Hallo Helena,
schön dass du dich für die Decimer interessierst Eine Frage hätte ich: gbt es einen Grund, dass du dich für unsere Gens entschieden hast?
Viele Grüße, Seiana
Hallo Helena,
schön dass du dich für die Decimer interessierst Eine Frage hätte ich: gbt es einen Grund, dass du dich für unsere Gens entschieden hast?
Viele Grüße, Seiana
Auch wenn Seiana sich weitestgehend aus Rom und dem gesellschaftlichen Leben dort zurückgezogen, und das nun schon für eine recht lange Zeit, hielt sie sich dennoch vage auf dem Laufenden, was geschah. Und als sie die Nachricht erreichte, dass Duccius Vala für das Consulat kandidieren würde, schickte sie ein paar Männer los, die in ihrem Auftrag durch die Straßen und Gassen Roms streifen und Botschaften hinterlassen sollten. Es mochte nicht immer rund gelaufen sein zwischen dem Senator und ihrer Familie in ihrer jüngsten Vergangenheit, aber dieser Streit war beigelegt worden. Und sie hatte darüber hinaus nicht vergessen, wie der Duccius sie unterstützt hatte nach dem Bürgerkrieg. Genauso wenig wie sie vergass, dass es einmal eine eheliche Verbindung gegeben hatte zwischen ihren beiden Familien, und dass es zwei Kinder gab, die mehr als alles andere für diesen Bund standen.
Die Männer, die von der Decima ausgesandt wurden, streiften also des Nachts durch Rom und machten sich an die Arbeit, und so prangten am nächsten Morgen an verschiedenen Stellen in Rom neue Sprüche an den Wänden.
Wählt Titus Duccius Vala zum Consul
Für ein starkes Rom, das seine Gegner narrt
Für ein tatkräftiges Rom, das nicht in Stillstand verharrt
Für ein lebendiges Rom, das durch Vielfalt blüht
Für ein grandioses Rom, dessen Feuer ewig glüht
Decima Seiana unterstützt die Kandidatur Titus' Duccius Valas.
Von mir hier auch alles Liebe
Von mir ebenso
Seiana rang sich ein Lächeln ab. Eigentlich waren ihrer beider Familien ja auch befreundet. Der Missklang, den es gab, lag nur an Senecas Cousine. Die Götter wussten, dass sie über die Jahre versucht hatte, in einem vertretbaren Rahmen auf sie zuzugehen – sie hatte sie sogar zur Lectrix bei der Acta gemacht und sie jahrelang behalten. Aber die Iunia hatte es blendend verstanden, derlei Dinge gekonnt zu ignorieren, genauso wie die Tatsache, dass sie selbst und ihre Handlungen der Stein des Anstoßes gewesen waren. Aber Seiana wollte die Stimmung nicht trüben, geschweige denn mit Seneca streiten, also beließ sie es nur bei einem etwas bemühten Lächeln. „Er hat sich weit hoch gearbeitet, er wird dir sicher noch mehr helfen können.“
Ihr Angebot schien ihn zu überraschen – und wenn sie ehrlich war, dann war sie sogar selbst ein bisschen überrascht von sich. Es war eine spontane Eingebung gewesen, etwas, was sie normalerweise nie nachgab... aber es fühlte sich richtig an. Sie wollte ihm helfen, sie freute sich, dass sie die Gelegenheit dazu hatte. Und sie musste ehrlich schmunzeln, als sie Seneca so sprachlos wie selten erlebte. Nur seine Sorgen dämpften ihre Stimmung wieder etwas – nicht dass er sie äußerte, sondern weil er Recht damit hatte. „Ich bin es leid, ständig aufpassen zu müssen“, entfuhr es ihr in einem Moment des Unbeherrschtseins. „Ich bin es leid, dass wir...“ Sie brach ab und seufzte. „Ich lasse mir etwas einfallen. Ich kann es über einen Mittelsmann überschreiben.“
Pinus' Vater ist Titus Decimus Pinus, die Mutter ist noch offen.
Seiana war... nun: hätte sie es nicht besser gewusst, hätte sie gesagt sie wäre ein wenig aufgeregt. Das war sie allerdings schon lange nicht mehr wirklich gewesen, schon gar nicht vor einem Termin wie diesem, und es fühlte sich auch nicht wirklich so an. Trotzdem blieb da die Tatsache, dass es lange her war, seit sie das letzte Mal so offiziell Besuch eingeladen hatte. Es war ungewohnt. Das war es. Und natürlich wollte sie alles richtig machen, immerhin ging es bei ihrem Besuch um Aelia Vespa, Verwandte des verstorbenen Kaisers und Verlobte ihres Onkels. Sie kannten sich zwar schon, aber es wurde Zeit sich endlich wieder zu treffen, jetzt, wo Vespa ihren Onkel heiraten würde. Also hatte Seiana die Aelia eingeladen, zu einem Treffen nachmittags, bei dem man gemütlich beieinander sitzen und sich unterhalten konnte.
Seiana bemerkte, dass Seneca zögerte, und nach einem weiteren Moment erkannte sie auch, dass er unsicher zu sein schien. Wie eingerostet sie mittlerweile war, wenn es um andere Menschen ging, darum ihre Reaktionen zu lesen... ein ums andere Mal wurde ihr gerade in seiner Gegenwart klar, wie sie nachgelassen hatte in dieser Zeit, in der sie größtenteils einsam gewesen war. Und wieder... störte es sie. Wo es sie vor wenigen Wochen noch verunsichert und zurück in die Einsamkeit getrieben hatte, wenn sie sich so unbeholfen fühlte in der Gegenwart anderer, störte es sie nun. Sie wusste nicht, ob sie einfach nur endlich diese Phase hinter sich ließ, oder ob es an Seneca lag, daran, wie viel er ihr bedeutete, wie wichtig er ihr war. So oder so: es störte sie. Und sie nahm sich vor, sich zusammenzureißen, sich zu konzentrieren, mehr als bisher.
Seine nächsten Worte machten es ihr allerdings schon wieder etwas schwer. „Senator Duccius Vala?“ wiederholte sie. „Das ist dein Patron?“ Sie wusste nicht so recht was sie davon halten sollte. Duccius Vala. Mit dem sie nun doch mittlerweile schon so einiges erlebt hatte. Einen Moment später schob sie die Gedanken daran allerdings weg und bemühte sich um ein Lächeln. „Mit den Duccii ist meine Familie freundschaftlich verbunden“, erklärte sie ihre Reaktion, hoffte jedenfalls dass Seneca das so als Erklärung hinnahm, und hörte ihm weiter zu. Und als er dann schließlich davon sprach, dass sie seine Erhebung feiern müssten, war ihr Lächeln wieder ehrlich. „Unbedingt.“ Sie neigte ihren Kopf etwas zur Seite, lehnte ihre Wange an seine Hand, um die Berührung mehr spüren zu können. Flüchtig schloss sie die Augen und machte wieder einen Schritt näher an ihn heran. „Um den Landbesitz brauchst du dir keine weiteren Gedanken machen“, murmelte sie. „Ich überschreibe dir eins meiner Grundstücke.“
„Freigelassen“, echote sie. Es war nicht einmal eine wirkliche Nachfrage, sondern nur ein simples, weil recht fassungsloses Wiederholen dessen, was der Sklave... der Libertinus gesagt hatte. Nur flüchtig warf sie einen Blick auf die Urkunde, nahm sie aber nicht zur Hand, obwohl Icarion den Eindruck machte als wollte er sie ihr geben. Sie glaubte ihm wenn er sagte, dass Faustus ihn freigelassen hatte. Icarion hatte ihrem Bruder immer gut gedient. Nur... sie kam nicht umhin sich zu fragen: warum jetzt. Warum so plötzlich. Und- „WAS?“ entfuhr es ihr dann heftig. „Alle?“ Sie starrte Icarion an, noch fassungsloser als zuvor. Einen Sklaven freizulassen, dafür konnte es jede Menge gute Gründe geben, selbst – vielleicht sogar gerade – in einer Lage wie der ihres Bruders. Aber alle? Wenn Faustus alle freiließ, und dann auch noch fortschickte, dann stimmte etwas nicht. Plötzlich bekam Seiana Angst. „Was ist los? Was ist passiert, und wo bei Pluto kann ich ihn finden?“
Sie sah sein Lächeln, und ihres wurde in Erwiderung des seinen noch ein wenig deutlicher. Fast jedes Klischee. Sie dachte flüchtig daran ihn nach mehr zu fragen, ihn zu bitten ein wenig zu erzählen, tat es dann aber doch nicht. Es hatte Zeit. Interessanter war zunächst, wie es ihm hier erging. Sie hatte viel zu lange überhaupt kein Interesse daran gehabt, wie es in Rom lief, und wusste daher auch nicht, was aktuell bei den Prätorianern Sache war. Dass es immer noch keinen neuen Praefectus gab, überraschte sie – der Kaiser, inzwischen ja nun nicht mehr wirklich als neu bezeichnet werden konnte, ließ sich damit wahrhaftig Zeit. Seneca erwähnte allerdings zwei weitere Dinge, die die Frage nach dem offenen Posten des Praefectus, die in Seiana aufsteigen wollte, wegwischte. Patron. Ordo Equester. Für einen Moment schwieg sie, weil sie unschlüssig war nach was sie zuerst fragen sollte – und zum ersten Mal, seit sie in jenem Loch versunken war, ärgerte sie sich darüber, dass ihr Verstand momentan nicht mehr so funktionierte wie gewohnt. Sie bewegte ihren Kopf leicht nach rechts und links, fast als wollte sie eine Fliege verscheuchen, dann fokussierte sie ihren Blick auf Seneca. „Du hast einen Patron? Und willst Ritter werden?“
Seiana saß in einem Sessel am Fenster, eine Pergamentrolle in den Händen, in der sie aber nicht wirklich las. Obwohl sie sich inzwischen bemühte, wieder mehr ins Leben zurückzufinden, in das alltägliche Leben, sich mehr zu beteiligen, mehr zu tun... fiel es ihr dennoch nach wie vor recht schwer. Und so starrte sie nur auf den Bericht aus einem ihrer Betriebe, las auch hin und wieder eine Zeile, aber ohne wirklich zu verstehen – verstehen zu wollen –, was da geschrieben stand. Ihre Gedanken glitten immer wieder ab, verloren sich auf verschlungenen Wegen, ohne dass sie später noch genau hätte sagen können, woran genau sie gedacht hatte. Das konnte sie nie so wirklich nach solchen Phasen.
Als es klopfte, brauchte sie einen Moment, bis sie genug in die Realität zurück gefunden hatte. Dann allerdings drang zu ihr vor, wer dort vor ihrer Tür stand. Icarion. Der Sklave ihres Bruders. Den musste sie empfangen – wenn auch nur die geringste Chance darauf bestand, Neuigkeiten von Faustus zu hören, dann musste sie. Erst einen Augenblick danach sickerte ebenfalls durch, was er noch angefügt, verbessert hatte. Decimianus. Als ihr das bewusst wurde, war sie von einem Moment zum anderen völlig klar. Ruckartig hob sie den Kopf. „Komm herein“, rief sie, mit kräftigerer Stimme als in all den vergangenen Wochen – sah man mal von jenen Momenten ab, wenn sie versucht hatte etwas über den Verbleib ihres Bruders herauszufinden, wozu sie allerdings in der Casa selten Gelegenheit gehabt hatte... und außerhalb hatte sie nicht danach gesucht, weil sie sich gar nicht außerhalb aufgehalten hatte. Als Icarius eintrat, stand sie auf, ging ein paar Schritte auf ihn zu und sah ihn scharf an. „Decimianus?“ fragte sie einfach nur, aber die Aufforderung in ihrer Stimme war deutlich zu hören.
Die Andeutung eines Lächelns huschte über Seianas Lippen, und sie spürte eine vage Erleichterung, dass Seneca es nicht zu kümmern schien, was gewesen war. „Das hoffe ich“, erwiderte sie. „Zeit genug ist vergangen...“ fügte sie noch hinzu, aber mehr weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Dem Großteil ihrer Familie hatte die Zeit sicher gut getan, die vergangen war. Aber was konkret sie betraf... sie hatte noch in diesem Loch fest gehangen, als in Rom scheinbar kaum mehr ein Thema gewesen war, was im Bürgerkrieg passiert war. Als ihr Onkel bereits zum Consul gewählt worden war. Obwohl ihr das gezeigt hatte, dass es eigentlich schon bergauf ging, und das sogar eher als sie erwartet hätte, war es ihr dennoch unglaublich schwer gefallen, in das alltägliche Leben zurückzufinden – mehr noch, sie hatte es einfach nicht geschafft.
Aber sie wollte im Grunde nicht darüber nachdenken. Sie war ja hier, war ja endlich wieder unterwegs, um das hinter sich zu lassen. Sonderlich hilfreich war es da nicht, darüber zu grübeln was gewesen war. Viel mehr als das sagte sie also nicht weiter dazu, sondern konzentrierte sich lieber auf das, was er von Germanien erzählte. Das Lächeln, das sich diesmal auf ihren Zügen zeigte, war schon etwas deutlicher zu sehen. „Also nicht jedes Klischee erfüllt?“ Sie hob ihre Hand, die er hielt, drehte sie so, dass sie seine Finger sehen konnte, und fuhr sacht mit ihrem Daumen darüber. Sie sollte ihm wohl von ihrem Kind erzählen, dachte sie vage, aber sie brachte es irgendwie nicht über sich, das Thema anzuschneiden. „Wie ist dein Dienst? Hat sich alles wieder eingependelt?“
In Ordnung, herzlich willkommen bei den Decimern Alles weitere können wir dann per PN klären.
Hallo Flavus,
schön dass du dich für die Decimer interessierst Zwei Fragen hätte ich noch an dich:
- Gibt es einen Grund, dass du dich für unsere Gens entschieden hast?
- Hast du dir schon Vorstellungen zum Char selbst gemacht, wie er sein soll, was er eventuell machen soll bzw. gerne würde (Militär, Verwaltung, Politik)?
Viele Grüße, Seiana
Wofür. Seiana bemühte sich um ein Lächeln, aber es kam nicht gegen den bitteren Ausdruck an, der kurz über ihr Gesicht huschte. „Ich hätte mich früher melden sollen. Ich war einfach nur...“ Sie zuckte die Achseln, ohne den Satz zu beenden. Es war zu viel, was gewesen war, zu viel, was sie niedergedrückt hatte, irgendwie. Sie wusste nicht wo sie hätte anfangen sollen. Sie wusste nicht einmal wie sie es hätte erklären sollen, ohne dass es womöglich unverständlich klang oder gar lächerlich. Sie schloss flüchtig die Augen, als sie seine Lippen auf ihrer Stirn spürte, und wünschte sich für einen Moment, er hätte nicht aufgehört. Erst als sie seine Stimme hörte, öffnete sie ihre Augen wieder. „Mir...“ Noch so etwas, was sie nicht sagen konnte. Was sie nicht wusste. Sie hatte gerade erst begonnen sich aus ihrer Lethargie zu befreien, und beinahe überrascht stellte sie fest, wie schwer es ihr fiel, in all diese alltäglichen Selbstverständlichkeiten wieder hinein zu kommen. Fragen zu beantworten, mit Phrasen zur Not, wenn es sein musste. Sie hatte zu lange einfach gar nicht reagiert, gewartet, bis derjenige unverrichteter Dinge wieder gegangen war, wenn sie mit irgendjemandem nicht hatte reden, auf irgendwelche Fragen nicht hatte antworten wollen. „Gut“, antwortete sie schließlich. „Denke ich. Ich... habe nur lange recht zurückgezogen gelebt. Ich hatte nicht mal mit meiner Familie wirklich Kontakt, ich...“ Sie hatte einfach nur allein sein wollen, mehr noch: hatte die Einsamkeit gesucht. „...wollte nicht unter Menschen sein.“ Irgendwie war ihr unangenehm darüber zu reden, weil sie es so schlecht erklären, so schlecht in Worte fassen konnte, aber auch weil die vergangene Zeit, ihre Reaktion, ihre Unfähigkeit sich den Menschen und dem Leben zu stellen, ein Zeichen von Schwäche war. „Was ist mit dir? Du warst in Germanien, hattest du geschrieben.“
Als Seneca die Wohnung betrat, stand Seiana auf. Mit einem Mal fühlte sie sich unsicher. Sie hatte nicht wirklich daran gezweifelt dass er kommen würde – hätte er sich dagegen entschieden, hätte er ihr eine Nachricht zukommen lassen, davon war sie überzeugt. Er wäre nicht einfach weggeblieben ohne Bescheid zu geben. Aber dass er gekommen war, sagte noch nichts darüber warum er hier war... und sie hatte sich selbst davon abgehalten, immer wieder, auch nur ansatzweise darüber nachzudenken, ob er nicht vielleicht doch entschieden hatte, dass es das nicht wert war. Dass sie es nicht wert war. Die Zeit getrennt. Die Umwege. Die Schwierigkeiten. Sie hatte Angst gehabt davor dass es so sein könnte, und darüber nachzudenken hätte das nur geschürt, hätte es schlimmer gemacht.
Wie sehr, merkte sie erst, als er ohne groß zu zögern auf sie zukam und sie seine Arme schloss. Sie spürte es an der Erleichterung, die sie auf einmal durchströmte in diesem Moment, merkte es an den Tränen, die aufzusteigen drohten, die sie aber zurückhielt und bekämpfte, bis sie verschwunden waren. Ohne etwas zu sagen, erwiderte sie die Umarmung, lehnte sich an ihn und genoss es einfach nur, ihn zu spüren. Wie lange sie so da gestanden hatte, hätte sie nicht sagen können, als sie sich endlich etwas von ihm löste. Sie hob eine Hand, strich ihm sachte mit den Fingerspitzen über die Wange. Sie wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. Ihr fiel nichts ein, was ihr selten passierte. „Es tut mir leid“, kam schließlich über ihre Lippen.
Leer war die Wohnung, leer und kalt. Seiana saß auf einem der Stühle am Tisch und lauschte ohne erkennbare Regung den Regentropfen, die draußen herunterfielen und die Luft mit einem beständigen Prasseln erfüllten. Leer war die Wohnung. Das Mädchen war fort, mittlerweile – sie hatte lange gebraucht, bis sie sich überhaupt hatte aufraffen können sich endlich um das zu kümmern, was notwendig war, aber irgendwann hatte sie es dann doch geschafft. Oder besser: nachdem Raghnall sie ein ums andere Mal daran erinnert hatte, war er irgendwann auch zu ihr durchgedrungen. Durch all das, was sich wie schwerer Stoff um sie gelegt zu haben schien, all die Schwierigkeiten, all das was schief gelaufen war, all die Entscheidungen, die sie getroffen hatte in dem Glauben, sie wären die richtigen für sich und ihre Familie, nur um im Nachhinein festzustellen dass sie falsch gewesen waren... Lange Zeit hatte sie sich kaum aus dem Haus begeben, und hatte sich selbst dort zumeist in ihren Räumlichkeiten aufgehalten. Es hatte sie Überwindung gekostet, wieder Entscheidungen zu treffen, und es hatte sie Überwindung gekostet, die Casa Decima zu verlassen... aber irgendwann war ihr klar geworden, dass sie sich nicht ewig verstecken konnte. Nicht so, nicht auf diese Art. Nicht wenn sie nicht davon laufen wollte, um irgendwo weit weg von Rom zu leben. Was sie noch nicht gänzlich ausschloss, aber wenn sie das tat, dann weil sie feststellte, dass sie es in Rom nicht mehr aushielt, und nicht weil sie zu feige war, um es überhaupt zu versuchen. Also hatte sie sich irgendwann aufgerafft. Sie hatte noch nicht wirklich wieder am Leben in der Casa Decima teilgenommen, lebte nach wie vor zurückgezogen, hielt sich in der Regel fern von gemeinsamen Essen, gar nicht zu reden von Tagen, an denen Gäste eingeladen waren. Aber sie hatte sich um das Mädchen gekümmert. Silana. Sie hatte angefangen, wieder die Schreiben zu lesen, die an sie gerichtet waren, Berichte ihrer Betriebe, andere Korrespondenz... und da war ihr irgendwann eine Nachricht von ihm in die Hände gefallen. Von Seneca. Sie konnte sich noch an die Botschaft erinnern, in der er ihr gesagt hatte, er würde fort sein, für Wochen, für Monate gar, auf einer Reise nach Germanien, und sie konnte sich an den vagen Schmerz erinnern, den das in ihr ausgelöst hatte, die Sehnsucht nach ihm, die Angst ihm könnte etwas zustoßen. Bis sie beschlossen hatte, die Gedanken an ihn zu verdrängen, weil sie das Gefühl hatte dass es zu viel war, dass sie nicht stark genug war, um damit auch noch fertig zu werden, wenn sie zuließ dass die Sehnsucht in ihr schwärte wie eine offene Wunde. Verdrängung, also. Wie so häufig. Verdrängung war ihr Allheilmittel. Als ihr dann aber diese nächste Botschaft in die Hände fiel, fiel es ihr schwer zu glauben, wie abgeschottet sie tatsächlich gelebt hatte, wie sehr sie sich wirklich von allem und jedem zurückgezogen hatte, sogar von ihm, von dem Gedanken an ihn, nur um allein zu sein, nur um nichts mehr mitbekommen zu müssen. Und was sie sonst selten tat, tat sie nun: ohne großartig nachzudenken, ohne erst das Für und Wider abzuwägen oder sich über ihre Beweggründe klar zu werden, ließ sie ihm eine Nachricht zukommen, um ihn zu treffen. Sie wollte ihn sehen. Sie wusste nicht worüber sie hätten reden sollen, sie hatte keinen Plan, kein Ziel. Sie wollte ihn einfach nur wieder sehen. Und so war sie nun hier, in dieser Wohnung, die leer war, mit Raghnall, der allerdings draußen geblieben war, und wartete, hoffte darauf, dass Seneca kam.
Die Wache am Tor hatte sie problemlos passieren lassen, und Seiana war zur Aula Regia gegangen, wo die Audienz stattfinden würde. Obwohl es diesmal völlig anders war als das letzte Mal, als sie hier auf dem Palatin gewesen war, konnte sie sich eines merkwürdigen Gefühls dennoch nicht erwehren. Sie konnte nicht einmal so genau sagen, woran es lag... aber sie fühlte sich unwohl. Vielleicht waren es einfach nur die Menschen, die um sie herum waren, immerhin war sie es momentan nicht mehr wirklich gewohnt, unter Leute zu kommen, zurückgezogen wie sie gelebt hatte.
Seiana hatte lange Zeit die Casa Decima überhaupt nicht verlassen - und als sie es dann tat, geschah es auf eine Einladung der Kanzlei hin, von der sie nicht so recht wusste, was sie halten sollte. Aber eine derartige Einladung schlug man nicht aus... weshalb sie nun hier war und sich von einem Sklaven bei den Palastwachen anmelden ließ: "Decima Seiana hat eine Einladung zu einer Generalaudienz des Kaisers erhalten." Mit diesen Worten zeigte er die Einladung vor.
Fernhändler brauchen aber Lizenzen, was mich zu meiner Bitte führt: könnte der Staat wieder welche zur Verfügung stellen? Die sind nämlich alle seit letzter Woche