Seiana nickte und bemühte sich, mitfühlend zu wirken, auch wenn sie sich nicht so ganz sicher war, ob ihr das gelang. Sie konnte verstehen, dass die Duccia trotz der langen Krankheit ihres Mannes dennoch von seinem Tod auf eine gewisse Art und Weise kalt erwischt worden war. Sie kannte dieses Gefühl, kannte es von ihrer Mutter… so sehr man damit rechnete, so sehr man sich darauf vorbereitete – wenn es dann passierte, erwischte es einen doch… merkwürdig unvorbereitet.
Dennoch war Venusia diejenige, die die vergangenen Jahre mit ihrem Mann verbracht hatte, diejenige, die ihn sicherlich mit am besten gekannt hatte, abgesehen von seinen Brüdern vielleicht… Seiana war sich sicher, dass ihre Tante nur in seinem Sinne entschied, und kommentierte die Bestattung und wie sie durchgeführt werden würde daher nicht weiter.
Das nächste Thema hingegen war für sie noch nicht abgeschlossen. Natürlich war es ihr wichtig gewesen, der Duccia zu versichern, dass sie in der Casa Decima immer ein Heim haben würde… aber ihr Hauptanliegen war ein anderes. Und gerade die Erwähnung Venusias, dass sie durchaus in Erwägung zu ziehen schien, nach Germanien zurückzukehren – nicht nur für einen Besuch, sondern endgültig –, bestärkte Seiana umso mehr darin, dass sie das Thema ansprechen musste. „Ich würde mich wirklich freuen, wenn du bleiben würdest. Und die Kinder sicher auch.“ Sie hatte überlegt, wie sie es formulieren sollte. Und sie hatte sich bewusst dafür entschieden, eine Tatsache auszusprechen. Die Kinder waren Decimi – und so wenig Seiana den beiden ihre Mutter wegnehmen wollte, oder der Mutter die Kinder, so sehr war sie überzeugt davon, dass die zwei zu ihrer Familie gehörten. Wenn Venusia nach Germanien zurückkehren wollte, dann musste ihr klar sein, dass sie damit ihre Kinder aufgab, denn nach römischem Recht hatte sie keinerlei Anspruch. Sie hatte nichts dagegen, wenn die beiden auch einmal die Heimat ihrer Mutter kennen lernten – aber sie wollte nicht, dass zwei Decimi in Germanien erwachsen wurden, fern von ihrer eigentlichen Familie, und entfremdet von dieser. Was daraus erwuchs, hatte man bei Livianus’ Kindern gesehen – weder Flavus noch Flava hatten es lange in Rom bei ihrer Familie ausgehalten, nachdem sie in Britannien aufgewachsen waren. „Mattiacus könnte Tutor der beiden werden, denke ich, er wäre jedenfalls die erste Wahl, als Magnus' Bruder und der einzige Decimus in Rom derzeit – vielleicht aber auch Faustus, wenn er nach Rom zurückkehren sollte.“ Wenn. Er hatte ihr geschrieben, dass er zurück kommen wollte, aber die Götter allein wussten, ob das wirklich klappen würde – und wann. Und die Götter allein wussten, was er oder Mattiacus davon halten würden, wenn sie wüssten, dass sie darauf zu bestehen gedachte, dass die Kinder bei den Decimi blieben und nicht bei ihrer Mutter, sollte diese nach Germanien gehen wollen… aber Seiana sah sich vollkommen im Recht. Ihr Onkel und ihr Bruder konnten gar nicht als das ebenso zu sehen. In den ersten Lebensjahren mochten Kinder vielleicht noch besser bei der Mutter aufgehoben sein, aber spätestens wenn sie nicht mehr unmittelbar auf diese angewiesen waren, gehörten sie zu ihrer Familie. Dennoch versuchte Seiana, ihren Worten einen positiven Klang zu geben, war ihr doch am liebsten, wenn Venusia einfach entschied, ihre alte Heimat nur zu besuchen und in Rom zu bleiben. „Ich bin mir sicher, dass Mattiacus und Faustus dich ebenso wie ich gerne bei uns in Rom haben würden.“