Beiträge von Decima Seiana

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    „Raghnall“, soufflierte der Angesprochene hilfreich, „Ragh… ja, genau. Nall. Raghnall.“ Und kaum war ihm das über die Lippen gekommen, wurde er auch schon hochgerissen und quasi halbwegs zur Tür geworfen. So langsam… also, vielleicht sollte er sich doch ein wenig zusammenreißen. Ein wenig. In seinen Augen funkelte es immer noch verschmitzt, aber er bemühte sich nun wenigstens für einen halbwegs ernsthaften Gesichtsausdruck. Die Prätorianer machten nicht den Eindruck, als sei mit ihnen gut Kirschen essen, und auf eine Tracht Prügel war er nun beim besten Willen nicht aus. Wenn ein wenig grob mit ihm umgesprungen wurde, hatte er kein Problem, aber seine Zähne wollte er schon noch behalten, und es wäre ihm auch unrecht, wenn andere wichtige Körperteile in den nächsten Tagen nur eingeschränkt nutzbar waren. Für seine Verhältnisse recht brav also führte er die beiden Schwarzröcke zur decimischen Bibliothek. Allein, der Prätorianer machte es ihm schon wieder schwer, nicht amüsiert zu grinsen. Und das wieder aus einem Grund, den er gar nicht wissen konnte. Ob die Decima ihn gut behandelte? Natürlich tat sie das. Sie behandelte ihre Sklaven generell nicht schlecht, aber er hatte noch mal einen Sonderstatus bei ihr, und das wusste er. Nach Elena, die sie fortgeschickt und freigelassen hatte, war er derjenige, der sie am längsten kannte. Der auch noch ihre Mutter gekannt hatte – wichtiger noch: der das Vertrauen ihrer Mutter genossen hatte, trotz mancher Eskapaden. Und das war ein Schwachpunkt bei der Decima, den er für sich zu nutzen verstand. Er war immer noch Sklave, daran gab es nichts zu rütteln, aber seine Grenzen waren deutlich laxer gesteckt als bei den anderen, und er war auch der festen Überzeugung, dass er das verdiente. Immerhin konnte er ihr auch Dienste leisten, die andere nicht bringen konnten, und damit meinte er nicht nur, dass er es ihr gelegentlich besorgte.


    Nach einem kurzen Moment des Zögerns also, der hauptsächlich dem Kampf um Selbstbeherrschung geschuldet war, nickte Raghnall. „Ja, tut sie. Man kann’s als Sklave deutlich schlechter treffen als hier“, antwortete er recht neutral, während sie nun die Bibliothek erreichten, wo er ihnen sogar die Tür aufhielt.





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

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    Schweigend war Iaret dem Sklaven gefolgt, der ihn ohne Umschweife zur Villa Flavia führte, an einem recht grimmig dreinschauenden Ianitor vorbei ins Innere, bis er schließlich vor einer Tür anhielt, klopfte, eintrat. Iaret folgte ihm hinein und fand sich in einem Raum mit zwei Menschen wieder, ein kleiner, ein großer, die sich umarmten. Geduldig wartete er, bis sich die Aufmerksamkeit ihm zuwandte, bevor er den Gruß des Älteren erwiderte. „Chaire, Senator et Pontifex Flavius Gracchus. Chaire, Minimus.“ Er deutete ein Nicken an, als der Vater den Jungen aufforderte, und schwieg zunächst. Fragen konnte er immer noch stellen, wenn der Junge erzählt hatte, was ihn plagte.





    MEDICUS

    Raghnall:
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    Ouh, das war nicht mehr fein, fand Raghnall, als sich der Druck auf seinen Arm noch verstärkte. Humor besaßen die Schwarzröcke ganz offensichtlich nicht, jedenfalls diese beiden nicht, so viel war nun klar. Die Bezeichnung Großmaul allerdings hörte er nicht zum ersten Mal, genauso wenig wie die Aufforderung, sich zu zügeln – und würde es vermutlich auch nicht zum letzten Mal hören. Es brannte ihm auf der Zunge, wieder Kontra zu geben, nicht aus Prinzip, nicht weil er sich ungerecht behandelt fühlte, sondern einfach nur, weil es SO schön gewesen wäre, den Prätorianer nun nachzuäffen – Uuuh, wir können auch anders… –, und, natürlich, weil ein Teil von ihm dann doch irgendwie wissen wollte, wie weit er gehen musste, um sich eine zu fangen. Das mit der Balance auf der Grenze war ja nun eh schon dahin…


    Raghnall ließ sich nichts davon anmerken, dass der Druck so langsam unangenehm wurde, und lächelte weiterhin. „Oh, ja. Perfekt verstanden!“ Er konnte es nicht lassen. Er sagte, was der Prätorianer hören wollte, aber er schaffte es nicht, den angemessenen ernsten Klang hineinzulegen. Oh, sicher, er lachte nicht, er triefte auch nicht vor Ironie oder klang patzig… Aber es schwang immer dieser leichte Anklang der Amüsiertheit mit, die er die ganze Zeit schon empfand. Die Situation hatte einfach eine gewisse Komik, fand er jedenfalls – natürlich konnten das die Prätorianer weder wissen noch nachvollziehen, aber er hatte seinen Spaß daran, dass die Decima sich Ärger eingefangen hatte, nicht weil er sie nicht mochte, sondern weil er fand, dass es mal Zeit wurde. Man lebte doch nicht wirklich, wenn nicht zwischendurch etwas Aufregendes passierte. „Joah… andere Decimi haben schon Arbeitszimmer…“, antwortete er, immer noch im Griff des Prätorianers. „Aber nicht Decima Seiana, die arbeitet hier. Meistens. Archive gibt’s nicht… Aber eine Bibliothek.“ Da arbeitete die Decima auch manchmal. Sie arbeitete auch manchmal im Tablinum oder im Hortus, wenn das Wetter es zuließ, aber da verstaute sie nichts. War aber im Grunde auch egal, denn was er so hören konnte, blieb da sowieso nichts verschont.





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

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    „Tut's aber“, brummte Raghnall, diesmal allerdings wohlweislich deutlich leiser. Er spielte gern, aber verrückt oder lebensmüde war er dann doch nicht. Und beim Grenzen austesten ging es ja auch nicht darum, diese dann zu überschreiten... sondern sich geschickt auf diesem schmalen Grat des Niemandslands dazwischen entlang zu hangeln. Im Moment kippte er grad zur anderen Seite, das wurde im spätestens bewusst, als der Große ihn plötzlich unsanft packte und der andere ihn anraunzte, aber Raghnall freute sich zu sehr darüber, endlich eine Reaktion bekommen zu haben, als dass er sich davon die Laune hätte verderben lassen können. „Na aber was denn, ich hab doch jede Frage beantwortet! Und ihr habt im Schreibtisch jede Menge Unterlagen gefunden, könnt ihr da nichts brauchen?“ Mussten sie halt weitersuchen, hätte er am liebsten gefeixt, aber das wäre dann doch zu weit gegangen, das war ihm klar. Ein kurzer Blick auf die Unterlagen sagte ihm allerdings, dass sie da doch wohl das ein oder andere Interessante zutage gefördert hatten schon. Mussten sich nur die Mühe machen, das Zeug zu lesen... Aber da waren Berichte von Acta-Mitarbeitern dabei, so viel konnte er erkennen, ebenso wie ein paar Briefe. Dass die Prätorianer auch ihre private Post durchstöberten, würde der Decima gar nicht gefallen, vermutete er.





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

    Hämmern. Dieses leichte Hämmern im Kopf, das beginnenden Kopfschmerz ankündigte. Seiana unterdrückte ein Seufzen und blickte mit ausdrucksloser Miene die Sklaven an, die der Händler im Angebot hatte, bei dem sie gerade stand. Sie hoffte, rechtzeitig nach Hause zu kommen, bevor es wirklich anfangen würde weh zu tun – auch wenn das nicht viel bringen würde, weil sie noch zu viel zu tun hatte, bevor sie sich würde ausruhen können. Und selbst dann würde sie eher versuchen sich abzulenken als sich auszuruhen. Selbst das Hämmern in ihrem Kopf bewahrte sie nicht vor manchen Bildern, die sich ihr nach wie vor ungefragt aufdrängten, und die letztlich der Grund waren, warum das Hämmern gerade wieder begann. Dass sie schlecht schlief, war sie mittlerweile gewöhnt, ebenso dass sie wenig schlief, aber die vergangene Nacht war selbst für ihre Verhältnisse schlecht gewesen. Kurz. Und geprägt von Albträumen, die das Aufwachen, selbst dermaßen unausgeruht, eine Erlösung gewesen war.
    Gleichzeitig war das aber auch der Grund, warum sie überhaupt hier war. Sie war es leid. Sie war es so leid. Die Albträume, die Bilder, die sie heimsuchten, egal ob tags oder nachts, und diese vage Furcht, die sie auslösten. Das Gefühl, nicht mehr sicher zu sein. Sie kämpfte dagegen an, und es war auch schon besser geworden... oberflächlich. Aber tief in sich wurde sie dieses Gefühl der Unsicherheit, fast schon Furcht, nicht los. Sie konnte es nicht einmal so genau definieren, was sie zusätzlich noch irritierte, denn sie bevorzugte Klarheit, sie wusste gerne, woran sie war, auch bei sich selbst. Nur in diesem Fall schwebte sie innerlich nach wie vor in einem trüben Nebel, der sie schaudern ließ und sich nicht lichten wollte.


    Deswegen war sie hier. Wenn es schon sonst nichts gab, was sie tun konnte, konnte sie wenigstens dieser Unsicherheit ein wenig entgegen treten, ein wenig Abhilfe schaffen – insofern es jedenfalls die Öffentlichkeit betraf. Deswegen war sie hier, und sah sich Sklaven an, mittlerweile schon vom dritten Händler, auf der Suche nach einem, den sie als Leibwächter würde erstehen können. Daheim würde ihr das kaum weiter helfen, aber es wäre wenigstens etwas... Nur dass sie bislang noch keinen gefunden hatte, der ihr zusagte. Händler eins hatte zwar Leibwächter angepriesen, aber die hatten nicht so ausgesehen, als könnten sie sich tatsächlich gegen einen zu allem entschlossenen Räuber wehren, geschweige denn gegen mehrere. Händler zwei hatte zwar kräftige Burschen gehabt, aber die hatten nicht sonderlich intelligent und vertrauenswürdig gewirkt, und Seiana hatte keine Lust darauf, einen Sklaven zu erstehen, dem sie dann selbst erst Benehmen und Loyalität beibringen musste. Die meisten dieser Sklaven würden wohl letztlich in den Steinbrüchen oder auf Galeeren landen, vermutete sie. Und Händler drei schließlich... nun, um es kurz zu machen: Händler drei machte selbst nicht gerade den vertrauenswürdigsten Eindruck. „Sicher, sicher, meine Sklaven sind hervorragend, sag deiner Herrin sie kann gerne selbst nach vorne kommen und sie von der Nähe betrachten, gerne auch Hand anlegen, wenn sie möchte!“ rief er zu Raghnall hinunter, den die Decima auf den Markt mitgenommen hatte, während ihre Sänfte mit den Trägern am Rand der Märkte wartete. Der Gallier sah sie auf die Worte hin fragend an, und Seiana schüttelte nur den Kopf und wandte sich ab, ohne dem Händler noch mal einen Blick zu gönnen.


    Sim-Off:

    Mag wer?

    Sim-Off:

    Sorry, ganz übersehen :)


    Für einen Moment war Seiana beinahe irritiert, als sie Venusias Antwort hörte. „Nun...“ Ein Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht, aber es war nicht eines ihrer wenigen ehrlichen, sondern ihr übliches, vages, das nichts so wirklich zeigte. „Rom ist hier Zuhause.“ Ihre Tante hatte es irgendwie so formuliert, als gäbe es daran etwas zu rütteln, aber für Seiana war die Sache klar: Rom war das Zuhause der beiden Kinder, und im weiteren Sinn vielleicht noch Hispania, wo die Wurzeln ihres Vaters lagen.


    Dass Venusia dann allerdings von einer Reise sprach und nicht von einem Umzug, beruhigte Seiana ein wenig. Sicherlich würde eine entsprechende Reise lange dauern, und sie würden einige Zeit in Germanien dann verbringen – aber es implizierte, dass sie wieder zurückkamen. Dennoch beschloss sie, das Thema mit Mattiacus oder Faustus anzusprechen. „Es ist selbstverständlich, dass wir dich unterstützen. Sag einfach Bescheid, wenn du etwas brauchst.“

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    Tatsache. Hatten die noch nicht im Schreibtisch nachgeschaut. Raghnall hätte gedacht, dass das der erste Ort gewesen war, an dem die beiden gewühlt hätten – er hätte jedenfalls zuerst da nachgesehen, wenn er Unterlagen gesucht hätte. Aber gut, die Prätorianer waren ja nun nicht darauf angewiesen, möglichst schnell etwas Brauchbares zu finden. Waren ja keine Diebe... Die konnten sich wohl alle Zeit der Welt lassen und einfach der Reihe nach vorgehen, um nur ja nichts zu übersehen, nicht mal die kleinste Truhe. Sich hoch interessiert gebend sah er dem Prätorianer dabei zu, wie er sich nun an dem Schreibtisch zu schaffen machte und jede Menge Tafeln und Papyrusrollen zutage förderte. Er fragte sich, ob sie die einfach alle mitnehmen würden... oder sich hier erst mal die Mühe machten, die Dinger wenigstens oberflächlich durchzusehen und eine Auswahl zu treffen.
    „Raghnall“, antwortete er beiläufig, als er nach seinem Namen gefragt wurde. „Und deiner?“





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

    Und wieder verriet er ihr nicht, was seine Quelle für diese Anschuldigungen gewesen war. Stattdessen blieb er so vage und allgemein wie zuvor, was alles und nichts heißen konnte – und es für sie so viel schwieriger machte zu entscheiden, wie sie weiter vorgehen sollte. Es war ein Unterschied, ob einer ihrer Leute dahinter steckte, oder ein Senator, der vielleicht mit seiner Darstellung in der Acta unzufrieden war, oder die Prätorianer selbst… oder doch der Praefectus Urbi. So oder so musste sie versuchen, irgendeine Einigung zu finden, aber der Weg dahin konnte unterschiedlich sein, und wenn sie wüsste, was nun genau dahinter steckte… Aber sie wusste es nicht, und der Terentius rückte nicht damit heraus. Hätte sie an seiner Stelle vermutlich auch nicht, bedeutete das doch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil für ihn, wenn sie weiter im Trüben fischen musste.


    Für sie allerdings blieb es schwierig, und was er zu ihr sagte, machte deutlich, dass er auch sonst nicht gedachte es ihr einfacher zu machen, einen Ausweg zu finden. Im Gegenteil. Die einfache Lösung, die er ihr präsentierte, hieß: gestehen. Und das war keine Option für sie. So wenig sie darauf brannte herauszufinden, was er mit ungemütlich und nicht zimperlich meinte, oder damit, dass ihr Stand und ihre Familie sie nicht würden retten können – so wenig kam für sie in Frage, einfach einzuknicken. Es würde einen Weg geben, sich irgendwie aus der Affäre ziehen zu können. Angeschlagen vielleicht, noch mehr unter Beobachtung, auf Bewährung, was auch immer… aber irgendeinen Weg würde sie finden. Irgendeinen Weg musste sie finden.
    Ihre Gedanken rasten. Alles abstreiten kam ebenso wenig in Frage, wusste sie doch, dass das, was die Prätorianer finden würden, mehrfach ausgelegt werden konnte – wer ihr wohlgesonnen war, würde es schlicht ihrer Tätigkeit als Auctrix zuordnen, wer ihr Übles wollte, konnte versuchen es zu nutzen, um sie zu demontieren. Was blieb, war der Versuch, sich mühsam einen Weg in diesem Sumpf zu suchen, der sie nicht versinken ließ. Ausweichende Formulierungen zu finden, die weder das eine noch das andere eindeutig sagten. „Es hat wenig Sinn aufzählen zu wollen, welche politischen Feinde meine Gens und ich mir in den vergangenen Jahren gemacht haben.“ Ihre Verwandten hatten hochrangige Posten innegehabt, und gerade Meridius und Livianus hatten kaum ein Blatt vor den Mund genommen. Und auch sie hatte sich wohl inzwischen mehr als nur einen Feind gemacht mit manchen Berichterstattungen, wie beispielsweise vor einigen Jahren einen iulischen Senator. „Fakt ist, dass selbst der Praefectus Urbi kein Freund der Decimi ist. Das ist kein Geheimnis.“ Vielleicht lehnte sie sich nun mit dieser Aussage ein wenig zu weit aus dem Fenster, weil man diesen Satz durchaus so auffassen konnte, dass sie den Vescularier im Verdacht hatte – aber Livianus hatte nun mal kein Geheimnis daraus gemacht, wie er zu dem Mann stand. „Natürlich werden deine Männer Kritisches hier finden. Berichte von Informanten, Zusammenstellungen über die wichtigen Männer Roms, Beobachtungen, Vermutungen, Schlussfolgerungen. Ich bin die Auctrix. Ich sehe es als meine Aufgabe an, umfassend informiert zu sein.“ Worüber man streiten konnte. So groß die Freiheit auch war, die man ihr als Auctrix ließ – gab es doch nicht wirklich Vorgaben, schon gar nicht inhaltlicher Natur –, letztlich war die Acta Diurna ein Staatsorgan. Aber sollte der Terentier sich ruhig daran festbeißen. Dann übersah er vielleicht, dass das, was sie im Grunde gesagt hatte, nichts war. Nichts zu möglichen tatsächlichen Feinden, sah man mal vom Praefectus Urbi ab, der offensichtlich war und zudem der Feind von halb Rom, wenn man dem Geschwätz auf der Straße Glauben schenken wollte. Nichts zu dem Wahrheitsgehalt der Gerüchte, die der Praefect erneut angesprochen hatte, nach wie vor ohne zu verraten woher er diese hatte. Und erst recht nichts zu sich, zu ihrer Meinung, ihrer Einstellung. Nichts, was sie wirklich belasten könnte, hatte sie das einzige Eingeständnis – das nötig gewesen war, weil die Prätorianer diese Dinge tatsächlich würden finden können – doch gleich wieder relativiert. „Lässt sich daraus gleich schlussfolgern, ich hätte Rom und dem Kaiser den Rücken gekehrt?“

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    Och schade. Keine Reaktion, jedenfalls keine ersichtliche. Der eine wühlte weiter, der andere brummelte weiter. Raghnall ließ sich von der schlechten Laune allerdings nicht anstecken, sondern strahlte weiter diese vage Fröhlichkeit aus, ohne dabei allzu offensichtlich zu grinsen. Er trat ein wie geheißen, machte es sich in einem der Korbstühle bequem – ebenfalls wie geheißen, immerhin hatte er sich ja setzen sollen – und sah den beiden Prätorianern weiter zu. Natürlich war ihm bewusst, dass das hier Ärger bedeuten konnte. Andererseits gab es doch nichts besseres als ein bisschen Ablenkung vom üblichen öden Dasein, und damit meinte er nicht mal so sehr sein eigenes – er organisierte sich schon Ablenkung, wenn er welche brauchte –, sondern auch das der Decima, denn dass die Frau kaum etwas anderes tat als zu arbeiten, bekam wohl jeder hier im Haus mit.
    Aber natürlich hatte auch Raghnall nichts gegen ein bisschen Ablenkung einzuwenden, schon gar nicht wenn sie ihm schon so bereitwillig vor die Füße fiel ohne dass er etwas tun musste – also wollte er mal ein wenig von Nutzen sein, wie der Prätorianer es gesagt hatte. Kurz überlegte er, wie sehr er von Nutzen sein sollte, immerhin war da auch noch die unumstößliche Tatsache, dass die Unordnung irgendwer würde aufräumen müssen... Aber da überwog dann doch seine Loyalität gegenüber der Decima, und er beschloss darauf zu setzen, dass jemand anders aus der Sklavenschaft der Depp sein würde, der den Mist hier aufräumen musste.
    „Ich würd's mal beim Schreibtisch probieren“, sagte er also äußerst hilfreich.





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

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    Beide Schwarzröcke hörten kurz auf und sahen zu ihm, und Raghnall beschloss – weil sie beide so, so... steif dreinsahen – ihnen ein fröhliches Lächeln zuzuwerfen. Es gab kaum etwas besseres, schlecht gelaunte, griesgrämige oder auch einfach nur todernste Menschen durch simple Freundlichkeit aus dem Konzept zu bringen.


    Das Lächeln wurde belustigt, als einer der beiden zu sprechen begann. Laufende Ermittlungen gegen die Hausherrin. Also ging es tatsächlich gegen die Decima. Obwohl Raghnall seiner Herrin loyal war – und obwohl er auch nicht dumm war –, machte er sich dennoch nicht wirklich Gedanken über die Konsequenzen dessen. Es gab immer irgendwie einen Weg, sich herauszuwinden. Gut, dass er als Sklave geendet war, sprach nun nicht unbedingt für diese Überzeugung... aber er blieb trotzdem dabei, denn immerhin: schlecht ging es ihm ja nicht. „Ich? Nein, ich gehör zum Inventar“, antwortete er dann mit einem leichten Schulterzucken, während er beobachtete, wie der andere Prätorianer weiter Kisten, Regale, Schubladen durchsah. Er hoffte, dass nicht er der Dumme war, der das am Ende wieder aufräumen musste. „Ein Sklave der... Herrin des Hauses“, führte er dann weiter aus, bewusst die Formulierung des Prätorianers wählend, während er nun den Sprecher wieder mit einem angedeuteten Grinsen ansah. „Um was geht’s denn?“





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

    Dass alles wunderbar lief, hatte sie so im Grunde nicht gesagt. Es gab eben die üblichen Unzufriedenheiten. Vor allem da Seiana mit doch recht harter Hand ihre Leitung ausübte, denn sie hielt nicht viel davon, ihren Leute Händchen zu halten. Gerade daraus konnte durchaus eine gewisse Unzufriedenheit resultieren – und möglicherweise, ob nun bewusst oder im Affekt, auch eine Beschwerde über sie, die die falschen Ohren erreicht hatte. Das allerdings war nun nichts, was Seiana dem Prätorianerpräfekten auf die Nase binden musste, schon gar nicht wenn es ihn scheinbar nicht wirklich interessierte. Prinzipiell nicht, weil im Grunde jede Information schon eine zu viel war in einer Lage wie der ihren, und speziell nicht, weil sie nach wie vor nicht wusste, was die Prätorianer überhaupt zu ihr gebracht hatte. Beim letzten Mal war es um Livianus gegangen, und da war die Schlussfolgerung naheliegend gewesen, dass der Praefectus Urbi dahinter steckte. Aber nun? Was wollte er von ihr?


    Seiana schwieg also, obwohl sie den Praefect hätte verbessern können, wunderte sich nur ein wenig darüber, wie... nun ja, schnell und salopp er das Thema Mitarbeiter wegschob. Sie wunderte sich allerdings nicht lang. Der Terentius sprach weiter, und nach nur wenigen Worten begann sie zu begreifen, dass das bisherige nicht einfach nur harmloses Geplänkel als Einstieg gewesen war. Er hatte ihr eine Falle gestellt. Und sie war direkt hinein gelaufen. Nicht dass sie ihre eigenen Mitarbeiter hätte beschuldigen wollen – sie mochte hart sein, aber sie war loyal, und sie entzog sich nicht der Verantwortung, die sie als Auctrix hatte –, aber nun war es noch nicht einmal mehr möglich, Formulierungen zu nutzen, die offen waren. Was sie vor allem ärgerte war die Tatsache, dass sie diese Falle nicht voraus geahnt hatte.
    Den Ärger darüber allerdings überwog recht schnell die rasant stärker werdende Besorgnis. Die Anschuldigungen, mit denen er sie da gerade konfrontierte, waren nicht nur schwerwiegend – sie waren die schlimmsten, die überhaupt gemacht werden konnten. Kritik am Kaiser war eine Sache, aber ihn in den Schmutz ziehen... Für Momente starrte Seiana ihn sprachlos an. Sie machte sich nichts vor. Wenn er wollte, konnte er sie damit vernichten. Es spielte nicht wirklich eine Rolle, ob es stimmte oder nicht, nicht wenn die Prätorianer sich damit befassten – eine Rolle spielte einzig, wer ihr schaden wollte und warum. So wie sie es sah, lag darin die einzige Möglichkeit einen Ausweg zu finden. „Ich habe nicht nur die Aufsicht, wie du es nennst, ich trage die Verantwortung. Und ich arbeite auch selbst, ja.“ Sie neigte sich ein wenig nach vorn, und ihr Tonfall, der bei den letzten Worten ohnehin schon an Schärfe gewonnen hatte, wurde noch etwas schärfer. Das hier mochte brandgefährlich sein, aber sie war die Auctrix, sie war eine Decima, und sie hatte ihren Stolz – sich jetzt eingeschüchtert zu geben kam nicht in Frage, und Spielraum, so beurteilte sie die Situation, hatte sie durchaus noch. „Wie kommst du auf die Idee, ich würde Kaiser und Reich in den Schmutz ziehen?“

    Als der Finanzbericht der Acta fertig war, war es wieder ein Bote, der diesen mit einer kurzen Noitz der Auctrix vorbei brachte.


    Werter Consul Livius,


    anbei übersende ich dir den Finanzbericht der Acta Diurna für das vergangene Jahr. Ich bitte dich darum, diesen dem Senat vorzulegen. Für Rückfragen deinerseits oder des Senates stehe ich selbstverständlich gerne zur Verfügung.


    Mögen die Götter deinen Weg schützen,


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    Finanzbericht der Acta für das abgeschlossene Geschäftsjahr*




    Sim-Off:

    *2. Quartal 2011
    **Stand: 1.4.2011
    ***Stand: 1.7.2011

    Seiana gab einem Sklaven einen Wink, das Gewünschte zu bringen, und wandte sich dem Praefectus zu. Harmlos genug begann die Befragung – vor dem Hintergrund allerdings, dass parallel dazu mehrere Prätorianer dabei waren, die Casa zu durchsuchen, führte das nicht dazu, dass sie sich entspannte. „Nun… wie in jeder Einrichtung mit Mitarbeitern gibt es zufriedene und weniger zufriedene. Die Acta arbeitet nur mit einem kleinen Stamm an festen Mitarbeitern, der weitaus größere Teil arbeitet frei, schreibt entweder aus eigenem Antrieb heraus oder bekommt Aufträge. Manche möchten gerne mehr arbeiten, manche halten die Aufteilung für ungerecht… das Übliche eben. Ich würde allerdings sagen, dass meine Mitarbeiter größtenteils zufrieden sind. Jedenfalls sind mir in letzter Zeit keine Beschwerden zu Ohren gekommen.“ Was allerdings nicht notwendigerweise heißen musste, dass es keine gab, das war ihr klar. Konnte es sein, dass einer der Subauctores sie angeschwärzt hatte? „Und sicherlich stehen sie treu hinter Rom und dem Kaiser“, antwortete sie auf die nächste Frage und machte eine kleine Pause, überlegte, was sie sagen sollte, ob sie etwas sagen sollte, und entschloss sich dann für eine ausweichende Antwort: „Der Stellvertreter des Kaisers vertritt den Kaiser. Und Rom. Die Frage danach, wie treu sie hinter ihm stehen, erübrigt sich also.“


    In diesem Moment kam der Sklave zurück, mit einem Krug Falerner – beim Praefectus Praetorio war es wohl verkehrt, sich lumpen zu lassen –, einem weiteren mit Wasser und zwei Bechern. Seiana wartete, bis er eingeschenkt hatte, wobei sie ihren Wein mit Wasser mischen ließ, bevor sie weiter sprach. Dass sie mit keinem Wort sich selbst erwähnt hatte, fiel durch die Unterbrechung, so hoffte sie, vielleicht nicht weiter auf… andererseits hatte er auch explizit nach den Mitarbeitern gefragt, nicht nach ihr. „Ich plane einen Bericht über die Neuberufungen auf Roms höchsten Posten.“ Hier flog ein vages Lächeln über ihre Züge, betraf das doch den Mann ihr gegenüber sehr direkt. „Davon abgesehen… das Übliche“, wiederholte sie ihre Worte von zuvor. „Die jetzige Amtsperiode ist bald vorbei, danach stehen wieder Wahlen an. Der Senat diskutiert gerade über Gesetzesänderungen bezüglich der Schola Atheniensis sowie über deren Finanzen. Ich hoffe, es wird in näherer Zukunft noch weitere Einblicke in die Finanzen anderer Institutionen geben, über die es sich zu berichten lohnt. Ein Nachbericht über den Skandal von Nemi steht ebenfalls noch aus… mittlerweile sollte ziemlich ersichtlich sein, dass der pax deorum wieder hergestellt wurde.“

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    Raghnall war gerade in der Casa unterwegs, um… ja, um was eigentlich? So genau wusste er das selbst nicht, außer dass er versuchte, möglichst beschäftigt zu wirken, um irgendwelchen richtigen Aufgaben – die möglicherweise sogar noch anstrengend waren – zu entgehen. Klappte leider nicht immer, vor allem dann nicht, wenn die Decima eine Aufgabe für ihn hatte, weil das auch Vorrang vor jeder echten Arbeit gehabt hätte, die ihm der Maiordomus aufbrummte, aber immerhin: es klappte oft genug, dass es sich lohnte, es einfach immer wieder zu versuchen.


    Im Zuge dieser beschäftigt wirkenden Nicht-Beschäftigung ging Raghnall also am Cubiculum seiner Herrin vorbei, nicht zu langsam, nicht zu zügig, genau so dass er nicht auffiel… als ihm etwas auffiel. Die Tür stand sperrangelweit offen, und drinnen war zu hören, wie rumgekruscht wurde. Der Gallier blieb stehen. Rumkruschen, das war nun so gar nicht der Stil der Decima. Für einen Augenblick überlegte er, ob er einfach weiter gehen sollte, immer eingedenk einer möglichen neuen echten Aufgabe, aber dann siegte doch die Neugier. Er ging die paar Schritte zu der Tür, bis er hinein sehen konnte – und zog überrascht die Brauen hoch, als er zwei Männer in schwarzer Uniform gewahr wurde. Prätorianer. Bei der Decima. Für den Bruchteil eines Augenblicks huschte ein breites Grinsen über sein Gesicht. Normalerweise war er derjenige, der in diesem Haushalt Ärger mitbrachte. Raghnall dämmte sein Grinsen ein, lehnte sich gegen den Türrahmen und räusperte sich dann. „Darf man… erfahren, was ihr da… sucht?“





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

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    Iaret nickte emotionslos, als er hörte worum es ging. „Verliert er tatsächlich sein Augenlicht, würde ich empfehlen, einen mir bekannten Kollegen hinzuzuziehen, der mehr Erfahrung auf diesem Gebiet hat. Allerdings kann ich den Jungen gerne zunächst untersuchen und dann das weitere Vorgehen mit deinem Herrn absprechen.“ Da alles oder nichts dahinter stecken konnte in diesem Fall, konnte Iaret nicht wirklich spezifische Dinge mitnehmen. War das Auge entzündet, konnte man mit Tinkturen oder ähnlichem arbeiten… verlor das Auge ohne scheinbaren Grund die Sehkraft, war es deutlich schwieriger, als Arzt wirklich etwas tun zu können. „Wenn du einverstanden bist, können wir los.“





    MEDICUS

    Seiana ging voraus und führte den Praefectus Praetorio ins Tablinum, und in diesen wenigen Momenten, in denen er ihr Gesicht nicht sehen konnte, presste sie die Lippen so fest aufeinander, dass es wehtat. Sie fühlte sich unvorbereitet, überrumpelt, und, was am schlimmsten war, hilflos. Sie mochte es nicht zu improvisieren, sie fühlte sich dann am sichersten, wenn sie etwas zuvor hatte durchdenken und durchplanen können. Und jetzt war sie von einem Moment zum anderen in einer Situation, in der Improvisation wichtig war – und in der sie sich zugleich herzlich wenig tun konnte, außer dem, was man ihr sagte, sofern sie sich nicht tatsächlich in der Castra wiederfinden wollte. Sie konnte sich nicht wehren, sie konnte sich nicht weigern, sie konnte nicht einmal die Spielregeln zu ihren Gunsten ändern.


    Als sie sich dem Terentier wieder zuwandte, saß ihre Maske erneut nahezu perfekt, sah man einmal von der Anspannung ab, die sich in ihren Augen spiegelte und in dem harten Zug um ihre Lippen. „Bitte.“ Mit einer Handbewegung wies sie auf einige Korbsessel und setzte sich selbst, bevor sie fragte: „Kann ich dir etwas anbieten?“

    Kritik am Kaiser. Das war nun so allgemein formuliert, dass er auch genauso gut gar nichts hätte sagen können. Kritik am Kaiser war zudem eines jener Totschlagargumente, gegen die man nicht wirklich etwas sagen konnte. Als der Praefect dann seine Männer losschickte, um ihr Haus zu durchsuchen, machte Seiana unwillkürlich eine leichte Handbewegung, ein vages Heben des Arms, wie um doch noch Einspruch einzulegen, die Durchsuchung irgendwie verhindern zu können. Aber sie ließ den Arm wieder sinken, ohne die Geste zu Ende auszuführen, und ohne noch etwas zu sagen. Stumm sah sie zu, wie die Prätorianer der Aufforderung des Terentiers folgten und das Atrium verließen. Sie wollte gar nicht daran denken, was sie alles durchstöbern würden – und was sie alles mitnehmen würden, um es in der Castra genauer zu untersuchen. Da waren nicht nur die Dinge, die zumindest ein schlechtes Licht auf sie werfen würden, wenn die Prätorianer sie nicht sogar als belastend einordnen würden; da waren auch die ganzen Unterlagen zur Organisation der Acta und der Schola, die Mitarbeiter, die Planungen, die Finanzen – das gleiche über ihre Betriebe und die Landgüter; und da waren die ganzen privaten Dinge, Briefe ihres Onkels, ihres Bruders… Und wenn sie das ganze Haus durchsuchten, würden auch Mattiacus‘ Sachen nicht verschont bleiben.


    Als die Prätorianer gegangen waren, wandte sie sich wieder dem Praefecten zu. Der sich in der Zwischenzeit, wie sie mit einer gewissen Irritation feststellte, die Freiheit herausnahm, ihr – in ihrem eigenen Haus – anzubieten, es sich bequemer zu machen. Für einen winzigen Moment war sie fast versucht, trotzig zu sein und tatsächlich stehen zu bleiben. Aber eine wirksame Form von Protest war das nicht, ganz zu schweigen davon, dass es kindisch und unhöflich wäre. Wenn sie eine Chance haben wollte, sich den Terentius gewogen zu machen, dann blieb ihr nicht viel anderes übrig, als sich wenigstens den Anschein der Kooperation zu geben, mehr, als sie das beim letzten Besuch der Prätorianer getan hatte. „Das Tablinum eignet sich besser für…“ eine Befragung. Ein Verhör, schoss es ihr durch den Kopf, aber sie weigerte sich, das laut zu sagen, „… eine solche Unterhaltung, denke ich. Wenn du bitte mitkommen würdest.“

    Seiana erwiderte das Lächeln und neigte leicht den Kopf. „Ich bin schon gespannt auf deine Rückmeldung, Consul. Vale“, verabschiedete auch sie sich endgültig, dann gab sie ihrem Sklaven mit einem Wink zu verstehen, dass er ihr folgen sollte, und verließ das Haus des Consuls.

    Seiana setzte ein kühles Lächeln auf, als der Praefect zu sprechen begann – ein Lächeln, das, so wenig ehrlich es auch gemeint gewesen war, ihr allerdings dennoch bald verging. Gerüchte? Natürlich gab es Gerüchte, es gab immer Gerüchte. Aber diese Art von Gerüchten war für gewöhnlich nichts, was die Prätorianer dazu bewegen würde, eine Befragung durchzuführen. Geschweige denn eine Durchsuchung. Und dann wurden die Gerüchte auch noch zu handfesten Anschuldigungen. Seiana glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Sie hatte sich sehr gut unter Kontrolle, aber als der Praefect von Durchsuchung und Anschuldigungen anfing, versagte ihre Selbstbeherrschung für einen kurzen Moment. „Anschuldigungen?“ entfuhr es ihr, und sie konnte nicht verhindern, dass ihr für Momente lang ihre irritierte Verständnislosigkeit wohl anzumerken war. Gerüchte waren eine Sache, Anschuldigungen etwas ganz anderes. Anschuldigungen klangen danach, als ob es schon etwas Konkretes gab, was er gegen sie in der Hand hatte. Seianas Überraschung begann sich nun nach und nach in etwas zu wandeln, was eine Mischung aus Empörung – und Besorgnis war. So sehr sie sich fragte, was die Männer wollten, so sehr sie sich aufzuregen begann, was das überhaupt sollte... so sehr begann sie auch, sich Sorgen zu machen. Egal nach was die Prätorianer suchten, Seiana war überzeugt, dass sie etwas finden würden, wenn sie nur etwas finden wollten. Ganz egal, ob da tatsächlich etwas war. Gerade diese Männer dürften keine Schwierigkeiten haben, einfach etwas zu fingieren. Und dazu kam, dass es ja nicht so war, als sei bei ihr gar nichts zu finden. Kritische Schriften, Berichte, Beobachtungen über so manchen hatte sie als Auctrix selbstverständlich. Einiges davon war im Gebäude der Acta, aber das meiste, das kritischste hatte sie dann doch hierher gebracht, in dem Glauben, hier sei es sicherer. Natürlich bewahrte sie nichts davon dort auf, wo es allzu offensichtlich war, aber wenn die Prätorianer tatsächlich vernünftig ihre Räume durchsuchten, würden sie freilich auch diese Unterlagen finden.


    Bei der letzten Frage hätte sie beinahe trocken aufgelacht. Ob sie einverstanden war? Nein, war sie nicht. Aber was konnte sie schon sagen? Sie konnte höchstens noch irgendwie dafür sorgen, dass einer ihrer Sklaven zur Acta lief und dort jemanden vorwarnte... aber selbst dafür würde sie einen Moment unbeobachtet sein müssen, jedenfalls wenn sie jemanden losschicken wollte, solange die Prätorianer noch hier waren. Wenn nicht parallel eine andere Abordnung gerade die Räume der Acta unsicher machte. Seiana presste die Lippen aufeinander, als ihr dieser Gedanke kam, und sah zur Seite, ließ ihren Blick über die Prätorianer schweifen, die stumm hinter ihrem Praefecten Aufstellung genommen hatten. Aber auch in dieser Hinsicht gab es nichts, was sie im Augenblick tun konnte. „Darf ich vorher erfahren, um was für Anschuldigungen es sich handelt? Von wem stammen sie?“

    „Prätorianer? Schon wieder?“ Mit einer Mischung aus Verwirrung, leichtem Ärger und einem Anflug von Besorgnis musterte Seiana den Sklaven, der hereingeplatzt war, um ihr zu sagen dass sie Besucher hatte. Der Sklave antwortete nicht direkt auf ihre Frage, er hätte wohl auch gar nicht gewusst, was er sagen sollte, sondern meinte nur: „Sie warten im Atrium.“ Seiana verzog das Gesicht, etwas, was sie sich nur selten erlaubte. „Was wollen die denn noch?“ Sie hatte schon angefangen zu glauben, dass sie ihre Ruhe haben würde. Dass der Besuch vor einiger Zeit eine einmalige Sache gewesen war. Immerhin hatte sie seitdem, trotz der mehr oder weniger unverhohlenen Drohung des Decurios, nichts mehr von ihnen gehört. In den Tagen danach hatte sie noch erwartet, dass irgendetwas kommen würde – und sie war auf der Hut gewesen, weil sie davon ausgegangen war, dass die Prätorianer sie im Auge behalten würden. Sie oder das Haus ihrer Familie, das machte für sie letztlich keinen Unterschied. Ja, sie hatte begonnen, sich in – relativer – Sicherheit zu wiegen. Relativ deshalb, weil sie die Fakten nach wie vor nicht einfach wegleugnen konnte: da war die kritische Haltung ihres Onkels, die dieser mehr als einmal und mehr als deutlich kund getan hatte, und da war ihre eigene nicht ganz unbedeutende Position als Auctrix. Dass sie mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit stand als viele andere, war klar. Aber nachdem jenem ersten Besuch der Prätorianer nichts mehr folgte, war sie erleichtert gewesen – und von Tag zu Tag mehr überzeugt, dass es das war. Und jetzt standen sie wieder vor der Tür, oder besser: im Atrium, mittlerweile.


    Der Sklave hatte diesmal überhaupt nicht geantwortet, aber Seiana achtete gar nicht auf ihn. „Vielleicht sollte ich zum neuen Praefectus gehen und ihn fragen, ob seine Männer nichts besseres zu tun haben, als bei mir aufzulaufen.“ Auch diesmal erwartete sie keine Reaktion von dem Sklaven, während sie nun aufstand und kurz ihr Aussehen überprüfte – sich aber gedanklich vielmehr mit der Frage beschäftigte, was die Prätorianer diesmal von ihr wollten. Diesmal, allerdings, reagierte er doch. „Uhm... Das kannst du, Herrin.“ Seiana verstand nicht, was er meinte, und warf ihm einen Blick, der kombiniert mit einem Stirnrunzeln Aufforderung genug war. „Du kannst ihn gleich fragen“, verdeutlichte er. „Er wartet im Atrium.“ Und Seiana starrte ihn, für Momente sprachlos, einfach nur an.


    Nachdem sie erst mal den Sklaven nur angestarrt und im Anschluss daran angefaucht hatte, warum er nicht gleich gesagt hatte, wer da war, hatte Seiana keine Zeit mehr damit vergeudet, auf eine Antwort zu warten oder sonst etwas zu tun. Sie machte sich auf den Weg ins Atrium und überschlug derweil in Gedanken, was sie über den neuen Präfekten wusste – Terentius Cyprianus, vormals Praefectus Aegypti, ein langgedienter Militär. Sie hatte Berichte über ihn gelesen. Und Faustus hatte ihn in dem ein oder anderen Brief erwähnt... aber was genau, dessen konnte sie sich im Augenblick nicht entsinnen. Und dann war sie auch schon bei den wartenden Prätorianern, die bereits hereingeführt worden waren, und ging auf den Mann zu, über den sie für ihren Geschmack gerade zu wenig wusste – gemessen daran, welche Position er hatte und dass er nun mit ihr sprechen wollte. Sie mochte es nicht, so überrascht zu werden.


    „Praefectus Praetorio Terentius“, grüßte sie ihn, kühl, aber höflich. „Ich gratuliere dir zu deiner Ernennung. Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs?“