Beiträge von Decima Seiana

    Seiana kommentierte es nicht weiter, als Flavus die Gestaltung der Casa im ägyptischen Stil dann laut ablehnte. Sie lehnte es auch ab, aber sie hätte das niemals offen gesagt. Schon gar nicht vor allen anderen. Oder besser: sie hätte es gesagt, wenn der Vorschlag von einem anderen als Faustus gekommen wäre. Davon abgesehen sprach auch Flavus davon, irgendetwas zu verändern, und genau das war der eigentliche Punkt – dass sie selbst fand, hier musste nichts verändert werden. Natürlich war sie dieser Meinung, hatte sie doch die Gestaltung der Casa in den letzten Jahren in der Hand gehabt. Aber ihr war auch klar, dass sie so kaum auftreten konnte, genauso wie ihr klar war, dass es so nicht weiter gehen würde. Nicht jetzt, wo sich die Casa wieder füllte… was ja positiv war. Die Decima brauchte mehr Familienmitglieder hier in Rom, insbesondere junge Männer, die hier Karriere machten und der Gens wieder zu Ansehen verhalfen.


    Dann ergriff Venusia das Wort, und ihr Vorschlag schien auf Zustimmung zu treffen, bei Massa und Faustus jedenfalls. Und auch Seiana fand die Idee… reizvoll. Das war keine Veränderung nur um der Veränderung willen, nur um etwas Neues zu haben. Hinter dieser Veränderung steckte eine Absicht, steckte Sinn.
    Seiana nickte langsam. „Ja…“, stimmte auch sie zu, immer noch in ebenso ruhigem Tonfall wie zuvor. „Eine solche Gestaltung hat etwas für sich. Ich bin aber auch der Meinung, dass wir ruhig die ein oder andere Schlachtenszene darstellen sollten… Es müssen nicht nur solche sein, aber wir können stolz sein auf die Soldaten, die unsere Familie hervorgebracht hat, und auf die Kämpfe, die sie bestritten haben. Das sollten wir zeigen.“ Anschließend beobachtete sie die kurze Szene zwischen Faustus und Massa… und als ihr Bruder davon sprach, dass Massa ihm das Leben gerettet hatte, nickte sie leicht, und verzog ihre Lippen zu einem fast unmerklichen Lächeln, während sie Massa ansah. Er hatte sich ganz sicher jedes Recht verdient, hier mitzureden… aber auch ohne seine Taten hätte er das gekonnt. „Die griechischen Decimi waren hier immer ebenso willkommen wie die hispanischen, Massa… und selbst wenn es anders wäre: Faustus hat Recht.“

    Zitat

    Original von Medicus Germanicus Avarus
    "Nein das meine ich nicht, den kenne ich ja schon. Was ich hörte, war das du an einem neuen Kurs arbeitest, der für die fortgeschrittenen Schüler gedacht ist?!"


    Er setzte ein fragendes, wie auch forschendes Gesicht auf...


    Seiana zog ganz leicht die Augenbrauen hoch. Hatte der Germanicus sie falsch verstanden? Aber was war an die Fortgeschrittenen-Variante so missverständlich? In jedem Fall zielte seine Nachfrage auf genau das ab, was sie eben schon gesagt hatte. „Doch, offensichtlich meinst du diesen Kurs. Geplant ist eine Fortgeschrittenen-Variante des Cursus de rebus vulgaribus. Ähnlich aufgezogen wie dieser, nicht zu spezifisch, sondern mit Inhalten aus verschiedenen Bereichen – allerdings eben für Fortgeschrittene. Und ich verstehe offen gestanden gerade nicht, worauf deine Frage abzielt. Ich habe durch den Consul vor einiger Zeit einen Vorschlag zu einer Gesetzesänderung der Lex Scholae Atheniensis einbringen lassen. In dieser Änderung ist auch dieser Fortgeschrittenenkurs entsprechend aufgeführt. Die Änderung wurde, so weit ich weiß, im Senat auch schon diskutiert.“ Warum der Germanicus da nun um den heißen Brei redete und davon sprach, dass er davon gehört hatte, als sei das etwas Besonderes, war Seiana nicht ganz klar. Sie hielt es im Gegenteil für selbstverständlich, dass er sich als Senator über laufende Themen des Senats informierte, selbst wenn er bei der betreffenden Sitzung nicht anwesend gewesen war – und wenn ihre Informationen stimmten, dann war er bei jener Sitzung anwesend gewesen.


    Welcome to the crossroads
    The centre of your life
    A shrink has got your money
    And the devil’s got your wife


    Welcome to the crossroads
    The crowded tv show
    You form your lips forever
    Into a kiss before you go



    Katzenjammer – A kiss before you go



    Da war er also, der Morgen der Hochzeit. Wie bereits in den ganzen letzten Wochen wünschte Seiana sich, sie hätte diesen Tag einfach nur endlich hinter sich. Gleichzeitig hätte sie alles gegeben, um noch einen Aufschub zu bekommen, um diese ganze Heiraterei wegzuschieben... am besten ganz bleiben lassen zu können. Aber sie hatte sich schon genug Gedanken darüber gemacht, hatte genug gegrübelt... sich genug in Selbstmitleid gebadet. Es war Zeit, damit endlich aufzuhören, sich auf den neuen Weg einzulassen, der vor ihr lag... und der versammelten Gesellschaft heute eine Schau zu bieten, die keinen Zweifel daran ließ, dass hier beide Familien eine hervorragende Verbindung eingingen... und dass diese Ehe stabil sein würde. Und da wäre es äußerst suboptimal, wenn sie ständig ihren Gedanken nachhing.


    Die Casa war festlich-elegant geschmückt worden, und obwohl Seiana weit mehr in den Organisationsprozess eingebunden gewesen war, als sie vorgehabt hatte oder ihr lieb gewesen, hatte sie doch noch irgendwie eine zeitliche Balance finden können, die sie einigermaßen zufrieden stellte. Die Farben der Dekoration war vornehmlich in strahlendem weiß gehalten, angelehnt an das Wappen der Gens Decima – statt dem Schwarz jedoch gab es hie und da feine Farbtupfer, bewusst gesetzte Akzente in weichem Dunkelblau, das das Schwarz ersetzte, sowie in sattem Bronze, in Anlehnung an das terentische Wappen. Die Wände des Atriums waren mit etwa hüfthohen Säulen gesäumt, auf denen abwechselnd Gestecke Platz gefunden hatten, deren Ranken sich beinahe bis zum Boden schlängelten, sowie Feuerschalen, die sowohl zusätzliches Licht als auch Wärme spendeten. Sklaven standen bereit, einige im Vestibulum, um die Gäste in Empfang zu nehmen, sie freundlich zu begrüßen und hinein zu geleiten, und mehr im Atrium, hier dezent im Hintergrund, um die Gäste mit Getränken zu versorgen, ihnen ihre Wünsche zu erfüllen, Fragen zu beantworten, kurz: um es ihnen an nichts mangeln zu lassen.


    Und während Seiana noch versuchte, sich mental darauf vorzubereiten, den kompletten restlichen Tag nichts, aber auch gar nichts von dem nach außen dringen zu lassen, wie es in ihr aussehen mochte, und sich schließlich auf all die Vorteile zu konzentrieren begann, die das Ganze für sie und ihre Familie hatte, wurde die Porta der Casa Decima den Gästen geöffnet.



    Sim-Off:

    Ereigniskarte für die Gäste: Ihr kommt zur Hochzeitsfeier. Begebt euch direkt dorthin. Geht nicht über die Porta. Zieht keine 4.000 Sesterzen ein... :D Übersetzt: Postet euch einfach direkt hierher :)

    „Nun, er ist Livianus’ Klient. Es ist selbstverständlich, dass auch er eingeladen wurde.“ Außerdem war er in Ägypten direkt ihrem Zukünftigen unterstellt gewesen. Auch wenn sein Verwandter diesen unrühmlichen Prozess geführt hatte, für eine simple Einladung zur Hochzeit zählten diese Dinge dann doch mehr. „Mit Diplomatie hat das in diesem Fall wenig zu tun“, versuchte sie das Kompliment diesmal wegzulächeln, aber Massa sprach weiter, und Seiana wusste nicht mehr, was sie noch sagen sollte… wie sie reagieren sollte. „Ich… ich tue einfach nur, was ich kann. Ich versuche mein Bestes hier zu geben, für die Familie. Das ist alles“, antwortete sie leise, in dem Versuch wenigstens etwas darzustellen, wie sie das sah, ohne deutlich zu sagen, dass sie sich schlicht und ergreifend anders sah, anders wahrnahm, als er. „Und ich werde das auch weiterhin versuchen. Egal ob ich verheiratet bin oder nicht.“ Mehr konnte sie nicht sagen, mehr konnte sie nicht versprechen. Sie wusste ja selbst nicht, wie ihr Leben aussehen würde, wenn sie erst mal verheiratet war. Was der Terentius von ihr dann erwarten würde, welches Verhalten… und welche Regeln er aufstellen würde. Erst wenn sie das wusste, konnte sie abschätzen, wie sie darauf am besten reagieren würde, um ihren Weg zu gehen.


    Und dann sagte Massa etwas, was sie sprachlos machte. Schandtat. Schwester. Für Augenblicke fassungslos starrte Seiana ihn an. Sie hatte seine Geschichte gehört, gerade eben, von Aegyptus, dem Feldzug, den Kämpfen. Von Faustus. Hatte gehört, in Worten und vor allem zwischen den Zeilen, wie viel ihr Bruder auch Massa bedeutete. Sie hatte nur nicht begriffen, wie sehr Massa diese Verbundenheit auch auf sie ausdehnte… einfach nur, weil sie Faustus‘ Schwester war. Sie musterte ihn, seine feinen Gesichtszüge, sein Mienenspiel, seine Augen, nur um dann etwas zu tun, was sie nur noch äußerst selten tat: sie gab einem plötzlichen Impuls nach. Sie neigte sich leicht nach vor, streckte ihre Hand aus und berührte die seine, fuhr mit ihren Kuppen sacht über seinen Handrücken und strich dann über seine Finger, um ihre Hand schließlich so liegen zu lassen, dass sich ihre Fingerspitzen nach wie vor berührten. „Jamas“, erwiderte sie leise, bevor auch sie einen weiteren Schluck Wein trank. Bruder. Das sagte sie nicht laut, und sie wusste nicht, ob sie das je laut würde sagen können. Die Verbundenheit zu Massa und die Tatsache, dass sie sich dagegen nicht zu wehren können schien, erschreckte sie tief in sich ein bisschen zu sehr, als dass sie mehr als dieses jamas von sich hätte geben können. Sie konnte es sich nicht rational erklären… außer mit ihrer tiefen Dankbarkeit darüber, dass er Faustus‘ Leben gerettet hatte. Aber das erklärte eben nicht alles, und schon gar nicht, warum diese Verbundenheit offenbar gegenseitig war. Und Seiana war schlecht darin, mit etwas umzugehen, was sie nicht erklären konnte…


    Sie schob die Gedanken weg und widmete sich stattdessen dem nächsten Thema. Venusia… das war auch nicht einfach, aber immer noch einfacher als das davor. „Ja… das ist vielleicht eine gute Idee, wenn du mit ihr sprichst.“ Massa war dazu sicherlich besser geeignet als sie. Kunststück, nahezu jeder war dafür besser geeignet als sie. Und vielleicht war das ja auch eine Erklärung für das, was vorhin passiert war… vielleicht war Massa tatsächlich der Typ Mensch, der mit anderen einfach gut klar kam und immer irgendwie die richtigen Worte zu finden schien… auch wenn er Seiana bisher eher ruhig und zurückhaltend vorgekommen war. „Sie hatte einmal etwas davon erwähnt, dass sie gerne wieder nach Germanien reisen würde.“ Und jetzt war Seiana durchaus gespannt, wie Massa darauf reagieren würde.

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    Pass auf sie auf, hatte Elena gesagt. Bitte, pass auf sie auf.


    Álvaro konnte sich noch gut an dieses Gespräch erinnern, das letzte, das er mit seiner Schwester geführt hatte vor seiner Abreise. Sie hatte ihm, anders als in den Wochen davor, nicht mehr viel erzählt. Das hatte sie zu diesem Zeitpunkt bereits zur Genüge getan gehabt, sehr intensiv und mehr als einmal, seit feststand, dass er nach Rom geschickt werden würde, um Decima Seiana als Leibwächter zu schützen. Davon, wie die Herrin war, davon, wie sie sich verändert hatte im Vergleich zu früher, als sie alle noch Kinder gewesen.
    Elena und er waren als Sklaven geboren worden, Kinder einer Sklavin, die den Decimi treu ergeben war, nie mit ihrem Schicksal gehadert hatte… und die das zumindest an Elena auch weiter gegeben hatte. Er dagegen hatte durchaus Phasen gehabt in seinem Leben, in denen er aufmüpfig gewesen war, in denen er das Gefühl hatte spüren wollen, frei zu sein, eigene Entscheidungen zu treffen. Aber Elena, nur wenige Zeit nach Seiana geboren, war im Grunde von Anfang an als ihre Leibsklavin bestimmt gewesen – und war entsprechend mit ihr aufgewachsen, war weit mehr Spielkameradin, in vielem fast Schwester gewesen denn Sklavin. Da war es leichter, nicht mit dem Schicksal zu hadern. Er hingegen war recht früh herangezogen worden zu den typischen Sklavenarbeiten… bei drei Brüdern war ein weiterer Spielkamerad nicht notwendig. Natürlich hatte er sich da gewünscht, all dem entfliehen zu können. Aber diese gewissen Phasen hatte er hinter sich gelassen. Er war so zufrieden, wie man es mit einem Leben als Sklave sein konnte… zumal er wusste, dass es weit schlimmere Schicksale gab – sowohl als Sklave wie auch als Freier. Er hatte ein Dach über dem Kopf, Essen, Kleidung, er bekam Freizeit und die ein oder andere Belohnung – und obwohl er nicht wie Elena mit Seiana und ihren Brüdern direkt aufgewachsen war, hatte er doch Bildung bekommen, als die Herrschaften gemerkt hatten, dass er Potential hatte. Nein, da gab es viele Sklaven und noch mehr Freie, denen es weit schlechter ging als ihm.


    Nur: jetzt sollte er nach Rom gehen. Und was ihn dort erwartete, wusste er nicht abzuschätzen. Seiana hatte sich verändert, den Worten seiner Schwester nach, war distanzierter geworden, kühler, zurückgezogener. Den Beschreibungen nach hätte Álvaro ja geglaubt, dass die Decima gerade jetzt niemanden mehr brauchte, der für sie da war, aber Elena hatte darauf bestanden, dass sie gerade jetzt jemanden brauchte. Und dieser jemand konnte nicht Elena sein, aus verschiedenen Gründen nicht – der offensichtlichste der, dass Seiana ihre ehemalige Leibsklavin nicht mehr um sich haben wollte. Álvaro hatte seine Schwester gefragt, ob sie nicht getroffen dadurch war, verletzt, beleidigt. Die beiden waren immerhin Freundinnen. Aber so absurd es ihm schien, Elena schien die Decima zu verstehen. Trug ihr in jedem Fall nichts nach. Aber Elena war ein von Grund auf fröhlicher, herzensguter Mensch. Álvaro hatte den Verdacht, dass sie nahezu alles verstehen und verzeihen würde. In jedem Fall wollte sie, dass er auf Seiana aufpasste, mehr noch: für sie da war, auch wenn sie das selbst nicht wollte, das hatte sie besonders betont. Und nachdem Seiana seiner Schwester und ihrem Geliebten, der inzwischen ihr Mann war, die Freiheit geschenkt hatte, war er mehr als bereit, ihrem Wunsch zu entsprechen – nicht nur weil er sich nach Jahren des pubertären Aufstands irgendwann doch zu einem guten Sklaven gemausert hatte, sondern vor allem aus persönlichen Gründen. Seine Schwester war glücklich… was Álvaro sehr viel bedeutete. Und daran hatte die Decima einen großen Anteil.


    Nach ihrem ersten Gespräch, in dem Elena in diese Richtung vorgefühlt und festgestellt hatte, dass er nicht abgeneigt war, hatte er noch gedacht, das alles sei rein hypothetisch. Elena war freigelassen worden, aber er war immer noch Sklave. Er konnte nicht selbst entscheiden, wo er hinging. Aber irgendwie hatte seine Schwester es geschafft, die decimische Familie in Hispania davon zu überzeugen, dass es eine hervorragende Idee sei, ihn Seiana zum Geschenk zu machen, zur Hochzeit.


    Oh, und diesen Britannier, ehemaliger Gladiator des tarraconensischen Ludus, den die Decimer dort frisch gekauft hatten, weil sie der Meinung waren, Leibwächter machten erst im Doppelpack so wirklich Sinn. Und mit dem war er nun unterwegs, von dem er noch keine Ahnung hatte, weswegen der Sklave oder gar Gladiator geworden war, oder wie er nach Hispania gekommen war, von dem er aber vermutete, dass es ganz sicher nicht mit einem: Ich ging im Walde so vor mich hin, und hatte absolut nichts Böses im Sinn… und dann haben mich böse Sklavenhäscher gefangen getan war.


    Unterwegs also zu einer Decima, die er zwar von klein auf kannte, die sich aber offenbar doch ziemlich verändert hatte, und das nicht unbedingt zum Positiven. Mit einem ungehobelten, mürrischen, arroganten Britannier.


    Álvaro hatte den Verdacht, dass eine… nun… interessante Zeit vor ihm lag.




    CUSTOS CORPORIS - DECIMA SEIANA

    Sie kannte ihren zukünftigen Gatten selbst nicht gut genug, um beurteilen zu können, zu welcher Sorte Mensch er nun zählte… aber zumindest ihr gegenüber war er bisher offen aufgetreten, und er war ihr nicht in den Rücken gefallen. Was bei der Art ihres Kennenlernens doch etwas zu bedeuten hatte, fand sie. In jedem Fall aber gehörte sie zu jenen, die zu ihrem Wort standen, und sie… würde schon einen Weg finden, dass auch der Terentius sich daran hielt. Selbst wenn er nicht so viel Wert darauf legen sollte, irgendetwas würde es geben, was sie ihm anbieten konnte dafür.
    „Ich könnte dir freilich viel erzählen über ihn und mich. Aber letztlich würden viele Worte doch nur darauf hinauslaufen, dass du das Risiko wirst eingehen müssen, uns in dieser Hinsicht zu vertrauen.“ Wieder ein kühles Lächeln, das nichts von der Erleichterung verriet, die sie empfand, als er einwilligte. Wieder etwas erledigt… zwar nicht ganz billig, aber dafür schnell. „Dann sind wir uns einig. Ich würde vorschlagen, dass du zehn Aurei vor der Hochzeit bekommst… den Rest danach. Und ich würde mich freuen, wenn du und deine Gattin auch den Feierlichkeiten im Anschluss beiwohnen würdet.“

    Für einen winzigen Moment grinste Seiana sogar. „Du wirst das schon hinkriegen…“ Wenn es nach ihr ging, konnte Faustus gerne unverheiratet bleiben. Aber wie bei ihr selbst auch ging es nicht nach ihr… Die Familie brauchte gute Verbindungen, und sie brauchte Nachwuchs – Nachwuchs, der den Namen Decimus trug. Dazu konnte sie nichts beitragen, und nachdem ihre älteren Brüder kinderlos gestorben waren, blieb wohl auch Faustus nichts anderes übrig, als irgendwann mal zu heiraten.
    „Dann fragen wir Venusia“, meinte sie anschließend. Es fühlte sich immer noch merkwürdig an, aber in der Hinsicht machte Seiana sich nichts vor: sie konnte sich nicht um zwei Haushalte gleichzeitig kümmern und um ihre Betriebe und um ihre Aufgaben als Auctrix und Rectrix. Es ging einfach nicht. Und es machte auch keinen Sinn – warum sollte sie in der Casa Decima nach dem Rechten sehen, wenn doch die Witwe eines Decimus und Mutter zweier Decimer hier lebte? Es war Venusias Aufgabe, sich hier zu kümmern… und es wäre auch ihr Recht gewesen, vor Seiana, gestand sie sich ein, spätestens als Venusia endgültig hier eingezogen war. Nur hatte zu dem Zeitpunkt schon Seiana sich um alles gekümmert, und Venusia hatte nie auch nur eine Andeutung gemacht, sich hier ebenfalls einmischen zu wollen… und Seiana hatte sie nie gefragt. Hatte nicht einmal daran gedacht, sie zu fragen, und war insgeheim, unbewusst wohl auch froh darum gewesen, dass ihr da nichts streitig gemacht worden war, dass sie sich nicht einer anderen hatte unterordnen, noch nicht einmal sich absprechen müssen.


    Faustus‘ nächste Worte… erwischten sie dann kalt. Sie hatte nicht mit einem Rüffel gerechnet, und irgendwie… war es einer? Ihr war ja selbst klar, dass sie zu viel grübelte, vor allem über Dinge, die sie ohnehin nicht ändern konnte. Und trotzdem… Jammer nicht. Er sagte das nicht, er meinte es auch nicht, das wusste sie, aber wie in einer selbstzerstörerischen Schleife gefangen drängte sich ihr dieser Vorwurf nahezu wie von selbst auf. Jammer nicht. Es geht dir gut. Du hast alles – nur keinen Grund zu jammern. Seiana zwang sich zu einem Lächeln. Er hatte ja Recht, das wusste sie. Natürlich würden sie das hinbekommen, natürlich würde es funktionieren. Sie wollte nicht heiraten, wollte nicht ihr Umfeld wechseln, ihr Leben ändern, aber genau das würde passieren – und sie sollte sich besser darauf konzentrieren, alte Strukturen in sich zu zerstören, damit sie aus den Trümmern etwas neues würde bauen können, anstatt sich festzuklammern an dem, was jetzt war, und sich davor zu fürchten, dass das nicht mehr passen würde in Zukunft. Und zerstören musste sie dafür… denn auf die Idee, verkrustete Strukturen einzuweichen und umzuformen kam sie nicht. Und selbst wenn sie darauf gekommen wäre: es wäre fraglich, ob sie dazu wirklich in der Lage sein würde.
    „Du hast Recht“, antwortete sie in ruhigem Ton, aber obwohl sie es tatsächlich so meinte, hatte sie sich innerlich zurückgezogen, und ihr Lächeln war das übliche, das sie nach außen hin so häufig zeigte – höflich, vage, aber nicht ehrlich. Es sah wunderbar aus, hatte sie es doch perfektioniert mittlerweile, aber es erreichte ihre Augen nicht. Die blieben… verschlossen, gaben keinen Einblick in ihr Inneres preis, und das verlieh auch dem Lächeln stets eine kühle Note. „Natürlich bekommen wir das hin. Es ist nur… die Ungewissheit, weißt du? Ich wünschte einfach, ich hätte die Hochzeit und den Umzug und all das… schon hinter mir.“ Sie zuckte die Achseln, immer noch lächelnd, betrachtete den Kreisel, der noch immer genug Schwung hatte… und griff dann mit einem Mal danach. Stoppte ihn mitten in der Bewegung, besah ihn sich kurz, und legte ihn dann zum Altar. Zeit, von sich und sich selbst abzulenken, beschloss sie, und weiter über dieses Thema zu reden machte ja ohnehin wenig Sinn. Und Faustus‘ neuer Posten, den er vorhin angesprochen hatte, bereitete ihr mindestens genauso viel Kopfzerbrechen. Sie wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte, dass er zu den Prätorianern versetzt worden war. Es war eine große Ehre, ganz sicher, und sie war stolz auf ihn, unglaublich stolz… Aber so ganz wohl fühlte sie sich nicht bei dem Gedanken, wie viel Einfluss ihr Zukünftiger damit nun über ihre Familie hatte, und wie sehr sie das in das Spannungsfeld zum Praefectus Urbi rückte… von dem der Versetzungsbefehl offenbar direkt gekommen war. Recht abrupt also wechselte sie nun das Thema. „Dein neuer Posten…“ Seiana musterte ihren Bruder von der Seite. „Du bist vorsichtig, ja?“

    „Das wird sich bewerkstelligen lassen“, antwortete Seiana. Merkwürdigerweise hatte sie in dieser Hinsicht nicht mit der Tür ins Haus fallen wollen – aber ihr war es nur recht, wenn der Aurelius sich mit Münzen zufrieden gab, und nichts wollte, was sie erst wieder beschaffen musste... nur damit er es am Ende dann vielleicht doch weiter verkaufte oder einschmolz oder sonst etwas. Nein, ein einfacher Austausch von Münzen ging schneller und war effektiver, fand sie.


    Bei seinen nächsten Worten wölbte sich allerdings eine ihrer Augenbrauen leicht nach oben. „Die Frage ist allerdings nicht, was er sich leisten kann, sondern was er zu zahlen bereit ist.“ Deutlich genug war der Terentius ja gewesen bei ihrem Gespräch. Wir müssen nur aufpassen, daß sie uns nicht über den Tisch ziehen. Die Priester sind gierig. Nicht dass sie dem Aurelius das auf die Nase binden musste, aber ihre Worte waren wohl auch so deutlich genug. „Natürlich steht es dir frei, persönlich mit ihm Rücksprache zu halten... Aber ich kann dir versichern, dass er meine Meinung teilt.“ Sie machte eine kurze Pause, um ihre Worte wirken zu lassen, bevor sie weitersprach – und ihr Angebot dennoch ein wenig erhöhte. Letztlich wollte sie das hier vor allem einfach erledigt wissen. Und obwohl sie wie ihr Zukünftiger auch freilich das Geld nicht zum Fenster hinaus werfen wollte, spielte der Preis dabei dann doch nur die zweitrangige Rolle. „15 Aurei halte ich für recht großzügig. Insbesondere wenn ich dir zudem das Wohlwollen sowohl der Acta als auch des Praefectus Praetorio zusichere.“ Was sie nicht tun würde, wenn er tatsächlich auf 20 Aurei bestand. Und dass gerade das Wohlwollen des Gardepräfekten nur schwerlich aufzuwiegen war – schon gar nicht mit 500 Sesterzen –, würde wohl auch dem Aurelius klar sein.

    Er tat es wieder. Und wie schon beim letzten Mal war Seiana dicht davor, ihm etwas zu sagen. Dass sie keiner seiner Soldaten war, den er auf diese Weise entlassen konnte, sondern seine zukünftige Ehefrau, die er dann doch bitte mit ein bisschen weniger von oben herab behandeln sollte, gleichgültig wie diese Ehe ihren Anfang genommen hatte.


    Aber auch diesmal verkniff sie sich jeden Kommentar. Sie hatte nicht das Gefühl, dass es viel bringen würde, wenn sie jetzt etwas sagte. Er saß einfach immer noch am längeren Hebel... gut, das würde er wohl immer irgendwie, jedenfalls solange er der Gardepräfekt war, aber wenn sie erst mal verheiratet waren, würde das doch irgendwie noch mal ein bisschen anders aussehen, hoffte sie. Davon abgesehen wollte sie nicht schon vor der Hochzeit eine Meinungsverschiedenheit anzetteln. Dafür war immer noch Zeit genug, wenn er sich in ihrer Ehe genauso benahm, denselben Ton an den Tag legte... Wenn das so kam, würde sie ihm ganz sicher etwas sagen. Jetzt allerdings... Nein. Nicht der richtige Zeitpunkt. „Vale“, entgegnete sie also nur schlicht, erhob sich und ging.

    Seiana schmunzelte leicht. Händler zusammenfalten als Empfehlung für den Dienst in der Garde, das hatte etwas. Danach wurde ihr Gesichtsausdruck allerdings wieder etwas ernster. „Die Urbaner verdienen ebenso Anerkennung wie die anderen Soldaten des Reichs, egal wo sie dienen. Und du musst einen guten Dienst geleistet haben, wenn du zu den Prätorianern berufen wurdest“, antwortete sie ruhig.


    Als der Iunius sich dann verabschiedete, verzogen sich ihre Lippen erneut zu einem Lächeln – diesmal wieder einem höflich-neutralen. „Keine Sorge. Es war mir eine Freude, dass wir ins Gespräch gekommen sind.“ Und das war nicht nur eine dahin gesagte Floskel, sondern sogar ehrlich gemeint. Nach dem angespannten Anfang war das Gespräch tatsächlich angenehm geworden. Sie erwiderte seinen Blick, als er ihr dankte, und nickte nur leicht daraufhin, um dann beim nächsten Satz das Wort zu ergreifen. „Das hoffe ich auch, Iunius… Ich wünsche dir noch einen schönen Tag. Vale bene.“

    Mut der Verzweifelten. Ob das zutraf, vermochte Seiana nicht zu beurteilen – aber sie wusste, dass Verzweiflung nicht immer etwas schlechtes war. Ganz im Gegenteil. Unter gewissen Umständen konnte es kaum einen besseren Antrieb geben…
    Sie verdrängte den Gedanken, nur um sich gleich darauf mit einem weiteren Kompliment konfrontiert zu sehen, das sie nicht so recht zu erwidern wusste. Ausstrahlung. Sie, als Bereicherung. Entweder Massa war nur höflich, oder er gehörte tatsächlich zu jenen, die wenig Wert auf die typischen Eigenschaften einer Matrona legten. Von denen sie nicht viel mitbrachte, angefangen davon, dass sie immer noch unverheiratet war, bis dahin, dass sie zu selbständig war. Der Terentius schien darauf auch wenig Wert zu legen… aber Seiana hatte inzwischen den Verdacht, dass es ihm einfach nur gleichgültig war, wie sie bisher gelebt hatte, er aber bei weitem nicht mehr so reagieren würde, wenn sie erst seine Frau war. Aber sie vermutete, dass es wohl keinen Mann gab, der sie in einer Ehe nicht in der ein oder anderen Form in ihrem bisher gewohnten Lebensstil einschränken würde, und sei es nur, weil eine solche Partnerschaft immer Kompromisse erforderte. „Danke, Massa“, antwortete sie schließlich nur leise, das höfliche Du schmeichelst mir, das ihr in solchen Fällen standardmäßig über die Lippen kam und auch jetzt schon auf der Zunge lag, beiseite schiebend. Ihre Mundwinkel hoben sich leicht in der Andeutung eines Lächelns, das ein wenig wehmütig war. „Das gleiche gilt für dich. Wenn du etwas brauchen solltest… gib Bescheid.“ Sie räusperte sich. „Aber es gibt tatsächlich etwas – ich würde mich wirklich freuen, wenn du zu meiner Hochzeit kommen könntest. Der Praefect der Classis wird auch eingeladen werden, insofern… hast du vielleicht ganz gute Chancen, ebenfalls kommen zu dürfen.“


    Sie trank einen weiteren Schluck Wein und überlegte kurz bei seiner anschließenden Frage. „Venusia… Sie stammt aus Germanien, ist Mitglied einer Familie, die wie unsere erst in der letzten oder vorletzten Generation das Bürgerrecht erhalten hat. In den letzten Jahren ist sie häufig zwischen Misenum und Rom hin und her gependelt… Seit Magnus‘ Tod lebt sie mit den Kindern hier. Sie… hat sich ziemlich zurückgezogen seit sie Witwe ist. Verständlicherweise.“ Aus irgendeinem Grund scheute Seiana sich zu sagen, dass sie im Grunde wenig Kontakt mit der Duccia oder ihren Kindern hatte. In erster Linie war ihr wichtig, dass die Kinder in Rom blieben und als Decimer aufwuchsen… und nicht in Germanien, wo Seiana die reelle Gefahr sah, dass die beiden sich mehr und mehr als Duccier fühlen würden.

    Übermorgen. Übermorgen. Seiana schloss die Augen und erlaubte sich für einen Moment, sich vorzustellen, es wäre schon übermorgen. Der Trubel würde dann vorbei sein, da hatte Faustus recht, und die jetzige Ungewissheit wohl auch, jedenfalls ein Teil davon... die Unsicherheit darüber, wie sie sich ihr Leben in der Casa Terentia einzurichten vermochte, hingegen noch nicht, so schnell würde das kaum gehen. Aber der Anfang wäre auch in dieser Hinsicht dann schon gemacht. Und allzu viele terentische Verwandte gab es in Rom nicht, was auch schon mal positiv war, für sie jedenfalls. Nicht noch mehr Menschen, bei denen sie sich daran würde gewöhnen müssen, mit ihnen zusammenzuleben. „Meistbeneidet...“ Sie schnitt eine kurze Grimasse, teils amüsiert, teils zweifelnd. „Wenn ich nicht bald nach der Hochzeit schwanger werd, werden sie mich vermutlich schon in ein paar Monaten zum Abschuss freigeben.“ Sie war nicht alt, aber eben auch nicht mehr die Jüngste. Aber... Schwanger. Kinder. Das konnte sie sich nun überhaupt nicht vorstellen. Gar nicht. Sie und Kinder... das... Nein. Zum Glück lenkte Faustus von diesen Gedanken ab. „Naja...“ Sie schmunzelte leicht. „Muss einer von euch Männern halt auch mal heiraten. Die Casa braucht eine Hausherrin.“ Sie schwieg einen Moment und warf noch ein paar Weihrauchkörner in die Kohlen, und ihre Miene wurde wieder ernster. „Aber ich kann sicher regelmäßig nach dem Rechten sehen und mich um das Wichtigste kümmern. Oder vielleicht würde Venusia sich darüber freuen, wenn sie den Haushalt hier übernehmen kann für einige Zeit. Die Aufgaben, die Verantwortung...“ Nicht einmal Seiana war entgangen, dass Venusia still geworden war und sich deutlich zurückgezogen hatte. Vielleicht würde ihr das tatsächlich helfen... und sie zugleich an Rom binden, denn Seiana war immer noch ein wenig besorgt darüber, Venusia könnte die Kinder nehmen und nach Germanien abreisen – um dort mit ihnen zu bleiben. Zugleich allerdings fühlte es sich so seltsam an, ihren Platz hier aufzugeben. Sie drehte den Kreisel ein weiteres Mal in ihren Fingern hin und her, bevor sie ihn schließlich auf dem Boden aufsetzte und mit einem leichten Schnippen in Bewegung setzte. Aufmerksam verfolgte sie das Kreiseln, wartete auf den Moment, in dem es zu einem Schlingern werden würde. „Ich kann's mir auch nicht vorstellen, Faustus. Ich hab keine Ahnung...“

    Seiana setzte sich ebenfalls, als der Senator sich setzte, und hörte sich seinen Einstieg in das Gespräch an. „Nun, ja. Ich habe die Lehrenden dazu angehalten... Es geht ein wenig langsamer als gedacht, aber die Berichte, die auf meinem Schreibtisch landen, sind dennoch positiv“, lächelte sie höflich. Der zweiten Frage konnte sie zunächst allerdings nur mit einer Gegenfrage begegnen: „Von welcher Neuerung sprichst du? Der Fortgeschrittenen-Variante des Cursus de rebus vulgaribus?“

    „Gern geschehen“, antwortete Seiana ruhig. Es würde sich zeigen, ob Flavus wirklich das Zeug dazu hatte, die diversen Hürden auf dem Weg zum Senator zu meistern. Wer in der Theorie gut war, bewährte sich deswegen noch lange nicht in der Praxis... Aber sie war sich sicher, was Flavus an Handwerkszeug brauchte, würde er von seinem Großvater mitbekommen haben. Der Rest lag letztlich an ihm selbst, was er daraus machte.


    Dann kam Flavus allerdings noch einmal auf Alexandria zu sprechen. Seiana war nicht unbedingt begeistert davon, gehörte ihre Zeit in Alexandria doch zu jenen, die sie eigentlich lieber vergessen wollte... nicht weil es dort so furchtbar gewesen wäre, eher im Gegenteil. Weil sie dort noch geglaubt hatte, dass so etwas wie Glück doch möglich war. Alles ein Irrtum.
    Sie verbarg ihre Gedanken und Gefühle geschickt hinter einem vagen Lächeln, ließ nur ein wenig Verwunderung sehen, die sie empfand, weil er offenbar nicht wusste, dass sie ein paar Jahre in Alexandria gewesen war. „Ja, ich war dort. Ein paar Jahre sogar. Hat dein Großvater sich dir gegenüber nicht darüber aufgeregt?“ Immerhin war sie alleine dorthin gereist, hatte alleine dort gelebt, sah man von ihrer Leibsklavin ab, und hatte sich dort verlobt... und war verlobt geblieben, dort. Zwar mit Meridius' Einverständnis, aber trotzdem. Nun ja... sie konnte sich gut vorstellen, dass Flavus' Großvater der Ansicht war, dass sie nur die gerechte Strafe für dieses einer Römerin unangemessenen Verhaltens erfahren hatte, als ihr Verlobter sie um einer anderen willen sitzen gelassen hatte, kaum dass sie wieder in Rom gewesen waren.

    Der Aurelius legte es also tatsächlich darauf an, dass sie zuerst einen Vorschlag machte. Seiana wäre es lieber gewesen, wenn er einfach gesagt hätte, was er haben wollte für seine Gefälligkeit, und fertig. Sie war nicht darauf aus, großartig zu handeln, sie wollte es einfach nur erledigt haben – wie so vieles, nein, eigentlich alles im Zusammenhang mit dieser Hochzeit. Es war nicht so, dass die Organisation ihr über den Kopf wuchs, aber es war zeitraubend, und sie empfand das alles schlicht und ergreifend als... zu viel. Und sie hatte sich nicht aus der Affäre ziehen können. So gern sie die Organisation komplett abgegeben hätte, aber das hatte sie dann doch einfach nicht tun können, dafür war die Eheschließung zu wichtig und die Gästeliste zu hochkarätig, um das Risiko einzugehen, es irgendwelchen Sklaven zu überlassen. Aber selbst wenn man außen vor ließ, wie diese Verbindung zustande gekommen war: sie hasste diese Hochzeitsfeier schon jetzt.


    Ihre Miene zeigte davon allerdings nichts. Im Grunde war sie schon froh darüber, dass dieses Gespräch verhältnismäßig kurz und schmerzlos ablief. Fehlte nur noch ihr Angebot und seine Reaktion darauf... und obwohl sie es lieber gesehen hätte, hätte er einfach seinen Preis genannt, war auch das kein Problem, zumal sie ohnehin mit dem Terentius darüber gesprochen hatte. „Nun, ich weiß nicht, ob du dich für Pferdezucht interessierst. Falls ja, könnte ich dir fünf sehr schöne Tiere empfehlen. Vielleicht reizt dich allerdings auch eine Auswahl an exquisiten Goldschmiedearbeiten im selben Wert mehr.“

    Sie war so in Gedanken versunken, dass sie nicht einmal bemerkte, wie sich jemand näherte... und als sie eine Hand unerwartet auf ihrer Schulter spürte, zuckte sie kurz zusammen. Ihr Kopf wandte sich mit einem Ruck um, sah nach oben – dann flog ein schwaches Lächeln über ihre Züge, als sie Faustus erkannte. „Ein bisschen müde, aber...“ Sie deutete ein Achselzucken an, warf einen Blick auf die Sachen neben sich und nickte. „Ja, genau der ist es.“ Seiana nahm den Kreisel in die Hand und drehte ihn zwischen ihren Fingern ein wenig hin und her. „Setzt du dich ein bisschen zu mir?“ bat sie dann, ihn erneut ansehend.

    Decurio
    Titus Decimus Cursor
    Castra Legionis I Traianae Piae Fidelis
    Mantua - Italia



    ~ Einladung ~


    Zum Anlass der Eheschließung von


    Appius Terentius Cyprianus


    und


    Decima Seiana


    laden wir dich herzlich ein, am ANTE DIEM VIII ID OCT DCCCLXI A.U.C. (8.10.2011/108 n.Chr.) den Hochzeitsfeierlichkeiten in der Casa Decima Mercator in Rom beizuwohnen.


    Appius Terentius Cyprianus & Decima Seiana




    Legionarius
    Titus Decimus Vestinus
    Castra Legionis I Traianae Piae Fidelis
    Mantua - Italia



    ~ Einladung ~


    Zum Anlass der Eheschließung von


    Appius Terentius Cyprianus


    und


    Decima Seiana


    laden wir dich herzlich ein, am ANTE DIEM VIII ID OCT DCCCLXI A.U.C. (8.10.2011/108 n.Chr.) den Hochzeitsfeierlichkeiten in der Casa Decima Mercator in Rom beizuwohnen.


    Appius Terentius Cyprianus & Decima Seiana

    Seiana senkte kurz den Kopf und sah zu Boden, machte aus der Geste dann aber ein leichtes Nicken. Es schickte sich nicht... Natürlich nicht. Dennoch hatte sie daran nun nicht gedacht in diesem Moment, immerhin würden sie ja nicht durch das Castellum streunen, sondern wären zu Gast im Praetorium, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass der Legat dort keine Gäste empfing. Und davon abgesehen... es schickte sich so vieles nicht, was sie tat, und sie tat es trotzdem. Aber das gehörte offenbar auch zu den Dingen, die sich nun wieder ändern würden für sie. So sehr sie auch vorhatte, sich ihre Eigenständigkeit zu bewahren, glaubte sie doch nicht so recht daran, dass sie alles einfach weiter so würde handhaben können wie bisher. Dass der Terentius das zuließ. „Dann werde ich ihm eine Einladung zukommen lassen, für einen Abend einige Tage nach den Feierlichkeiten.“ Sie legte das Schreiben mit der Einladung zur Stadtfeier beiseite. „Das... wäre alles von mir. Hast du noch etwas zu besprechen?“ Falls nicht, würde sie nun gehen können, und alles in allem... war dieses Gespräch angenehmer verlaufen als sie gedacht hätte.

    Seiana warf einen kurzen Blick zu Massa hinüber, als dieser seinen Becher heftig abstellte, sah aber gleich darauf wieder zu ihrem Bruder, als dieser weitersprach. Sie deutete ein vages Lächeln an. „Wenn er es nicht gut macht, können wir uns immer noch nach einem anderen umsehen... Kümmerst du dich um Marcus' Freilassung?“ Sie trank einen Schluck Wein – und dann war sie es, die ihren Becher nicht mehr zu halten können schien. Anders als Massa stellte sie ihn allerdings nicht schnell ab, sondern ließ ihn nur langsam sinken, immer weiter, bis sie ihn schließlich sacht auf dem Tisch absetzte und noch in der gleichen Bewegung ihren Teller mit den Vorspeisen ein Stück wegschob. Wirklich Appetit hatte sie ohnehin nicht gehabt, und das bisschen Hunger war ihr gerade vergangen. Neue Sklaven. Neue Wandgemälde. Neue Möbel. Ägyptischer Stil. Sie fragte sich, was an all dem, was sie in den letzten Jahren hier gemacht hatte, falsch war... einem Teil von ihr war durchaus klar, dass Faustus einfach einen völlig anderen Geschmack hatte als sie, jedenfalls der Faustus, den sie von früher kannte, und irgendwie tat es gut zu wissen, dass er sich nicht so sehr verändert hatte... ein anderer Teil jedoch konnte nicht anders, als diesen offen ausgesprochenen Wunsch nach Veränderung in der Gestaltung des Hauses als Kritik aufzufassen an dem, wie sie es gestaltet hatte.


    Aber sie ließ sich nichts anmerken. Ihr Gesicht behielt weiterhin den ruhigen, fast kühlen Ausdruck, und auch ihrem Tonfall war nichts anzuhören – und obwohl sie keinen Appetit und kaum Hunger hatte, bediente sie sich nun doch wieder, als der Hauptgang kam, und sei es nur, um den Schein zu wahren und keine Fragen aufkommen zu lassen über ihr Verhalten. „Du kannst diesen Maler ja einmal hierher einladen, damit er sich ansehen kann, welche Voraussetzungen er hier hätte... und uns seine Ideen erzählen kann.“ Ägyptischer Stil. Vielleicht war es ganz gut so, dass sie nun bald heiraten würde. Sie wusste nicht so recht, ob sie ein Atrium im ägyptischen Stil wirklich gut finden sollte... und konnte nur hoffen, dass ihr der Terentius freie Hand ließ, wenn sie erst einmal Hausherrin in der Casa Terentia war.