Beiträge von Decima Seiana

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    Original von Appius Terentius Cyprianus
    Zusammen mit seiner Frau kam Appius auch zu der Hochzeit seiner kratzbürstigen Lieblingsfeindin. Zwar hatte er nicht allzu große Lust gehabt, aber es war eine der gesellschaftlichen Anlässe die er nicht ausfallen lassen konnte. Zumal der Bräutigam nun auch nicht irgendwer war, sondern einer der leitenden Köpfe in der imperialen Verwaltung.
    So also stand er in der Ausgehuniform der Prätorianer zusammen mit seiner Frau in der Schlange und wartete auf das unvermeidliche.


    Dass ihr Mann nicht sonderlich begeistert war, zu dieser Feier zu gehen, hatte Seiana durchaus gemerkt – allerdings hatte er auch bei den Planungen zu ihrer eigenen Hochzeit keinen allzu begeisterten Eindruck gemacht, wann immer es um das Fest gegangen war. Und ihr ging es ähnlich wie ihm... gesellschaftliche Anlässe wie dieser gehörten ganz sicher nicht zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. Dennoch waren sie heute hier. Axilla war ihre Lectrix, und der Pompeius hatte einen hohen Posten inne.


    Gekleidet war sie in eine tiefrote Tunika, gehalten von zierlichen Fibeln an ihren Schultern und mit einem ebenso zierlichen Gürtel an ihrer Taille, die elegant geschnitten war und farblich wunderbar mit der schwarzen Paradeuniform ihres Mannes harmonierte, aber im Übrigen eher schlicht gehalten war. Und so wartete sie geduldig mit Appius, bis sie an der Reihe waren zu gratulieren. „Iunia, Pompeius. Wir freuen uns, heute eure Gäste zu sein und mit euch eure Eheschließung zu feiern.“

    Sie wollte ihre Hände zurückziehen, als sie fertig war, aber Massa hielt sie erneut fest – und so verharrte Seiana erneut, unschlüssig, was sie tun, wie sie reagieren sollte. Als er sie dazu aufforderte, sah sie hoch, aber sie lächelte nicht. Sie machte nicht einmal den Versuch. Sie hätte ein Lächeln aufsetzen können, das sicher. Sie hatte mittlerweile reichlich Übung darin, das zu tun, so reichlich, dass es in aller Regel nicht einmal mehr gezwungen wirkte, egal wie gezwungen es war – nur ihre Augen erreichte es dann nie... was der einzige Hinweis war, dass es nicht echt war.
    Allerdings wollte sie das nicht. Nicht hier, nicht jetzt. Sie wollte kein Lächeln aufsetzen und so tun als ob. Massa hatte das nicht verdient, und abgesehen davon vermutete sie, dass ihre Maskerade in diesem Moment, nach dem, was vorangegangen war, nicht so gut funktioniert hätte wie normalerweise. Es musste reichen, dass sie ehrlich war... ohne Hintergedanken, wie er es nannte.


    „Ich kann nicht“, antwortete sie und entzog ihm langsam ihre Hände. „Schon gar nicht auf... auf Aufforderung. Da sind die Hintergedanken von selbst dabei.“ Sie nahm den Becher mit dem blutigen Wasser und stellte ihn fort, brachte so zugleich auch wieder etwas Distanz zwischen sich und ihn. Konnte der Terentius sich tatsächlich glücklich schätzen, sie zur Frau zu bekommen? Sie war sich da nicht so sicher... auch wenn sie freilich wusste, dass sie einiges an Vorteilen für ihn in diese Ehe mitbrachte, ansonsten hätte er kaum zugestimmt. Sicher war allerdings, dass sie sich glücklich schätzen konnte... Sie sah wieder zu Massa. „Er wäre kaum Praefectus Praetorio, hätte er nichts im Kopf.“ Und selbst wenn es anders wäre, übersah Massa dabei etwas: sie konnte sich anpassen. Sie würde sich anpassen. Sie würde sich sogar unterordnen, wenn es das war, was sie tun musste, damit diese Ehe funktionierte – und ihre Familie und sie davon profitieren konnten.

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    Original von Marcus Iulius Dives
    "Nun denn, Decima. Ich danke dir dafür, dass du dir die Zeit genommen hast, mit mir zu reden und mir bei meinen Fragen weitergeholfen hast. Aus meiner Sicht wäre damit vorerst alles geklärt und ich möchte nun deine Zeit nicht weiter in Anspruch nehmen." Es sei denn, sie hätte noch irgendetwas auf dem Herzen. Das war zwar wohl eher unwahrscheinlich, schätzte Dives, aber dennoch ließ er eine genügend große Pause für den Fall der Fälle...


    Sim-Off:

    Geht klar. ;)


    Das war alles in allem recht flott gegangen. Seiana neigte leicht den Kopf auf die Worte des Magistraten hin. „Selbstverständlich habe ich mir Zeit genommen für die Anliegen eines Magistrats“, lächelte sie höflich zurück. „Ich wünsche dir noch einen schönen Tag, Quaestor. Vale bene.“

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    Original von Marcus Decimus Catus
    Ich lächelte Seiana glücklich und hoch erfreut an. Ein Buchladen, das klang einfach fantastisch.
    Auch wenn es nur für den Anfang wäre, wenn du möchtest würde ich gerne versuchen mich um deinen Buchladen zu kümmern und ihn zu verbessern.
    Meine Augen strahlten freudig, der Buchladen war mit das gewesen, was ich am meisten vermisst hatte während meiner Zeit in den Steppen.


    Diesmal war das Lächeln, das Seiana auf ihren Gesichtszügen erscheinen ließ, geschäftsmäßig. „Sehr gut. Dann sind wir uns einig.“ Sie lehnte sich ein wenig zurück. „Einer meiner Sklaven wird dir in den nächsten Tagen zur Seite stehen. Das Geschäft in Rom zeigen, die nötigen Unterlagen überreichen, den Kontakt nach Alexandria herstellen... und generell für Fragen zur Verfügung stehen. Selbstverständlich kannst du dich auch an mich wenden, wenn dir der Sklave nicht weiter helfen kann. Hast du jetzt bereits welche, die ich dir beantworten kann?“

    Sie nippte an ihrem Becher und schob die Häppchen, die sich auf ihrem Teller befanden, ein wenig hin und her – während sie zugleich jeden Gedanken an Faustus verbannte. Er war fort... und es war ja nun nicht so, dass das etwas neues wäre. Noch ein Schluck Wein, noch ein wenig Verschieben der Speisen – und dann aß Seiana doch noch etwas, obwohl ihr der Appetit aufgrund des vorangegangen Gesprächs über den Verbleib ihres Bruders ziemlich vergangen war. Aber sie konnte auch nicht die ganze Zeit da sitzen und nichts essen. Einer der Sklaven hatte sie gerade ein wenig komisch angesehen, jedenfalls hatte sie das Gefühl gehabt, und sie wollte nicht, dass ihrem Mann auch noch etwas auffiel.


    Ein wenig aß Seiana also, und sah dann hoch, als er wieder das Wort ergriff. Sie deutete ein Achselzucken an. „Nicht viel“, antwortete sie – und setzte dann ein leichtes Lächeln auf. Das Gespräch lief holprig, was vermutlich kein Wunder war, bedachte man, wie wenig sie sich noch kannten. Aber er bemühte sich wenigstens... oder jedenfalls legte Seiana es als Bemühem aus, dass er sich nach ihrem Plan für den Rest des Tages erkundigte. Das mindeste, was sie tun konnte, war sich ebenso zu bemühen. Und ein holpriges Gespräch war immer noch besser als ein unangenehmes Schweigen. „Ich möchte mir gerne noch das Anwesen genauer ansehen, um es kennen zu lernen.“ Sie hatte zwar – selbstverständlich – auch Arbeit mitgenommen, und vielleicht würde sie später noch etwas lesen... aber wirklich Zeit dafür haben würde sie heute wohl kaum noch. Der Tag war schon größtenteils vorbei, und morgen hieß es früh aufstehen, um Mantua rechtzeitig zum Fest zu erreichen – weswegen es besser sein würde, früher als gewöhnlich ins Bett zu gehen. „Nach dem Essen jetzt möchte ich allerdings zuerst ein Bad nehmen.“ Um den Schmutz von der Reise loszuwerden... in den Gasthäusern unterwegs waren die Waschmöglichkeiten verständlicherweise deutlich beschränkt gewesen. „Was ist mit dir?“

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    Original von Decima Seiana
    Ich zieh um - ich werd zwar durchaus Gelegenheit haben online zu kommen, aber es wird die nächsten eineinhalb Wochen bei mir deutlich knapper werden, sowohl schreibender- als auch lesenderweise.


    Umzug erledigt. Heut und morgen wird's mit Schreiben wohl eher weniger was, aber ich bin wieder normal da.

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    Original von Potitus Vescularius Salinator
    Potitus hatte die Zeremonie mit sichtlichem Desinteresse verfolgt. Er mochte diesen ewigen Hokuspokus nicht besonders, selbst wenn es Tradition war! Ein Opfer an Iuno, Venus und Priapus, damit konnte man es doch gut sein lassen! Dann aber kam endlich das ersehnte Festmahl und Salinator schnappte sich direkt den Ehrenplatz, der ihm als ersten Mann Roms wohl sowieso zukam. Von der Vorspeise nahm er sich natürlich Austern, denn "Diese Austern wecken das Feuer in den Lenden, wisst ihr?", wie er allen Anwesenden mitteilte. Dass er selbst dieses Gefühl sehr liebte, erklärte sich von selbst!


    Gemeinsam mit ihrem Mann, ihrem Bruder und den übrigen Gästen begab Seiana sich ins Tablinum. Wie bereits im Atrium standen auch hier Sklaven zur Verfügung, um den Gästen auf Wunsch behilflich zu sein bei der Platzwahl, während Getränke nachgeschenkt wurden… und die Vorspeise aufgetischt, kaum dass ein jeder einen Platz gefunden hatte. Seiana setzte sich auf den für sie bestimmten Stuhl, akzeptierte einen Becher Gewürzwein und ließ sich einen Teller reichen, auf dem verschiedene Vorspeisen arrangiert waren. Obwohl sie nach wie vor nicht sonderlich hungrig war, begann sie trotzdem ein wenig zu essen, während sie zugleich ihren Blick durch das Tablinum schweifen ließ – unauffällig, versteht sich, und dafür musste sie sich aufgrund des Schleiers nicht einmal anstrengen. Aber so weit schien alles in Ordnung zu sein… mal leisere, mal etwas lautere Unterhaltungen begannen den Raum zu füllen, begleitet von einem gelegentlichen Klappern und Klirren, dass durch das Geschirr verursacht wurde, während im Hintergrund zugleich von Sklaven leise Musik gespielt wurde, die das Festmahl unaufdringlich begleitete. Doch – so weit war alles in Ordnung, und erleichtert, dass damit im Grunde so ziemlich der aufwendigste Teil der Hochzeit vorbei war, lehnte Seiana sich in dem Korbstuhl zurück und nippte an ihrem Wein. Und wandte ihren Blick dann dem Praefectus Urbi zu, der sich auf dem Ehrenplatz neben beim Bräutigam niedergelassen hatte – so, wie es auch geplant gewesen war. Freilich gab es die Gäste, die sich frei verteilen konnten, aber es gab auch jene, bei denen eine gewisse Hierarchie zwangsläufig eingehalten werden musste. Wie sie nun allerdings auf seinen Kommentar reagieren sollte… wusste sie nicht so recht, aber bevor sie etwas sagen konnte, kommentierte schon jemand anders in der Nähe mit einem leichten Grinsen: „Die werden nicht ohne Grund ausgewählt worden sein.“
    „Meine Herren…“, lächelte Seiana zurück und legte einen leichten Tonfall in ihre Stimme. Witze dieser Art waren nicht ihre Welt, aber sie konnte hier schlecht irgendjemanden in die Schranken weisen. Schon gar nicht den Praefectus Urbi. Weswegen sie ihrer Stimme auch keinen ernsten oder gar zurechtweisenden Klang gab, sondern im Gegenteil einen scherzenden. „Sie wurden ausgesucht, weil sie vorzüglich schmecken. Aus keinem anderen Grund. “

    Höflich lächelnd, aber schweigend lauschte Seiana dem Gespräch der beiden Männer neben ihr. Es gab nicht wirklich einen Punkt, an dem sie hätte einhaken oder etwas beitragen können, und im Großen und Ganzen war ihr das auch recht so… und da ja ihr Mann sich hier mit seinem Patron unterhielt, konnte man ihr noch nicht mal Unhöflichkeit vorwerfen, wenn sie sich zurückhielt, ganz im Gegenteil. Seiana begann gerade festzustellen, dass es noch mehr Vorteile hatte, verheiratet zu sein… Anstatt also Konversation zu betreiben, nutzte sie die Gelegenheit und sah sich aufmerksam um, ließ ihren Blick durch die Gegend schweifen und betrachtete die Anwesenden.

    Seiana spürte, wie seine Hand zuckte unter ihren Fingern, aber sie hielt nicht inne, fuhr nur umso vorsichtiger fort in dem, was sie tat. Erst, als Massa umgekehrt aktiv wurde und nach ihrer Hand griff, erstarrte ihre Bewegung sofort – wäre auch erstarrt, hätte er sie nicht für Augenblicke festgehalten und daran gehindert, weiterzumachen. Als er erneut sprach, begannen ihre Finger leicht zu zittern. „Vor…“ Sie zögerte. Sie wusste nicht so recht, wie sie das in Worte fassen sollte, und das nicht nur, weil es ihr schwer fiel, sich so zu öffnen. Es fiel ihr auch schwer, konkret darüber zu reden… zuzugeben, dass sie lange nicht so stark war, wie sie sich gab. „Vor meinen eigenen Schwächen“, sagte sie schließlich dann doch – und immer noch, ohne ihn anzusehen. Sie nahm ihre Tätigkeit wieder auf, als er sie ließ, entfernte weiter in Ruhe winzige Glassplitter, tupfte Blut weg und wickelte schließlich das Tuch um seine Hand, als sie fertig war. „Ich kann… nicht anders weiter machen.“ Es war zu schmerzhaft, sie war zu schwach, zu verletzlich, wenn sie sich nicht abschottete. Wie sehr Verdrängen und eine innere Landschaft aus Eis helfen konnte, in die man sich zurückzog, das hatte sie schon während des Sterbens ihrer Mutter und nach ihrem Tod erlebt, aber damals hatte sie diese Erfahrung noch nicht wirklich verarbeiten können, hatte noch nicht bewusst ihre Konsequenzen daraus ziehen können. Nach dieser unseligen Sache mit Aelius Archias war das anders gewesen. Sie hatte sich nicht bewusst von der Kälte vereinnahmen lassen… aber sie hatte danach bewusst die Entscheidung getroffen, dass das Leben leichter war so. Es verhinderte nicht immer, verletzt zu werden… aber es half, schneller wieder auf die Beine zu kommen. Nicht zuletzt die Sache mit Sicinius hatte ihr das gezeigt.

    Ich zieh um - ich werd zwar durchaus Gelegenheit haben online zu kommen, aber es wird die nächsten eineinhalb Wochen bei mir deutlich knapper werden, sowohl schreibender- als auch lesenderweise.

    Ein Pazifist also. Seianas Gesicht blieb völlig unbewegt, als sie das hörte, und nichts verriet ihre Gedanken. Die allerdings waren... durchaus kritisch zu nennen. Zumindest der hispanische Teil bestand größtenteils Soldaten, die Militärtradition war groß in dieser Familie... und auch Seiana, als Tochter, Schwester, Nichte und bald auch Ehefrau von Soldaten, war in dieser Tradition tief verwurzelt. Auch wenn man ihr das nicht so sehr anmerken mochte, weil sie generell recht zurückhaltend war – sie stand zu dieser Tradition ihrer Familie und unterstützte sie. Auch wenn sie sich jedes Mal Sorgen um Faustus machte, wenn dieser wieder loszog... oder vielleicht auch gerade deswegen.


    Was Catus allerdings noch erzählte, klang durchaus recht brauchbar... Künste und Wissenschaften. Philosophie, Geschichte. Literatur. Seiana überlegte einen Moment lang. Da war immer noch das Problem, dass er ein Unbekannter war, der genauso gut ein Betrüger sein konnte... aber das Risiko, ihn hier aufzunehmen und wohnen zu lassen war weit größer als jenes, ihm Arbeit zu verschaffen. Und da er zunächst mal unter Beobachtung stehen würde, wäre das also durchaus akzeptabel – und vielleicht sogar eine ganz gute Gelegenheit, ihn zu testen. Und dann war da noch etwas, was zum Problem werden könnte, wenn sich herausstellte dass er die Wahrheit sagte: Seiana stellte keine Mitglieder der Gens ein. Das war... es gehörte sich nicht, fand sie. Es würde komisch wirken nach außen, es konnte Schwierigkeiten geben nach innen, und darüber hinaus war es falsch in ihren Augen, einem Verwandten – auch wenn es sich um einen sehr weit entfernten Verwandten handelte, der im Grunde nur noch denselben Namen teilte – zu beschäftigen. Sie würde einem Verwandten jederzeit helfen, um irgendwann auf eigenen Füßen zu stehen, aber ihn dauerhaft anstellen kam nicht in Frage. Aber auch dafür hatte sie eine Lösung. „Nun, mit einer Anstellung kann ich dir nicht dienen“, antwortete sie schließlich. „Allerdings benötigt die Niederlassung meines Buchhandels in Rom Unterstützung.“ Genauer gesagt lief er bereits seit seiner Gründung nicht optimal – sie hatte zwar mehrere Versuche gestartet, an der Situation etwas zu ändern, und er war doch so weit auf Vordermann gebracht, dass er doch einigermaßen gut lief... aber es war eben nichts im Vergleich zu dem Standort in Alexandria. Warum also nicht Catus die Möglichkeit geben, sein Glück zu versuchen? „Organisatorischer Art. Ich könnte jemanden gebrauchen, der sich den Betrieb einmal genau ansieht und ein paar Gedanken dazu macht, wie das Geschäft verbessert werden könnte. Es wäre nichts von Dauer... aber doch für den Anfang etwas.“

    Es war noch früh am Tag, als Seiana ihre Taberna Medica betrat. Normalerweise stattete sie ihren Betrieben keinen persönlichen Besuch ab... aber normalerweise vergingen auch nicht mehrere Wochen, in denen sie es nahezu gänzlich ihren Angestellten überlassen musste, sich um die Geschäfte zu kümmern. Mit den ganzen Hochzeitsvorbereitungen allerdings, in die sie sich natürlich weit mehr persönlich hatte einbinden müssen als ihr lieb gewesen war, und der Reise nach Mantua kurz danach hatte sie allerdings zwangsläufig etwas vernachlässigen müssen, und dabei war natürlich ihre Wahl nicht auf die Acta oder die Schola gefallen... sondern auf ihre Betriebe. Entsprechend wollte sie jetzt allerdings nach dem Rechten sehen, und wenigstens hin und wieder, wenn auch selten, persönlich aufzutauchen konnte ohnehin nur nützlich sein.


    So betrat sie als die Taberna – im Schlepptau mehrere Sklaven. Runa war darunter, die Massa ihr zur Hochzeit geschenkt hatte und von der sie... nun, noch nicht so genau wusste, was sie mit ihr anfangen sollte, die sie allerdings – eben da sie ein Geschenk von Massa gewesen war, der ihren Bruder gerettet und dem sie selbst bereits ein recht denkwürdiges Gespräch gehabt hatte – nicht als einfache Haussklavin unterbringen wollte, nicht ohne ihr wenigstens die Chance zu geben zu zeigen, was sie konnte... weswegen Seiana sie momentan häufig in ihrer Nähe behielt. Und natürlich waren die obligatorischen Leibwächter dabei: Álvaro und Bran, ebenfalls Geschenke zur Hochzeit, und Lupus, den Faustus in ihre Obhut gegeben hatte während seiner... Abwesenheit. Seiana war es bereits seit längerem gewohnt, dass sie stets von mindestens einem Sklaven begleitet wurde, wenn sie unterwegs war – die Zeiten, in denen sie allein auf die Straße gegangen war, waren vorbei gewesen, spätestens als sie Auctrix geworden war. Sie war es allerdings nicht gewohnt, auf Schritt und Tritt von Leibwächtern begleitet zu werden, die nicht einfach nur dabei waren, sondern sie... beobachteten. Aufpassten, sicher, Seiana wusste um diesen feinen Unterschied, dennoch... es war ungewohnt, und wirklich wohl fühlte sie sich damit nicht – was absurd war, weil die Leibwächter ja dazu da waren, sie zu schützen. Und sie war jetzt die Frau des Praefectus Praetorio. Leibwächter waren... einfach angebracht.

    Seiana wusste nicht so recht, ob sie ihn dafür bewundern sollte, mit welcher Selbstverständlichkeit ihr Mann davon ausging, nicht nur Kinder, sondern auch einen Sohn zu bekommen. Es schien für ihn überhaupt nicht zur Debatte zu stehen, ob es so kommen würde, und noch nicht einmal das wann schien für ihn wirklich unsicher zu sein. Und das, obwohl sie erst seit ein paar Tagen verheiratet waren und aufgrund der Reise hierher noch nicht einmal allzu viele… nun, Versuche des Kinderzeugens gehabt hatten.
    Sie beschloss, nicht daran zu denken, wie er wohl reagieren würde, wenn Kinder auf sich warten ließen. So selbstverständlich wie er sich gerade gab, würde er kaum begeistert sein, aber es brachte nichts, wenn sie sich jetzt schon Sorgen über etwas machte, von dem auch sie nicht wusste, ob es überhaupt so eintreten würde. Sie nickte also nur ruhig zur Bestätigung seiner Worte und machte sich erneut eine gedankliche Notiz – diesmal darüber, dass sie sich zumindest schon mal Gedanken machen konnte, welche Anforderungen sie an mögliches Erziehungs- und Lehrpersonal haben würde.


    Ihren Bruder betreffend sagte er immerhin zu, dass er ihr Bescheid geben würde… Seiana versteifte sich allerdings für einen Moment, als ihr Mann es für nötig hielt, auszusprechen, was sie nicht einmal gewagt hatte zu denken. Wenn ihm was passiert. Sie presste die Lippen aufeinander und drehte ihren Weinbecher in ihren Fingern. Sie hoffte ja gerade, dass ihm nichts passierte. Sie hoffte, dass ihr Mann ihr Bescheid gab, dass es Faustus gut ging… wenn er vielleicht einen Bericht von ihm bekam oder etwas in der Art. Sie hoffte, irgendeinen Hinweis zu bekommen, wo ihr Bruder genau war… damit sie selbst jemanden schicken konnte, jemanden, dem sie vertraute, der sich dann mit eigenen Augen davon überzeugen konnte, dass es Faustus gut ging. Und am meisten hoffte sie, dass Faustus ihr schrieb. Aber sie wusste, dass sich wohl kaum etwas davon erfüllen würde.
    „Sicher“, wiederholte sie tonlos sein letztes Wort. Und sie meinte das durchaus ehrlich. Sie verstand, dass er nicht mehr sagen konnte, oder zumindest: dass er nicht mehr sagen wollte. Sie nicht umsonst Auctrix, sie kannte Situationen wie diese… auch wenn sie sehr genau wusste, dass er sich umgekehrt wohl kaum damit würde abspeißen lassen. Aber daran konnte sie nichts ändern. Sie hatte keine Möglichkeit, keine Handhabe, ihn zu zwingen mehr zu sagen… und so tat sie das, was sie so gut konnte: sie verschloss sich wieder, vergrub ihre Besorgnis um ihren Bruder irgendwo in ihrem Inneren und tat so, als sei nichts gewesen, während sie weiter aß.

    Dass Massa seinen Becher zerbrach und sich dabei verletzte, bemerkte Seiana gar nicht. Sie bemerkte allerdings, dass er sich erhob, dass er zu ihr kam, und für einen winzigen Augenblick, der sich für sie schier unendlich dehnte, fürchtete sie fast, er würde sie berühren – was sie nicht ertragen hätte. Nicht jetzt, nicht in dieser Situation. Sie hätte vermutlich gar nichts getan, hätte nur steif da gestanden und es einfach zugelassen, und sich innerlich völlig verschlossen, um es zu ertragen.
    Allein, im Grunde stand sie auch jetzt schon so da: steif, regungslos, und zumindest in dem verzweifelten Versuch begriffen, sich zu verschließen. Dann allerdings brachte Massa Faustus wieder ins Spiel. Er hat von einer anderen Seiana gesprochen… Einer anderen. Anders. Sie ist anders, hallte es plötzlich in ihrem Kopf, eine Stimme aus einer Zeit, die längst vorbei war, die sie hinter sich gelassen glaubte. Archias. Axilla. Sie ist anders. Und sie, Seiana, war nicht genug, war nie genug. Sie schauderte kurz, als sich dieser Gedanke plötzlich auch auf Faustus ausweitete, die Befürchtung, auch für ihn nicht mehr genug zu sein, nicht mehr die, die er wollte, aber Massa sprach weiter, bevor auch dieser Zweifel Fuß fassen konntet, dieser eine, einzige, der ihr den Rest geben konnte. Massa sprach weiter, und was er noch sagte, rührte und schmerzte Seiana gleichermaßen, so sehr, dass sie die Augen schließen musste, weil sie feucht wurden und sie nicht wollte, dass Massa das sah. Die schmerzliche Miene, die damit einherging, konnte sie nicht verhindern. Sie vergöttert. Sie geliebt. Sie wusste nicht, womit sie es verdiente, dass Faustus scheinbar so von ihr dachte, aber sie war dankbar dafür, dass es so war, unendlich dankbar, gerade weil sie von Selbstzweifeln zerfressen wurde, wann immer sie es zuließ.


    Und dann sagte er noch etwas, etwas, was ihr mehr als alles andere half, sich zusammenzureißen. Faustus braucht dich. Dass Massa das in so ziemlich genau dem entgegengesetzten Zusammenhang gemeint hatte, dass er eben nicht wollte, dass sie sich wieder zusammenriss, spielte gar keine Rolle für sie. Es half ihr, sich jetzt, in diesem Moment, wieder zu fangen. Sie wandte sich ihm leicht zu… und sah jetzt erst, dass seine Hand blutig war. Ohne etwas zu sagen, griff sie danach, hob sie an und besah sie sich, um sie dann wieder loszulassen. Wortlos holte sie ein Tuch und einen weiteren Becher, den sie mit Wasser fühlte, dann nahm sie wieder seine Hand, tupfte mit dem angefeuchteten Tuch das Blut weg, tastete sachte mit den Fingern über Wunden, entfernte Scherben und säuberte. „Ich zerstöre mich nicht“, sagte sie schließlich, während sie sich mit seiner Hand beschäftigte. Leise war ihre Stimme, und sie sprach, ohne hochzusehen. Hätte sie ihn angesehen, hätte sie es kaum über sich gebracht, ihm das zu sagen. „Ich schütze mich.“

    In der Tat interessierte Seiana es auch eher weniger, welche Maßnahmen der Magistrat zur Bekanntmachung ergriffen hatte. Sofern er nicht wollte, dass die neue Verordnung in der Acta veröffentlicht wurde, hatte er allerdings recht mit dem, was er getan hatte – für die Kapitäne der Schiffe dürfte es völlig ausreichend sein, die Verordnung im Hafen auszuhängen. Sie nickte also nur zu dieser Erläuterung, kommentierte sie aber nicht weiter, sondern nahm besagte Verordnung entgegen und studierte sie kurz, aber eingehend. Als sie wieder aufblickte, fuhr der Magistrat fort, und Seiana strich sich kurz nachdenklich mit dem Zeigefinger über ihre Lippen. „Nun“, meinte sie dann. „Ich denke das einfachste ist, wenn du den Kapitän der Xenophon bittest, dir unverzüglich Bescheid zu geben, sobald sich die Besitzfrage geklärt hat. Es kann sich durchaus noch eine ganze Zeit hinziehen.“ Sie hatte keine Lust, noch Wochen oder gar Monate das Erbschaftsprozedere von Verus im Blick zu behalten, zumal jener aus der griechischen Linie entstammte – und sie entsprechend überhaupt nicht davon betroffen war.


    Verwundert allerdings war sie, als der Iulius davon sprach, dass er nicht hatte herausfinden können wo Meridius war. Denn dass dieser sich auf seine Güter in Hispania zurückgezogen hatte, war ganz sicher kein Geheimnis. Dennoch blieb ihr Gesicht so ruhig und unbewegt wie zuvor, als sie antwortete: „Meridius befindet sich in Hispania, auf seinen Gütern in der Nähe von Tarraco. Auch hier denke ich, dass es das Beste sein wird, wenn du versuchst diese Angelegenheit über die Kapitäne der beiden Schiffe zu klären. Alternativ kannst du selbstverständlich auch Meridius direkt anschreiben.“*



    Sim-Off:

    *Da, wie du bereits richtig erwähnt hast, Meridius im Exil ist und entsprechend auch kein WiSim-Konto hat, er jedoch als Senator sim-on sowohl die Mittel hat als auch sicherlich bereit dazu ist, Rechnungen wie diese zu begleichen, bitte ich dich davon auszugehen, dass es so geschehen wird. Du kannst gerne einen entsprechenden Post in den Schiffsthreads setzen, dass du mit den Kapitänen gesprochen hast und das geklärt wurde.


    Darüber hinaus bitte ich dich außerdem ebenfalls davon auszugehen, dass die Schiffe von Meridius nicht tatenlos vor Anker liegen und nie bewegt werden. Nur der Schiffseigner kann bei der SL beantragen, den Schiffsthread zu versetzen, was in Meridius‘ Fall aufgrund seines Abschieds aus dem IR nicht mehr passieren kann. Es wäre allerdings unlogisch davon auszugehen, dass die ID Meridius sim-on seine beiden Schiffe im Hafen von Ostia verrotten lässt – und da er sim-off wie sim-on schon seit Jahren weg ist, wären sie wohl mittlerweile am Verrotten, hätten sie ihren Ankerplatz seitdem nicht mehr verlassen.

    „Natürlich nicht“, begann Seiana, als Massa davon sprach, wie einfach das klang. Zwei, drei Artikel… natürlich war das nicht alles gewesen. Und sie lächelte immer noch, weil sie glaubte sich nun auf sicherem Terrain zu bewegen. Das war ihre Arbeit, hier kannte sie sich aus, hier konnte sich ein einfaches, folgenloses, unbeschwertes Gespräch entwickeln, glaubte sie…
    Massa machte ihr da allerdings einen Strich durch die Rechnung. Und mit jedem weiteren Wort, das er aussprach, erstarb ihr Lächeln. Versteinerte ihre Miene. Erstarrte ihre Haltung. Seiana hatte das Gefühl, plötzlich in Eis gehüllt zu sein, so kalt wurde ihr von einem Moment auf den anderen, und ihr Oberkörper schien mit einem Mal viel enger zu sein... Für endlose Augenblicke lang hatte sie das Gefühl, gegen ihren eigenen Brustkorb ankämpfen zu müssen, um ihre Lungenflügel mit genug Luft füllen zu können, als sich Panik in ihr breitmachte. Wie kam Massa dazu, ihr solche Dinge zu sagen? Wie kam er dazu, sie so anzusehen, auf diese Art, die ihren Blick gefangen nahm, die es ihr unmöglich machte wegzusehen? Wie kam er dazu, sich so zu verhalten, als seien sie Vertraute? Und vor allem: wie um alles in der Welt konnte er das wissen?
    Sie starrte ihn an, starrte zurück, während er sie ansah, unfähig, ihren Blick von seinen Augen abzuwenden, unfähig, ihn zu unterbrechen, ihn anzuschreien, obwohl sie das am liebsten getan hätte in diesem Moment. Die Panik riss und zerrte an ihr, schlug rücksichtslos ihre Zähne in sie, und für Augenblicke war es ein wildes Tosen in ihr, tobte ein Kampf, ein Krieg um die Oberhand, von dem sich allerdings nur die Ausläufer in ihren Augen widerspiegelten... und in dem beschleunigten Tempo, in dem sich ihre Brust hob und senkte. Davon abgesehen saß sie einfach nur da, ruhig, wie erstarrt, hörte regungslos zu, was er zu sagen hatte, ohne sich zu rühren oder tatsächlich sichtbar darauf einzugehen. Sie konnte es gar nicht in diesem Moment. Sie hatte Angst. Angst vor Kontrollverlust, da hatte Massa durchaus Recht. Aber es war kein Konzept, das sie hatte, es war eine schlichte Notwendigkeit. Sie konnte es sich nicht leisten die Kontrolle zu verlieren. Sie würde zerbrechen, das wusste sie, wenn sie ihr vertrautes Gerüst losließ. Es war leichter, unnahbar zu sein. Man wurde seltener verletzt... und wenn es doch geschah, wurde man leichter damit fertig.


    Sie saß da, schweigend, auch nachdem er schon geendet hatte. Rührte sich nicht. Sagte nichts. Erst nach einer ganzen Weile sagte sie, rau, tonlos: „Das sollte ich.“ Ja, sie sollte ihn hinaus werfen, vielleicht nicht aus der Casa, aber doch aus ihren Räumlichkeiten, für die Dreistigkeit, die er an den Tag legte, dafür, dass er es gewagt hatte, so sehr in sie zu dringen, ihre Privatsphäre beiseite zu wischen und etwas an den Tag zu legen, was sie nicht ohne Grund mühsam zum Bodensatz ihrer Seele machte und dort vergrub. Sie bemühte sich verzweifelt um Fassung. Um Kontrolle. Setzte dazu an zu reden, wollte seine Worte mit einer leichten Bewegung wegwischen – es war so viel effektiver, wenn ihr das gelang, als ihn aus ihrem Zimmer zu werfen. Ein leichter Kommentar, und seine Vermutungen würden ihm selbst lächerlich vorkommen. Ein Rausschmiss, und er würde sich nur bestätigt sehen. „Wie... wie kommst du auf die Idee, dass ich... so...“ Sie konnte das nicht, stellte sie fest, brachte das nicht so über die Lippen, wie sie es haben wollte. Und ihre Stimme versagte, als sie drohte, den Kampf nun doch noch zu verlieren. Für Momente wurde die Panik wieder schlimmer, drohte überhand zu nehmen, die Kontrolle an sich zu reißen. Ihre Gedanken rasten, tobten, tollten in einem immer wilderen Reigen um all das, was in den vergangenen Jahren dazu geführt hatte, dass sie so geworden war wie sie nun war – ihre Mutter, Archias, der Tod ihrer Brüder, der Sicinius, wieder ihre Mutter, der verzweifelte Drang es ihr recht zu machen, die Hoffnung in Archias etwas gefunden zu haben, was ihr Halt gab, so groß war die Hoffnung gewesen, dass sie sich sogar mit Faustus entzweit hatte deswegen, und wieder ihre Mutter.
    Seiana schloss die Augen, und ihre Hände ballten sich zu Fäusten, während ihr Atem sich erneut beschleunigte und sich die Bilder in ihren Gedanken plötzlich rot verfärbten, blutrot. Mit einem Ruck stand sie auf, so heftig, dass ihr Stuhl nach hinten kippte, und machte ein paar hastige Schritte weg, zum Fenster hin, wo sie mit um den Oberkörper verschlungenen Armen, seitlich zu Massa, stehen blieb. Sie sollte ihn doch hinaus werfen. Es war ohnehin zu spät, sie hatte schon zu deutlich gezeigt, dass es ihr im Augenblick schwer fiel die Fassung zu wahren. Aber er hatte Faustus gerettet. Faustus. Er hatte ihm das Leben gerettet. Er hatte ihn heim gebracht, zu ihr. „Ich kann nicht“, hörte sie sich sagen, ihre Stimme immer noch so rau, so unerträglich tonlos. „Ich... ich kann nicht.“

    Die Reaktion wirkte ehrlich... Seiana kam nicht umhin, es für zunehmend wahrscheinlicher zu halten, dass der Mann tatsächlich die Wahrheit sagte. Sicher konnte auch das gespielt sein... allerdings summierten sich die Hinweise darauf, dass dem nicht so war. Nichtsdestotrotz blieb Seiana weiterhin reserviert. Massa würde das letzte Wort haben, dabei blieb es, und bis dahin würden die beiden unter Beobachtung stehen. Dabei blieb es.


    „Das ist löblich“, antwortete sie mit einem vagen Lächeln, als Catus davon sprach, keine Schulden haben zu wollen. „Welche Fähigkeiten besitzt du denn?“

    Seiana nutzte die Pause in der Tat, um sich zu setzen, und gab dem Iulius mit einem Nicken zu verstehen, dass er sein Anliegen vorbringen konnte – was er auch gleich tat, recht ausführlich. Seiana ließ sich einen Becher Wasser gemischt mit Wein reichen und hörte ihm aufmerksam zu – und setzte dann ein höfliches, wenn auch wie üblich kühles Lächeln auf. „Nun, zunächst einmal, Quaestor: ich weiß nichts von einer wie auch immer gearteten Hafenverordnung. Hast du diese denn mir – oder der Acta – mit dem Cursus Publicus oder einem privaten Boten zukommen lassen?“ Wie sonst hätte sie von einer Verordnung erfahren sollen, die in irgendeiner Stadt Italias erlassen worden war? Sicherlich lag Ostia vor den Toren Roms, dennoch interessierte sich Seiana für die ostiensischen Verordnungen in etwa so viel wie für jene aus Ravenna oder Baiae. Und auch für die Acta war ein solches, doch recht lokal begrenztes Thema eher uninteressant... sicher konnte man sie veröffentlichen, wenn Ostia dies wünschte, allerdings schickte Seiana ihre Leute nicht in jede Stadt, um sämtliche Erlässe und Verordnungen in Erfahrung zu bringen. Dafür mussten die Zuständigen schon selbst Sorge tragen, dass dies die Acta erreichte. „Was die Xenophon betrifft, kann ich dir leider nicht weiter helfen. Der Erbschaftsprozess ist noch nicht abgeschlossen... die Mühlen der Bürokratie. Du wirst dich noch ein wenig gedulden müssen“, lächelte sie, weiterhin kühl, und ging über die kurze Beileidsbekundung völlig hinweg. Und da Schiff Nummer eins für sie damit erledigt war, fuhr sie fort: „Du sprachst von drei Schiffen?“

    Seiana lächelte, höflich und professionell, ohne sich ihre leichte Irritation anmerken zu lassen. Sie hatte ihren Mann vorher gefragt, ob er sie begleiten wollte. Und sie war nun nicht gerade die Art von Mensch, die man gemeinhin als sonderlich humorvoll bezeichnen konnte…
    Aber: sie ließ sich nichts anmerken. „Ja… ich war so frei“, nahm sie die Vorlage auf, und verstärkte ihr Lächeln für einen Moment, bevor sie fortfuhr: „Was mich betrifft, habe ich überhaupt keinen Bezug zu Mantua. Wie ist es mit dir, Senator?“ gab sie die Frage zurück – kurz bevor die Duumviri in Aktion traten und einer von ihnen nun ebenfalls eine Rede hielt. Die mit der Ankündigung endete, dass der Legat der Prima Stadtpatron werden würde… was ihr Mann vorgehabt hatte der Stadt anzubieten. Seiana warf ihm von der Seite einen kurzen Blick zu, um seine Reaktion zu sehen, zog es allerdings vor, dazu nun erst mal weiter nichts zu sagen.

    Seiana nickte leicht. Erziehung, wenigstens in den ersten Lebensjahren, war Frauensache – es hätte sie gewundert, wenn der Terentius das anders gesehen hätte. Und auch was den weiteren Lebensweg möglicher Söhne anging, hatte sie nichts einzuwenden. Zwar war sie durchaus ein wenig überrascht von der Abneigung gegen Senatoren, die ihr Mann kundtat… aber sie legte ganz sicher keinen gesteigerten Wert darauf, dass einer ihrer Söhne Senator wurde. Nicht, wenn die Alternative der Ritterstand war… und der Senat mehr und mehr an Einfluss verlor. Und da sie weder Kinder hatte noch sich im Augenblick wirklich vorstellen konnte, welche zu haben – oder wie es dann sein würde –, hatte sie auch kein Problem damit, dass sie Berufssoldaten werden sollten. Was ihr bei Faustus durchaus Magenschmerzen machte hin und wieder, weil es einfach gefährlich war, war ihr bei möglichen Söhnen keinen weiteren Gedanken wert. „Die Ausbildung kann ja von vornherein auf den Ritterstand und die Offizierslaufbahn ausgelegt werden. Wenn das dein Wunsch ist, werde ich dafür Sorge tragen, dass wir die richtigen Lehrer dafür haben werden.“


    Als es dann um ihren Bruder ging, bemerkte Seiana durchaus, dass ihr Mann verwundert schien… aber wenigstens fuhr er ihr nicht über den Mund, dass sie das nichts anging. Nur, was er sagte, half ihr auch nicht wirklich weiter. Er ist Prätorianer, da kann es nun mal vorkommen, dass er weggeht. „Ich weiß“, murmelte sie und wich seinem Blick aus. Was sie nicht wusste, aber wissen wollte war: wo ihr Bruder sich genau befand und vor allem warum – denn dass er auf einer Inspektionsreise war, wie er allen als Grund für seine Abwesenheit erklärt hatte, glaubte sie mit keinem Wort. Dafür schickte man doch keinen Tribun.
    Und sie machte sich Sorgen um ihn. Er war gerade erst aus Aegyptus zurückgekehrt, von seinem zweiten Feldzug, und das auch noch verletzt – und wurde schon wieder fortgeschickt, kaum dass er hier war. Davor war Parthien gewesen. Und davor war er von daheim fortgelaufen und jahrelang verschwunden gewesen. Sie kannte es eigentlich nicht anders, als sich um ihn Sorgen zu machen, während er sich irgendwo in der Weltgeschichte herumtrieb – oder wahlweise sie, denn während seiner Zeit bei den Cohortes Urbanae hatte sie ja in Alexandria gelebt, auch wenn sie das gerade ausklammerte. In jedem Fall sollte sie es gewohnt sein, dass er woanders war und gefährlich lebte… und dennoch änderte das nichts daran, dass sie sich Sorgen machte. Und diesmal konnte sie ihm ja noch nicht mal schreiben, oder Briefe von ihm erwarten. Am liebsten hätte sie ihm jemanden hinterher geschickt, Raghnall beispielsweise, der hatte ihn auch damals schon gefunden, als Faustus noch als Jugendlicher verschwunden war, um sein Glück allein in Rom zu versuchen. Aber das konnte sie nicht tun. Die Situation jetzt war eine völlig andere als damals, als ihre Mutter so gehandelt hatte. Faustus war ein anderer, er konnte auf sich aufpassen. Und sie war nicht seine Mutter. Es wäre lächerlich. Und allem voran: er würde ihr das nie verzeihen, wenn er das herausfinden würde, davon war sie überzeugt. Und trotzdem… blieb der Gedanke irgendwo in ihr hängen.
    „Wenn du… etwas von ihm hören solltest…“ Sie presste die Lippen aufeinander und gab sich dann einen Ruck. Sie gab nicht gern zu, weder vor ihrem Mann noch vor sonst jemandem, wie viel Faustus ihr bedeutete, auch nicht, wenn es nur implizit geschah, weil ersichtlich wurde dass sie sich um ihn sorgte. Aber es half nichts, und so sah sie ihn wieder an. „Ich wäre dir dankbar, wenn du mir dann Bescheid geben könntest. Ob es ihm gut geht.“ Ob er noch am Leben war.