Seiana stand regungslos da und starrte in den Garten, während die Zeit verging. Es dauerte etwas, aber sie hatte auch nicht damit gerechnet, dass der Duccier sofort erschien. Es hätte genauso gut sein können, dass sie am Eingang zu hören bekommen hätte, dass er nicht da war oder keine Zeit hatte, so dass sie unverrichteter Dinge wieder hätte gehen müssen. Aber einen Termin auszumachen für eine Entschuldigung wäre ihr lächerlich vorgekommen.
Sie bemerkte nicht, wie der Duccius den Garten betrat, bemerkte nicht, dass er sie einige Zeit lang musterte. Gedankenverloren stand sie da und sah die Pflanzen vor sich an, ohne sie wirklich zu sehen. In ihrem Kopf herrschte keine Leere, aber einen ihrer Gedanken wirklich fassen konnte sie auch nicht. Das konnte sie scheinbar seit Tagen nicht. Erst als hinter ihr ein leises Räuspern erklang, bemerkte sie, dass sie nicht mehr allein war, und veranlasste sie dazu sich umzudrehen. Der Duccier kam ihr entgegen, als sei er gerade eben erst gekommen, und Seiana erwiderte sein Lächeln höflich. „Salve, Duccius.“ Sie musterte ihn flüchtig während des Eingangsgeplänkels, wollte dazu ansetzen sich zunächst für die Störung zu entschuldigen, aber er sprach weiter. Und mit den Worten, die folgten, nahm er ihr tatsächlich den Wind aus Segeln. Sie hatte sich Worte zurecht gelegt, hatte verschiedene Szenarien in Gedanken durchgespielt, aber dass er so offensiv vorgehen und ihr ihre Entschuldigung vorweg nehmen würde, war nicht dabei gewesen. Überraschung zeigte sich kurz auf ihrem Gesicht, und für einen Moment fühlte sie sich hilflos, weil sie darauf nicht vorbereitet gewesen war.
„Ich…“ Erneut erwiderte sie sein Lächeln, das ehrlich zu sein schien. „Nur Wasser, danke“, sagte sie dann zu der Sklavin, die immer noch da stand, und dem Duccius gleichermaßen, und wartete, bis sie das Gewünschte erhalten hatte und die Sklavin sich zurückzog, bevor sie weiter sprach. „Du hast recht akkurat zusammengefasst, weswegen ich hier bin. Dem kann ich eigentlich nichts hinzufügen.“ Seiana warf einen kurzen Blick in den Garten, bevor sie wieder den Duccius ansah. Zum ersten Mal stellte sie fest, wie groß er eigentlich war, als sie diesmal zu ihm aufsah, und zugleich überlegte sie, wie sie jetzt fortfahren sollte. Sie wusste nicht, ob sie froh sein sollte oder nicht, dass er so reagierte. Einerseits war die Angelegenheit in jedem Fall angenehmer so, als wenn er beleidigt gewesen wäre und das an ihr ausgelassen hätte – und er wirkte, als ob er meinte, was er sagte. Als ob er tatsächlich keinen Groll hegte, trotz der Beleidigung, die ihm widerfahren war. Andererseits gab er ihr so kaum die Gelegenheit, die Teilschuld, die sie haben mochte, abzutragen. Teilschuld nicht, weil sie tatsächlich irgendetwas getan hatte, sondern Teilschuld, weil Caius mit ihr dort gewesen war. Ihr Begleiter. Ihre Verantwortung. Zumal sie wusste, wie er sein konnte, wie wenig gesellschaftsfähig er manchmal war. Sie hatte ihn trotzdem gefragt, ob er mitkommen wollte. Dass der Duccier ihr nun sagte, es gäbe keinen Grund sich zu entschuldigen, machte es für sie einfach. Zu einfach, vielleicht. Es zählt nicht, wenn es einfach ist. Wie oft hatte sie das in den letzten Tagen, Wochen nun gedacht? Zu oft, kam es ihr vor. „Es ehrt dich, dass du so darüber denkst. Ich möchte dich dennoch um Entschuldigung bitten, und sei es nur der Form halber. Was geschehen ist, war keineswegs in Ordnung, und du hast ein Recht auf eine Entschuldigung.“ Und er konnte von Caius keine erwarten, da war sie sich sicher.