Beiträge von Decima Seiana

    Wenn es einen Mann in der Acta gab für spezielle Aufträge, dann war das Tullius. Gut, Columnus gab es auch noch, aber dessen... Spezialität war... noch spezieller. Oder besser gesagt einfach anders.
    Tullius in jedem Fall gehörte zu jenen Männern, die sich in der Halbwelt Roms bewegten wie ein Fisch im Wasser. Er war derjenige, der die meisten Informanten aufzubieten hatte, ohne dass jemand ahnte, wer das genau sein mochte... weshalb sein Netz funktionierte. Weshalb sie ihm vertrauten.


    Sein Netzwerk war es allerdings nicht, das ihm im Augenblick half, sich durch Rom zu bewegen. Es war mehr ein angeborenes Talent einfach unaufällig zu sein... und natürlich das Chaos, das gerade ausgebrochen war. Die Gerüchte verbreiteten sich wie ein Lauffeuer, während die Urbaner gerade erst angefangen hatten, überall Ausrufer zu postieren und die Leute nach Hause zu treiben... ergo war im Moment genug los auf den Straßen, um noch unbemerkt und unbehelligt von A nach B zu kommen, erst recht, wenn man nicht herumstolperte und brüllte und Fragen stellte und Antworten wollte, sondern offensichtlich sehr zielgerichtet irgendwohin ging. Ganz so, als wolle man gerade eh nach Hause, um einfach nur... nun ja: weg von der Straßen zu sein. Die Casa Pompeia zu erreichen war also das geringste Problem, aber das war Tullius auch vorher schon klar geworden. Eher leise klopfte er an... aber doch kräftig genug, dass es von innen wohl gehört werden würde, jedenfalls wenn der Ianitor an seinem Platz war. Und als die Tür sich öffnete, verkündete er: „Salve... ich komme von Decima Seiana. Mit einer Botschaft für die Lectrix.“

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    „Dominus! Welch Freude...“ … blablabla. Seit Raghnall zwei Tage von den Praetorianern in deren Carcer festgehalten worden war, war er nicht mehr sonderlich gut auf die Kerle zu sprechen. Was ein kleines Problem darstellte, wenn man bedachte, dass seine Herrin den Obermacker der Schwarzröcke nun geheiratet hatte. „Uhm. Die Domina ist nicht im Haus...“ Er überlegte einen Moment, wie dreist er sein konnte, aber er hatte so das Gefühl dass der Mann keinen Spaß verstand. Jedenfalls nicht von Sklaven. Und freilich hatte auch er mitbekommen, dass in Rom etwas nicht so war, wie es sein sollte... irgendwer hatte sogar irgendwas von Ausgangssperre gefaselt. Und dass der Praefect nach Hause gekommen war mitten am Tag und jetzt hier stand und nach seiner Frau brüllte, hieß ja auch dass irgendwas los war. Also fügte er hinzu: „Sie ist heute morgen zur Acta gegangen, Herr. Arbeiten.“





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

    „Immer noch da“, grinste der. Seiana warf ihm einen scharfen Blick zu – und machte dann eine auffordernde Kopfbewegung. „Informier die Lectrix. Und dann versuch was rauszufinden.“ Ohne ein weiteres Wort sprang der Mann auf und verschwand. Und Seiana machte nahtlos weiter. „Decrius und Trebius, seht zu, dass ihr nach Misenum kommt und dort in Erfahrung bringt, was passiert ist. Denkt daran, dass ich einen Verwandten bei der Classis habe... vielleicht weiß der was. Siculus und Marcius, ab nach Mantua. Ich will wissen, wenn sich bei der Legio I was tut. Und reitet getrennt voneinander, falls einer aufgehalten wird!“ Natürlich würden die vier nicht so blöd sein und an den Toren zugeben, dass sie Stadtrömer waren, sondern selbstverständlich aus besagten Städten stammen und nur das Weite suchen wollen, nachdem in Rom jetzt alles auf dem Kopf stand... aber man wusste ja nie. „Columnus und Salonia: Kaiserliche Kanzlei, Forum, Märkte – klappert alles ab. Schnappt Gerüchte auf. Kommt mit den Urbanern ins Gespräch, wenn möglich – versucht es mit den Ausrufern des Notstands, die sind vielleicht eher gewillt, zu reden, bevor sie euch heimschicken. Nehmt noch ein paar mit und verteilt euch. Geht aber kein Risiko ein. Wenn die Urbaner euch weghaben wollen, verschwindet, bevor ihr Ärger kriegt. Seid brav, gebt vor auf dem Heimweg von der Arbeit zu sein. Und macht woanders weiter. Vibienus, zur Castra Praetoria. Der Praefectus Urbi wird dich kaum empfangen, aber lass ihm die Nachricht überbringen, dass die Acta jede Mitteilung veröffentlicht, die er hat. Und vielleicht lässt sich bei der Gelegenheit auch was rausfinden.“ Und hier machte Seiana eine kleine Pause, ging das Gesagte im Kopf durch und überlegte, ob sie etwas vergessen hatte.
    Hatte sie tatsächlich. Vibienus machte sie darauf aufmerksam. „Was ist mit deinem... dem Praefectus Praetorio?“
    Ja. Was war mit dem. Seiana presste die Lippen aufeinander, während sie überlegte, was sie mit dem tun sollte. Sicher eine gute Quelle... nur was sie sich bei weitem nicht sicher, ob sie von ihm irgendwas erfahren würde. Sie wusste noch zu genau, was er ihr über die Reise ihres Bruders verraten hatte – nämlich nichts. Und Faustus selbst war nicht hier, den sie irgendwie hätte versuchen können abzufangen und auszufragen... was schwierig genug werden dürfte, bei dem was gerade los war, ganz davon abgesehen, dass Seiana sich auch bei ihrem Bruder ganz und gar nicht sicher war, ob der ihr etwas verraten würde, was er eigentlich nicht sagen durfte... enges Verhältnis hin oder her. „Ja, zu ihm muss auch jemand“, antwortete sie nach einem Moment. Blieb nur noch die Frage offen, wen sie schicken sollte. Nachdenklich rieb sie sich über ihr Kinn, während sie überlegte, was wohl besser war – im Sinne von: wer mehr Erfolg haben würde. Ein Acta-Mitarbeiter oder einer ihrer Sklaven? Sie zögerte einen Moment... dann entschied sie, dass einer ihrer Sklaven wohl mehr Chancen haben würde, vom Terentius tatsächlich empfangen zu werden. „Álvarez wird dich begleiten, Vibienus.“
    „Was ist, wenn uns die Urbaner aufhalten?“
    Seiana zögerte kurz, dann antwortete sie: „Sagt ihnen, wer ihr seid und wo ihr hin wollt. Wenn sie euch trotzdem zurück schicken: bittet sie, die Botschaft zu überbringen.“


    Und dann... wartete sie. Wartete. Und wartete. Entgegen ihrer üblichen Angewohnheit blieb sie im Redaktionsraum, gemeinsam mit dem Rest, den sie nicht losgeschickt hatte... und der sich auch nicht verabschiedet hatte. Sie kannte ihre Leute, sie wusste, wen sie für was einsetzen konnte... und so verwunderte es sie auch nicht bei denen, die nach und nach zu ihr kamen und sie fragten oder darum baten, gehen zu können. Angesichts der Ungewissheit... Ausgangssperre... es waren hauptsächlich freie Mitarbeiter, keine Subauctores, die es heute in die Acta verschlagen hatte und die verschwanden, und schließlich war Seiana fast allein, nur ihr zweiter Leibwächter hielt sich noch wie ein Schatten im Hintergrund auf, und zwei weitere Subauctores waren da. Hin und wieder führten sie eine leise Unterhaltung, stellten Mutmaßungen an – was passiert war. Wer schuld war. Wie es weiter ging. Aber im Großen und Ganzen hing jeder seinen eigenen Gedanken nach, während sie warteten.


    Wer allerdings als erstes eintraf, war nicht etwa einer ihrer Leute, sondern jemand völlig anderes. Ion brachte einen Mann in Classis-Uniform herein, und noch bevor Ion, der Türhüter, den Mann ankündigen konnte, stand Seiana stirnrunzelnd auf und betrachtete den Mann. „Salve, Nauta... was willst du?“

    Einen Moment lang war sie einfach nur sprachlos. Dann fing sie sich. Halbwegs. „Der was?“
    „Notstand, Auctrix“, wiederholte der Subauctor. „Ausgangssperre, aufgeregte Leute überall, Patrouillen der Urbaner in den Straßen, die sie nach Hause treiben... das ganze Programm.“
    Es dauerte noch einen weiteren Moment, bis Seiana wieder klar denken konnte. Nun, nicht völlig klar, dafür rasten ihre Gedanken nun zu schnell, wo sie vorher einfach nicht vorhanden gewesen zu sein schienen – aber klar genug. „Weiß man warum?“
    Der Mann schüttelte den Kopf. „Nicht offiziell. Noch nicht.“
    „Und inoffiziell?“ bohrte sie in scharfem Tonfall nach, und jetzt zögerte der Subauctor kurz, bevor er weitersprach. „Es... es gibt Gerüchte...“
    „Muss ich dir jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen?“ fauchte Seiana, in einem ihrer seltenen Anflüge, in denen sie ihre sorgsam gewahrte Beherrschung fahren ließ... nicht unbedingt freiwillig, aber aus gutem Grund. Der Notstand verhängt über Rom? Das konnte nur etwas Übles bedeuten. Und sie wagte zu bezweifeln, dass es irgendeine Barbarenhorde geschafft hatte, unbemerkt von sämtlichen Legionen bis hierher, ins Herz des Römischen Reichs, vorzudringen, um nun völlig überraschend die Hauptstadt anzugreifen.
    „Es heißt, der Kaiser sei tot.“


    Jetzt herrschte erst mal wieder Stille. Für einen Moment. Einen endlosen Moment, in dem Seiana zu begreifen versuchte – nicht was der Mann gesagt hatte, denn das war deutlich genug. Aber was es zu bedeuten hatte. Was für Folgen das haben konnte. Der Kaiser hatte einen Sohn, sicher, aber der war noch nicht ganz in dem Alter, in dem man ihm wohl die Regierungsgeschäfte allein anvertrauen konnte. Und er hatte ihn noch nie wirklich als seinen Nachfolger vorgestellt... Sie atmete ein und erhob sich, ging mit schnellen Schritten um ihren Schreibtisch herum, an dem Subauctor vorbei und durch die Tür hindurch. „Wir brauchen mehr Informationen. So schnell wie möglich. TULLIUS rief sie laut, noch bevor sie den Redaktionsraum erreicht hatte, und als sich die Tür öffnete, schwappte ihr ein deutlich höherer Geräuschpegel entgegen als normalerweise – und das, obwohl sie noch mehrere Schritte entfernt war. Der Gerufene war es allerdings nicht, der ihr den Kopf entgegen reckte.
    „Wo ist Tullius?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, betrat sie den Redaktionsraum... wo sich alle Anwesenden die Köpfe heiß diskutierten. „Anwesend“, meldete sich nun der Angesprochene von irgendwo, aber noch bevor Seiana etwas sagen konnte, hagelte auf einmal ein Stimmengewirr auf sie ein.


    „Ist das-“
    „Ist-“
    „Was sollen-“
    „Götter...“
    „-der Kaiser wirklich-“
    „War das ein-“
    „Gibt es-“
    „-wahr?“
    „-schon weitere-“
    „-Unfall oder-“
    „-Bekanntmachungen?“
    „Stimmt das-“
    „-wir-“
    „-tot?“
    „-seine Krankheit?“
    „-denn überhaupt?“
    „-tun?“


    Seiana verzog das Gesicht bei dem Lärm, der nun auf sie einprasselte, und hob beschwichtigend die Hände. RUHE! Der Ausruf ließ das Stimmengewirr ersterben, und als tatsächlich so etwas wie Ruhe eingekehrt war, fuhr Seiana mit normaler Lautstärke fort. „Wenn keiner genau weiß, was los ist – lasst uns das ändern. Und wir sollten die Zeit jetzt nutzen, wo noch jede Menge Leute unterwegs sind, weil die Urbaner erst dabei sind, alle nach Hause zu schicken. Tullius, wo steckst du?!

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    „Weil ich gar nicht weg war...“ erklärte Raghnall in einem langgezogenen Tonfall, als würde er einem besonders begriffsstutzigen Kind erklären wollen, warum ein Apfel ein Apfel war und keine Olive. „War gelogen, weißte? Hast mich doch grad überführt und die Wahrheit aus mir rausgekitzelt. Ich bin aus dem Redaktionsraum verschwunden. Ins Archiv. Um da zu stöbern.“ Was Raghnall für einen ausgezeichneten Kommentar dazu hielt. War doch wieder alles logisch jetzt, abgesehen von der Schmach, dass er nicht mit seiner Originalgeschichte durchgekommen war, sondern hatte zurückrudern müssen.
    Allein: der Schwarzrock wollte immer noch Bluthund spielen. Und Raghnall wusste beim besten Willen nicht mehr, was er noch tun sollte – außer stur auf seiner Geschichte zu beharren und davon nun nicht mehr abzuweichen. Ganz sicher würde er nicht verraten, dass er schon was fortgebracht hatte... nicht wegen ihm oder der Decima, denn sie saßen ohnehin schon gepflegt in der Scheiße. Allerdings blieb, was seine Herrin ihm angeordnet hatte: die Acta-Leute rauszuhalten. Und da Raghnall keine Ahnung hatte, was genau er da nun fortgeschafft hatte, konnte er das Risiko nicht eingehen, dass die Praetorianer das fanden... und damit womöglich etwas, was einen der Acta-Leute auch in Schwierigkeiten bringen konnte.


    Und das Ende vom Lied: der Schwarzrock ließ ihn tatsächlich schmoren. Zwei Tage lang... und dann wurde er freigelassen. Weil – und obwohl Raghnall nun wirklich nicht leicht zu überraschen war, überraschte ihn diese Nachricht tatsächlich, als er sie erfuhr – die Decima ein Bündnis mit dem Praefectus Praetorio geschlossen hatte... eines, das die Durchsuchung und was auch immer die Schwarzröcke da gefunden haben mochten hinfällig machte.



    Sim-Off:

    Zusammengefasst wie abgesprochen :)





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

    Einen Moment lang musterte Seiana ihn, ohne etwas zu sagen. Pflichten also meinte Massa... die Pflichten des Hausherrn. Das allein war allerdings noch kein Grund, warum sie mit Faustus darüber sprechen sollte. Allerdings war sie sich auch nicht sicher, ob Faustus Massa eingeweiht hatte, weswegen sie es vorzog nichts darüber zu sagen. Allerdings würde sie ihren Bruder vielleicht bei Gelegenheit fragen... „Er wird seine Pflicht als Decimus auch in dieser Hinsicht erfüllen.“ Natürlich würde er das. Der Bengel von früher, der als Tagträumer in Rom sein Glück hatte versuchen wollen, war kaum noch in ihm zu erkennen, so pflichtbewusst wie er nun war.


    Als Massa dann begann sich zu verabschieden, nickte Seiana leicht. „Du kannst beruhigt sein, Massa. Ich bin alt genug, um mit Benehmen jeglicher Art fertig zu werden.“ Diesmal zeigte sich tatsächlich der Hauch eines Schmunzelns um ihre Mundwinkel – und zeigte, dass sie ihren Kommentar als Scherz gemeint hatte. Gleich darauf allerdings wurde sie wieder ernst. „Und du hast viel gut bei mir. Mehr als jeder andere. Ich danke dir für deinen Besuch, Massa.“

    Zitat

    Original von Marcus Decimus Catus


    Ein wenig schmunzelte ich, kam in mir doch der Gedanke hoch, dass der Sklave mich nicht nur zur unterstützung sondern auch zur überwachung begleiten würde. Doch sagte ich das nicht, sondern lächelte wieder.
    Nun, eigentlich nur eine. Weißt du, welches Problem dein Buchladen ungefähr hat? Es wäre hilfreich das vorher zu wissen, so könnte ich mir jetzt schon ein paar allgemeine Gedanken dazu machen. Aber wenn du es nicht weißt ist das auch nicht so schlimm, ich werde es sicher spätestens wenn ich die Unterlagen durchsehe in Erfahrung bringen.
    Offen und ehrlich war mein Lächeln, während in meinem Kopf jetzt schon Gedanken und Ideen übereinander schlugen und ich mich freute, dass sie mir solch eine Aufgabe anvertrauen würde.


    „Nun... nennen wir es unzureichende Organisation. Ich habe bislang noch niemanden gefunden, der das Geschäft hier in Rom mit einem vernünftigen Konzept führt.“ Ihr erster Verwalter für den Laden hier in Rom, der sich um all das hatte kümmern sollen, war aufgrund eines Unglücksfalls verstorben. Und seitdem hatte sie nur Pech gehabt mit denen, die sie ausgesucht hatte sich um das Geschäft zu kümmern. Freie hatten sie im Stich gelassen oder sich als völlig talentfrei erwiesen, und unter ihren Sklaven hatte sie auch niemanden gefunden, der geeignet gewesen wäre. Aber das tat hier wenig zur Sache. „Momentan hängt alles an meinem Hauptgeschäft in Alexandrien. Zu weit und zu anders, um reibungslos funktionieren zu können. Und mir fehlt die Zeit, um mich selbst darum zu kümmern.“

    Seiana saß an ihrem Schreibtisch im Domus der Acta Diurna. Sie war schon vor ihrer Hochzeit regelmäßig hier gewesen, aber seitdem war sie es noch häufiger... Zum einen war da der simple Fakt, dass sich die Casa Terentia für sie fremd anfühlte. Nicht, dass es dort nicht schön war, oder angenehm sich dort aufzuhalten, nur... es war eben nicht ihr Zuhause. Ihr war durchaus bewusst, dass sie es auch nicht zu ihrem Zuhause machen konnte, wenn sie die Casa mied, aber im Moment erschien es ihr als die einfachere Alternative, so viel Zeit wie möglich außer Haus zu verbringen. Es blieb immer noch genug übrig, um dort zu sein – immerhin war sie Hausherrin, sie musste wenigstens eine gewisse Zeit dort verbringen, um sich um alles zu kümmern, was anfiel. Nicht zu vergessen die Abende und Nächte, die sie ohnehin immer dort war.
    Das war also einer der Gründe. Ein weiterer war, dass sie dort nicht mehr all das aufbewahren konnte, was sie in der Casa Decima aufbewahrt hatte. Nicht dass sie ihrem Mann unterstellen wollte, ihre Räumlichkeiten zu durchsuchen... wobei. Doch. Eigentlich wollte sie genau das. Sie konnte einfach nicht vergessen, wie ihr erstes Treffen abgelaufen war, wie diese Ehe zustande gekommen war. Sicher waren sie jetzt verheiratet, was einige Dinge grundlegend änderte, aber das hieß noch lange nicht, dass sie ihm tatsächlich vertraute. Schon gar nicht, was ihre Unterlagen anging. Die ihrer Betriebe und die der Schola waren harmlos genug... und auch private Post, obwohl ihr der Gedanke nicht gefiel, er könnte die lesen. Aber die Acta? Nein. Bei ihrem Umzug hatte sie sehr genau darauf geachtet, dass sämtliche Acta-Sachen ins Domus der Acta kamen. Nicht in die Casa Terentia. Auch wenn sie dort sogar ein eigenes Officium hatte, etwas, was sie sich in der Casa Decima nie selbst erlaubt hatte... obwohl es genügend Räume dafür gegeben hätte, hatte sie doch immer davor zurückgescheut, sich selbst dieses Recht zuzugestehen, sondern stattdessen ihr Schlafzimmer so eingerichtet, dass es auch als Arbeitszimmer dienlich war. Ihr Gatte allerdings hatte gar nicht gefragt gehabt, sondern ihr von vornherein auch ein Officium zur Verfügung gestellt. Was sie aufrichtig gefreut hatte, und einer der bislang noch seltenen Momente gewesen war, in denen sie so etwas wie... nun ja, nicht Zuneigung oder Vertrautheit oder etwas in der Art, aber... zumindest weniger Fremdheit verspürt hatte ihm gegenüber.


    Wie in letzter Zeit also ziemlich häufig war sie auch heute im Acta-Gebäude. Ihrem Mann konnte das kaum auffallen, war er doch selbst den ganzen Tag über nicht daheim – meistens jedenfalls. Und seitdem Seiana ungefähr wusste, wann er heimkam, achtete sie in der Regel darauf, vor ihm da zu sein... was irgendwie lächerlich war, immerhin wusste er ja, dass er die Auctrix geheiratet hatte, und dass sie ebenso außer Haus arbeitete – nicht wie viele andere Matronae daheim. Allerdings musste man ja auch nichts herausfordern, und Seiana war einfach vorsichtig. Und davon abgesehen mochte sie ihren festen Rhythmus.
    Der heute allerdings durcheinander gebracht würde, in Form der heftig aufgerissenen Tür zu ihrem Officium, die mit einem Knall an der dahinter liegenden Wand krachte, durch die ein atemloser Subauctor stürmte. Stirnrunzelnd sah Seiana auf und wollte gerade fragen, was um alles in der Welt in den Mann gefahren war, aber der kam ihr zuvor. „In der Stadt ist der Notstand verhängt worden!“

    Frohes Neues erst mal und hallo im IR :)


    Zwei Fragen hätte ich noch, bevor ich mich entscheide:
    - Was verstehst du unter unkonventionell?
    - Wie bist du auf die Decimer gekommen?

    F. Domitius Massula
    Casa Domitia
    Mogontiacum
    Provincia Germania Superior



    Salve werter Domitius,


    ich freue mich über dein Interesse am Kursangebot der Schola Atheniensis.
    Die Teilnahme am Cursus Iuris sieht eine Gebühr von 500 Sesterzen zu. Ich empfehle dir, einen Wechsel über diese Summe nach Rom zu schicken. Sobald dieser hier eingelöst wurde, werden dir die Kursunterlagen zugesandt.


    Vale bene,


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    ROMA – ITALIA – ANTE DIEM VII KAL IAN DCCCLXII A.U.C. (26.12.2011/108 n.Chr.)


    Sim-Off:

    Wertkarte Schola Atheniensis bitte.

    Seiana ließ sich von der Sklavin die Haare waschen und genoss das entspannende Gefühl, das sich in ihr ausbreitete. Das warme Wasser, die sachte Berührung auf ihrer Kopfhaut, mit der die Sklavin eine feinduftende Paste zum Waschen in ihre Haare rieb... mit einem leisen Seufzen schloss sie die Augen.
    Erst, als sie erneut Wasser plätschern hörte, öffnete sie ihre Lider wieder – und als sie feststellte, dass sich nun auch ihr Mann ins Wasser begeben hatte, war ein Teil der Anspannung wieder da. Sie beobachtete ihn dabei, wie er einige Züge machte, und spürte die Anspannung in sich noch ansteigen, als er schließlich auf sie zukam und in ihrer Nähe blieb... und sie musterte. In seinem Blick war etwas... etwas, das ihr Gänsehaut verursachte.


    Sie schloss erneut die Augen und folgte dem sanften Druck, den die Sklavin nun auf ihre Stirn ausübte, legte den Kopf in den Nacken und ließ sich die Haare ausspülen. Das Gefühl, dabei nun die ganze Zeit von ihm beobachtet zu werden... machte sie nervös und aufgeregt zugleich. Trotzdem zwang sie sich, ruhig zu bleiben, redete sich ein, dass er sich mittlerweile sicher auch seiner eigenen Körperpflege gewidmet hatte – obwohl sie im Grunde wusste, dass das nicht stimmte. Es war kein Geräusch zu hören, das darauf hingewiesen hätte, kein Plätschern aus seiner Richtung, nichts. Und da war dieser Ausdruck in seinen Augen gewesen, mit dem er sie gemustert hatte. Trotzdem versuchte sie nicht daran zu denken, bis... ja, bis die Sklavin fertig war und Seiana nichts anderes übrig blieb, als ihren Kopf wieder zu heben und die Augen zu öffnen. Und zu sehen, dass er sie immer noch musterte.
    „Danke“, murmelte sie auf seinen Kommentar hin und wich seinem Blick aus. Sie wusste nichts besseres als Antwort, wie üblich, wenn sie mit Komplimenten konfrontiert wurde... bei ihm allerdings ging ihr das scheinbar häufig so. Wie oft hatte sie in dem kurzen Gespräch heute überlegen müssen, was sie sagen sollte? Lag es an ihm, an seiner Art, die sie verunsicherte – oder einfach an der Tatsache, dass sie mit ihm verheiratet, sie aber im Grunde nach wie vor Fremde füreinander waren?


    Seiana schob die Gedanken weg. Sie war es mittlerweile selbst leid, zu grübeln, weil sie gerade in den letzten Tagen vor der Hochzeit und seitdem kaum etwas anderes getan hatte. Faustus hatte Recht gehabt, als er gesagt hatte sie sollte damit aufhören. Und es gab eine Möglichkeit der Ablenkung, eine, die zum Greifen nahe lag. Zu der es ohnehin recht bald kommen würde, wenn sie seinen Blick richtig deutete. Nur wusste sie nicht so recht, was sie tun sollte. Sie war nicht völlig unerfahren, das nicht, aber: einem Sklaven konnte man einfach befehlen. Und das war jetzt nun wirklich keine Option. Sie sah ihren Mann wieder an, und nach einem weiteren Moment des Schweigens löste sie sich von ihrem Platz und näherte sich ihm langsam, bis sie nur noch etwa eine Armlänge von ihm entfernt war, musterte ihn, und hob schließlich ihre Hand, um mit ihren Fingern sachte eine Narbe zu berühren, die auf seiner Brust zu sehen war. „Woher stammt die?“

    Seiana erhob sich ebenfalls und folgte ihrem Mann und den Sklaven, war sie doch die einzige, die sich hier überhaupt nicht auskannte. Ganz kurz sah sie auf ihre Hand hinunter, die von seiner berührt, gehalten wurde. Es war so... ungewohnt. Und sie wurde nicht recht schlau aus ihm – einerseits war er in Gesprächen häufig so kühl wie sie, wirkte teils sogar desinteressiert... andererseits jedoch machte er Gesten wie diese, die... Vertrautheit ausdrückten. Eine Vertrautheit, die zumindest in ihren Gesprächen nicht da war.
    Sie unterbrach ihren Gedankengang, als sie sich schon wieder beim Grübeln ertappte. Zeit, ermahnte sie sich. Gib dem Ganzen einfach Zeit. Es würde schon werden, wenn sie sich aneinander gewöhnt hatten, es brauchte nur... Zeit. Da brachte es nichts, ständig zu grübeln, und sich zu wünschen, dass es schon so weit war, ebenso wenig.


    Als sie das Bad erreicht hatten, stand Seiana zunächst ein wenig unschlüssig da, während ihr Mann sich schon seiner Kleidung entledigte und sich zuerst für eine Massage entschied. Zögernd tat sie einen Schritt nach vorn und zog sich dann ebenfalls vor, mit Hilfe einer Sklavin, die die Fibeln öffnete und den Stoff sorgsam zusammenlegte. Sie mied den Blick zu ihrem Mann, wollte nicht sehen, ob er sie ansah... aber als sie doch einen kurzen Seitenblick riskierte, bemerkte sie immerhin zu ihrer Erleichterung, dass er sie nicht offen heraus anstarrte. Auch etwas, was sie so nicht unbedingt erwartet hatte... und was es ihr schwer machte, ihn einzuschätzen.
    Im Gegensatz zu ihm beschloss sie, gleich ins Bad zu gehen. Eine Massage konnte noch bis später warten, Seiana wollte erst mal den Schmutz der Reise endlich los werden. Langsam stieg sie die Stufen in das Becken mit warmem Wasser hinab, ließ sich hinein sinken und legte schließlich den Kopf in den Nacken, um ihre Haare komplett nass zu machen, damit diese von einer Sklavin gewaschen werden konnten.

    Kurz nach der Hochzeit - noch bevor sie nach Mantua zum Stadtfest aufbrachen - war Seiana mit ihrem Mann zur Regia gekommen, um ihre Ehe eintragen zu lassen. Gemeinsam betraten sie also das zuständige Büro, als sie an der Reihe waren.

    Das Festmahl hatte den ganzen Nachmittag lang gedauert, bis zum Einbruch der Nacht... und dann war die Zeit für das nächste Ritual gekommen. Da Lucilla nicht nur Pronuba war, sondern auch Seianas nächste weibliche Verwandte – im Grunde die einzige, die heute anwesend war –, war es auch an ihr, den Part zu übernehmen, den üblicherweise die Mutter inne hatte. Seiana ließ sich von ihrem Bräutigam davon führen, um den Scheinraub zu vollführen, und gemeinsam mit ihm und den Hochzeitsgästen ging es durch die Straßen bis zur Casa Terentia.


    Sie hörte die Flötenspieler auf dem Weg, die ihn begleiteten. Sie sah die drei Jungen, die sie umringten. Sie nahm all das auf, was zu einem Hochzeitszug gehörte, was ihn ausmachte, in all der Tradition, die dazu gehörte – und irgendwie bekam sie es doch nicht so ganz mit. Ihr Kopf fühlte sich mittlerweile so überladen an, dass sie das Gefühl hatte, nichts mehr wirklich aufnehmen zu können. Die Zeremonie in der Casa Decima, das anschließende Fest, die Unterhaltungen, die geführt worden waren... mit jedem ein wenig, mit niemandem so wirklich. Das Kümmern um die Gäste, damit sich niemand benachteiligt fühlte. Dazu der Lärm, der von all den anderen Gesprächen kam, von dem Geklapper mit Geschirr, von der Musik, die das Essen begleitete. Und der jetzt hier fortgesetzt wurde, wieder mit Musik, mit Lachen und Gesprächen, vornehmlich aber mit den Liedern und Reimen, die gerufen und gesungen wurden... und immer wieder: Talassio. Es rauschte irgendwie an ihr vorüber, und für diese Momente, während ihre Füße sich ohne ihr Zutun zu bewegen schienen, gönnte Seiana sich diese Ruhe, zwang sich nicht, sich dennoch zu konzentrieren, sondern ließ sich einfach treiben. Der Tag war zu lang gewesen, zu anstrengend, und er war noch nicht vorüber. Sie brauchte ein paar Momente für sich, und der Umzug war die einzige Gelegenheit dafür... also nutzte sie sie.


    Die Gelegenheit war ohnehin schnell genug vorbei. Seiana war überrascht, wie rasch sie im Grunde bei der Casa Terentia angekommen waren – oder lag es daran, dass sie den Weg gar nicht so wirklich mitbekommen hatte? So oder so war es nun an ihr, ihren Part zu erfüllen, während sich hinter ihr einige der Gäste die Fackeln aus Weißdornholz schnappten. Sie bestrich den Türpfosten mit Öl, wickelte sorgfältig Wolle darum... und ließ sich im Anschluss daran von ihrem Mann über die Schwelle tragen. Was mit Abstand die engste Berührung war, die sie bislang geteilt hatten, was Seiana sich etwas unbeholfen fühlen ließ – aber es war ja nicht sie diejenige, die ihn tragen musste. Und dabei womöglich Gefahr lief zu stolpern... was er allerdings nicht tat, glücklicherweise. Seiana hatte die Augen geschlossen, während der Terentius sie in sein Haus trug, hielt sich an seiner Schulter fest und bemühte sich um innere Gelassenheit – um nach außen kühl und gefasst wie stets zu wirken. Und als der Terentius sie wieder hinunterließ und ihr Wasser und Feuer überreichte, hatte sie sich wieder im Griff, verteilte die Asse, für ihren Mann, den Herd, die Wegkreuzung. Sie setzte sich traditionsgemäß auf das hölzerne Fascinum, das im Atrium vorbereitet worden war. Und endlich, endlich, konnte sie den ganzen Trubel hinter sich lassen, die Gäste, die Feier, den Lärm. Nicht, dass der Gedanke an das Bevorstehende keine Unsicherheit in ihr auslöste, ganz im Gegenteil – sie war unruhig, mehr noch, nervös. Aber im Moment überwog eindeutig die Erleichterung darüber, endlich ein wenig Ruhe zu bekommen.

    Der PU hat doch sowieso alles in der Hand. Nicht dass diese Einschätzung der politischen Lage in Rom etwas neues wäre... aber das von dem Mann zu hören, der nach dem Kaiser und dem Praefectus Urbi der wichtigste in Rom war, bedeutete doch noch mal etwas anderes als das Geschwätz auf der Straße und das Gejammer alter Senatoren.
    Wie sie allerdings auf den folgenden Scherz reagieren sollte, wusste Seiana nicht. Sie wusste es einfach nicht. Sie wusste noch nicht mal, ob da nicht ein winziges bisschen Ernst mit drin steckte... er wäre immerhin nicht der erste Praefectus Praetorio, der versuchte seine Macht auszunutzen. Und auch wenn es ein reiner Scherz war: sie wusste dennoch keine adäquate Erwiderung. „Es hört sich einfacher an“, versuchte sie sich an einer ebenso scherzhaften Erwiderung, die allerdings... ziemlich lahm war. Sogar ihr fiel das auf.


    Sie versuchte die Peinlichkeit zu überspielen, suchte nach einem anderen Gesprächsthema, und ein wenig unterhielten sie sich noch – aber Seiana fühlte sich dennoch weiterhin unbeholfen, zu sehr, um sich wirklich entspannen zu können. Und so war sie sogar beinahe erleichtert, als ein Sklave kam und verkündete, dass das Bad vorbereitet war. Sie stellte ihren Weinbecher daraufhin ab und sah ihren Mann an. „Wollen wir?“

    „Ich... oh“, machte Seiana, und sie spürte, wie sie leicht errötete. Sie hatte gar nicht wirklich darüber nachgedacht, sie hatte einfach... gehandelt. Wie zu Hause auch. Es waren ja nur Sklaven, und sie war... die Hausherrin. Konnte es allerdings sein, dass ihr Mann tatsächlich etwas dagegen hatte? Kurz musterte sie ihn und versuchte zu ergründen, wie er seinen Kommentar gemeint hatte, aber es schien ein Scherz gewesen zu sein... und so versuchte sie sich an einem Lächeln – was zusätzlich den Vorteil hatte, dass sie dmait ihre Verlegenheit wenigstens etwas überspielen konnte. „Ja, ich... dann können sie sich gleich an mich gewöhnen“, antwortete sie, ebenfalls scherzend, oder wenigstens in dem Versuch es zu sein.


    Sie trank ebenfalls einen Schluck Wein und machte mit ihrer anderen Hand eine vage Geste. „Ich meinte eher deine Amtsgeschäfte. Ich könnte mir vorstellen, dass es als Praefectus Praetorio nicht ganz einfach ist, sich für mehrere Wochen ganz zurückzuziehen.“ Ihr ging das jedenfalls bei der Acta so. Sicher hatte auch sie Stellvertreter, aber alles vertraute sie denen auch nicht an, und grundsätzlich... war sie nun mal der Typ Mensch, der gern selbst die Kontrolle hatte, und sich schwer damit tat, diese abzugeben. Und sein Posten war ein ungleich wichtigerer.

    Massa akzeptierte ihre Ablehnung ohne ein weiteres Wort, ohne es zu kommentieren. Vielleicht bekam er ja irgendwann die Gelegenheit, eines ihrer seltenen ehrlichen Lächeln zu sehen... aber für den Moment schien ihr das unmöglich. Und sie war dankbar dafür, dass er nicht versuchte, weiter darüber zu reden, weiter in sie zu dringen.
    Sie ging langsam zu dem Tisch, an dem sie vorher gesessen hatten, griff nach ihrem Becher und nippte nachdenklich daran. „Nein... das tut es wohl nicht“, antwortete sie ruhig. Aber es verschaffte ihrer Familie eine Verbindung zu einem der mächtigsten Männer Roms. Es verschaffte ihr Schutz. Es machte den Praefectus Praetorio zu einem Freund, und das war mehr wert als mögliche Feinde, die sich nun dadurch ergaben – zumal ihre Familie ja bereits die Aufmerksamkeit des Terentius auf sich gezogen hatte, vor allem durch die Opposition ihres Onkels gegen den Praefectus Urbi. Und dann diese Hausdurchsuchungen... und die Befragung. Bei der sie so jämmerlich versagt hatte, bei der sie, anstatt einen Weg zu finden, ihre Familie zu schützen, sich nur selbst in Schwierigkeiten manövriert hatte. Was sie zu Beginn des Gesprächs noch empört hatte – dass es dem Terentius gar nicht um einen wirklichen Schuldigen gegangen war, nur darum, ein Exempel zu statuieren –, war letztlich ihre Rettung gewesen, denn anders hätte er sich kaum auf ihren Handel eingelassen.


    Was Massa jetzt allerdings von ihr wollte, konnte sie ihm nur zu leicht geben. „Ich werde vorsichtig sein“, versprach sie. „Ich habe meine Möglichkeiten. Und er ist der Praefectus Praetorio. Wenn er uns nicht schützen kann vor denen, die... uns nicht freundlich gesonnen sind, wer dann?“ Sie setzte sich wieder und strich sich nachdenklich über den Mund. „Nun... Faustus hat noch Zeit.“ Seiana hatte keine Ahnung, ob Massa wusste, warum eine Heirat für ihren Bruder eine so unerfreuliche Aussicht war. Aber es war nicht ungewöhnlich, dass Männer erst spät heirateten. Ganz im Gegensatz zu Frauen. Und auch, wenn ein Teil von ihr durchaus der Meinung war, dass es für Faustus langsam Zeit wurde, wollte der weitaus größere Teil wenigstens ihm die Freiheit lassen, das zu tun wonach ihm war – wenn ihr selbst das schon missgönnt war. „Es wird Venusias Aufgabe sein, sich um alles hier zu kümmern. Als Magnus noch am Leben war, war sie nicht regelmäßig hier... aber seit seinem Tod lebt sie ganz hier. Und als seine Witwe und Mutter seiner Kinder ist sie die Hausherrin.“ Sie musterte Massa. „Was meinst du, was auf ihn zukommt?“

    „Nein, sicher nicht. Danke“, antwortete sie mit einem angedeuteten Lächeln, bevor sie ein Stück Brot in den Mund schob. Auch wenn sie wohl kaum häufig hier auf dem Anwesen bei Mantua sein würden, schaden konnte es ganz sicher nicht, wenn sie sich hier auch auskannte. Und obwohl er nur eine Tatsache aussprach – immerhin war es ja nicht nur üblich, sondern die Aufgabe einer Ehefrau, sich um den Haushalt zu kümmern –, fühlte sie sich dennoch wohler mit dem Wissen, dass er ihre Rolle in dieser Hinsicht akzeptierte. Es machte Sklaven klar, dass sie keinen Vorteil aus der Situation würden ziehen können, und es konnte mögliche Machtkämpfe mit Verwandten von ihm zumindest mindern... wenn nicht ganz verhindern. Aber das war momentan ohnehin kein Problem, da kaum einer seiner Verwandten in Rom weilte, und bis tatsächlich einer kam... hoffte sie, dass sich diese Ehe und alles was damit zusammenhing nicht mehr gar so furchtbar ungewohnt und... neu für sie anfühlen würde. Mit Gewöhnung wuchs üblicherweise auch die Sicherheit, mit der man agieren konnte.


    Sie wollte den Bissen Brot gerade mit etwas Wein hinunter spülen, als er weitersprach. Es fehlte nicht viel und sie hätte sich verschluckt. Es blieb bei einem kurzen Husten mit geschlossenem Mund, mehr einem Räuspern gleich, und sie hatte sich wieder im Griff, trank noch einen Schluck, um den Moment zu überspielen... aber seine Worte blieben. Anschließen wollte er sich. Beim Bad. Seiana musterte ihren Mann, versuchte in seinem Gesicht zu lesen, aber sie konnte nicht so recht deuten, was er bezweckte. Ob er tatsächlich nur baden wollte... oder mehr. Er klang neutral, sie konnte nicht die leiseste Andeutung heraus hören – und dennoch spürte sie ein leichtes Kribbeln bei dem Gedanken daran, dass das vielleicht nur sehr gut gespielt war. Sie konnte nur nicht recht entscheiden, ob es angenehm war oder nicht – was allerdings nicht wirklich eine Rolle spielte.
    „Ich habe nichts dagegen. Warum sollte ich?“ hörte sie sich sagen. Sie rechnete ihm an, dass er fragte – auch wenn sie sich nicht ganz so sicher war, ob er ein Nein von ihr akzeptiert hätte. Oder ob das vielleicht einfach nur ein Test von ihm war. Aber sie rechnete es ihm dennoch an. Er klang jedenfalls ehrlich. Allerdings: sie waren verheiratet. Egal ob er nun tatsächlich einfach nur baden wollte oder das nur ein Vorwand war, um mit ihr zu schlafen – es sprach nicht das geringste dagegen, dass er mitkam. Sie wusste das. Sie meinte das auch. Trotzdem konnte sie die leise Aufregung nun konstant irgendwo in ihrer Magengegend spüren. Ungeachtet dessen allerdings gab sie den Sklaven einen Wink. „Bereitet das Bad vor.“ Und an ihren Mann gewandt, um die Wartezeit zu überbrücken: „Wer führt in Rom eigentlich deine Geschäfte, wenn du fort bist?“