Sim-Off:Kein Problem 
Seiana nickte leicht, als Massa davon sprach, dass ein anderer es übernehmen sollte, sich an Venusia heran zu tasten. Sie war damit mehr als einverstanden – auch wenn sie das nicht laut sagte, und schon gar nicht warum: weil sie wusste, wie ungeeignet sie dafür war. Sich anderen Menschen auf der verständnisvollen, gefühlsmäßigen Ebene zu nähern, lag ihr nicht. Faustus war, momentan zumindest, die einzige Ausnahme... bei allen anderen jedoch... gelang es ihr einfach nicht, selbst wenn sie es versuchte. Nur eine ihrer Unzulänglichkeiten, eine von jenen, die sie nicht wirklich gut zu kaschieren vermochte, weil sie echt wirkende Nähe und Anteilnahme auch nicht glaubwürdig vorspielen konnte. Dazu kam, dass sie sich in solchen Situationen immer... unwohl fühlte. So hilflos... und sie hasste es, sich hilflos zu fühlen.
Sie stimmte mit Massa also überein, dass sie das besser nicht übernahm – dass er das aus einem völlig anderen Grund so sah, hörte sie zwar, aber sie sah keinen Anlass, ihn zu korrigieren, ihm zu erzählen, warum es wirklich besser war, dass nicht sie das machte. Es war nie gut, mit den eigenen Schwächen hausieren zu gehen.
Dennoch gab es freilich andere Dinge, die sie sagen konnte. „Ihr Bezugspunkt zu uns sind die Kinder.“ Die beiden waren Decimi, wie Magnus es gewesen war. Und Seiana würde sich in dieser Hinsicht nicht umstimmen lassen: die Kinder gehörten hierher, zu ihrer Familie. Wenn Venusia entschied, nach Germanien zurückzukehren, würde sie ohne die Kinder gehen müssen – jedenfalls wenn es nach Seiana ging. Und die Duccia hatte keine Handhabe. Sie mochte die Mutter sein, aber sie war nicht mit den Kindern verwandt, nicht rechtlich gesehen. Die einzige Möglichkeit, wie sie die Kinder dennoch von der Familie des Vaters würde fortnehmen können, war die, dass eben jene Familie es duldete. Und sie hoffte doch stark, dass ihr Bruder und der Rest der Gens das genauso sehen würden wie sie und es eben nicht duldeten. „Das sollte ihr klar sein.“
Ein flüchtiges Lächeln zeigte sich dann auf ihrem Gesicht. „Das ist eine gute Idee... wenn du das wirklich tun möchtest.“ Ja, dass Massa mit Venusia sprach, war wohl wirklich eine gute Idee. Faustus hatte auch viel zu tun, und die beiden Jungspunde... waren eben genau das. Jungspunde. Seiana traute keinem von beiden zu, dass sie eine solche Aufgabe schon übernehmen konnten. Massa hingegen wirkte so, dass er dem durchaus gewachsen war. Dazu kam, dass er zur Familie gehörte und für sie sprechen konnte – zugleich allerdings aufgrund seiner Abstammung aus der griechischen Linie mit Magnus eigentlich nichts zu tun hatte. Er konnte weder Venusia wirklich an ihren Mann erinnern und damit von vornherein ungute Gefühle auslösen, noch war er selbst gehemmt durch mögliche Gefühle, die der Verlust eines nahen Verwandten auslösen mochte. Und wenn Seiana eine Erfahrung gemacht hatte, dann die, dass immer Gefühle mit im Spiel waren, wenn etwas schief lief.
Als er dann noch anfügte, dass er nicht viel Zeit hätte, zog sie unwillkürlich ihre Hand zurück... und griff noch in derselben Bewegung nach ihrem Weinbecher, um einen Schluck zu trinken. Seltsamerweise machte es sie fast ein wenig traurig zu hören, dass er so bald wieder fort musste, und das wiederum war etwas, womit sie nicht gut umgehen konnte – mehr noch, da sie ihn ja eigentlich kaum kannte. Zudem zeigte es ihr erneut, wie gefährlich zu große Vertrautheit war... es machte verletzlich. Und so, obwohl sie vordergründig die Hand nutzte, um nach dem Becher zu greifen, war der eigentliche, wenn auch eher unbewusste Grund ein anderer: wieder ein wenig Distanz zu schaffen.