Seiana wartete gar nicht erst auf eine Antwort, sondern ging voran ins Tablinum, wo sie sich auf einem Korbstuhl niederließ. Ein Wink bedeutete den Sklaven, ihnen etwas zu bringen, während Seiana darauf wartete, dass Pinus sich zu ihr gesellte. „Ich habe gar keinen Brief erhalten, der deine Ankunft ankündigt.“ Ihr Tonfall war unschuldig genug, aber ihr Lächeln bekam eine leicht schneidende Note, als sie ihn auf dieses Versäumnis ansprach. „Was führt dich nach Rom?“
Beiträge von Decima Seiana
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Noch ein langer Tag. Irgendwie schien Seiana nur lange Tage zu haben in letzter Zeit – länger als sonst, hieß das. Aber seitdem die Prätorianer bei ihr gewesen waren, stapelte sich die Arbeit. Zum einen, weil sie in den ersten Tagen danach kaum etwas getan hatte, und das machte sich freilich bemerkbar. Zum anderen, weil ihr schlicht und ergreifend Unterlagen fehlten. Ärgerlicherweise nicht nur von der Acta, sondern auch von der Schola, von ihren Betrieben, und private.
Müde kam Seiana also heim, nur um bereits am Eingang festzustellen, dass es wohl nichts werden würde mit einem ruhigen, gemütlichen Abend, jedenfalls nicht so schnell. „Pinus“, grüßte sie den Gast, der im Vestibulum auf einer Bank saß, auf den Lippen ein vages Lächeln, ihre Gesichtszüge so ruhig und kühl wie stets, ohne sich anmerken zu lassen, dass sie nicht sonderlich begeistert davon war, dass Pinus ausgerechnet diesen Zeitpunkt für einen erneuten Besuch gewählt hatte. „Warum sitzt du hier im Vestibulum herum? Komm mit ins Tablinum.“
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Als Raghnall wieder zurückkam, war irgendetwas anders. Er hätte ja sich gerne damit rühmen können, dass er so feinfühlig war, um die Stimmung zu erahnen, die sich breit gemacht hatte. Dem war allerdings nicht so. Was den Gallier stutzig machte, war die schlichte Tatsache, dass da auf einmal Lärm war, der vorher nicht da gewesen war. Und die paar Menschen, denen er begegnete, wirkten ein wenig... überrascht. Eingeschüchtert. Um nicht zu sagen verschreckt, manche jedenfalls. Raghnall in jedem Fall schwante nichts Gutes, aber er wäre nicht er gewesen, wenn er das jetzt als Anlass genommen hätte zu verschwinden.
So bewegte er sich, einigermaßen vorsichtig, in das Gebäude hinein, um zu erfahren was da überhaupt los war. Einigermaßen vorsichtig war allerdings nicht vorsichtig genug, wie er feststellen musste, als er in der zweiten Tür prompt in jemanden hinein rannte.
SKLAVE - DECIMA SEIANA -
Zitat
Original von Caius Silurius Rufinus
"Ich komme im Auftrag des Consuls", stellte sich der Liktor vor, der seine langwierigen Gedankengänge sofort unterbrach, als die Tür geöffnet wurde. Allerdings war mit diesem einen Satz die Frage noch nicht beantwortet, sondern lediglich seine Herkunft erklärt. "Dieser bittet im Namen des Senates um Anwesenheit der Auctrix bei der nächsten Senatssitzung", erklärte er daher weiter, ohne noch einmal über diese Nachricht nachdenken zu müssen. Das hatte er schließlich bisher schon ausreichend getan. "Kannst du dies bitte der Auctrix ausrichten", kam er dann endlich dazu, was der Öffner der Tür nun konkret für ihn tun könnte.Ion nickte bedächtig. „Das kann ich ihr ausrichten.“ So viel dazu, was er ohne Probleme tun konnte. Allerdings würde die Auctrix wohl noch die ein oder andere Frage dazu haben, und weil er sich so ziemlich denken konnte, welche das sein würden, stellte er sie in Eigenregie. „Worum geht es? Muss sie etwas vorbereiten für die Sitzung?“ War ja wohl nicht ganz unwichtig zu wissen, was da überhaupt besprochen werden sollte. „Und wann wird die Sitzung stattfinden?“
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Einig. Ja, das waren sie sich wohl, und dennoch... Das Wort hatte einen schalen, leicht bitteren Beigeschmack für Seiana. Sie konnte sich noch so sehr vorhalten, dass diese Verbindung nur Vorteile für sie hatte – was eine schlichte Tatsache war –, aber die Art, wie sie geschlossen wurde, war nichts anderes als eine Niederlage für sie. Daran änderte sich nichts, nur weil lediglich sie beide davon wussten, was genau hinter dieser Eheschließung steckte. Und wenn das Leben mit dem Terentius so weiter gehen würde, wie er sich ihr gegenüber nun präsentierte... Die Aussicht darauf, ihre Worte in Zukunft noch vorsichtiger wählen zu müssen als sie es ohnehin schon tat, und vor allem darauf, sich mit ihrer Meinung zurückhalten zu müssen, gefiel ihr kaum. Sicher, in einer Ehe war Anpassung an den anderen wohl nötig... aber sie hatte nun lange genug allein und selbstständig gelebt, ohne Mann und sogar ohne Familienmitglieder, die ihr in ihr Leben großartig hineingeredet hätten, dass es ihr nicht leicht fallen würde, sich nun an ein Leben als Ehefrau zu gewöhnen. Selbst unter anderen Umständen als ausgerechnet diesen wäre es nicht leicht für sie geworden, und so, wie es jetzt war... Sie konnte nichts von ihm fordern, weil sie schon froh sein musste, dass er überhaupt auf ihr Angebot eingegangen war, und sie hatte keine Ahnung, wie das Leben mit ihm werden würde. Ob sie sich immer so würde unterordnen müssen wie jetzt, ob ihre Ehe eine... nun, eine Aneinanderreihung von Niederlagen werden würde. Aber es hatte wohl keinen Sinn, sich jetzt schon darüber Gedanken zu machen. Sie würde noch früh genug erleben, wie er war, wenn er sie nicht gerade völlig in der Hand hatte.
Sein Angebot, dass sie dabei sein konnte, wenn er mit Faustus sprach, war eine weitere Erleichterung. Ganz sicher war sie sich nicht, was ihr Bruder davon halten würde, dass er – mal wieder – nicht vorher gefragt worden war. Und sie hatte keine Ahnung, wie sie ihm das diesmal erklären sollte, konnte nur hoffen, dass er genug von dem Praefectus Praetorio hielt, dass er nicht allzu viele Fragen stellen würde. Ihr nicht, und dem Terentius auch nicht. Und wenn sie dabei war bei den Verhandlungen, konnte sie vielleicht verhindern, dass zu viel herauskam. „Ich würde gerne dabei sein“, antwortete sie mit einem leichten Nicken. Einen Moment zögerte sie, bevor sie anfügte: „Er...“ Noch ein Zögern. Es fiel ihr nicht leicht, zu bitten oder sich unterzuordnen, und irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie bei dem Terentius momentan nichts anderes tat als eins von beidem. Aber es half nichts. „Faustus... Mein Bruder ist Faustus Serapio, er war Tribun in der 22. Er... es wäre mir lieb, wenn er davon nichts erfährt.“ Sie biss sich kurz auf die Unterlippe. „Ich weiß noch nicht, was genau ich ihm sage, aber ich würde ihn gerne heraushalten so gut es geht. Ich hoffe das ist auch in deinem Sinn.“
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„Faustus?“ Mehr hatte Seiana nicht gesagt, als ihr der Ianitor erzählt hatte, wer vor einiger Zeit angekommen war, bevor sie an ihm vorbei ins Haus gegangen war – gegangen, zwar so schnell, dass es schon fast ans Laufen grenzte, aber dennoch: gegangen. Obwohl sie lieber gerannt wäre. Den halben Tag hatte sie im Domus der Acta verbracht heute, und währenddessen kam in aller Seelenruhe ihr Bruder nach Hause. Endlich. „Warum hat keiner nach mir geschickt?“ Das war eine Frage, auf die die Sklaven um sie offenbar auch nicht so wirklich eine Antwort wussten, jedenfalls sagte keiner etwas. Mit schnellen Schritten erreichte sie das Atrium, ignorierte, dass sie allerhöchstens eine gemurmelte Antwort bekam, die sie nicht recht verstand, und machte eine fordernde Geste. „Wo ist er jetzt?“
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... Jahre wieder, oder so...
Alles Liebe zum Geburtstag, Axilla
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Wieder da.
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Urlaub! Heißt konkret in diesem Fall: ich bin von morgen an eine Woche nicht anwesend, weil in einer Gegend unterwegs, die man getrost als digitales Nirvana bezeichnen kann
Sjáumst!
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Die Decima war nicht da – stattdessen öffnete ein Scriba die Tür des Vorzimmers zur Rectrix und erblickte den ehemaligen Rector. „Salve, Senator Germanicus. Was führt dich her?“
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Und wie immer war es Ion, der die Tür öffnete, gleich an welchem Tag, gleich zu welcher Zeit. Nun, nicht ganz gleich – wenn er krank war dann nicht, und wenn Nacht war dann auch nicht, aber alles was sich so im Rahmen des Tags und seiner Gesundheit bewegte, das machte er. Auch wenn seine Dienste gar nicht großartig gefragt waren, so wie neulich, als die Prätorianer hier gewesen waren und einfach Zutritt verlangt hatten, anstatt wenigstens ein bisschen Höflichkeit an den Tag zu legen. Da sah der Besucher heute schon weit höflicher aus, fand Ion. „Salve. Was kann ich für dich tun?“
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„Aha“, machte Ion. Und öffnete dann die Tür, um die Männer einzulassen, weil sie offensichtlich weder auf großartige Höflichkeiten noch auf sonstige Diskussionen aus waren.
~~~ Im Gebäude ~~~
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Raghnall war dazu verdonnert worden, das Zeug, dass die beiden raussuchten, durch die Hintertür wegzuschaffen. Weil: er hatte ja keine Ahnung. Er arbeitete da ja nicht. Also: musste er als Packesel ran. Da das ja aber irgendwie auch stimmte, dass er nicht so viel Ahnung hatte, wo da genau etwas Kritisches sein könnte und wo ganz sicher Unkritisches verstaut war, hatte er also gar nicht viel gesagt, sondern einfach nur gemacht. Als er erneut hereinkam und die Iunia ihm einen weiteren Korb überreichte – von einem Gewicht, bei dem er sich kurz fragte, wie die kleine Frau es wohl geschafft haben mochte, den zu stemmen –, bemerkte er gar nicht so wirklich, was da von der Vordertür los war. Er nahm einfach den Korb und verschwand wieder, um das Zeug ein paar Häuser weiter unterzubringen, wo es vor dem Zugriff der Prätorianer sicher sein würde – und auch vor neugierigen Augen, denn dort wohnte ein weiterer Subauctor, den der Vibienus kurzerhand ins Vertrauen gezogen hatte.
SKLAVE - DECIMA SEIANA -
Sie schloss die Augen und unterdrückte ein Zusammenzucken, als er noch mal darauf anspielte, was er für sie im Sinn gehabt hatte. „Bis vor kurzem hätte ich das auch nicht gedacht“, antwortete sie, eher leise und nachdenklich als kühl oder gar schnippisch. Aber Dinge änderten sich. Vor allem dann, wenn man bedroht wurde... und aus einer derartigen Lage wie der ihren dann einen Ausweg fand, der nicht nur ein Ausweg war, sondern viel mehr Vorteile bot.
Und dann kam seine Zusage. Erneut schloss sie die Augen, erlaubte sich für einen winzigen Moment Erleichterung, und in diesem einen Moment nahm dieses Gefühl, endlich wieder sicher zu sein, so sehr überhand, dass sie Mühe hatte sich, ihren Körper unter Kontrolle zu behalten. Ihre Hände zitterten, und sie behielt sie fest in ihrem Schoß, wo man es nicht sehen konnte, aber ein tiefes Einatmen konnte sie ebenso wenig verhindern wie die Erleichterung in ihren Augen – oder dass sie nicht sofort antworten konnte, sondern erst warten musste, weil sie ihrer Stimme nicht sofort traute. So nickte sie nur auf seine Worte hin – und erstarrte im nächsten Moment schon wieder, als es um den Praefectus Urbi ging. Seiana presste die Lippen aufeinander, als der Terentius deutlich machte, was er von dem Thema hielt. Oder überhaupt davon, dass sie so etwas ansprach.
Sie hätte nun viel sagen können. Hätte darauf hinweisen können, dass es auch einen Mann wie ihm, in seiner Position, nicht völlig egal sein konnte was die Leute über ihn dachten, weil vielleicht irgendwann die Zeit kommen würde, in der ihm das nützlich sein würde – und es zu spät sein konnte, die öffentliche Meinung noch umzuschwenken. Oder dass der Vescularius weder ewig regieren noch ewig leben würde. Oder dass Loyalität zu Rom auch beinhaltete, die Machtinhaber kritisch zu beurteilen und nicht danach, ob sie einen selbst gut behandelten, denn das war nicht immer ein Indiz dafür, dass sie auch das Beste für Rom taten. Oder...Aber er war deutlich, mehr als deutlich, sowohl in seinen Worten als auch dem Klang, dem ganzen Auftreten. Wo er gerade eben noch fast freundlich gewirkt hatte, war er nun wieder der Mann, der keine Skrupel gehabt hätte sie des Hochverrats anzuklagen, mit allen Konsequenzen, gleich ob das stimmte oder nicht. Und Seiana wusste das alles nur zu gut. Wusste nur zu gut, wer dieser Mann war, welche Macht er hatte, und wie er sie einsetzen konnte – wusste allerdings nicht, wie er nun wirklich war, wie weit sie gehen konnte, bis sie irgendwann eine Grenze überschritt, über die sie nicht mehr zurück konnte. Und diesen Mann gedachte sie zu heiraten. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, und etwas in ihr wehrte sich dagegen, nachzugeben, sich einfach so... unterzuordnen. Sie hatte Recht mit dem, was sie gesagt hatte. Auch dieser Aspekt einer Verbindung mit ihr konnte sich als Vorteil für ihn erweisen. Allerdings: wenn ihm das egal war, musste sie es ja nicht noch weiter ausführen. Er hatte schon ja gesagt. Und... die Wahrheit war, dass Seiana es nicht wagte, dieses Thema jetzt noch weiter zu intensivieren. Sie waren noch nicht verheiratet. Sie waren noch nicht einmal offiziell verlobt. Er konnte seine Zusage genauso gut wieder zurücknehmen und ihr das Leben zum Tartaros machen. Oder sie dennoch heiraten und ihr trotzdem das Leben zum Tartaros machen, nur dass ihr Leben dann wohl wesentlich länger dauern würde. Das war ein Risiko, dass sie nicht eingehen wollte, schon gar nicht weil sie ihn viel zu wenig kannte um abschätzen zu können, wie er nun auf Widerspruch von ihr reagieren würde.
Und so kam es, dass Seiana nachgab, seinem Blick schließlich auswich und zur Seite sah. „Das werde ich.“ Wieder presste sie Lippen aufeinander, während sie zugleich froh war, dass er nicht in ihren Kopf hinein sehen konnte. Einen Moment herrschte Schweigen, bevor sie wieder aufsah und das Thema wechselte. „Nun... mein Bruder befindet sich auf dem Weg nach Rom, so weit ich weiß. Ich bin zwar sui iuris, aber anstandshalber solltest du die Verlobungsverhandlungen mit ihm führen. Das heißt, sofern dir das recht ist... die Eckdaten können wir sicherlich auch sofort festlegen.“
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Seiana wusste nicht so recht, ob sie über seine Reaktion lachen oder verärgert sein sollte. Ja, sie war mit der Tür ins Haus gefallen, und ja, das war ein großer Schritt, aber dass er deswegen nun so fassungslos reagierte? Den Ausschlag gab dann schließlich, was er sagte. Dich heiraten? Die Frage. Seiana hörte gar nicht so genau, in welchem Tonfall er das sagte – ihr Kopf und ihr Herz ergänzten das ganz von selbst. Dich heiraten? Ausgerechnet dich? Du bist nicht genug... Ihr Blick verdüsterte sich, während sie sich zwang, ihre Gedanken in eine andere Bahn zu lenken, sich an das zu erinnern, was sie immer wieder versucht hatte sich einzureden, während diese Idee in ihr gereift war. Sie war genug. Sie entsprach vielleicht nicht dem Idealbild einer Matrona, aber sie war genug. Für den, der sich darauf einließ, dass sie die 20 schon längst hinter sich gelassen hatte, und dass sie durch ihre Position durchaus sehr direkten Einfluss ausüben konnte und nicht, wie andere Frauen, immer den indirekten Weg wählen musste und nur im Hintergrund agierte. Sie war genug, für den, der sich darauf einließ, dass sie auf andere Art in der Öffentlichkeit stand als andere Frauen und dass sie auch mal Schwierigkeiten bekommen konnte...
Was sie zu dem Terentius zurück brachte. Ein wenig indigniert musterte sie ihn, während sie darauf wartete, dass sein Hustenanfall sich ein wenig beruhigte. „Ja. Mich heiraten“, antwortete sie kühl. „Du... hast davon nur Vorteile. Du hast selbst gesagt, dass meine Familie nach wie vor Macht hat, dass der Name Decima nach wie vor für etwas steht. Wir haben Senatoren, Ritter, sogar einen Triumphator gestellt. Und ich habe ebenfalls Einfluss. Ich kann dir viel erzählen, dass ich dich in Zukunft unterstützen würde, aber mit einem Bündnis durch eine Heirat bekommst du die Gewährleistung dafür, dass meine Familie und ich mich auch daran halten. Du hast mich im Blick, wie es allein durch deine Speculatores kaum zu leisten ist... Und du bist im Augenblick nicht verheiratet und noch ohne Erben.“ Seiana ließ unerwähnt, was eine Ehe ihr brachte. Dass sie so vor ihm in Sicherheit war, einigermaßen – sie zweifelte nicht daran, dass er sie fallen lassen würde, wenn es darauf ankam, aber so lange nicht irgendetwas passierte, würde sie als seine Frau ihre Ruhe haben. Nun, nicht vor ihm direkt, aber vor seinen Prätorianern, vor Durchsuchungen, vor Anschuldigungen und womöglich öffentlichen Anklagen. Und dass sie, natürlich, auch unabhängig davon profitierte. Er war einer der mächtigsten Männer Roms. Eine Heirat mit ihm hatte nur Vorteile, für sie und ihre Gens. Und nicht zuletzt: diese Lösung ließ sie ihr Gesicht wahren. Es war selbstverständlich, dass sie ihren Ehemann unterstützte. Es war nicht selbstverständlich, dass sie, als unabhängige Frau, als Auctrix, den Praefectus Praetorio unterstützte. Eine Sache allerdings gab es noch, die sie sagen wollte... Sie hatte ihre Hausaufgaben gemacht, hatte sich informiert über den Terentius, und nach allem was sie wusste, hatte er bisher herzlich wenig zu tun gehabt mit dem Praefectus Urbi – was eher unüblich war, besah man sich, wie der Vescularius in der Regel seine Freunde und Vertrauten bedachte. Es war ein Risiko, diese Sache nun so offen anzusprechen – aber bei ihr war das ohnehin schon egal. Sie saß in der Klemme, so oder so, er hatte ja deutlich gemacht, was er mit ihr vorhatte, sofern ihr Angebot ihm nicht genügte. Da konnte sie ihm genauso gut alle Vorteile nennen, die ihr Vorschlag hatte. „Und wenn du mich heiratest, die Nichte des Senators, der sich als einziger offen gegen den Praefectus Urbi positioniert hat, würdest du Rom zeigen, dass du mehr bist als ein Schoßhund des Vescularius.“
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Mach erst mal bei dir sauber, bevor du anderer Leute Sachen durchwühlst
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Seiana erwiderte das Nicken leicht und setzte sich in Bewegung – nur um ihm dann einen schon wieder einen leicht unterkühlten Blick zuzuwerfen, als der Iunius sprach. Im ersten Moment fragte sie sich, ob er sich wohl über sie lustig machen wollte. So eine Situation? Nein, sie erlebte ganz sicher nicht alle Tage, wie ihr Haus von Prätorianern durchsucht und sie vom Praefecten der Garde mehr oder weniger direkt bedroht wurde. Seiana wusste zwar nicht, inwiefern der Mann neben ihr vom Inhalt dieses Gesprächs wusste, allerdings war es ja schon genug, dass sie ihr Haus durchsucht hatten. Sie entschied dann allerdings, zu seinen Gunsten anzunehmen, dass er sich nicht lustig machen wollte, sondern nur... nun, ein wenig unbeholfen war. „In der Tat“, kommentierte sie nur kühl-trocken, bevor sie ihm erneut einen Blick zuwarf. Ihr Verhältnis zu Axilla? Immer noch bestenfalls schwierig, auch wenn es sich ein wenig gebessert hatte. Seiana zog es vor, einfach gar nicht darüber nachzudenken und mit der Iunia professionell umzugehen, wenn sie Kontakt zueinander hatten. „Nun. Wenn man es genau nimmt, haben wir nicht wirklich ein Verhältnis zueinander, also kann man es auch nicht als gut oder schlecht bezeichnen“, erwiderte sie diplomatisch und fragte sich, ob er von Aelius Archias wusste, davon, dass sie mit ihm verlobt gewesen war, bevor er sich dann doch lieber für die Iunia entschieden hatte – und ob das vielleicht sogar ein Hintergedanke von ihm gewesen war, mehr zu erfahren.
Seiana hatte der Iunia immer noch nicht so ganz verziehen. Geschweige denn das Ganze vergessen. Nicht, weil sie Archias immer noch hinterher trauerte – der hatte sich vor und nach der Trennung auf eine Art ihr gegenüber verhalten, die sie ihm auch nicht hatte verzeihen können, was ein Nachtrauern ihrerseits kategorisch ausschloss –, sondern weil es ums Prinzip ging. Der Aelius war ihr Verlobter gewesen, und Axilla hatte das gewusst, als sie sich an ihn herangemacht hatte. Seiana gab der Iunia bei weitem nicht mehr die Hauptschuld an der ganzen Misere von damals, aber dass sie ebenso mitschuldig war wie Archias, das stand für sie nach wie vor fest.Auf dieser Basis allerdings ließ es sich schlecht zusammenarbeiten, und da Seiana festgestellt hatte, dass Axilla eine wertvolle Mitarbeiterin war, vor allem dann, wenn man ihr ihre Freiheit ließ, wo immer es ging, hatte Seiana beschlossen, die Vergangenheit einfach tief in sich zu begraben, unter so viel herumliegendem Seelenschutt – von dem sie genug hatte –, dass es keine Rolle mehr spielte, so lange sie sich nur auf die Arbeit konzentrierte. „Sie ist eine meiner Mitarbeiterinnen. Wir haben ein... professionelles Verhältnis, wenn du so willst.“ Seiana blieb stehen, als das Wort Hispania an ihr Ohr drang und ihre Aufmerksamkeit erregte. Hispania, wo sie aufgewachsen war... und was immer noch irgendwie ein Stück weit ihre Heimat blieb, auch wenn längst Rom ihr Zuhause war und sie sich ein Leben woanders nicht mehr vorstellen konnte. Sie wandte dem Händler ihre Aufmerksamkeit zu und hörte sich an, was er über den Sklaven erzählte, bevor sie zu dem Iunius fragte: „Was meinst du? Ein Eunuch als Leibwächter?“ Sie musterte den Sklaven und fragte dann beiläufig den Händler: „Hat er schon Erfahrungen als Leibwächter?“
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Ion öffnete die Tür. Wie üblich. Vor der Tür standen Prätorianer. Gar nicht wie üblich. Mit einem halb fragenden, halb irritierten Blick musterte Ion die Männer, fragte aber – dann doch wieder wie üblich –: „Was kann ich für euch tun?“
~~~ Im Gebäude ~~~
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Raghnall hatte sich sofort aufgemacht, als die Decima ihn losgeschickt hatte, und war nicht lange danach schon im Acta-Gebäude eingetroffen. Tatsächlich hatten die Prätorianer das Haus nicht zeitgleich durchsucht, so dass hier alles seinen gewohnten Gang genommen hatte an diesem Morgen: Subauctores waren nach und nach eingetrudelt, um sich hier an die Arbeit zu machen, freie Mitarbeiter waren gekommen und gegangen, um Auftragsarbeiten abzuliefern oder sich neue Aufträge zu holen... Und mitten in diese Stimmung war Raghnall hinein gekommen, und hatte sich erst mal umgesehen. Nach denen, von denen er wusste, dass seine Herrin ihnen vertraute. Und lange hatte er nicht suchen müssen, bis er Iunia Axilla, die Lectrix, und Manius Vibienus Vetus, einen langjährigen Subauctor, entdeckt hatte. Ohne große Umstände hatte er sich auf den Weg zu ihnen gemacht und ihnen in knappen Worten die Sachlage erläutert. Wie von der Decima angewiesen sagte er ihnen nicht viel, nur dass es Schwierigkeiten gab und kritische Unterlagen so unauffällig wie möglich verschwinden müssten – und zumindest der Vibienus gab sich damit für den Moment zufrieden. Die Iunia allerdings hakte nach und wollte mehr wissen, aber da Raghnall nur auf die Decima verwies und darauf, dass das jetzt doch eher... nun ja... dringend war, verzichtete auch sie vorerst auf weitere Nachfragen. Vorerst, wie er vermutete. Aber wenn sie sich später an die Decima wandte, konnte ihm das nur Recht sein. War sowieso besser, wenn sie selbst die Fragen ihrer Leute beantwortete. Und so waren sie, als es an der Porta klopfte, gerade mitten dabei, Unterlagen durchzugehen und alles, was anstößig sein könnte, durch die Hintertür hinauszuschaffen.
SKLAVE - DECIMA SEIANA -
Sie musste nicht lange warten – was Seiana positiv überraschte, weil sie eigentlich damit gerechnet hätte, dass er sie schmoren ließ. Sie wandte sich um, als sie hörte wie er eintrat, und neigte grüßend den Kopf. Ihr lag zwar auf den Lippen, dass sie kaum die Wahl gehabt hatte als zu kommen… aber sie verkniff sich diesen Kommentar, sondern kam nur näher und wies auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch. „Darf ich?“ Sie wäre lieber am Fenster stehen geblieben, um ein bisschen Distanz zu wahren – vornehmlich um ihren Sicherheitsabstand einzuhalten, der in diesem Augenblick ziemlich groß war, größer als ohnehin schon normalerweise. Aber es wäre lächerlich gewesen, und so strich sie noch einmal kurz über ihre Tunika, die wie ihre ganze Aufmachung schlichte Eleganz ausstrahlte, und setzte sich. Und war froh darüber, dass er sofort zur Sache kam. Sie beherrschte das höfliche Geplänkel inzwischen zur Genüge, aber sie zog es immer noch vor, wenn sie einfach darauf verzichten konnte.
Was allerdings nicht hieß, dass das hier unbedingt einfacher wurde. Sie hatte Stunden damit verbracht, zu überlegen, zu grübeln, Ideen zu entsinnen und wieder zu verwerfen. Wann genau sie auf darauf gekommen war, was sie ihm anzubieten gedachte, wusste sie gar nicht mehr genau. Sie wusste nur, dass sie es x-mal verworfen hatte, nur um es doch wieder anzudenken. Und obwohl sie ganz und gar nicht glücklich damit war, war es das einzige, was ihr einfiel, das einzige, was sowohl ihm genug bot – vor allem genug Sicherheit, dass sie sich daran hielt –, als auch ihr, so dass sie nach außen nicht nur ihr Gesicht wahren konnte, sondern im Gegenteil noch dazu gewann. Schlicht und ebenso auf den Punkt gebracht wie er sagte sie: „Heirate mich.“
Im Grunde war es perfekt. Er würde sie im Griff haben, damit. Ihre Verbindungen und ihr Einfluss sowie der ihrer Familie würden ihm zur Verfügung stehen, und es fiel der Nachteil weg, dass er blind darauf vertrauen musste, dass sie in dieser Hinsicht Wort hielt – was womöglich der Grund war, warum ihm dieses Angebot allein vor zwei Tagen nicht gereicht hatte. Dazu kam der Vorteil, dass er sich einigermaßen sicher sein konnte, dass ihre Familie – namentlich Livianus – sich weiterhin zurückhalten würde, so wie es jetzt schon war. Und zu guter Letzt: wenn sie verheiratet waren, brauchte er sich keine große Mühe mit einer Überwachung geben, weil sie in seinem Haus lebte. Besser kontrollieren als so konnte er sie kaum. Und was sie betraf… nun ja. Sie war ganz sicher nicht froh darüber, sich so in seine Hand zu begeben, sich so… auszuliefern. Eine Ehe unter derartigem Druck zu schließen. Aber Fakt war, dass ihr kaum eine andere Wahl blieb – und Fakt war ebenso, dass ein Bündnis mit dem Praefectus Praetorio auch ihr nur Vorteile brachte, wenigstens nach außen hin.
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Seiana stieg erst aus der Sänfte aus, als sie hörte, dass der Terentier da war und sie empfangen würde. Wortlos folgte sie dem Sklaven ins Haus hinein, während die ihren draußen auf sie warteten, und betrat den Raum, der ihr gezeigt wurde. Als der Sklave ihr etwas anbot, zögerte sie einen kurzen Moment. Sie hatte eigentlich keine Lust auf irgendetwas, und auch wenn ihr kaum etwas anzumerken war, fühlte sie sich doch zu nervös, um jetzt etwas zu trinken. Aber im Lauf des Gesprächs würde sie vielleicht noch froh, einen Becher Wein zu haben – sei es um sich daran festzuhalten, sei es um ihn hinunter zu stürzen, sei es um ihn dem Terentier an den Kopf zu werfen, wenn gar nichts mehr half. „Einen verdünnten Wein, bitte“, antwortete sie also, und als der Sklave das Officium verlassen hatte, ging sie zum Fenster hinüber und sah mit vor der Brust verschränkten Armen reglos hinaus – und wartete.
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„Meine Herrin, Decima Seiana, wünscht wie vereinbart den Praefectus Praetorio Appius Terentius Cyprianus zu sprechen“, antwortete der Sklave schlicht.