Seianas Ausdruck verdunkelte sich für einen winzigen Moment, als die Reaktion der Aurelia ihr bewusst machte, dass ihre Worte offenbar – so zurückhaltend sie auch versucht hatte, ihr Beileid zu formulieren – nicht das Ziel erreicht hatten, das sie hatten erreichen sollen. Die Jüngere schwieg zunächst, schien ein wenig blasser zu werden, und auch als sie schließlich etwas sagte, antwortete sie nicht wirklich. Nun war es an Seiana, zunächst stumm zu bleiben. Schweigend griff sie nach einem Becher und schenkte Narcissa etwas von dem verdünnten Wein ein, bevor sie ihn ihr reichte. Zugleich machte sie sich Gedanken darüber, ob die plötzliche Zurückgezogenheit der Aurelia daran liegen mochte, dass sie die Auctrix war. Vielleicht befürchtete die andere ja, Seiana wolle sie auszuhorchen, wolle über sie an Informationen kommen – denn dass die Aurelier, wenn auch indirekt, irgendetwas mit dem Skandal zu tun hatten, schien offensichtlich zu sein, selbst für jene, die nicht über die Informationen verfügten, die sie von ihrem Mitarbeiter hatte, der bei jenem fatalen Ereignis dort gewesen war. Vielleicht war Corvinus' Frau auch einfach nur zur falschen Zeit am Ort gewesen – Seiana wusste nicht, ob die Flavia Opfer gewesen war oder nicht. Aber für den Moment spielte das auch keine Rolle für die Decima. Das war es ganz sicher nicht, was sie von der Aurelia wollte, und so wägte sie bedächtig ab, was sie als nächstes sagen wollte. Ein trauriges Lächeln flog über ihre Züge. „Es tut mir wirklich leid. Ich wollte dir nicht zu nahe treten, Narcissa.“ Unwillkürlich nutzte sie die vertrautere Anrede.
Beiträge von Decima Seiana
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Sim-Off: In Ordnung – ich fass dann einfach mal was zusammen
Seiana nickte leicht, immer noch mit einem Lächeln, sagte aber nichts mehr zum Thema Grundstückpreise – und auch der Duumvir ließ es fallen. „Ja, gerne“, antwortete sie, als die Sprache auf die republikanischen Tempel kam. Sie besichtigten zunächst den Vorplatz, bevor der Quintilius sie in die Tempel hineinführte, hier etwas erklärte, dort auf etwas hinwies, und zwischendurch die ein oder andere Anekdote erzählte. Und auch das Theater wollte Seiana sich ansehen – wenn schon, denn schon, fand sie. Der Duumvir hatte ihr eine Stadtbesichtigung angeboten, also wollte sie auch sehen, was sehenswürdig war. Und das Theater gehörte ebenso dazu wie die Tempelanlagen. „Was wird derzeit gespielt?“ erkundigte sie sich beiläufig, während sie das Theater besichtigten.
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Ion legte den Kopf leicht schief, während die Frau – offensichtlich eine Peregrina – sich erklärte, und nickte dann. „Du hast Glück, die Auctrix ist gerade da.“ Nun ja, eher kein Glück, war die Decima doch recht häufig hier anzutreffen. „Ich bring dich rein.“ Sprach's und führte die Frau ins Haus, durch einige Gänge hindurch, durch den großen Redaktionsraum hindurch, bis sie zum Officium der Auctrix kamen. Dort verschwand er nach einem kurzen Anklopfen, tauchte allerdings bald wieder auf und hielt ihr die Tür auf. „Bitte.“
Seiana saß an ihrem Schreibtisch, erhob sich aber, als die Frau eintrat. „Salve. Ich bin Decima Seiana, die Auctrix der Acta Diurna.“ Mit einer Handbewegung bedeutete sie der Fremden, Platz zu nehmen. „Ion sagte mir, du suchst Arbeit?“
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Marcus warf einen Blick auf den Empfänger des Schreibens und machte dann eine wiegende Kopfbewegung – nicht wirklich ein Kopfschütteln, aber beinahe. „Decimus Verus lebt augenblicklich nicht hier. Er kommt zwar hin und wieder, um sich seine Post zu holen, aber wenn du möchtest, dass er den Brief sofort bekommt“ – und davon ging der Ianitor aus, hatte der andere den Brief doch nicht einfach in den Postkasten geworfen, sondern angeklopft, um ihn ihm zu überreichen –, „dann solltest du ihn besser zur Casa Germanica bringen. Dort wohnt Dominus Verus. Vielleicht triffst du ihn da auch persönlich an.“
IANITOR - GENS DECIMA -
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Mit einem Ächzen erhob Marcus sich im Haus von seinem Stuhl. Die Kälte machte seinen alten Gliedern in jedem Jahr mehr zu schaffen, aber noch bestand kein Zweifel daran, dass er seine Aufgabe als Ianitor gut erledigte. Bedächtig öffnete er die Tür und musterte den Mann, der ihm gegenüber stand. „Salve. Wie kann ich dir behilflich sein?“
IANITOR - GENS DECIMA -
Ion, der Türsklave der Acta, war es wieder einmal, der öffnete. Vorhin noch hatte er ein Schreiben für die Redaktion entgegen genommen und es hinein gebracht, wo sich einer der Subauctoren darum kümmern würde. Jetzt allerdings war es kein Bote, der vor der Tür stand, oder zumindest sah die Frau nicht danach aus, als ob sie eine Botin war. „Salve. Wie kann ich dir helfen?“
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Verus schien tatsächlich sehr trübsinnig zu sein – etwas, das Seiana durchaus von sich selbst kannte. Allerdings äußerten sich diese Phasen bei ihr anders als bei dem Mann, der ihr gegenüber saß. Seiana hätte um nichts in der Welt einem anderen Menschen gegenüber zugegeben, dass sie sich Hilfe wünschte, niemals einem anderen gegenüber gezeigt, wie sie sich fühlte, was sie umtrieb, in jedem Fall nicht derart detailliert – von Faustus vielleicht einmal abgesehen. Und selbst bei diesem würde sie sich inzwischen zurückhalten, glaubte sie, nicht weil sie ihm nicht vertraute, sondern weil sie ihn nicht mit ihren Problemen belasten wollte. Allerdings begriff sie in diesem Moment eines sehr wohl: dass es sie ein Stück weit stärker machte, dass Verus sich ihr anvertraute. Dass sie ihren Nutzen daraus ziehen konnte. Und dass er ihr wohl etwas schuldig war, wenn sie ihm seine Bitte erfüllen konnte... was durchaus im Bereich des Machbaren lag. Alles im Namen der Familie, natürlich.
Sie widerstand dem Impuls, der Berührung zu entfliehen, als Verus seine Hand auf ihren Unterarm legte und die Finger darum schloss. Es lag nicht an ihm, lediglich daran, dass sie grundsätzlich Berührungen nicht sonderlich mochte. Es gab wenig Situationen, in denen sie sich wirklich gewollt auf mehr Körperkontakt einließ. Hier allerdings wusste sie, dass sie den Moment zerstört hätte, hätte sie nun ihren Arm zurückgezogen. Anstatt also das zu tun, was ihr eigentlicher Reflex gewesen wäre, lächelte sie leicht und legte sogar sacht ihre andere Hand auf seine. „Du bist in den Krieg gezogen, um den Frieden für das Imperium zu wahren. Damit hast du, haben deine Kameraden jede Anerkennung verdient, in meinen Augen. Ich arbeite für die Acta“, bestätigte sie. Genauer gesagt leitete sie sie. „Wenn du deine Geschichte erzählen möchtest, dann tu das. Schreib sie nieder. Ich werde mein Bestes geben, um sie öffentlich zu machen.“ Seine Geschichte zu veröffentlichen konnte sie Verus ruhigen Gewissens versprechen. Die Soldaten des Reiches zu loben, zu ehren, das war etwas, was stets gut ankam bei den Leuten – und was auch gerechtfertigt war, das war auch ihre Überzeugung. Dass sie die Geschichte vorher lesen und nötigenfalls überarbeiten würde, sagte sie hingegen nicht laut.
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Der Mann drehte sich zu ihr um, als er ihre Stimme hörte – und schien zu erstarren. In jedem Fall reagierte er zunächst nicht auf ihre Begrüßung. Seiana kam langsam einige Schritte näher, und eine ihrer Augenbrauen wanderte leicht in die Höhe, während sie darauf wartete, dass der Caecilius etwas sagte. Flüchtig überlegte sie, ob er vielleicht etwas zurückgeblieben sein mochte, allerdings hatte der Türjunge nichts davon verlauten lassen. Und er wirkte auch nicht so – vielmehr drängte sich Seiana der Eindruck auf, dass es ihr Anblick war, der ihn für Augenblicke hatte wortlos werden lassen. Die Blicke, mit denen er sie musterte, sprachen in der Tat eine deutliche Sprache, und Seiana... nun, sie fühlte sich sowohl ein wenig irritiert als auch geschmeichelt.
Noch während sie aber überlegte, wie sie darauf reagieren sollte, fand der Caecilius seine Sprache wieder. Seiana neigte leicht den Kopf. „Der Sohn von Decima Atilicina“, wiederholte sie, was ihr der Junge gesagt hatte. „Ich freue mich, deine Bekanntschaft zu machen.“ Seiana wies auf einige Stühle, die am Rand des Atrium bereit standen, und bot ihm mit dieser Geste an Platz zu machen. Die Blicke, mit denen er sie musterte, änderten sich nicht durch die Tatsache, dass er nun nicht mehr schwieg, und Seiana wusste immer noch nicht so recht, ob und wenn ja wie sie darauf reagieren sollte. Jedoch ließ sie sich davon nichts anmerken, sondern setzte sich und bedeutete dem Sklaven, dem Gast und ihr etwas einzuschenken. „Verzeih bitte, dass dich außer mir niemand aus der Gens begrüßen kann.“ Erneut ein Lächeln, versuchsweise ein wenig ausgeprägter als zuvor. „Derzeit befindet sich kein Mann der Familie in Rom. Wie geht es deiner Mutter?“
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Sim-Off: Kein Problem
Seiana lächelte, als die Aelia von ihrem Sohn erzählte, sah dann aber auf, als der nächste Gast den Raum betrat. Sie erkannte Aurelia Prisca – die engere Familie ihres verstorbenen Patrons war ihr durchaus bekannt. Seiana neigte leicht ihren Kopf zum Gruß, nachdem die Gastgeberin die Aurelia begrüßt hatte. „Das ist richtig. Ich freue mich, deine Bekanntschaft zu machen, Aurelia“, erwiderte sie deren Begrüßung, nun wieder ihr übliches, vages Lächeln auf den Lippen – und den neutralen Ausdruck in den Augen, der ihr eine zwar höfliche, aber kühle Ausstrahlung verlieh. Und nur wenig später, bevor sie sich großartig weiter hätten unterhalten können, kam auch schon der nächste Gast – diesmal eine Frau, die Seiana nur allzu bekannt war. Dass sie der Iunia hier begegnen könnte, damit hatte sie durchaus gerechnet. Axilla gehörte einer Familie an, die einen angesehenen Namen trug, und sie hatte ein Mitglied der Kaiserfamilie geheiratet. Auch wenn sie nun Witwe war, und aus dieser Verbindung keine Kinder hervorgegangen waren, war sie damit doch Teil jener Gesellschaft, die zu solchen Festen eingeladen wurde – wie Seiana gehört hatte, hatte die Iunia auch auf der Gästeliste der aurelisch-flavischen Sponsalienfeier gestanden, die kürzlich stattgefunden hatte. Und selbst wenn das nicht zählte: Axilla war mit einem Verwandten Vespas verheiratet gewesen.
So war Seiana also nicht überrascht, ihre Lectrix hier zu sehen. Mit einem ebensolchen Lächeln, wie sie die Aurelia begrüßt hatte, aber etwas formloser, begrüßte sie nun auch die Iunia. Wenn die Zusammenarbeit in der Acta eines brachte, dann das: Seiana hatte inzwischen gelernt, sich in Gegenwart der Iunia so zu beherrschen, wie sie es auch bei anderen konnte, so gemischt die Gefühle auch sein mochten, die sie ihr immer noch entgegen brachte – und sie waren gemischt, jetzt mehr als früher. War sie sich noch vor Monaten sicher gewesen, dass die Art der Iunia schlicht eine Masche von ihr war, war sie nun nicht mehr ganz so überzeugt davon. Das war ein weiterer Punkt, den ihr die Arbeit in der Acta gezeigt hatte, sowohl im direkten Kontakt mit der Iunia als auch in dem, was andere Subauctoren Seiana erzählten von ihr: Axilla war einfach immer so. Und Seiana war sich nicht ganz sicher, ob ein Mensch eine derartige Rolle tatsächlich so dauerhaft spielen konnte, ohne jemals sich zu verraten. „Salve, Axilla.“ Auch dazu war sie inzwischen übergegangen, die Iunia immerhin nicht mehr bei ihrem Familiennamen zu nennen. Sie lächelte Vespa kurz zu. „Wir kennen uns bereits.“
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Nachdem der Ianitor ihr die Botschaft des Quintilius ausgerichtet hatte, hatte Seiana sich einige Momente lang die Zeit genommen nachzudenken. Auch wenn sie mittlerweile dazu übergegangen war, nicht mehr darüber zu grübeln, konnte sie sich doch nur zu genau daran erinnern was passiert war, als sie das letzte Mal eine solche Einladung angenommen hatte. Nicht dass sie davon ausging, dass dasselbe passieren würde, nur... Sie fühlte sich ein wenig hin- und hergerissen. Sie wusste, dass es sich nicht schickte, einer solchen Einladung, zu einem Essen zu zweit, zu folgen, dass es sich beim letzten Mal nicht geschickt hätte und dass es sich diesmal nicht schickte. Nicht für eine alleinstehende Frau. Andererseits... sie verabschiedete sich mehr und mehr von der Illusion, sie könnte noch irgendwie dem Bild einer vorbildlichen Römerin entsprechen. Sie war deutlich über das Alter hinaus, in dem eine Frau zu heiraten hatte, sie hatte erfolgreich laufende Betriebe, obwohl ihre Familie reich genug war, dass sie das nicht nötig hätte, sie arbeitete in der Schola und leitete die Acta. Gar nicht zu reden von eben dem, was bei der letzten Einladung passiert war, auch wenn davon niemand etwas wusste außer ihr und dem Duccius – jedenfalls ging sie stark davon aus, dass er nicht geplaudert hatte. Nein. Sie entsprach nicht nur nicht dem Bild einer tadellosen Römerin, sie hatte mittlerweile jede Chance verloren, es wenigstens annähernd zu erreichen. Neu war, dass sie begann sich damit abzufinden... ohne sich jedoch äußerlich etwas davon anmerken zu lassen. Der Schein musste gewahrt bleiben, so oder so, denn die Ehre der Familie war Seiana immer noch so wichtig wie eh und je. Wenn sie diese Ehre nicht wahren konnte, indem sie es schaffte den Traditionen und Anforderungen gemäß sich zu verhalten und zu leben, dann blieb ihr nichts anderes übrig, als nach außen hin wenigstens so gut als möglich so zu tun, so dass kein Zweifel aufkommen konnte. Und im Übrigen andere Wege zu finden, den Namen ihrer Gens hochzuhalten. Die Artikel in der Acta, als sie noch Lectrix gewesen war, und der Tratsch auf den Straßen hatten sie ohnehin realisieren lassen, dass es nicht ausreichte, ein ehrbares Leben zu leben, um Glanz und Ehre der Familie zu erhalten.
Und so hatte Seiana sich dazu entschlossen, auch dieser Einladung zu folgen. Was gab es auch zu verlieren für sie? Dass sie in dieser Hinsicht nicht konform ging mit den gesellschaftlichen Erwartungen, war ohnehin klar. Spätestens seit sie Auctrix geworden war, ließ sich so einiges nicht mehr vermeiden, was für eine Frau eher nicht schicklich war. Und sie hatte sich mit dem Quintilius gut genug unterhalten bei ihrem Treffen in Ostia, dass sie einem weiteren nicht abgeneigt war. Also hatte sie dem Duumvir eine positive Nachricht zukommen lassen, hatte ihr Kommen für diesen Abend angekündigt und war nun hier, in der Casa Quintilia, und wurde ins Tablinum geleitet. Die Palla legte sie ab und übergab sie einem Sklaven, darunter kam eine Tunica zum Vorschein, die überwiegend cremefarben war, sah man von den sich schlängelnden, in Blau gehaltenen Stickereien ab, die den Stoff an Ärmeln und Rock verzierten, und sich vermehrten, je mehr sie auf den Saum zuliefen. Blau und in ähnlichen Formen gehalten war denn auch der schmale, elegante Haarschmuck, der an zwei der Nadeln befestigt war, die ihre zurückgesteckte Frisur formten, blausilbern der Schmuck, den sie trug. Insgesamt war ihre Erscheinung wie stets, elegant, aber in jeder Form als dezent, fast schon zurückhaltend zu bezeichnen, nichts, was sofort jede Aufmerksamkeit auf sie gezogen hätte, nichts, was irgendwie herausstach oder auffallend gewesen wäre. So betrat sie Tablinum und deutete ein Lächeln an, als sie den Hausherrn sah. „Salve, Quintilius. Ich danke dir für die Einladung.“
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„In Ordnung“, antwortete der Ianitor mit einem Nicken. „Ich werde es ihr ausrichten. Sie wird sich sicher melden bei deinem Herrn, ob und wann sie kommt. Hast du noch zu tun, oder möchtest du dich kurz aufwärmen?“
IANITOR - GENS DECIMA -
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Marcus nahm sich einen Augenblick zum Grübeln, bevor er – dem Alter geschuldet ein wenig zittrig – nickte. „Ich werde es ihr ausrichten. Hat dir dein Herr einen Tag genannt, an dem er die Herrin begrüßen möchte? Oder soll sie sich vorab ankündigen?“
IANITOR - GENS DECIMA -
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Wieder ein Klopfen, wieder öffnete sich die Tür. Davor stand diesmal aber jemand, der nicht so aussah, als ob er tatsächlich ein Bürger war – für diesen musste man nicht einmal wirklich ein Gespür dafür haben, etwas, was selbst der unsensibelste Ianitor dann doch irgendwann im Lauf der Jahre lernte. Marcus winkte den Mann ein wenig näher, damit er in den Windschatten treten kam. „Salve. Wie kann ich dir helfen?“
IANITOR - GENS DECIMA -
So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Als die Worte in Seianas Kopf echoten, hatten sie einen verdrießlichen Klang. Das brachte sie keinen Deut weiter, denn das konnte alles bedeuten. Und sie war sich sehr sicher, dass es letztlich bedeuten würde: verlor der Vescularier die Lust, war das Gespräch beendet. Sie war sich ohnehin bewusst darüber, dass eine einzige zu kritische Frage schon ausreichen konnte, dass sie würde gehen müssen, aber so hatte sie – nach wie vor – keinen Anhaltspunkt. Dennoch erwiderte sie sein Grinsen mit einem Lächeln und legte in ihrer Antwort seine Worte positiv für sie aus. „Dann sollte die Zeit in jedem Fall reichen.“ Sie widerstand der Versuchung, sich zurückzulehnen, als der Praefectus Urbi sich nun nach vorne lehnte, um ihren persönlichen Sicherheitsabstand zu wahren, sondern veränderte ihre Haltung eher noch dahingehend, dass auch sie sich ihm noch ein wenig mehr zuwandte. „Du bist viel im Gespräch, Praefectus, aber worüber die Leute wenig wissen, ist dein Werdegang. Ich würde gerne damit beginnen, vorausgesetzt du hast nichts dagegen. Woher kommst du, wie hat es dich in die Politik verschlagen? Wie hast du unseren Kaiser kennen gelernt?“
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Seiana saß ruhig da und hörte Verus zu, als dieser zu erzählen begann. Dies war einer der seltenen Momente, in denen sie nicht so recht wusste, was sie sagen sollte. So wie Verus sprach, wie er wirkte, gab es für sie wenig, was sie hätte tun können – im Grunde nicht mehr, als ihm zu versichern, dass dies immer seine Familie, dieses Haus immer sein Heim sein würde. Und das hatte sie bereits. Was sie allerdings gelernt hatte in der vergangenen Zeit, war, sich auch in Momenten wie diesen zu kontrollieren, wenn sie nicht weiter wusste. Es gab wenig Situationen, in denen kurzes Schweigen und etwas Nachdenken nicht zu irgendeiner Lösung führten – zumal es hier noch nicht einmal auffiel, da Verus weiter sprach.
Während sie zuhörte, nutzte Seiana also die Zeit, um sich zugleich Gedanken zu machen darüber, wie sie nun reagieren sollte. Und als Verus geendet, lächelte sie erneut – und entgegen ihrer eigentlichen Art berührte sie ihn flüchtig am Arm, ließ ihre Hand für einen Augenblick dort ruhen, bevor sie sie wieder zurückzog und auf den Tisch legte. Nicht, weil sie das Bedürfnis gehabt hatte das zu tun, oder weil sie es gar wollte – sondern weil sie zu dem Schluss gekommen war, dass es das war, was Verus womöglich brauchte. Ein wenig körperlicher Kontakt. Zusätzlich zu den Worten auch noch die stumme Versicherung, dass sie da war. „Ich fürchte, es gibt nicht viel, was ich sagen oder tun kann, um dir zu helfen, Verus. Ich wünschte ich könnte es…“ Sie sah ihn an, und sie wirkte aufrichtig bei ihren Worten. Ob es nun stimmte oder nicht, war gleichgültig. Es wurde Zeit, dass die Familie wieder zusammengebracht wurde, und wenn es sonst keiner tat, würde sie sich darum kümmern. „Niemandem widerfährt, was dir widerfahren ist, ohne dass es Spuren hinterlässt. Aber wenn Rom dir Anerkennung verwehrt für das, was du geleistet hast, wenn es an dir zweifelt, ist es umso wichtiger, dass du es nicht tust. Deine Familie in jedem Fall zweifelt nicht an dir.“
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Seiana war in ihrem Cubiculum gewesen, wie so häufig am Schreibtisch, als der hausinterne Botenjunge klopfte und ihr mitteilte, dass ein gewisser Gaius Caecilius Metellus, Sohn der Decima Atilicina, an der Tür sei und darum bitte, empfangen zu werden. Einen winzigen Augenblick überlegte sie, bevor sie anwies, den Gast ins Atrium zu bringen.
Ins Atrium geführt, wurde dem Caecilier etwas zu trinken angeboten, doch lange musste er nicht warten, bis Seiana erschien. Der Text, an dem sie gerade gearbeitet hatte, lag größtenteils noch als Notizen auf ihrem Tisch, und ein paar Momente mehr oder weniger hätten sie ohnehin nicht weiter gebracht. Sie hatte sich lediglich die Zeit genommen, ihr Aussehen kurz noch einmal zu überprüfen – was den zusätzlichen Effekt hatte zu vergewissern, dass sie nicht etwa vor dem Gast erschien. Als sie das Atrium betritt, ging sie also auf ihn zu, ihr übliches vages Lächeln auf den Lippen, während der Rest ihrer Miene höflich-neutral blieb. „Salve, Caecilius. Ich bin Decima Seiana“, begrüßte sie ihn. „Was verschafft meiner Familie die Ehre deines Besuchs?“
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„Wie du wünschst. Einen Moment bitte“, machte der Ianitor und nickte seinem jungen Gehilfen zu, der flugs davon stob – nur um kurze Zeit später wieder mit einem Nicken zurückzukehren. Marcus wandte sich wieder an den Gast. „Sie empfängt dich. Bitte, tritt ein“, sprach’s und hielt ihm die Tür auf, während der Junge schon bereit stand, um den Gast ins Atrium zu führen, wo Unbekannte für gewöhnlich empfangen wurden.
IANITOR - GENS DECIMA -
Als sie die Worte des Quintilius hörte, sah Seiana nun doch wieder zu ihm – gerade in dem Augenblick, in dem er seinen Blick nach vorne richtete, so wie sie zuvor. Sie war sich nicht ganz sicher, ob er ernst meinte, was er sagte, oder ob er sie auf den Arm nehmen wollte. Flüchtig zogen sich ihre Augenbrauen zusammen, bevor sich ihre Miene wieder glättete. Einen weiteren Kommentar machte sie allerdings nicht. Sie hätte nicht gewusst, was sie hätte sagen sollen darauf.
Als sie auf der Straße unterwegs waren und er von den Gesprächen mit den Menschen sprach, warf sie ihm wieder einen kurzen Blick zu. Es klang reizvoll... sich einfach so auf Gespräche einzulassen. Allerdings nicht unbedingt das, was von einer Frau ihren Standes erwartet wurde, oder gar gern gesehen war. Sie sagte dazu nichts, stellte nur ihre Frage und lauschte seiner Antwort darauf, während sie weiter gingen. „Die Stadt hat ein Zentrum, in dem sich das Leben konzentriert. Das hat sicher etwas für sich.“ Sie wich einem Mann aus, die irgendeinen Sack auf dem Rücken schleppte. „Kein Grund zur Freude für den Duumvir?“ Wieder sah sie ihn von der Seite an, diesmal mit einer hochgezogenen Augenbraue, während ein flüchtiges Lächeln um ihre Lippen spielte.
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Der Sklave verschwand, nachdem er eingeschenkt hatte, und auch Seiana setzte sich wieder. Seine Antwort auf ihre Frage ließ keinen rechten Schluss darauf zu, wie es ihm wirklich ging, aber Verus ließ ihr keine Gelegenheit für eine Nachfrage, sondern sprach gleich weiter. Mit aufmerksamem Gesichtsausdruck hörte sie ihm zu. Seine Miene, seine Stimme schürten in ihr den Eindruck, dass ihm wichtig war, was er zu sagen hatte, und seine Worte bestätigten dies. Seiana lächelte vage, aber in ihren Augen stand für einen Moment Traurigkeit und verlieh diesem Lächeln einen Hauch von Melancholie, als Verus von Erinnerungen sprach. Sie hatte zu viele Menschen verloren, um nicht zu verstehen, wovon er sprach, zumal sie auch um seine Verluste wusste. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Verus. Wir alle müssen das tun, was wir für richtig halten.“ Sie sah kurz weg und räusperte sich dann, bevor sie ihren Blick wieder auf ihn richtete. „Ich hatte mir schon gedacht, dass du einen Grund hattest, die Casa Germanica als Wohnstatt vorzuziehen. Und... Verus, ich möchte dir nichts aufdrängen. Wenn es dir zu schwer fällt, hier zu leben, dann akzeptiere ich das, und ich denke, ich kann für die ganze Familie sprechen.“ Auch wenn der griechische und der iberische Zweig nur entfernt miteinander verwandt waren, tat das in diesem Augenblick nichts zur Sache. „Aber ich möchte dir versichern, dass du hier immer willkommen sein wirst – und es würde mich freuen, wenn du unsere Casa in Zukunft wieder dein Heim nennen würdest.“ Eigentlich hatte sie anders anfangen wollen, aber Verus' Worte hatten sie dazu gebracht, ihren ursprünglichen Gesprächsplan über den Haufen zu werfen.
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„Caecilius... Metellus...“, wiederholte Marcus, konnte aber nicht wirklich etwas damit anfangen. „Gaius.“ Auch das brachte ihn nicht weiter. Und auch Decima Atilicina sagte ihm nicht wirklich etwas, aber den Namen einer Decima anzuführen, ohne dass dem tatsächlich so war, wäre es schon etwas arg dreist. Gerade an der Porta dieser Casa. Und die Caecilier waren auch nicht irgendwer, auch wenn die Familie in letzter Zeit nicht unbedingt von sich reden gemacht hatte. „Nun... Decimus Mattiacus befindet sich derzeit auf einer Reise.“ Dass er mit seiner Schwägerin seinen kranken Bruder in Misenum besuchte, musste der Fremde nicht wissen. „Die anderen Herren leben im Augenblick nicht hier. Aber ich könnte Decima Seiana fragen lassen, ob sie dich empfangen will, wenn du einverstanden bist.“
IANITOR - GENS DECIMA