Ihre Aussage, sie sei ihm etwas schuldig, schien irgendetwas in dem Duccier zu bewegen. Hätte Seiana gewusst, was dieser Satz in ihm auslöste, sie hätte sich vermutlich nicht nur gewünscht, ihn nie gesagt zu haben, sie hätte sich umgehend verabschiedet. Aber sie wusste es nicht. Sie ahnte noch nicht einmal etwas davon. Sie sah nur, wie der Duccius einen Moment lang zu zögern schien und dann etwas sagte, was ihr doch zu denken gab. Schuld ist etwas gefährliches. Und dann lächelte er erneut, kurz bevor er aufsprang und sich wieder von ihr entfernte. In diesem Moment wurde Seiana nicht recht schlau aus ihm, aus seinem Verhalten. Sie sah ihm nach, wie er sich etwas entfernte, und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, um ihm zu widersprechen womöglich – dass sie mitnichten offenherzig Schuld auf sich nahm. Aber dass es Situation gab, in denen man einfach Verantwortung übernehmen musste, ob man nun tatsächlich unmittelbar Schuld daran trug oder nur mittelbar. Und dass er ihre Entschuldigung so schnell und so ehrlich angenommen hatte, dass er ihr nichts nachtrug, machte es für sie umso schwerer, für sich mit dem Geschehen abzuschließen. Es wäre einfacher gewesen für sie, hätte er sich geziert, hätte angefangen Fragen zu stellen wie die Aurelier beispielsweise.
So blieb in ihr das Gefühl hängen, ihm etwas schuldig zu sein, obwohl oder gerade weil er das ebenso ablehnte wie ursprünglich ihre Entschuldigung. Sie wollte erneut etwas sagen – wollte darauf hinweisen, dass er einen Gefallen gut hatte bei ihr, gleich ob er das wollte oder nicht, und es gab durchaus Dinge, die sie bewirken konnte. Ihre Familie trug nicht nur einen Namen, der in Rom Gewicht hatte, sie hatte auch einige Verwandten, die ganz konkret Einfluss hatten, seien es nun direkte oder angeheiratete; und sie selbst hatte in Rom vielleicht noch nicht viele Kontakte, aber das würde sich ändern, und den oder anderen kannte auch sie. Aber etwas in seinem Blick hinderte sie daran. „Schuld ist nichts, was man vergeben kann“, meinte sie leise. Man hatte sie, oder man hatte sie nicht, war ihre Auffassung. Natürlich konnte man große Worte darüber schwingen, konnte sie auch anderen zuweisen, aber an den Tatsachen änderte das nichts. Das einzige was man tun konnte war, sich dazu zu bekennen – oder es zu verweigern.
Allerdings behielt Seiana – obwohl emotional aufgrund dieser ganzen Geschichte mit Caius tiefer betroffen als ihr lieb war – durchaus im Sinn, um was es hier eigentlich ging. Es war lächerlich, einen Disput darüber anzufangen, ob sie ihm nun etwas schuldig war oder nicht wegen dieser Sache. Wenn sich zukünftig die Gelegenheit ergeben würde, würde sie sich erkenntlich zeigen für sein anständiges Verhalten ihr gegenüber. Um das zu tun, brauchte sie jetzt nicht sein Einverständnis. „Belassen wir es also dabei, wenn du das möchtest“, nickte sie. Einen Augenblick lang musterte sie ihn noch, dann setzte sie wieder ihr Lächeln auf, um das Abschiedsgeplänkel in die Wege zu leiten. Sie wollte nicht unhöflich erscheinen, indem sie zu rasch wieder verschwand, aber sie hatte gesagt, weswegen sie gekommen war – und sie würde ja sehen, wie er reagierte. „Nun, im Grunde ist das alles, weswegen ich gekommen bin. Ich hoffe, ich habe dich bei nichts allzu wichtigem gestört.“