„Ich danke dir“, übernahm Seiana nun die Gesprächsführung, lächelte dem Soldaten zu und kam einen Schritt näher. Dem Sklaven gab sie einen leichten Wink, woraufhin dieser zurücktrat, um vor der Castra zu warten. „Sicher“, erwiderte die Decima dann auf die Bemerkung hin, sie müsse durchsucht werden – sie kannte das ja noch aus der Zeit, als sie mit Caius verlobt gewesen war und ihn im Palast besucht hatte; in der Anfangszeit hatte sie auch stets diese Durchsuchungen über sich ergehen lassen. Seiana nickte dem Wachposten zu zum Zeichen, dass er beginnen konnte.
Beiträge von Decima Seiana
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Etwas gelangweilt sah Raghnall dabei zu, wie der Grieche die Liste überflog und dann die Regale entlangging, um sich anzusehen, was da schon stand. Er lehnte sich an den Verkaufstresen, kaute auf dem Stück Süßholz herum und wünschte sich, der Kerl würde zu einem Ende kommen. Vermutlich bedeutete sein Auftauchen hier, dass Raghnalls ruhige Zeit ein Ende hatte, aber war jetzt nichts, was den Gallier sonderlich in Aufregung versetzte. Es war klar gewesen, dass es nicht ewig so hatte weiter gehen können, nicht bei seiner Herrin – dafür kannte er sie dann doch gut genug. Aber Raghnall hatte vor, seine letzten bequemen Tage in dem Laden zu genießen, und je eher der andere Sklave ging, desto eher konnte er mit dem Genießen anfangen. Und danach, nun ja, irgendeine Möglichkeit würde er schon finden, um sich sein Leben wieder so leicht wie möglich einzurichten, im Rahmen dessen, was ihm dann als neue Aufgabe angetragen wurde.
Der Komiker war inzwischen bei den Römern angelangt, recht am Ende wie es schien, und tatsächlich: er kam wieder an und verabschiedete sich. „Ja...“, machte Raghnall und verkniff sich den abermaligen Hinweis auf die doch so schön angeordneten Kisten im Lagerraum. „Dir auch noch einen schönen Tag.“ Er sah ihm nach, wie er den Laden verließ, weiterhin angelehnt an den Tresen. Ein halblautes „Hu“, war schließlich zu hören, bevor der Gallier sich dann löste, die Papyri wieder verstaute und sich dann wieder dem widmete, was er vor dem Besuch getrieben hatte.
SKLAVE - DECIMA SEIANA -
Es dauerte nicht lange, bis Seiana ebenfalls im Tablinum erschien. Sie hatte sich gefreut, als sie den Brief der Aurelia erhalten hatte, und als sie ihn gelesen hatte, hatte es außer Frage gestanden, dass sie sie einlud, um ihr Gespräch fortzusetzen. Dennoch sah sie dem Treffen jetzt mit gemischten Gefühlen entgegen. Obwohl es schon einige Zeit her war, erinnerte sie sich noch gut an ihre letzte Unterhaltung, die sie sich irgendwie... außerhalb des Rahmens bewegt hatte, den Seiana Gesprächen mit Fremden normalerweise gestattete. Es hatte sie fasziniert und gereizt gleichermaßen, weswegen sie die Aurelia ja auch eingeladen hatte, aber sie wusste nicht genau, was dafür gesorgt hatte, dass sie sich anders verhielt... offener... ihr gegenüber. Dass die Aurelia doch um ein paar Jahre jünger war als sie, konnte nicht der Grund sein – auch wenn Seiana nicht unbedingt die Gesellschaft suchte, so hatte sie doch auch mit jüngeren Frauen zu tun. Vielleicht lag es daran, dass Narcissa so... offen schien, ein wenig naiv, sicherlich begeisterungsfähig. Ausgestattet mit dem Drang, etwas verändern zu wollen. Ihre Art hatte etwas in Seiana angerührt, etwas, von dem sie geglaubt hatte es längst... nun, nicht verloren, aber doch tief in sich begraben zu haben, so tief, dass es kaum noch erreichbar schien. Ja, das Gespräch mit der Aurelia hatte sie in gewisser Hinsicht berührt, und als sie ihren Antwortbrief geschrieben, die Einladung darin ausgesprochen hatte, war Seiana schlicht einem Impuls gefolgt. Aber sie war nun einmal sie, und selbst wenn sie Impulsen folgte – was im Gegensatz zu früher nur noch selten vorkam – hieß das nicht, dass sie sie später nicht in Frage stellte, oder nicht wenigstens darüber nachdachte. Dazu kam, dass einiges passiert war in der Zwischenzeit, das ihr ebenfalls zum Nachdenken gereicht hatte. Sehr. Und so war Seiana sich nicht ganz so sicher, was sie überhaupt von diesem Treffen jetzt... nun ja, erwarten sollte.
Dennoch wäre es selbstverständlich nie für sie in Frage gekommen, es abzusagen, ganz im Gegenteil. Und als sie das Tablinum betrat, lag ein höflich-freundliches Lächeln auf ihren Lippen, das nichts davon verriet, was sie denken mochte. „Aurelia Narcissa. Ich freue mich, dass du meiner Einladung gefolgt bist. Kann ich dir etwas zu essen anbieten?“ Zufrieden sah sie, dass die Aurelia bereits ein Getränk erhalten hatte, aber auch ein wenig zu knabbern hatte Seiana vorbereiten lassen – Kleinigkeiten nur, aber immerhin, wie es sich eben gehörte. „Deine Sklavin kann sich gerne zurückziehen, falls du einverstanden bist.“ Sie musste nicht hier herum sitzen, sie konnte genauso gut in die Küche gehen und sich mit den Sklaven der Casa Decima unterhalten. Ein Sklave des Hauses war noch im Raum, um eventuelle Wünsche erfüllen zu können, er würde sich auch darum kümmern, dass die aurelische Sklavin ihren Weg durch die Casa fand, sofern ihre Herrin sie sich zurückziehen ließ.
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Xanthias war unverrichteter Dinge wieder zurückgekommen von dem Auftrag, mit dem sie ihn losgeschickt hatte – einige Tage später allerdings war eine Botschaft zur Casa Decima gebracht worden, eine Botschaft von einem Scriba des Praefectus Urbi. Diese Nachricht war es, die ein Sklave nun in der Hand trug, als er auf den Wachhabenden zuging, mit Seiana ein wenig hinter ihm.
„Salve“, grüßte er den Soldaten, „meine Herrin Decima Seiana hat eine Einladung des Praefectus Urbi. Hat er Zeit sie zu empfangen?“ Während er dies sagte, reichte er dem Wachhabenden das Schreiben.
Decima Seiana
Casa DecimaDer Praefectus Urbi empfängt dich für ein kurzes Gespräch. Allerdings behält er sich Änderungen, Hinzufügungen und Streichungen bei dem daraus entstehenden Artikel vor.
Vale bene
Spurius Servilius Livineius
Scriba des Praefectus Urbi -
Zitat
Original von Titus Duccius Vala
Marcus Decimus Mattiacusmöge sein Postfach leeren um sich mein Geschwafel reinzuziehen.
Ja, bitte genug aufräumen um meins auch noch empfangen zu können *g* -
Der Junge brachte die Aurelia und deren Sklavin ins Tablinum, das bereits entsprechend hergerichtet war. Höflich erkundigte er sich nach dem Getränkewunsch der Römerin und schenkte ihr ein, was sie wollte, dann kündigte er an, dass er Decima Seiana holen würde, bevor er verschwand.
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„Ah“, machte der Ianitor verstehend und nickte, als ihm ein Licht aufging. Da war etwas gewesen von einem Gast, denn die Herrin empfangen würde heute. Er winkte dem Sklavenjungen, der sich stets darum kümmerte, eventuelle Gäste nach drinnen zu geleiten, und schenkte der Sklavin und ihrer Herrin noch ein Lächeln. „Kommt herein.“
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Raghnall bemerkte schon, dass der Grieche irgendwie... nun ja... nur mäßig begeistert war. Oder auch: das Ganze suboptimal fand. Oder so. Aber gut, die Abrechnungen sahen auch recht mau aus. Die Kasse selbst war da schon etwas besser gefüllt, da Raghnall ja nicht alle Verkäufe aufgeführt hatte in der Abrechnung. Er rümpfte kurz die Nase, als der Grieche sich gleich auf die Papyri stürzte, und beobachtete ihn dann einfach nur dabei, wie er durchblätterte und las. Der Eindruck, dass der andere Sklave wenig begeistert war von dem, was er vorfand, verstärkte sich noch. Und gemeinsam mit dem nächsten Kommentar, der nun schon etwas genervt klang, führte das bei Raghnall zu einem eher humorlosen Grinsen. „Äh... jein“, machte er mit einem Achselzucken. „Die vom Anfang, als die Decima noch dabei war... die hat sie ordnen lassen. Der Rest... wie er mir unter die Finger kam.“ Insofern war wenigstens eine gewisse Ordnung drin, jedenfalls da, wo Raghnall simpel eine Kiste ausgepackt und direkt eingeräumt hatte. Der Buchladen in Alexandria war gut sortiert und ebenso gut geführt, und entsprechend geordnet waren die Kisten, die von dort geschickt worden waren für die Eröffnung des Buchladens in Rom. Allerdings: Raghnall hatte eben nicht immer einfach eine Kiste nach der anderen ausgepackt. Manchmal hatte er mit einer angefangen und dann wieder aufgehört, weil ein Kunde gekommen war. Oder weil er fand, sich genug angestrengt zu haben. Oder weil noch Platz war im Regal, aber eben für dünnere Schriftrollen, die er sich dann eben aus einer anderen Kiste geholt hatte... Oder es war schlicht schon Abend gewesen. Und wenn er dann irgendwann weiter gemacht hatte, hatte er sich einfach irgendeine Kiste geschnappt – und damit nicht notwendigerweise die, mit der er aufgehört hatte. „Da drüben“, er machte eine vage Handbewegung in die Richtung, „sind griechische Schriften. Und da hinten ein paar Römer.“ Viel mehr konnte Raghnall auch nicht sagen, denn eines hatte er sich ganz sicher nicht gemacht: die Mühe, die ganzen Titel auch nur zu lesen. Er zog ein Stück Süßholz hervor und begann darauf herumzukauen. „Hinten im Lagerraum sind noch mehr Kisten. Sind auch geordnet.“ Wo der Typ doch so sehr auf Ordnung stand, fand Raghnall, dass er das durchaus erwähnen konnte.
SKLAVE - DECIMA SEIANA -
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Raghnall blieb einfach stehen und musterte den Kerl. Eine Augenbraue wanderte etwas nach oben beim ersten Ansatz, der über die Lippen des anderen kam, bevor er sich dann irgendwie umentschied und er ein Salve zu hören bekam. Raghnall konnte Griechisch, auch wenn er kein Grieche war, sondern Gallier. Aber in welcher Sprache er nun begrüßt wurde, war ihm gelinde gesagt völlig schnuppe. Was als nächstes kam, hatte schon mehr Substanz, allerdings war sich Raghnall dabei nicht so ganz sicher, ob ihm das nun gefallen sollte oder nicht. Es schien ganz danach zu klingen, dass sein schönes Leben hier nun so langsam ein Ende fand, was ihm gar nicht taugte. Es mochte aber auch sein, dass er ganz simpel zurückversetzt wurde quasi in die Casa Decima, weil er hier nichts geleistet hatte. Wäre nicht das Schlechteste. Hatte zwar Spaß gemacht in dem Buchladen, solange er in Ruhe gelassen worden war, aber nun, er hatte gewusst, dass das eher kürzer denn später ein Ende haben würde.
Dann allerdings musste Raghnall plötzlich lachen. „Listen?“ Das war gut. Als ob er auf so etwas geachtet hätte. Aber immerhin, mit Abrechnungen konnte er dienen, auch wenn die... nicht so ganz... sauber geführt waren. Er hatte nicht wirklich alles notiert, was er hier verkauft hatte. War nicht ganz einsichtig gewesen für ihn, warum er sich die Mühe machen sollte... und nebenbei war es so recht einfach gewesen, ab und zu mal etwas abzuzweigen. Wenig genug, dass es der Decima nicht auffallen würde, solange sie nicht anfing zu verlangen, dass die Bücher ordentlich geführt wurden, aber genug, um ihm die eine Wette oder das andere Spiel zu finanzieren, wenn er mal wieder verloren hatte. „Also...“ Er machte einen Schritt hinüber zu dem Verkaufstresen und holte ein paar Papyri hervor. „Die Abrechnungen. Und die Bestandslisten, Moment...“ Er meinte sich zu erinnern, dass irgendwo in einer Kiste noch die Listen waren, die aus Alexandria mitgeschickt worden waren. Allerdings hatte er sich nie die Mühe gemacht, die zu überprüfen. Er war ja noch nicht mal fertig mit Auspacken, denn hinten standen noch mehr Kisten. „Ah ja, hier. Sind die Listen aus Alexandria von dem Zeug, was sie hergeschickt haben. Allerdings nicht mehr aktuell, wurde schon was verkauft.“
SKLAVE - DECIMA SEIANA -
„Er ist mein Bruder“, antwortete Seiana, diesmal wieder mit diesem zwar höflichen, aber letztlich nichtssagenden Lächeln. „Im weiteren Sinn hat er auch mit dieser Verhandlung zu tun. Die zweite Anklage, die der Octavier erhoben hat, basiert auf der Adoption meines Bruders durch unseren Onkel“, schob sie dann noch hinterher. Damit erzählte sie dem Quintilius nichts, was er nicht selbst herausfinden könnte – aber zumindest jetzt schien dieser Fakt dem Mann noch unbekannt zu sein, und vielleicht brachte ihn das ja dazu, ebenfalls wieder etwas mehr zu erzählen. Um ein Gespräch am Laufen zu halten, musste man auch selbst etwas sagen, das wusste Seiana, auch wenn sie nicht unbedingt der Typ war, der sich gern über höfliche Belanglosigkeiten austauschte. Sie konnte durchaus, wenn sie wollte, sie hatte es gelernt, aber das hieß weder, dass sie in dieser speziellen Form von Sprachkunst brillierte, noch dass es ihr gefiel. Das hier taugte ihr schon mehr, erzählte sie nun zwar im Grunde etwas Belangloses – belanglos insofern, als dass sie dem Duumvir nichts verriet, was er nicht auch so hätte wissen können –, aber dennoch ging es um etwas, das Substanz hatte. Nicht das Wetter. Oder den aktuellen Klatsch. Oder die neuesten Erscheinungen bei irgendwelchen gerade angesagten Modehändlern, von denen sie keine Ahnung hatte.
Als der Quintilier sich dann allerdings in der gerade besprochenen Absicht, ihr die Stadt zu zeigen, erhob und zu ihr kam, brachte er sie zum ersten Mal ein wenig aus dem Konzept. Sie wollte gerade selbst aufstehen, da war er schon bei ihr und bot ihr seine Hand an. Und diese Form der Höflichkeit, der männlichen Aufmerksamkeit ihr gegenüber, war etwas, womit Seiana immer schon schwer hatte umgehen können. Lange Jahre war sie es überhaupt nicht gewohnt gewesen, weitere Jahre hatte sie jedwede Aufmerksamkeit dieser Art, die ihr hätte zuteil werden können, unbewusst so total abgeblockt, dass sie sie im Grunde komplett verhindert hatte, und dann war da Caius gewesen, der auch nicht gerade ein Spezialist in solchen Dingen gewesen war. Eher im Gegenteil, gerade deshalb hatte sie sich ja so wohl gefühlt bei ihm – weil er sie selten in Verlegenheit gebracht hatte mit derartigen Avancen. Seiana stockte also. Zögerte einen Augenblick lang, während dem sie den Quintilius einfach nur ansah. Ihre Miene blieb ruhig, nur ihre Augen verrieten den Grund für eben jenes Zögern – Überraschung, und eine Spur Verlegenheit. Im nächsten Moment hatte sie sich schon wieder gefangen. „Selbstverständlich“, erwiderte sie und rettete sich in ein angedeutetes Lächeln, bevor sie seine dargebotene Hand annahm, um sich dann zu erheben und mit ihm zur Tür zu gehen. „Was zeigst du mir zuerst? Oder soll das eine Überraschung werden?“
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Auch Seiana war zur Trauerfeier erschienen. Natürlich war sie das. In schlichte Trauerkleidung gewandet, hatte sie sich auf den Weg zur Villa Aurelia gemacht, um Aurelius Corvinus und seiner Gattin die letzte Ehre zu erweisen. Von Beileidsbekundungen sah sie, jedenfalls im Moment ab. Die Aurelier und Flavier, die sie – wenigstens vom Sehen her – kannte, wirkten nicht so auf sie, als legten sie im Augenblick sonderlich Wert auf derlei Aufmerksamkeiten, und später würde wohl immer Zeit genug sein. Im Übrigen war ihre Anwesenheit ja bereits Zeichen für ihre Anteilnahme. Seiana hielt sich also, ebenso wie einige andere, im Hintergrund, und wartete schweigend.
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Raghnall räusperte sich leise und kritzelte auf einer Wachstafel herum, kratzte sich am Kopf, kritzelte weiter. Eigentlich sollte er vorne sein, im Geschäftsraum. Anwesend. Ach ja, und noch mehr Schriftrollen und Bücher einräumen sollte er wohl auch. Und sich ganz generell Gedanken machen, wie man den Laden ein wenig auf Vordermann bringen konnte. Bisher war es hauptsächlich Laufkundschaft und die, die Empfehlungen aus Alexandria bekommen hatten, die sich hier blicken ließen. Insgesamt also nicht allzu viele, und Raghnall wusste durchaus, dass die Decima nur deswegen noch recht wenig krittelte, weil sie selbst viel zu wenig Zeit hatte, um sich darum zu kümmern. Denn die Eröffnung lag nun doch ein wenig zurück inzwischen, lang genug jedenfalls, dass die Räumlichkeiten mehr hätten hermachen können... Aber wie bereits erwähnt: Raghnall hatte wenig Lust, sich das anzutun. Er wusste ohnehin nicht so recht, warum die Decima ausgerechnet ihn mit dem hier betraut hatte, aber das mochte vielleicht daran liegen, dass sie ihn aus Tarraco mitgenommen hatte, damals, auch wenn sie ihn in Rom gelassen hatte, als sie nach Ägypten verschwunden war. In jedem Fall wusste sie, dass er mehr drauf hatte als die simplen Sachen, die er in den letzten Jahren im Haus der Decimer hatte erledigen müssen, handwerkliche Dinge in der Regel, wo er seinen Kopf nicht benutzen musste... Vielleicht hatte sie geglaubt, die Arbeit hier würde ihn reizen. Vielleicht hatte sie sogar geglaubt, ihm hiermit einen Gefallen zu tun. Raghnall allerdings zog es vor, sich selbst auszusuchen, wo er seinen Kopf einsetzte – weshalb es immer wieder damit endete, dass er bei den Decimern einfach irgendwelche stumpfsinnigen Arbeiten erledigte.
Insofern war es ihm persönlich auch ganz recht, dass eher selten jemand kam und ihn hier störte. Zwischendurch aber kam jemand, das ließ sich nicht ändern – so auch jetzt. Raghnall verzog kurz das Gesicht, wischte über die Wachstafel, so dass nicht mehr zu lesen war, was dort gestanden hatte, legte sie beseite und kam langsam aus dem Lagerraum heraus, in einem fast schon schlendernd, die Haltung beinahe aufreizend lässig. „Jap, hier ist jemand“, machte er und musterte den Störenfried. „Du wünschst?“
SKLAVE - DECIMA SEIANA -
Die Reaktion der Iunia zeigte deutlich, dass sie von dem Tod des Aureliers noch nichts gehört hatte. Immerhin, so weit hatte der Klatsch also noch nicht die Runde gemacht. Allzu lange dürfte es allerdings nicht mehr dauern, bis ganz Rom darüber sprach, dachte Seiana. Irgendwo in ihrem Kopf begann ein leichtes Hämmern, als sich der Schlafmangel der letzten beiden Nächte bemerkbar machte. Sie musterte die Iunia, während diese wiederum die Tafel musterte und etwas vor sich hinmurmelte, was Seiana kurz stutzig werden ließ. Rosa Orchidee? Von was sprach Axilla? Hatte sie sich womöglich auch noch für den Vorfall entschuldigt, den Caius auf der aurelischen Hochzeit verursacht hatte? Dann allerdings hätte sie sich doch eher bei Ursus entschuldigen müssen, nicht bei Corvinus. Letzterer war es aber, der ein Faible für Pflanzen hatte. Gehabt hatte, korrigierte sie sich, und das letztlich war es, was sie wieder in die Gegenwart brachte. Was auch immer die Iunia mit ihrem Patron zu schaffen gehabt hatte, gehörte in die Vergangenheit. Auch wenn Seiana der Gedanke nicht wirklich gefiel, dass die Iunia Kontakt mit den Menschen hatte, die ihr selbst nahe standen. „Danke“, erwiderte sie knapp, als Axilla ihr zusicherte, dass sie die Aufgabe an Androklís weiter geben würde, sah ihr nach, wie sie beinahe fluchtartig ihr Büro verließ... und stand dann selbst ruckartig auf, um sich ans Fenster zu stellen, aus dem sie für einige Momente schweigend hinaus starrte.
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Xanthias schien überrascht zu sein, und Seiana musste ein leichtes Schmunzeln unterdrücken, um ihre ruhige Miene zu bewahren. Die Verblüffung war ein weiterer Hinweis darauf, dass er sich ihren Auftrag – und dessen scheinbarer Fehlschlag – tatsächlich so zu Herzen genommen hatte und er seine Niedergeschlagenheit nicht nur spielte. Sie nickte leicht, als er sich dann bedankte für den nächsten Auftrag. „Tu das...“ Zu mehr kam sie nicht, denn der Grieche stand plötzlich auf und verließ den Raum, nachdem er sich wortlos verabschiedet hatte. Was nun Seiana ein wenig überraschte, kam dieses Gehen doch fast einer Flucht gleich – wofür sie allerdings nun keine plausible Erklärung hatte. Ein wenig nachdenklich sah sie noch einige Augenblicke auf die geschlossene Tür, hinter der ihr Sklave verschwunden war, bevor sie den Blick wieder senkte und weiter arbeitete.
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Seiana lächelte. „Das würde mich freuen.“ Gemeinsam mit ihrem Onkel setzte sie sich in Bewegung und schlug den Weg in Richtung der Casa Decima ein.
Sim-Off: Super
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Auch Seiana war die Befragung des Zeugen und der bisherige Prozessverlauf immer langweiliger vorgekommen. Mehr als einmal fragte sie sich, was den Octavier dazu getrieben hatte, Anklage zu erheben. Ihm brachte es nicht den geringsten Vorteil. Dem Libertinus war das Bürgerrecht bereits wieder entzogen worden. Und die Anklage bezüglich Faustus' Adoption hielt Seiana ohnehin für lächerlich. Weit interessanter als die Verhandlung selbst war das, was um sie herum getratscht wurde. Seiana kam gar nicht umhin, das ein oder andere mitzuhören, auch wenn sie sich bemühte, es auszublenden – bis irgendwann, irgendwo schräg hinter ihr, Worte fielen, die ihre Aufmerksamkeit erregten. Schau dir doch an, wo überall Decimer sind. Ihr Blick blieb nach vorne gerichtet, ihre Aufmerksamkeit jedoch richtete sich nun nach hinten. Die Legio in Germania. Die Classis. Ägypten. Die Acta. Für einen Moment zuckten ihre Mundwinkel, als sie das hörte, aber die Andeutung – die sie im Gegensatz zu der Gesprächspartnerin jener Frau durchaus verstand –, stimmte sie nachdenklich.
Und dann begann der Octavius mit seinem Schlussplädoyer – und er bestand in beiden Punkten auf einer Verurteilung ihres Onkels. Obgleich er selbst betonte, dass es im Ermessen der Richter lag zunächst einmal zu entscheiden, ob der zweite Fall überhaupt in die Kompetenz dieses Gerichts fiel. An seiner Stelle hätte Seiana wenigstens so getan, als sei sie selbst davon überzeugt, dass es eben so war, wenn sie denn schon eine Verurteilung forderte.
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Sim-Off: Entschuldige!
Hab ich ganz übersehen...
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Und wieder war es der alte Marcus, der die Tür auf das Klopfen hin öffnete. Ein Lächeln glitt über seine alten Züge, als er den hübschen Besuch wahrnahm. „Salve. Wie kann ich behilflich sein?“
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Ihre Überraschung schien die Iunia überwunden zu haben, was Seiana dann doch positiv registrierte. Vor allem, da Axilla nun selbst ziemlich geschäftsmäßig wurde und nicht mehr das unschuldige Reh gab – was es in erster Linie war, was Seiana so… nun ja, aufregte, auch wenn sie selbst es nicht einmal so wirklich benennen konnte. „Genau das. Wenn dir Sinnfehler auffallen oder falsche Informationen, dann kannst du die Artikel auch inhaltlich korrigieren. Natürlich kannst du dich auch mit den jeweiligen Autoren noch einmal besprechen, wenn du dir nicht sicher bist.“ Ja, diese Geschäftsmäßigkeit gefiel Seiana weitaus besser. Sie neigte sich nach vorn und zog die Tafel wieder zu sich, auf der der Scriba ihres Patrons ihr im Auftrag des Aureliers mitgeteilt hatte, dass er nicht mehr zur Verfügung stand. Nachdenklich starrte sie einen Augenblick darauf, dann zog sie schweren Herzens eine weitere Wachstafel zu sich, die sie beschriftet hatte, während sie auf die Iunia gewartet hatte, und schob sie ihr zu. Auf dieser Tafel stand ebenfalls nicht sonderlich viel. Lediglich, dass der ehemalige Auctor und jetzige Auctor PPA Marcus Aurelius Corvinus verstorben war, war darauf zu lesen, zusätzlich die Notiz, dass die Acta daher ebenfalls unter Trauer war, und dass der Termin für den Trauerzug rechtzeitig bekannt gegeben würde, so ehemalige Mitarbeiter des Aureliers ihm die letzte Ehre zu erweisen wünschten. „Gib diese bitte Androklís, wenn du gehst.“ Neben dem Türsklaven Ion gab es noch Androklís, den Redaktionssklaven, wenn man so wollte, der im Wesentlichen dafür zuständig war, sich darum zu kümmern, dass in der Acta gearbeitet werden konnte. Wenn das Domus nicht geöffnet war, übernahm Ion diverse Reparaturen und alles, was handwerklich anfiel. Androklís hingegen kümmerte sich beispielsweise darum, dass der Vorrat an Materialien stets gefüllt war, übernahm Botengänge und andere Aufgaben. „Er soll einen größeren Aushang für den Redaktionsraum fertigen, mit meiner Signatur, und Informationen für die freien Mitarbeiter vorbereiten, die selten hereinkommen.“
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Seiana lächelte unwillkürlich. „Nein, das sicher nicht. Dann werde ich vorbei kommen, um den Test abzulegen.“* Sie machte eine Kopfbewegung in die Richtung, in der die Casa Decima lag. „Gehst du auch nach Hause, oder hast du noch zu tun?“ Falls er ebenfalls ging, konnten sie das ja zusammen tun.
Sim-Off: *Reicht das hier als Anmeldung, oder soll ich der Form halber noch einen Post bei der Schola schreiben?
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Der Grieche kam näher auf ihre Aufforderung hin, setzte sich, schien noch einmal zu zögern – was Seiana zu einem neuerlichen Stirnrunzeln veranlasste – und begann dann zu sprechen. Und bereits während seiner ersten Worte entspannte sich ihr Gesichtsausdruck wieder. Natürlich wäre es ihr lieber gewesen, hätte er ihr berichten können, dass er die Botschaft einem der Scribae persönlich hatte überbringen können. Oder wenn er ihr wenigstens eine Antwort hätte mitbringen können. Aber dass dem nicht so war, war auch nicht weiter schlimm, in der Tat war es sogar etwas, womit sie halb und halb gerechnet hatte. Natürlich war es nicht so leicht, zum Praefectus Urbi durchzudringen, auch wenn es einfach schön gewesen wäre, hätte es so schnell und leicht gehen können.
Dass der Grieche seinen Auftrag allerdings so ernst genommen hatte, dass er nun derart zerknirscht wirkte – vorausgesetzt das war nicht gespielt – und sich sogar entschuldigte, bedeutete allerdings einen Einblick in das Wesen ihres Sklaven, der die Wartezeit bis zur Antwort des Vesculariers wieder aufwog. Seiana lehnte sich ein wenig zurück und musterte ihn mit undurchdringlicher, wenn auch entspannter Miene. „Mach dir keine Gedanken darüber, dass du nicht vorgelassen wurdest“, sagte sie schließlich. „Das wichtigste war der Eindruck, den du hinterlassen hast, das habe ich vorhin ja schon gesagt. Es lohnt sich selten, sich mit den Wachen der Castra anzulegen. Ganz sicher nicht, wenn es sich um eine simple Terminanfrage handelt.“ Die Wachen saßen nun einmal am längeren Hebel. Und wer wusste schon, was sie berichteten – oder gefragt wurden über die, die Botschaften abgaben für den Praefectus Urbi. „Ich möchte, dass du dir in den nächsten Tagen meine Betriebe ansiehst“, sagte sie dann unvermittelt. Der nächste Schritt, wenn man das so sagen konnte. Die letzten Wochen, in denen er sich hier eingelebt hatte, und seine Reaktion jetzt veranlassten sie dazu, den Rahmen zu erweitern, den sie ihm zugestand – und zugleich auch die Grenzen seiner Vertrauenswürdigkeit, die sie so zu testen versuchte. Sie brauchte einen Vertrauten – keine Freundin, wie Elena es war, sondern einen Vertrauten. Das war etwas anderes, das war ihr klar geworden im Lauf der vergangenen Monate. Xanthias hatte jedes Potential dazu, jedenfalls was den nötigen Intellekt anging dafür. Der Rest... würde sich zeigen. „Besuch sie, sprich mit den Angestellten, sieh dir die Unterlagen an. Wenn du fertig bist, würde ich gerne deine Einschätzung hören.“ Jetzt huschte ein vages Lächeln über ihre Züge. „Und deine Ideen.“