Beiträge von Decima Seiana

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    Decimus Catus. Decimus Catus? Na super... erst seit kurzem Ianitor, und schon wünschte Ephialtes sich, Marcus wäre hier. Der Alte hätte sicher etwas mit dem Namen anzufangen gewusst. Jedenfalls wenn dieser Catus früher schon mal hier gewesen war, also ganz früher, noch vor Ephialtes' Zeiten als Gehilfe des Ianitors. Aber nun, er war ja professionell. Und der Hinweis auf die griechische Linie ließ vermuten, dass er noch nie hier gewesen war. UND der Mann ließ nichts davon verlauten, dass er eigentlich erkannt werden müsste. „Sehr wohl. Wenn ihr bitte einen Augenblick warten würdet?“ Ephialtes zog sich für einem Moment ins Haus zurück, und kurze Zeit später kam er wieder zum Vorschein: „Decima Seiana empfängt euch im Atrium.“





    IANITOR - GENS DECIMA

    Seiana sah, wie ihre Tante ihr zuzwinkerte, und sie brachte sogar ein schwaches Lächeln als Antwort zustande. Jetzt, wo die Zeremonie begann, machte sich doch wieder Nervosität bemerkbar bei ihr... ein leichtes Flattern in der Magengegend, das nicht wirklich eine positiv-aufgeregte Note hatte. Ihre Haltung allerdings blieb ruhig und aufrecht, während nach und nach die Gespräche verstummten und schließlich der Terentius die Gäste begrüßte – bevor es dann an dem Haruspex war, seine Rolle zu spielen. Was er gut tat. Seiana hatte keinen Zweifel daran gehabt, dass er wie besprochen nur Positives verlautbaren würde über die Eheschließung und wie die Götter wohl darüber denken mochten, aber man konnte sich vorher ja nie so ganz sicher sein, wie gut derjenige das dann hervorzubringen verstand... Und sie konnte zufrieden sein mit dem, was und wie er es sagte. Für einen Augenblick musterte sie die Leber und fragte sich, welche Zeichen er wohl wirklich gesehen haben mochte... hatte allerdings für sich schon längst beschlossen, ihn nicht danach zu fragen. Es spielte keine Rolle, ob die Vorzeichen gut oder schlecht waren. Sie würde so oder so damit leben müssen, egal wie ihre Ehe nun laufen mochte.


    Im Anschluss an die Haruspizien wurde der Ehevertrag von einem Sklaven gebracht, unterzeichnet und vor den Gästen, die in diesem Fall als Zeugen fungierten, verlesen – und ihr Bruder überreichte den Schlüssel zu dem Landgut, das der Terentius als Mitgift bekam. Seiana nutzte diesen Moment, um einmal tief – aber leise, und damit hoffentlich unbemerkt von den Menschen dicht um sie herum – durchzuatmen. Natürlich folgte nun noch die Dextrarum Iunctio, natürlich folgten noch die Opfer... und später dann der Brautzug, und in der Casa Terentia ihre Aufnahme in den neuen Haushalt. All die traditionellen Bestandteile einer Hochzeit. Aber der Vertrag war, für sie zumindest, das Kernstück gewesen, die schriftliche Zusage, dass der Terentius und sie eine eheliche Verbindung eingingen... womit sie nun verheiratet waren. So schnell ging das letztlich... und trotzdem gab es drumherum einen solchen Firlefanz. Es wäre so einfach – und so schön – gewesen, den ganzen Rest lassen zu können und nach der Unterzeichnung einfach in die Casa Terentia zu gehen... aber so einfach war es eben nicht, und so verdrängte sie, nicht zum ersten Mal, jeden Gedanken daran, wie einfach es hätte sein können, und sah zu Lucilla.

    Seiana und ihr Mann waren erst am vorigen Tag angekommen, aber immerhin bereits am frühen Nachmittag, so dass noch Zeit genug gewesen war, erst mal in Ruhe anzukommen und sich vor allem auszuruhen… bevor sie am nächsten Tag noch in der Dunkelheit aufbrachen in die Stadt hinein, um rechtzeitig dort zu sein und den Festivitäten beizuwohnen. Und zumindest für Seiana hatte das geheißen, dass sie noch deutlich früher hatte aufstehen müssen, um sich vernünftig herrichten lassen zu können. Allerdings: wirklich viel machte ihr das nicht aus. Sie schlief ohnehin nur schlecht, das war etwas, was sie scheinbar nicht mehr los wurde… Ihr Schlaf war unruhig und häufig von Träumen geplagt, an die sie sich häufiger erinnern konnte als ihr lieb war, und es verging zudem kaum eine Nacht, in der sie nicht irgendwann aufwachte – manchmal sogar mehrmals. Und sie schlief zwar wieder ein, aber häufig erst nach einer gewissen Zeit, und noch häufiger stellte sich der Effekt ein, dass ihr Schlaf danach höchstens noch unruhiger wurde und nicht mehr wirklich erholsam war. Oft genug verzichtete sie in solchen Situationen auf den Versuch, noch etwas Schlaf zu bekommen, und stand auf, wenn nur ersichtlich war dass es bereits einigermaßen auf den Morgen zuging… entsprechend machte der Fakt, dass sie heute einen Grund hatte so früh aufzustehen, keinen Unterschied für sie.


    So fanden auch sie sich ein beim Stadtfest von Mantua und hielten auf den Bereich zu, der den geladenen Gästen vorbehalten war.

    Die Hochzeit lag nur wenige Tage zurück, als Seiana und ihr frischgebackener Ehemann sich auf den Weg nach Mantua gemacht hatten. Den enervierend langen und mühsamen Weg… Selbst bei gutem Wetter zählte Reisen nicht unbedingt zu Seianas Lieblingsbeschäftigungen. Jetzt, im Herbst, bei wechselhaftem Wetter und nur allzu häufig Regen und Wind, war es einfach nur unangenehm. Dazu kam, dass sie sich noch nicht so recht daran gewöhnt hatte, verheiratet zu sein… natürlich nicht. Sie war sich unsicher, wie sie sich verhalten, wie sie mit dem Terentius umgehen sollte. Und bei so einer Reise war es unmöglich, sich zurückzuziehen, um ein wenig Ruhe zu haben, ein wenig… Raum für sich selbst. Seiana, die selbst in der vertrauten Umgebung der Casa Decima ihre Rückzugsmöglichkeiten gebraucht und teils rege genutzt hatte, hatte das während dieser Reise schmerzlich vermisst, umso mehr da sie nicht mit vertrauten Menschen unterwegs war, sondern mit einem Fremden… der nun ihr Mann war, und den sie deshalb nicht vor den Kopf stoßen konnte, indem sie ihn einfach ignorierte oder ähnliches.
    Sie hatte sich davon nichts anmerken lassen, weder davon, dass die Reise an und für sich schon schlicht unangenehm war, noch davon, dass ihr die Umstände nicht behagten. Es half ja nichts – und sie bemühte sich daran zu denken – und hoffte zugleich, dass das wirklich alles war, was sie brauchte –, dass sie sich einfach nur gewöhnen musste. Daran, verheiratet zu sein. Und an ihn. Die Reise selbst hatte ihr dabei bislang nicht geholfen, aber vielleicht wurde das ja anders, nun, da sie angekommen waren und hier ein paar Tage auf seinem Landgut verbrachten.

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    Ianitor. Endlich – Ianitor! Seit Jahren war Ephialtes dem alten Marcus zur Seite gestanden, war ihm zur Hand gegangen, hatte Botengänge übernommen und Besuch angekündigt... und jetzt, endlich, hatte er den wichtigen Posten des Ianitors übernehmen dürfen. Natürlich vermisste er Marcus ein wenig, hatte er mit dem alten Mann doch die letzten Jahre verbracht... aber der war sicher glücklich, jetzt wo er freigelassen worden war für seine treuen Dienste und zu seiner Familie konnte. Und er... nun. Er war Ianitor!


    Immer noch davon beflügelt, endlich Ianitor zu sein – immerhin war das noch nicht allzu lange her, dass er befördert worden war – öffnete er derzeit jedem Besucher mit einem über das Maß der normalen Höflichkeit hinausgehenden freundlichen Lächeln die Tür. So auch diesem, der nun klopfte. „Salve die Herren! Wie kann ich euch behilflich sein?“





    IANITOR - GENS DECIMA

    Nach und nach waren die Gäste eingetroffen und begrüßt – in jedem Fall stand nun beim Brautpaar niemand mehr an, der noch erste Glückwünsche los werden wollte. Stattdessen hatten sich die Gäste verteilt und begonnen, sich untereinander zu unterhalten. Sklaven huschten unauffällig durch die Menge und boten Getränke an, und für einige Zeit wurde den Anwesenden die Gelegenheit geboten, sich zunächst einzufinden und untereinander auszutauschen. Immerhin gab es ja keinen Grund, zu hetzen. Bevor allerdings die Zeit der Ankunftsphase zu lang werden konnte, kam Bewegung auf – die Gäste konnten sehen, wie nun die Vorbereitungen für die Zeremonie getroffen wurden. Helfer brachten bereits das Opfertier für die Haruspizien, ein gesundes, kräftiges Prachtexemplar eines Schafs herein, das widerstandslos mit trottete sowie die Utensilien, die für das Opfer benötigt wurden. Unterdessen wanden sich die Sklaven nun durch die Gäste hindurch und wiesen nach vorne, wo die Zeremonie durchgeführt werden würde, machten die Gäste – stets höflich und darauf bedacht, niemanden vor den Kopf zu stoßen – darauf aufmerksam und sorgten auf diese Art nach und nach dezent dafür, dass die Gespräche erstarben und die Aufmerksamkeit dorthin gelenkt wurde, wo das Brautpaar stand.

    Zitat

    Original von Caius Decimus Flavus
    Etwas dreist war es von einer einfachen Sklavin schon, auch wenn sie recht hatte. Flavus würde sie nach der Hochzeit dazu ins Gebet nehmen, heute jedoch nicht. Er gab Theseus ein Zeichen, dieser erklärte schnell Runa was los war und die beiden Sklaven gingen weg. Zu Rhea wandte er sich erst dann zu."Ich verstehe dass die beiden wichtig sind, aber wegen wenigen Minuten bricht hier kein Chaos aus Rhea, du machst deine Arbeit, das verstehe ich nur zu gut, aber auch die Sklaven müssen mal kurz Luft holen können. Ich habe noch keine unzufriedenen Gesichter gesehen, du etwa?"



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    Rhea war keine einfache Sklavin. Sie war Vilica, was bedeutete, dass sie – egal ob nun eine Feier anstand oder nicht – für sämtliche Abläufe in der Casa Decima verantwortlich war. Sie entschied, was gekauft wurde, sie entschied, welcher Sklave wo eingeteilt wurde, sie behielt Vorräte und Reparuturanfälliges im Blick, kurz: sie kümmerte sich darum, dass alles rund lief. Und sie erstattete direkt der Decima Bericht, wobei sich das nun in Zukunft ändern würde. Lediglich die größeren Themen sowie die Dinge, von denen sie wusste, dass die Herrin sie selbst entscheiden wollte, bereitete sie nur vor und brachte sie dann zu ihr, um sie mit ihr zu besprechen.


    Schwierig wurde es nur dann, wenn zwei der Herrschaften etwas Verschiedenes wollten, und sie sich entweder nicht einigen konnten oder gar nicht miteinander sprachen… aber von ihr dennoch erwarteten, dass sie es allen recht machte. „Verzeih, Dominus. Aber meine Anweisungen der Domina sind explizit. Wir Sklaven sind heute nicht zum Feiern hier. Pausen der Sklaven sind ausreichend miteingeplant, aber diese werden wir in der Culina oder im Servitriciuum verbringen. Vor den Gästen hat es keinen Müßiggang der Sklaven zu geben. Das waren ihre Worte.“ Der Herr konnte ja mit der Decima sprechen und ihr sagen, dass ihm das nicht gefiel… er würde schon sehen, wie sie darauf reagieren würde. Ob sie ihm recht gab und die – hervorragende! – Organisation der Feier über den Haufen schmiss, nur um Sklaven die Möglichkeit zu geben, jederzeit ihre Arbeit stehen und liegen zu lassen, anstatt sich an den Plan zu halten, oder ob sie so reagieren würde, wie Rhea vermutete dass sie reagieren würde: Flavus mit einer Mischung aus Kälte und Verständnislosigkeit ansehen und ihm dann etwas in der Richtung sagen, dass es sich nur um Sklaven handelte… und dass sie ganz sicher nicht den reibungslosen Ablauf ihrer Hochzeitsfeier riskieren oder die Gens der Lächerlichkeit preisgeben würde, nur damit das Dienstpersonal sich vor den Gästen gehen lassen konnte…


    Und Rhea konnte die Decima verstehen – wie sah das denn aus vor den Gästen, wenn die Sklaven sich auf einmal hinsetzten und vor aller Augen ausruhten? Sie waren hier um zu arbeiten, um zu bedienen… bei keiner Veranstaltung feierte das Dienstpersonal plötzlich mit den Gästen. Oder trank ihnen gar den Wein weg. Das war auch so ein Thema. Sie hatte gesehen, dass Runa mindestens einen Becher Wein geleert hatte… und das war kein dünnes Gesöff, das sich kaum in die Blutbahn niederschlug. Das Zeug hatte es in sich. Und Runa war noch ein Mädchen, noch dazu nicht sonderlich kräftig – sie konnte gar nicht viel vertragen. Und Rhea wusste, wer den Ärger bekommen würde, wenn hier auf einmal betrunkene Sklaven herum torkelten. Dass Flavus sich würde rächen können später, war ihr wohl bewusst, aber sie kannte ihn noch kaum, vermochte nicht zu sagen, ob er sie bestrafen würde oder nicht, und wenn ja, wie. Seiana allerdings kannte sie, und sie wusste, was sie dann erwartete… weswegen die Wahl klar war: sie würde lieber den Zorn Flavus‘ riskieren als den Seianas. Ganz davon abgesehen, dass das hier nicht Flavus‘ Feier war, sondern Seianas. Und die Decima in dieser Sache sicher hinter Rhea stehen und sie schützen würde.





    VILICA - GENS DECIMA

    Senator et Legatus Legionis
    Titus Aurelius Ursus
    Castra Legionis I Traianae Piae Fidelis
    Mantua - Italia



    Werter Aurelius,


    im Zuge des Stadtfests von Mantua werden mein Mann und ich einige Zeit in der Gegend verbringen. Diese Gelegenheit möchten wir gerne nutzen, um dich ANTE DIEM XVI KAL NOV DCCCLXI A.U.C. (17.10.2011/108 n.Chr.)* zu einer Cena in die Villa Terentia einzuladen. Sofern deine Gemahlin derzeit in Mantua weilt, so ist sie selbstverständlich ebenfalls herzlich willkommen.


    Ich freue mich schon auf einen gemeinsamen Abend mit gutem Essen und anregenden Gesprächen – umso mehr, da du aufgrund deines Status' als Legatus Legionis leider nicht unserer Hochzeit beiwohnen konntest.


    Vale bene,


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    „Ich danke dir für deine Glückwünsche“, antwortete Seiana ihrer Lectrix mit einem höflichen Lächeln. Dass sowohl die Iunia als auch der Terentius ein wenig… merkwürdig aufeinander reagierten, fiel ihr nicht auf. Es waren zu viele Menschen um sie herum, und davon abgesehen kannte sie insbesondere den Terentius zu wenig, um aus seinem Verhalten wirkliche Schlüsse ziehen zu können… und was Axilla betraf, war ihr Verhältnis zueinander ohnehin distanziert. Die lockere Art, die sie von der Iunia noch von früher kannte, bevor die Sache mit Archias passiert war, und die sie gelegentlich auch mitbekam, wenn die Lectrix mit anderen Acta-Mitarbeitern sprach, hatte diese ihr gegenüber schon lang nicht mehr gezeigt… insofern wunderte es Seiana überhaupt nicht, dass sie auch jetzt eher ruhig war.


    Flavus, wandte sie sich dann an den nächsten Gast, nachdem ihr... ihr... konnte sie ihn schon als ihren Mann bezeichnen? Nachdem der Terentius ihn begrüßt hatte. „Auch von mir herzlichen Dank für deine Glückwünsche.“

    Seiana selbst war da anderer Meinung. Vielleicht wirkte es auf andere so… sie selbst allerdings wusste nur zu gut um die Einschränkungen, die sie hatte. Sie tat, was sie konnte… aber sie hatte ihre Grenzen, sowohl sie als Frau, als auch sie ganz persönlich. Und sie kannte diese Grenzen, kannte ihre Unzulänglichkeiten, kannte sie viel zu gut, um sie je zu vergessen.
    Aber sie sagte nichts dazu, hob nur ihren Becher an und trank einen Schluck, als er es tat. Und ließ ihre Hand dort liegen, wo sie zur Ruhe gekommen war, neben der seinen, wo nur wenige Berührungspunkte gegeben waren… aber diese wenigen ließen sie dennoch die Wärme seiner Haut spüren, auf eine angenehme Art.


    „Um ehrlich zu sein, ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie für immer nach Germanien zurückkehren möchte… oder nur ihre Familie für einen längeren Zeitraum besuchen. Ich habe ihr allerdings gesagt, dass sie hier immer willkommen sein, dass dieses Haus immer ihr Zuhause sein wird. Sofern sie selbst das möchte“, antwortete sie. „Ich glaube nicht, dass sie ohne die beiden gehen würde. Meine Befürchtung ist, dass sie vielleicht mit ihnen geht… und das nicht nur für einen Besuch, sondern um dort zu bleiben und Sevilla und Secundus dort aufzuziehen. Und das können wir nicht zulassen… die beiden können gern die Familie und die Heimat ihrer Mutter kennen lernen, aber sie sind Decimi, sie gehören zu ihrer Familie, und sie sollten in unserem Sinn erzogen werden. Nicht in dem einer anderen Familie.“

    Zitat

    Original von Sextus Aurelius Lupus
    Mit seiner Frau an seiner Seite betrat auch Sextus schließlich die Feier. Auch wenn seine volle Amtstracht sicherlich die nötige Macht seiner Aufgabe betonte und die übrigen Collegien auch nicht unbedingt modischere Kleidung trugen: Er fand er sah so... so... blöd aus. Die kurze Tunika aus heller Wolle war für das draußen derzeit vorherrschende Wetter etwas frisch, auch wenn der darübergelegte lange Mantel aus dem Leder eines Opfertieres Kälte, Wind und Regen doch gut abhielt. Der spitz zulaufende, konische Hut allerdings war dann doch trotz aller Ehre und Würde etwas gewöhnungsbedürftig, wenngleich die Flamines mit ihrer Kopfbedeckung sicher ähnlich albern aussehen mochten.


    Sich seiner Auffälligkeit also durchaus sehr bewusst betrat Sextus dennoch selbstsicher den Raum und behielt die stoisch gefasste und ernste Miene auch bei, obwohl er hier und da bekannte Gesichter erblickte. Eben jene würde er begrüßen, sobald er seine Aufgabe wahrgenommen hatte, so dass ihm niemand, erst recht nicht seine beiden Auftraggeber, vorwerfen könnte, er wäre nicht mit dem nötigen Ernst daran gegangen, die Zeichen des Tages zu lesen.
    Zu eben jenen begab er sich dann auch sehr zielstrebig und begrüßte sie, als er bei ihnen war, beide mit einem kleinen Nicken. “Decima, Terentius. Ich freue mich, dass ihr mir die Ehre zuteil werden ließet, die Opfer für diesen Tag und diese Verbindung auf das Wohlwollen der Götter zu prüfen.“ Soweit zur Höflichen Begrüßung, jetzt zur höflichen Überleitung an die anderen Gäste. “Bis ihr mit der Begrüßung eurer Gäste soweit fortgeschritten seid, dass das Opfer vollzogen werden kann, werde ich mir das Opfertier mit eurer Erlaubnis ansehen.“ Immerhin war auch das äußere Erscheinungsbild des Tieres schon ein Zeichen. Hatte man ihm zuviel Betäubungsmittel gegeben und es brach zusammen, galt das gemeinhin als sehr schlechtes, so dass Sextus hoffte, der kleinen Absprache kam nicht ein wirklich göttliches Zeichen dazwischen.


    „Salvete, Flavia, Aurelius“, grüßte Seiana den Haruspex und seine Frau, als diese nun auf sie zukamen. Der Aurelius war nicht zu übersehen in seiner traditionellen Kleidung – was Seiana allerdings nur recht sein konnte, wollte sie doch, dass es beim Opfer nicht den allergeringsten Zweifel gab. Und die Aussage eines Haruspex wog nun mal mehr als die eines einfachen Priesters, der nur die Beurteilung abgeben konnte, ob die Götter nun das Opfer angenommen hatten oder nicht. „Die Freude ist ganz auf unserer Seite, Aurelius.“ Sie lächelte den beiden höflich zu. „Selbstverständlich kannst du das. Ein Sklave wird dich hinführen.“ Noch bevor sie ein Zeichen geben konnte, kam schon einer der Sklaven, die unauffällig auch in ihrer Nähe waren und bereit für eben diese Fälle standen, um Wünsche zu erfüllen, an ihre Seite. „Wenn du mir bitte folgen würdest, Haruspex“, brachte er mit einer angedeuteten Verneigung vor, und führte den Aurelius wie gewünscht zu dem Schaf, das noch außerhalb des Atriums, aber bereits entsprechend vorbereitet, darauf wartete, seinem Tode zugeführt zu werden.

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    Rhea war beständig unterwegs im Atrium, glitt unauffällig durch die Menschen, mal hierhin, mal dorthin, stets die Augen offen haltend, wo etwas gebraucht wurde, wo ein Mangel entstand, wo jemand etwas wollen könnte… Die Decima war deutlich gewesen. Diese Feier hatte perfekt zu sein, die Gäste sollten keinen Grund zu klagen haben. Entsprechend legte sie auch selbst Hand an, wenn ihr etwas auffiel… dennoch blieb ihre Hauptaufgabe jedoch – heute wie auch an jedem anderen Tag –, den anderen Sklaven auf die Finger zu sehen, dass die ihre Aufgabe ordentlich erledigten. Und als sie nun bemerkte, dass zwei der neuen Sklaven nicht mehr umher gingen und bedienten, sondern sich mit einem der Decimer unterhielten – gar saßen und selbst Wein tranken –, war sie flugs bei ihnen. „Verzeih, wenn ich unterbreche, Dominus. Aber die Sklaven, die hier anwesend sind, haben heute nicht frei, und sind nicht hier um zu feiern. Sie sollen die Gäste bedienen, und wir brauchen jeden einzelnen von ihnen.“ Immerhin war die Feier von ihr und der Herrin genauestens durchgeplant worden. Jeder Sklave hatte seinen Platz, seine Aufgabe, sein Gebiet… fehlte einer, noch dazu über einen längeren Zeitraum, drohte das Ganze ins Stocken zu kommen. Und selbstverständlich war keiner der Sklaven als Gast eingeladen. „Ich bitte dich also, Runa und Theseus ihrer Arbeit nachgehen zu lassen.“ Sollte der Decimus ablehnen, würde sie deutlicher darauf hinweisen müssen, dass das immerhin das Fest der Decima war… und wenn das noch nicht half, würde sie wohl oder übel der Herrin unauffällig Bescheid geben müssen, obwohl sie sie nur ungern stören würde. Aber… nun, vielleicht konnte sie auch zuerst ihren Bruder bitten, sich darum zu kümmern, bevor sie die Decima selbst störte.





    VILICA - GENS DECIMA

    Die Frage brachte Seiana tatsächlich zum Nachdenken – vor allem, weil sie gar nicht wusste, ob das stimmte. Ob der Terentius tatsächlich auch daran gedacht hatte, Gesellschaft haben zu wollen, als er sich entschieden hatte ihr Angebot anzunehmen. Zwar war er ja nun recht lange unverheiratet geblieben… dennoch war ihr Kommentar eigentlich nur als Scherz gemeint gewesen.
    Aber: war es denn ein guter Grund zu heiraten, um nicht mehr allein zu sein? Sie konnte das nicht so recht beurteilen… sie konnte nicht einmal sagen, ob sie es mochte, allein zu sein. Sie mochte es einfach nur, ihre Ruhe zu haben… Und das war etwas anderes als allein zu sein… oder gar einsam. „Naja… wenn man… sich versteht. Gut miteinander auskommt. Dann… sicher.“ Es würde zumindest vieles einfacher machen, wenn das eintrat. Aber ob das bei ihr und dem Praefectus Praetorio der Fall sein würde, wusste sie eben nicht.


    Sie musterte ihren Bruder eingehend… und hoffte, dass er auch wirklich auf sich aufpassen würde, aber… das Problem war einfach, dass er eben nicht alles wusste. Und sie hatte auch keine Ahnung, wie sehr der Praefectus Urbi selbst gewollt hatte, dass die Gens Decima irgendwie in den Schmutz gezogen wurde; im Grunde wusste sie noch nicht einmal mit letzter Gewissheit, dass er hinter der Durchsuchung steckte. Sie konnte ihm also nicht zu sehr ins Gewissen reden, das würde nur wieder auffallen. Was sie aber tun konnte… sie sah Faustus nachdenklich dabei zu, wie dieser aufstand und sich kurz vergewisserte, dass niemand lauschen konnte, während sie einen plötzlichen Einfall in ihrem Kopf hin und her wendete. Der Iunius. Sie konnte den Iunius bitten, auf ihren Bruder acht zu geben… sicher, er war nur ein Miles, und ihr Bruder Tribun, was die Möglichkeiten von vornherein limitierte. Und er musste in jedem Fall in Faustus‘ Einheit sein, sonst war es völlig sinnlos, und das würde sie noch herausfinden müssen. Aber wenn ja… ihr Bruder würde das nie, niemals, unter gar keinen Umständen erfahren dürfen, weil er sonst wohl ausflippen würde, vermutete sie. Aber es würde sie beruhigen zu wissen, dass es jemand bei den Prätorianern gab, der ein Auge auf Faustus hatte, auch wenn es nur ein Miles war…


    Sie schob den Gedanken für den Moment beiseite und konzentrierte sich wieder auf ihren Bruder, als dieser sich erneut zu ihr setzte, und als er weitersprach, huschte ein Ausdruck der Überraschung über ihr Gesicht. „Zum Kaiser? Das hat dir der Vescularius gesagt?“ Sie strich sich über die Lippen, abschätzend, überlegend. Ich bin loyal zu Rom. Zu Rom, nicht zu den Amtsinhabern… außer sie behandeln mich gut, echote es in ihrem Kopf. So in etwa waren seine Worte gewesen, als sie bei ihm gewesen war, jenes erste Mal. Amtsinhaber, das konnte sich genauso gut auf den Kaiser selbst beziehen… Aber der Praefectus Urbi war nun auch kein Mensch, dem sie unbedingt Vertrauen schenkte. Ganz im Gegenteil. Zwischen welche Fronten waren sie da nur geraten? Und die nächste Frage: sollte sie das Faustus jetzt sagen? Diesen einen Kommentar? Der noch dazu eigentlich eher dazu gedacht gewesen war ihr klar zu machen, dass ihr Zukünftiger nichts gegen den Vescularius hatte, so lange der für Ruhe sorgte und ihm einen Anteil der Macht zugestand… „Ich meinte damit eigentlich eher, dass ich den Eindruck habe Terentius… denkt und handelt durchaus eigenständig, was nicht schlecht ist, finde ich. Der vorige Gardepräfekt dagegen, dieser Marius… ganz ehrlich, das war ein Schoßhund des Praefectus Urbi“, sagte sie zunächst nur… grübelnd starrte sie dann in die Flammen, bevor sie noch leiser anfügte: „Ich glaube… mein Eindruck bisher ist, dass er ein Machtmensch ist. Wie der Praefectus Urbi auch. Das Problem ist nur: der Kaiser ist es ganz offensichtlich nicht, oder er ist zu schwach, zu krank, um hier entsprechend aufzutreten und seine Präfekten im Zaum zu halten.“ Und eine solche Konstellation war immer gefährlich. Seiana rieb sich über die Stirn. „Ich werd Augen und Ohren offen halten… mal sehen, was ich in Erfahrung bringen kann.“

    Seiana nahm seine Zusage mit einem leichten Neigen ihres Kopfes zur Kenntnis, bevor sie dann wirklich nickte. „Ja. Ich werde bei den Tempeln in Auftrag geben, in den nächsten Tagen ein geeignetes Tier herauszusuchen. Ein Opferhelfer wird sich dann um die Vorbereitung kümmern.“ Und auch dort würde sie – in diesem Fall durch ihre Sklaven – deutlich machen, dass ihr das Opfer wichtig war. Das Tier musste makellos sein, idealerweise nicht nur im Aussehen, sondern auch im Verhalten. Keines, das zu aufmüpfig war, keines, das zu trantütig war, und keines, das auch nur das kleinste Anzeichen einer Erkrankung zeigte. Natürlich würde es für das Opfer noch vorbereitet werden, aber dennoch: je besser die Grundvoraussetzungen, desto besser die Chancen, dass bei der Hochzeit auch alles glatt lief.

    Seiana lächelte, als Lucilla zusagte. „Ja, so weit ist alles vorbereitet“, versicherte sie – nur die Noch-Pronuba würde... informiert werden müssen, aber das dürfte kein Problem darstellen. Lucilla unterdessen wandte sich nun dem Terentius zu... und Seiana musste fast schon gegen ihren Willen schmunzeln, als sie bemerkte, wie ihre Tante ihren Zukünftigen musterte. Sie wollte gerade noch etwas sagen, wollte die Gelegenheit nutzen, sich mit Lucilla ein wenig zu unterhalten, die sie schon so lange nicht mehr gesehen hatte, aber weitere Gäste warteten, sie sah dass Massa noch bei ihnen stand, Venusia war da, Purgitius Macer... alle allerdings wurden zunächst in den Hintergrund gedrängt, als der Praefectus Urbi auftauchte. In einer Aufmachung, die sie halb staunen, halb zweifeln ließ. Der Vescularius schien deutlich Gefallen gefunden zu haben daran, sich so... grandios wie möglich zu inszenieren.


    „Ich freue mich, dass du unserer Einladung gefolgt bist, Praefectus“, erwiderte sie jedoch mit einem höflichen Lächeln – nur um sich gleich darauf für einen winzigen Moment völlig aus der Fassung gebracht zu sehen, als der Vescularius den Terentius und sie umarmte. Womit sie nicht, aber auch gar nicht gerechnet hätte, dass er so etwas tun würde... dazu kam, dass sie mit allzu vertraute Berührungen ohnehin nicht so recht umzugehen wusste, schon gar nicht von Menschen, die sie kaum kannte, und ihr eine gewisse körperliche Distanz, ein gewisser... Sicherheitsabstand schlicht lieber war... Entsprechend wirkte ihr Lächeln nun plötzlich etwas gezwungen, und ein ums andere Mal war sie froh um ihren Schleier.


    Sie wartete, bis der Vescularius sich ein wenig zur Seite begeben hatte, bevor sie sich wieder den anderen Gästen zuwandte, um sie zu begrüßen. „Danke, Massa, lächelte sie ihm noch einmal kurz zu. „Ich hoffe, dir gefällt die Feier... kennst du eigentlich Tante Lucilla?“ Seiana nickte zu Lucilla hinüber, die sich zu Faustus gesellt hatte, und lächelte ein wenig verschmitzt. „Ich bin mir sicher, sie will den Mann kennen lernen, der Faustus das Leben gerettet hat.“



    Die nächsten in der Reihe waren der Patron ihres Zukünftigen und seine Gattin. Tiberia, Senator Purgitius... Ich freue mich, dass ihr heute unsere Gäste seid“, erwiderte Seiana auf den Gruß, diesmal wieder mit ihrem höflichen Lächeln, und schon mit dem beginnenden Gefühl, dass es zu viel war... zu viele Leute. Aber das würde sich geben, hoffte sie, wenn die Begrüßungsphase erst einmal vorbei war. Und sowieso ließ sie sich nichts davon anmerken, dass sie sich unwohl fühlte, wenn zu viele Menschen um sie herum waren... das war eines jener Geheimnisse, die sie gut in sich zu verbergen wusste.


    Entsprechend war auch ihr Gesichtsausdruck bei den nächsten Gästen – ruhig, höflich, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Keine Spur davon zu sehen, dass sie gerade eigentlich schon das Bedürfnis nach frischer Luft und ein wenig Ruhe hatte. „Salvete, Aurelia, Pontifex Tiberius... Hinter dem Pontifex tauchte noch ein Mann auf, deutlich jünger. Seiana wusste nicht genau, wer er war, aber sie ging davon aus, dass es der Sohn des Pontifex war. Tiberius. Ich freue mich, dass ihr kommen konntet.“


    Der nächste Gast bot wenigstens etwas wie eine Atempause. Venusia, lächelte Seiana ihr entgegen, froh, ein vertrauteres Gesicht zu sehen. „Danke dir. Salvete, Sevilla und Secundus. Schön dass ihr heute dabei seid.“


    Danach kam Axilla, und sie war... nun. Wenigstens ein vertrauteres Gesicht, eines, mit dem sie mittlerweile umzugehen wusste. Dass ihr Verhältnis zueinander stets distanziert war und wohl auch bleiben würde, spielte in dem Moment kaum eine Rolle. Es war eines der wenigen vertrauten Gesichter in all jenen, die ihr nur bekannt vorkamen und mit denen sie sonst wenig zu tun hatte, und das reichte ihr schon. Sie lächelte ihr zu, auf ihre übliche, höfliche Art. Iunia Axilla. Es freut mich, dass du gekommen bist.“

    Immerhin einen Vorteil hatte die Tatsache, dass das hier eine Hochzeit war: ihr Gesicht war durch das Flammeum schwer zu erkennen, erst recht von der Weite. Da fiel es nicht sofort auf, wenn sie nicht die ganze Zeit lächelte. Sie hatte zwar nicht vor, den ganzen Tag zu grübeln... jetzt galt es erst einmal, die Hochzeit zu feiern, alles andere konnte warten. Aber sie hatte eben auch nicht vor, ständig zu lächeln bis sie einen Krampf in den Wangen bekam, und es war angenehm zu wissen, dass das keinem auffallen würde. Und wenn sie das Fest ganz nüchtern betrachtete, dann brauchte sie sich keine Sorgen machen. Alles war bestens organisiert, da konnte kaum etwas schief gehen, und dieses Wissen wiederum verlieh ihr Selbstsicherheit – und ließ sie sogar so etwas wie Zufriedenheit ausstrahlen.


    Und so stand sie da, zwischen ihrem Bräutigam und ihrem Bruder, was sie sich ein wenig bescheuert fühlen ließ, so flankiert von zwei Männern... was sie nicht gewohnt war. Sie lächelte Faustus kurz zu, ungeachtet des Schleiers. „Danke“, antwortete sie leise und griff kurz nach seiner Hand, um sie zu drücken. Sie wusste nicht so recht, was genau an ihr fantastisch sein sollte, immerhin war sie einfach nur hergerichtet, wie eine Braut auszusehen hatte... aber sie wusste es trotzdem zu schätzen, dass er das sagte. Und sein Kompliment über die Dekoration freute sie genauso.
    Die ersten Gäste waren schon eingetroffen, bekamen ihre Getränke, plauderten ein wenig miteinander... und aus ihnen heraus lösten sich zwei Männer, von denen Seiana nur den einen kannte. Dennoch war es nicht schwer zu schlussfolgern, wer der zweite war. Praefectus Octavius, übernahm sie die erste Begrüßung. „Ich fühle mich geehrt, dich hier begrüßen zu dürfen. Massa, lächelte sie anschließend und schlug einen etwas vertrauteren Tonfall an, „es freut mich, dass du auch kommen konntest.“


    Noch während ihr Zukünftiger den neuen Präfekt der Classis begrüßte und sich mit ihm unterhielt, tauchte ein anderer Gast auf. Ein Gast, deren Erscheinen Seiana im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlug. Ungläubig starrte sie Lucilla an, die wie ein Wirbelwind auf sie zukam und sie begrüßte. Seiana brauchte einen Augenblick, bis sie sich gefangen hatte... und begriff, wer da vor ihr stand. „Tante Lucilla? Du... Wie...“ Jetzt, zum ersten Mal an diesem Tag, war so etwas wie ein Strahlen auf ihrem Gesicht zu sehen. Es machte ihr noch nicht einmal etwas aus, dass sie gerade stotterte, als hätte sie ihre Zunge verschluckt. „Die Überraschung ist dir gelungen, ich hätte nie... nie damit gerechnet, dich heute hier zu sehen...“ Lucilla hier, in Rom, bei ihrer Hochzeit... Nein, damit hatte Seiana ganz sicher nicht gerechnet. Sie war so überrascht, dass sie nicht einmal daran dachte, Lucilla dem Terentius vorzustellen, und das wollte bei ihr etwas heißen. „Nein, schief gehen kann jetzt sicher nichts mehr. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dich gefragt, ob du meine Pronuba sein würdest. Wobei...“ Sie sah ihre Tante an. War vielleicht ungewöhnlich, und die momentan Auserkorene würde sicher nicht begeistert sein... andererseits würde sie es verstehen. Oder auch nicht, aber das wäre Seiana egal. Sie hatte nicht wirklich Freundinnen in Rom, also hatte sie einfach eine Bekannte gefragt... die sie auch problemlos vor den Kopf stoßen könnte. Und das hier war Lucilla. Seiana konnte immer noch nicht ganz fassen, dass sie hier war. „Würdest du das spontan übernehmen?“

    Sie sollte ihn nicht so ansehen? Wie sah sie ihn denn an? Seianas Lächeln schwand, und für einen Moment war sie ehrlich verwirrt, was er hatte, funktionierte ihre Maske doch einfach zu gut mittlerweile... bei anderen. Die sie nicht so gut kannten. Dass es daran lag, realisierte Seiana in diesem Moment allerdings nicht. „Du... warst nicht flapsig“, brachte sie nach einem Moment des Schweigens hervor, während er sie an sich drückte. Jammer nicht, echote es in ihrem Kopf, und sie presste kurz die Lippen aufeinander. „Ich weiß, dass du Recht hast“, wiederholte sie, während sie seine Umarmung erwiderte, und diesmal klang es schon ehrlicher, mehr nach ihr selbst.
    Dann allerdings lachte sie auf, und das Lachen klang... teils ehrlich amüsiert, teils ein wenig ungläubig... aber auch eine leicht bittere Note schwang darin mit. „Gezähmt? Das ist nicht dein Ernst.“ Sie löste sich von ihm und grinste flüchtig, während sie sich innerlich ermahnte, dass sie vorsichtig sein musste. Faustus wusste genug, dass auch ihm klar war, dass diese Hochzeit kein reines Vergnügen war, aber er wusste eben nicht alles, wusste nicht, wie sehr das Ganze auf Messers Schneide gestanden hatte, wusste nicht, was der Terentius ihr angedroht hatte, sofern ihr nichts eingefallen wäre. Wenn er das gewusst hätte, hätte er niemals davon gesprochen, dass sie den Terentier gezähmt hätte. Eher dass es umgekehrt war... Aber er wusste nichts, und das sollte auch so bleiben. „Das konnten weder Parther noch Ägypter, so jemand lässt sich nicht zähmen. Schon gar nicht von einer Frau.“ Sie schlug einen leichten Tonfall an, in der Hoffnung, Faustus würde darauf eingehen, ließ ihre Worte nach einem Witz klingen. „Der will nur nicht mehr allein sein, das ist alles.“


    Aufmerksam musterte sie ihn dann. „Jaaa...“, antwortete sie gedehnt, diesmal in einem Tonfall, in dem sie auch: gerade deswegen ja hätte sagen können. Das Problem war nur: sie konnte nicht zu viel sagen. Aus demselben Grund, aus dem sie nicht wirklich auf die Sache mit dem Zähmen hatte eingehen können. Faustus wusste ja nicht, warum das ein Grund zur Sorge für sie war, dass er nun auch noch so sehr in den Einflussbereich des Terentius geraten war. „Versprich mir einfach, dass du aufpasst. Rom ist... nicht ganz ungefährlich im Moment, mit dem Praefectus Urbi...“ Sie stockte kurz, überlegte, was sie sagen sollte. „Ich weiß noch nicht, wie der Praefectus Praetorio zu ihm steht, aber er scheint ihm nicht ganz so... verbunden zu sein wie sein Vorgänger.“ Ihr fiel gar nicht auf, dass sie ihren Zukünftigen gerade nicht einmal bei seinem Gensnamen genannt hatte. „Hat der Praefectus Urbi irgendwas zu dir gesagt bei eurem Gespräch?“

    [Blockierte Grafik: http://img209.imageshack.us/img209/2221/bran.png]


    Bran grunzte. Irgendetwas hatte der Iberer gerade gefragt, und Brans Standardantwort bestand grundsätzlich erst mal in einem Grunzen, wenn der Iberer etwas fragte. Oder sonst wer. Es war nicht so, dass er nicht gesprächig sein konnte. Konnte er durchaus, in der richtigen Stimmung. Es war auch nicht so, dass seine Zeit als Gladiator ihm das Schweigen so nahe gebracht hatte, dass er es nicht mehr missen mochte. Mochte er wohl, es gab Phasen, da war Schweigen einfach nur Quatsch mit Garum. Aber wenn er keine Lust hatte oder keinen Sinn in einer ausführlichen Antwort sah, sah er gar nicht ein, großartig zu quatschen. Schon gar nicht, wenn es nur darum ging, zum Wohlbefinden anderer Menschen beizutragen.


    Und mit diesem Vollpfosten von Iberer ging es häufig darum, nur zu dessen Wohlbefinden zu quaken, jedenfalls war das Brans Meinung. Es interessierte ihn wenig, wo der Kerl herkam, wie er aufgewachsen war oder was er bisher erlebt hatte, und er hatte erst recht nicht das Bedürfnis, großartig was über sich zu erzählen. Der Depp würde nur zu gern mehr über ihn erfahren, das war Bran wohl bewusst, und er konnte sich auch denken warum. Nicht unbedingt so sehr, weil der Kerl so furchtbar gesellig war – war er nämlich auch nicht –, sondern weil sie beide in Zukunft zusammen arbeiten würden, oh, und weil er wohl einer von diesen Sklaven war, denen wirklich was an ihren Herren lag. Bran… Bran gedachte einfach nur das zu tun, was er gut konnte, nicht mehr, nicht weniger: kämpfen. Und wie er kämpfen konnte. Er war Gladiator gewesen, und er war ein guter Gladiator gewesen. Elf Siege in dreizehn Kämpfen, das war eine Bilanz, die sich sehen lassen konnte. Er hatte sich sogar die Freiheit errungen, vor ein paar Jahren, in diesem einen fantastischen Kampf, wo er glorreich triumphiert hatte… nur um dann allerdings festzustellen, dass die Freiheit nichts mehr für ihn war. Weil er all das, was er als Gladiator hatte, den Ruhm, das Ansehen, den Luxus, nicht mehr missen wollte, und weil das Leben einfach so verflucht schwer gewesen war – die Beschäftigung, der er früher nachgegangen war, eingeschlossen. Räuberei war einfacher gewesen in einer mehrköpfigen Bande in Albions einsamen Gegenden als alleine in Tarraco. Und eine Rückkehr nach Albion kam nicht in Frage. Die meiste Zeit irgendwo draußen zu pennen, vielleicht noch im Regen und in eisiger Kälte? Mehr schlecht als recht leben von dem, was man sich zusammenstehlen konnte? Auf keinen Fall. Nicht, nachdem er erst mal die angenehmen Seiten des Lebens als Gladiator kennen gelernt hatte. Also war er zurückgegangen, hatte sich diesmal dem Ludus selbst verkauft, und weiter gekämpft. Und weiter gesiegt.
    Nur zum Primus pilus hatte er es nie geschafft. Da war immer Cadmus gewesen… Bran hatte jahrelang gehofft, ihn möge endlich der Schlag treffen, und als es so weit gewesen war – genauer gesagt hatte ihn nicht der Schlag getroffen, sondern das Schwert eines Gegners, aber wer wollte schon so kleinlich sein – da… nun ja. War es zu spät gewesen. Zu spät für Bran. Er wurde älter, und die Jungen drängten nach… insbesondere Lagoras. Und während Lagoras Sieg um Sieg errang, ging es bei Bran bergab… Noch nicht offensichtlich, aber er selbst begann es zu spüren. Er tat sich schwerer beim kämpfen – nicht schwer, aber schwerer, das war ein Unterschied –, schwerer als die Jungen. Die Erfahrung machte da im Moment noch alles wett, sicher… Aber würde nicht ewig so bleiben. Und Bran hatte nicht vor, das zu erleben. Er hatte das zu oft erlebt bei anderen Gladiatoren… Nein, so sehr er den Kampf auch liebte, er wollte aufhören, so lange er noch auf der Höhe war, so lange er noch mit erhobenem Haupt gehen konnte. Vermutlich wollte er das, gerade weil er den Kampf so liebte.
    Als also der Decimus eines Tages gekommen war, um einen altgedienten, erfolgreichen Gladiator zu kaufen, der als Leibwächter dienen sollte, da war das für Bran ein Geschenk der Götter gewesen. Reiche Familien – reich genug jedenfalls, dass sie sich einen wie ihn leisten konnten – sorgten auch entsprechend für ihre Sklaven, für die besonderen jedenfalls. Und gerade die Leibwächter gehörten zu den besonderen. Dazu die Möglichkeit weiter kämpfen zu können, ohne allerdings Gefahr zu laufen, sich in der Arena der Lächerlichkeit preis zu geben, wenn irgendwann der Tag gekommen war, an dem er in eine Situation kommen würde, in der seine Erfahrung wenig nutzte gegen die Kraft und Agilität der Jugend. Da reichte schon ein kleiner Fehltritt… eine um eine Winzigkeit verzögerte Reaktion, und die Blamage war da. Was ein Glück, dass der Doctor ihn vorgeschlagen hatte… und da Bran diese Idee sehr sympathisch fand, hatte er sich dem Decimus auch entsprechend präsentiert, dass dieser ihn ganz toll fand.


    Und so war er nun unterwegs nach Rom. Zu einer Decima. Mit einem Vollpfosten.


    Bran hatte das Gefühl, dass das lustig werden könnte.





    CUSTOS CORPORIS - DECIMA SEIANA