgelegenen Teil, hin zur Diana-Laube.





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

    Ja, da hast du richtig gelesen - im Moment steht das IR kurz vor einem Bürgerkrieg. Wenn du also nicht gerade zu den Cohortes Urbanae willst, wirst du da erst mal warten müssen, bis du dich einschreiben kannst. Aber nachdeem du ohnehin vorhast, erst mal in der Familie zu spielen, ist das ja kein Problem.


    Also von meiner Seite aus: in Ordnung. Alles weitere besprechen wir per PN.

    Dann drängel ich mich mal an der Stadtwache vorbei. Ein paar Fragen hätte ich:


    - Warum möchtest du zur Gens Decima?
    - Hast du schon Vorstellungen zu deinem Charakter, wie er ungefähr sein soll?
    - Hast du dir schon Gedanken gemacht, was er machen wird?

    Hallo Verox,


    bevor ich mich entscheide, zwei Fragen:


    - Hast du schon eine ungefähre Vorstellung, wie dein Charakter sein soll, mal abgesehen davon dass du eine Verwaltungskarriere planst?
    - Warum möchtest du zur Gens Decima?


    Grüße, Seiana