Beiträge von Decima Seiana

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    Als plötzlich jemand den Laden betrat und die Glocke dies bezeugte, sah Crios kurz auf, als die schwelende Hoffnung wieder Nahrung bekam und kurz aufloderte. Aber es war nicht Leander, oder gar Axilla selbst, die wundersamerweise über Nacht vollständig genesen war, sondern ein Fremder. Und so wandte er sich zunächst wieder seinem Patienten zu. Das hieß, er wollte es. Aber da war der Neuankömmling plötzlich schon heran und schnauzte den Patienten an, er solle verschwinden, was er gleich darauf auch mit einem Handgriff unterstrich. „Hey, Moment mal!“ Crios sprang ebenfalls auf, aber da hatte der ältere Mann, etwas eingeschüchtert, schon beschlossen das Weite zu suchen. Crios sah ihm kurz hinterher, dann wandte er sich an den anderen, aufgebracht wegen der Störung – und, obwohl er das weder zugegeben hätte noch sich anmerken ließ, ein klitzekleines bisschen auch erleichtert. Noch hatte der Gute ja auch nicht die geringste Ahnung, worum es hier ging.


    „Was-“ setzte Crios gerade dazu an, und hätte er die Frage zu Ende sprechen können, hätte er wohl etwas in der Richtung gesagt wie, was bei Hades den Fremden dazu getrieben hatte, sich hier so aufzuführen, oder warum er Kundschaft vertrieb, oder woher er glaubte das Recht zu haben so etwas zu tun, aber er wurde – nicht unbedingt kunstvoll, aber dafür äußerst effektiv – abgewürgt. Griechischer Halsabschneider, das war schon mal der erste Punkt, bei dem Crios schlucken musste. Aber er kam nicht dazu, sich darüber auch noch, und diesmal richtig und vollständig und ohne jede Erleichterung aufzuregen. Der Kerl sprach weiter, und Crios wurde blass. Es musste etwas passiert sein. Sie hatte nicht überlebt. Und das hier war ein Verwandter. Oh du… Götter. Ihr Götter. Crios rief das gesamte Pantheon an in diesem einen winzigen Augenblick. Helft mir. Helft ihr. Lasst sie nicht tot sein. Crios war sich in diesem Augenblick allerdings völlig sicher, dass seine Gebete umsonst waren. Warum sonst wohl sollte dieser Mann denn hier sein und diese Frage stellen? Er versuchte etwas zu sagen, aber seine Stimme versagte ihm zunächst den Dienst, und er musste sich räuspern und noch mal ansetzen, bevor etwas herauskam. „Ja“, antwortete er schlicht – und hätte sich im nächsten Augenblick selbst dafür ohrfeigen können. Leugnen, leugnen, Himmel noch mal, wie sollten sie ihm denn an den Kragen, wenn ihm keiner nachweisen konnte, dass er es war? Leander war immerhin nur ein Sklave, und… Nein. Iunia Serrana war auch dabei gewesen. Crios wurde, wenn möglich, noch eine Nuance bleicher. Und dann beschloss er, zunächst das zu tun, was ihm immer half – er konzentrierte sich auf das, was er war. Er war Arzt. Und tatsächlich half es, zumindest insofern, als dass er nun wusste, was er als nächstes sagen sollte. „Was ist los? Braucht sie wieder Hilfe?“




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    Ein Tag war vergangen. Ein Tag. Und eine Nacht. Crios wartete im Grunde nur darauf, dass Leander ihn noch mal holte. Er hoffte darauf. Er wollte etwas tun, er wollte helfen – die vorige Nacht war er die ganze Zeit bei der Iunia geblieben. Gegangen war er erst, kurz bevor sich im Haus die ersten geregt hatten. Zu dem Zeitpunkt hatte Axilla geschlafen, aber Leander hatte er gesagt, dass er ihn jederzeit holen konnte, wenn etwas war, oder vorbei kommen, wenn sie etwas brauchten. Wenn zum Beispiel die Kräutermischung zu Ende war, die er noch angefertigt hatte und aus der sie regelmäßig einen Aufguss machen sollten für Axilla, damit sie ihn trinken konnte. Aber zumindest bisher war noch keiner erschienen.


    So ganz konzentrieren konnte Crios sich nicht. Im Augenblick hatte er gerade einen älteren Mann vor sich, der ihm irgendetwas von irgendwelchen Problemen erzählte, davon, dass er – hier hustete er – nun ja, dass er – ein erneutes Husten – also – Räuspern – und hier schaltete Crios irgendwann ab und ließ sein Gehirn im Leerlauf vor sich hindümpeln, weil ihm die Probleme dieses Mannes so… lächerlich vorkamen. Er konnte sich schon vorstellen, was war. Vermutlich stand sein kleiner Kerl nicht mehr so, wie er es sollte. Irgendwas in der Richtung. Er wünschte sich, Iaret wäre hier und könnte übernehmen. Der ließ ihn augenblicklich dankenswerterweise in Ruhe, auch wenn Crios argwöhnte, dass das nicht ewig so bleiben würde – aber im Moment war es so, und er tat nichts, was daran etwas ändern könnte. Insofern war wenigstens das also weit angenehmer, als er es erwartet hätte, denn Iaret konnte fies werden, wenn er wollte. Aber sein Lehrmeister war nicht hier und konnte nicht übernehmen, und so zwang Crios sich wieder in die Gegenwart zurück, wo der Mann gerade etwas von Problemen beim Wasserlassen erzählte.




    Den auffordernden Blick, den Caius ihr zuwarf, begriff Seiana nicht ganz, aber was auch immer er gemeint hatte, schien sich ohnehin zu erledigen, also ignorierte sie es. Was er dann allerdings tat, war weit weniger leicht zu ignorieren, und Seiana… nun, sie fühlte sich nicht gerade… wohl damit. Offen gezeigte Zuneigungsbekundungen waren nicht ihr Fall – der Moment, als Caius sie gefragt hatte ob sie ihn heiraten wollte, war eine Ausnahme gewesen. Nicht unbedingt eine absolute Ausnahme, aber doch eine Ausnahme, und Caius musste das inzwischen eigentlich wissen. Dass er ihr den Arm um die Schultern legte und sie etwas zu sich zog, damit hätte sie sich allerdings dennoch abfinden können. Dass er aber gleichzeitig mit Axilla das gleiche tat, irritierte Seiana. Und so kam es, dass sie – unauffällig, selbstverständlich! – versuchte, sich wieder ein wenig von ihm zu lösen und vernünftig hinzusetzen, was ihr Stück für Stück auch gelang, wenigstens etwas, auch wenn Caius’ Arm im Grunde blieb, wo er war. Bevor sie dagegen aber etwas tun konnte, kam eine Reaktion von Axilla, und was diese nun tat, war noch weniger zu ignorieren. Seianas Augenbrauen wanderten wieder nach oben, obwohl sie sich bemühte, sich ihr Erstaunen nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Wie viel hatte die Iunia denn getrunken? Sie begann zu singen, begann sich zu bewegen, auf eine Art, die – wie Seiana durchaus bemerkte – nicht wirkungslos blieb bei den Männern im Raum. Caius eingeschlossen. Er starrte sie an, als wollten ihm gleich die Augen herausfallen. Und das gefiel Seiana definitiv nicht. Dass er nun die Arme wieder zu sich nahm, spielte da keine Rolle. Er war verlobt, bei den Göttern! Mit ihr! War es da zu viel verlangt, dass er sich zusammenriss? Es war ja nicht so, als wäre er allein mit Freunden unterwegs – sie, seine Verlobte, saß doch direkt neben ihm!


    Bevor sie allerdings etwas tun oder sagen konnte, stand Axilla nun auf und kam um die Cline herum, schwankte zu ihr und ließ sich vor ihr auf die Knie sinken. Oder fallen? Seiana konnte es nicht so genau sagen. In ihren Ohren klang noch das etwas wirre Gerede über Dionysos, Nymphen, und das Frauen den Gott viel besser verstehen könnten, weil sie eben Nymphen seien. Seiana konnte dem nicht wirklich zustimmen, zumindest nicht, was sie betraf. Sie war ganz sicher keine Nymphe, das wüsste sie. Axilla allerdings sah sie an aus grünen Augen, nein, nicht sah, strahlte sie an, und als hätte sie Seianas Gedanken gelesen, widersprach sie ihr und behauptete das Gegenteil. Während sie ihr über die Wange fuhr. Nein, nicht fuhr, streichelte. Seianas Lippen öffneten sich leicht, sie wollte widersprechen, wusste aber nicht so recht was sie sagen sollte und wie – sollte sie es empört abweisen, sollte sie leicht darüber lachen, sollte sie… Sie kam nicht einmal ansatzweise zu einem Entschluss. Sie kam noch nicht einmal dazu, ihre verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten bis zum Ende durchzudenken, was die Grundlage einer Entscheidung gewesen wäre. Wie von weiter Ferne hörte sie Imperiosus’ Worte, aber ihr Blick hing wie gebannt an dem von Axilla, als diese ihre Hand nun in Seianas Nacken wandern ließ und ihren Kopf zu sich zog. Als die Lippen der Iunia die ihren berührten, waren Seianas Gedanken wie weggefegt. Weg. Einfach weg. Und dann schien sie in mehrere Teile zu zerfallen. Einer davon begann zu protestieren. Begann zu fordern, dass sie Axilla empört von sich fortschubste, dass sie sich – zu Recht! – zu echauffieren begann und dann ihre Sachen packte und ging, gleich wie das wirken mochte, gleich ob Caius sie begleitete oder nicht. Ein anderer Teil begann fast rational zu analysieren, was da gerade geschah – was Axilla tat, wie die anderen darauf reagierten, wie sie darauf reagierte. Und wieder ein anderer Teil… erlebte einfach. Spürte. Schmeckte. Roch. Die weichen Lippen, der Wein, die sachte Bewegung… Es war so anders, stellte der rationale Teil fest, so anders als die wenigen Male, die Caius sie geküsst hatte. Weniger… nun ja, fordernd. Trotzdem leidenschaftlich. Der andere Teil – ihr Es, wie man es später vielleicht nennen mochte, der instinktive, triebhafte Teil, den sie unterdrückte so gut es ging, der aber selbstverständlich auch in ihr vorhanden war – genoss. Was dem Teil, der empört war und von ihr als Ganz lautstarke Empörung einforderte, überhaupt und ganz und gar nicht gefiel. Alles in allem tobte in Seiana gerade ein Chaos ohnegleichen, und das führte letztlich dazu, dass sie kaum sichtbare Reaktionen zeigte. Sie stieß Axilla nicht weg. Sie saß einfach nur da. Ihre Augenlider flatterten und schlossen sich ein wenig, ein Tribut an den Teil in ihr, der tatsächlich genoss, was gerade geschah – ebenso ein Tribut wie die Tatsache, dass ihre Lippen nicht vollkommen steif und unbeweglich blieben, sondern sich leicht öffneten, weich waren, sich küssen ließen – wenn sie den Kuss denn schon nicht wirklich erwiderten.

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    Crios kam kaum dazu, Axilla etwas von der Flüssigkeit einzuflößen, da beugte sie sich nach vorne und erbrach sich auf das Bett – und das nicht zum ersten Mal, wie er nun feststellte. Er biss sich auf die Unterlippe und neigte sich dann zur Seite, zu seiner Tasche, von wo er einen kleinen Beutel hervorzog. Mit einigen raschen Bewegungen hatte er dem Flakon – in dem eine Mischung aus Wein, gekochter Erdkieferwurzel und Schlafmohn schwappte – etwas Dill hinzugefügt. Der Trank brachte nichts, weder gegen die Schmerzen noch gegen den Blutfluss oder die Krämpfe, wenn sie ihn nicht bei sich behielt. Anschließend lehnte er sich wieder zu ihr, hielt leicht ihren Kopf und versuchte erneut, ihr etwas einzuflößen. „Ssssh“, machte er beruhigend und versuchte den flehentlichen Blick zu ignorieren, mit dem sie ihn ansah. Das hier war seine Schuld. Er hätte länger versuchen müssen, sie zu überzeugen es sein zu lassen. Hätte drastischer werden müssen in der Beschreibung dessen, was sie erwartete. Er wollte Menschen gesund machen, nicht krank… und Axilla lag hier und wand sich vor Schmerzen, weil er nachgegeben und ihr den Trank zusammengemischt hatte, den sie gewollt hatte.


    Crios blieb bei seinen Bemühungen, bis Axilla erfolgreich ein paar Schlucke getrunken hatte, dann stöpselte er den Flakon wieder zu und stellte ihn auf die Seite. Jetzt erst sah er hoch, zu der anderen jungen Frau, die noch im Raum war – das musste Serrana sein. „Nicht viel. Aber die kalten Laken waren ein guter Anfang“, versicherte er ihr, während er erneut Axillas Unterleib abtastete. Die Krämpfe hatten zu Verspannungen geführt, ließen ihren Bauch hart wie Stein wirken. Und die Kälte tat hierzu ihr Übriges, aber es ging nicht anders. Wärme hätte den Blutfluss nur noch mehr gefördert. Aber die Verhärtungen waren dort, wo er sie erwartet hatte, was immerhin bedeutete, dass sie nicht noch an etwas anderem litt. Nach einem winzigen Augenblick des Überlegens griff er wieder nach der Tasche, holte sie diesmal auf das Bett hoch. „Das Bett sollte sauber gemacht werden“, sagte er ins Zimmer hinein, während er herausholte, was er nun brauchte. Wolle, fest zusammengebunden, Teile von schwarzem Nachtschatten, Weihrauchrinde, ein flache Schale. Mit einem kleinen Mörser zerstieß er die noch etwas groben Pflanzenteile, bis sie fein waren, mischte sie mit etwas Essig auf und tränkte die Wolle dann darin. Anschließend sah er hoch. Die Römerin hatte etwas tun wollen, und er winkte sie zu sich, während er gleichzeitig das mit kaltem Wasser und Blut getränkte Laken von Axillas Beinen fortnahm. „Sie braucht das hier als Zäpfchen. Kannst du ihre Beine auseinander halten?“ Und zu Axilla gewandt: „Ich werde dir etwas einführen, das helfen wird, den Blutfluss zu stoppen. Es wird etwas brennen.“ Vermutlich nichts im Vergleich zu dem, was sie ohnehin gerade an Schmerzen litt, aber dennoch war es Crios wichtig, es ihr zu sagen, sie vorzuwarnen – sie auf dem Laufenden zu halten über das, was er tat. „Versuch ruhig zu bleiben“, murmelte er noch, bevor er sich ans Werk machte.




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    Wenn es um einen Notfall ging, war Crios immer bei der Sache, aber das hier war noch mal was anderes. Er war sich nach wie vor nicht sicher, ob er nicht einen grundlegenden Fehler begangen hatte. Vielleicht wäre es besser gewesen, sich aus der ganzen Sache herauszuhalten. Wenn jetzt etwas schief ging, wirklich schief, dann würde die Familie wohl ihn verantwortlich machen, und das noch nicht einmal zu Unrecht. Aber das war es nicht, was ihm wirklich zu schaffen machte. Wenn der Iunia etwas zustieß, und es war seine Schuld… Crios biss die Zähne aufeinander, bemühte sich die Worte des anderen Griechen, dass es ihr sehr schlecht ginge, zu verdrängen, ohne dabei wirklich erfolgreich zu sein, und war dankbar für jedes Mal, da der Sklave seine Schritte noch ein wenig beschleunigte. Als sie ankamen und Leander meinte, sie müssten leise sein, nickte Crios nur. Es wusste niemand, und er konnte sich denken, warum das so war, immerhin hatte Axilla ja sehr deutlich klar gemacht, dass sie nicht wollte, dass irgendjemand davon erfuhr. Als der andere aber dann von einer anderen Herrin anfing, die bei Axilla war, runzelte er die Stirn. Es war also doch noch jemand eingeweiht. „Wie viel weiß sie?“ murmelte er leise, während Leander ihn durch das Haus zum Zimmer der Iunia führte.


    Als Crios das Zimmer betrat, brauchte er nur einen Blick um festzustellen, dass es Axilla übel erwischt hatte. Wirklich übel. Er hatte keine praktische Erfahrung damit, wie der Trank wirkte, was ihn etwas hilflos machte, weil er rein nach Vermutung handeln musste, weswegen er noch nicht einmal genau sagen konnte, ob sich das hier nicht vielleicht doch im Bereich des Normalen abspielte. Er wusste, dass die Wirkung des Tranks sehr heftig war. Sie musste es sein, immerhin sollte er bewirken, dass der Körper das Kind abstieß. Und nach allem, was er wusste, was er gelesen und gelernt hatte, war es bei keiner Frau damit getan, dass sie einfach nur ein wenig Bauchweh hatte – entsprechend hatte er ja auch Axilla vorgewarnt. Mit wenigen, schnellen Schritten war er bei ihr, ignorierte die Frau, die bei ihr saß, und untersuchte Axilla rasch, prüfte ihre Augen, tastete über ihren Bauch, ihren Unterleib, fühlte ihren Puls und ihre Stirn. Die Krämpfe… die Krämpfe könnten noch im Rahmen des Normalen sein. Aber so viel Blut, wie er sah, hätte sie nicht verlieren dürfen. Er griff in die Tasche und zog einen Flakon heraus. „Hörst du mich, Axilla?“ Crios legte eine Hand an ihre Wange und tätschelte sie leicht, versuchte ihre Aufmerksamkeit zu erregen. „Das hier wird deine Schmerzen lindern.“ Er wusste nicht genau, ob sie tatsächlich wahrnahm, was er sagte, aber er sprach es dennoch aus, nur für den Fall, bevor er ein paar Schlucke des Flakoninhalts Axilla vorsichtig einflößte.




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    War Crios bis jetzt noch nicht wach, der böse Blick, der ihn traf, bewirkte es endgültig. Wenn jemand in der Nacht an die Tür der Taberna hämmerte und so reagierte, dann war er wegen eines Notfalls hier. „Bin ich“, bestätigte er knapp die Frage danach, wer er war, und dann wollte er gerade nachfragen, um was für einen Notfall es sich handelte, um wenigstens ungefähr zu wissen, was er mitzunehmen hatte, setzte schon dazu an, als es ihm wie Schuppen von den Augen fiel. Axilla. Leander. Die Iunia. Ihr Sklave. Er starrte ihn an. „Leander. Bist du Leander?“ Crios wartete kaum die Bestätigung ab, bekam sie nur am Rand mit, da war er schon im Inneren verschwunden. Sein Kopf schien vorübergehend Teile seiner Betriebstätigkeit eingestellt zu haben. Er wusste genau, was zu tun war, was er packen musste, aber er dachte nicht nach. Hätte er sich vorher über diesen Moment in diesem Detail vorgestellt, er hätte erwartet, dass ihm unzählige Gedanken durch den Kopf schießen würden, was wohl los war, wie es ihr ging, dass er doch einen Fehler gemacht hatte, ob es wirklich sein Fehler gewesen war – aber da war nichts. Sein Kopf schien wie leergefegt, während er routinemäßig die bereits vorgepackte Tasche zusätzlich noch mit allem auffüllte, was er brauchen würde oder könnte. Als Iaret nach ihm rief, antwortete er nur knapp: „Das ist ein Freund. Er braucht Hilfe, schlaf weiter, ich kümmer mich drum.“ Jetzt, zum ersten Mal, blitzte ein Gedankenfetzen in seinem Bewusstsein auf, wie ein fernes Wetterleuchten am Horizont: war es nicht besser, Iaret mitzunehmen? Wenn er ihn nun brauchte… war es da nicht besser, Iaret war schon dabei, als dass er ebenfalls noch extra geholt werden musste? Aber der Gedanke leuchtete nur kurz auf und versank dann wieder in der Dunkelheit. Er konnte Iaret jetzt nicht einweihen. Er hätte es gleich tun müssen, noch am selben Tag, als er der Iunia den Trank verkauft hatte. Wenn er es jetzt tat, würde er gewaltigen Ärger bekommen, das wusste er, und wenn sich das irgendwie vermeiden ließ, wollte er es vermeiden. Und die Iunia hat doch selbst gewollt, dass es keiner erfährt, verteidigte er sich lautlos vor sich selbst, und nur einen Lidschlag später war er wieder an der Tür, trat hinaus und zog sie hinter sich zu. „Wohin?“




    Hätte Seiana geahnt, was Faustus durch den Kopf schwirrte, hätte sie wohl die Augen verdreht – jetzt erst recht, nachdem der Rauch begann, ihr mehr und mehr den Kopf zu vernebeln begann, auf diese angenehme Weise, die sie noch von früher kannte, die dazu führte, dass sie sich so leicht fühlte wie sonst nie, wie seit Jahren nicht mehr, seit ihrer Jugend, ihrer Kindheit, in der alles so herrlich leicht erschienen war… Es ging doch nicht darum, dass er der kleine Bruder war. Es ging darum, dass sie füreinander da waren. Er war doch auch da für sie, wenn sie jemanden brauchte. Aber Seiana ahnte nichts davon, hörte nur seine Zusicherung, und ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem angedeuteten Lächeln. Sie machte sich trotzdem Sorgen um ihn. Aber immerhin hatte er es ihr wenigstens versprochen, dass er zu ihr kommen würde, auch in Zukunft.


    Als die Pfeife wieder bei ihr war, nahm sie einen weiteren Zug, sog den Rauch tief in die Lungen. Je länger sie das rauchte, desto besser funktionierte das wieder, stellte sie fest. Etwas versonnen folgte ihr Blick den Rauchschwaden, als auch Faustus den seinen abwandte, während er an- und wieder absetzte, etwas zu sagen. Ihr simples ja… sie konnte nicht sagen, ob es ausreichte oder nicht. Als er dann wieder zu sprechen anfing, sah sie ihn immer noch nicht an, sondern sah die Rauchschwaden an, die merkwürdig verschlungene Formen zu bilden begannen. Es war kein bewusster Gedanke, der sie dazu antrieb, mehr ein Gefühl, ein Gefühl, dass sie noch nicht einmal wirklich greifen konnte, geschweige denn in Worte formulieren – ein Gefühl, dass es womöglich besser war, ihn jetzt nicht anzusehen. Dass er sonst womöglich aufhören würde, zu reden. Langsam senkten und hoben sich ihre Augenlider, in einem verzögerten Blinzeln, und Stück für Stück wanderte ihr Blick dann doch wieder zu ihrem Bruder. Stück für Stück, je mehr Worte über seine Lippen kamen. Sie sah ihn Momente lang einfach nur an. Sein Erastes. Sollte sie das überraschen? Sie wusste es nicht. Fakt war: es tat es nicht. Sie lauschte in sich hinein, aber da war… nichts. Faustus war einfach Faustus. Es war ihr gleichgültig, welches Geschlecht er bevorzugte. Es spielte keine Rolle für sie, was er tat, oder wie er lebte… oder wen er liebte. Hätte er den Lebenstraum seines 16jährigen Selbst verwirklicht, es würde nichts daran ändern, was er für sie war, was sie für ihn empfand. Genauso wenig, das merkte sie in diesem Augenblick, war relevant, was er ihr gerade erzählt hatte. Nicht für das, was er ihr bedeutete. Hätte ihr ein anderer Mensch das erzählt, ein anderer ihrer Brüder, wären sie nicht tot, ein Freund, irgendjemand… sie hätte anders reagiert. In gewisser Weise war sie so konservativ geworden, wie ihre Mutter es sich wohl gewünscht hatte, achtete strikt auf das, was Ehre und Anstand geboten. Sie brach die Regeln, oder das, was sie für die Regeln hielt, nicht einfach so aus Spaß, oder Unwissenheit. Sie tat es jedes Mal in vollem Bewusstsein dessen, und nachdem sie abgewogen hatte. Und dass sie sich nicht an alles hielt, was sich schickte, dass sie manchmal selbst gegen das handelte, was sie eigentlich für angemessen und ehrbar hielt, änderte nichts an dem, was sie dachte, wie sie urteilte – dass sie andere wohl schnell verurteilen konnte, wenn sie gegen die Regeln der Ehre und des Anstands verstießen, sofern sie ihr nicht eine wirklich gute Begründung liefern konnten, eingeschlossen des Nachweises, dass sie darüber nachgedacht hatten. Aber Faustus… Faustus war wohl der eine, einzige Mensch, den Seiana auf eine Art liebte, die schlicht alles zuließ.


    Nein, es spielte keine Rolle für sie. Faustus war einfach Faustus, egal was er sagte oder tat. Egal was geschah. Was allerdings eine Rolle spielte, war die Tatsache, dass dieser Mann ihm offenbar weh getan hatte. Auf eine Art, die, wie ein winziger Teil von ihr gerade ebenfalls schmerzlich realisierte, sie selbst wohl niemals erleben würde, weil sie derartige Gefühle nicht empfinden konnte. Oder nicht zuließ? Nicht empfinden konnte, mutmaßte sie. Es spielte auch keine Rolle. Sie sah Faustus an. „Es tut mir leid“, murmelte sie. „Dass es nicht geklappt hat. Dass er dir weh getan hat…“

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    An jenem Tag hatte Crios noch lange einfach da gestanden, bevor er sich schließlich in einen der Stühle hatte fallen lassen. Und da gesessen war. Die Zweifel, ob es richtig gewesen war, was er getan hatte, blieben. Er wusste nichts über sie. Er wusste nicht, ob ihre Familie damit einverstanden war. Oder ihr Liebhaber. Das Zeug konnte sie umbringen, wenn es schlecht lief. Und dann wäre er schuld. Crios saß einfach nur da und starrte vor sich hin, bis Iaret wieder zurückkam, von dem er sich eine Standpauke anhören durfte, weil der ganze Verwaltungskram noch nicht mal halbwegs erledigt gewesen war, was Iaret zunächst der Einstellung Crios’ zuschob – es war nicht wirklich das erste Mal, dass das passiert war, immerhin sah Crios sich nicht als Verwalter oder ähnliches, sondern als Arzt. Aber dann war ihm natürlich aufgefallen, dass Crios merkwürdig ruhig war, für seine Verhältnisse – und das war der Moment, in dem der junge Grieche versucht hatte, sich zusammenzureißen. Er hatte nichts gesagt, sondern versucht es irgendwie abzutun, und Iaret hatte es auf sich beruhen lassen, aber die nächsten Tage hatte er ihn genauer im Blick gehabt als sonst, das war Crios durchaus aufgefallen. Und da er sich, zumindest die ersten Tage, unter einer dauerhaften Anspannung zu befinden schien, war das alles andere als angenehm, musste er doch quasi ständig auf der Hut sein. Jedes Mal, wenn jemand hereinkam, befürchtete er es könnte die Iunia sein, oder ihr Sklave. Aber die Tage vergingen, und nichts geschah. Keine Axilla, kein Leander kamen hereingestürmt, weder des Tags noch Nachts. Und Crios beruhigte sich zusehends. Und zu früh.


    Nach etwa zehn Tagen wurde Crios geweckt, als jemand draußen wie wild an der Tür hämmerte und etwas rief. Iaret brummte nur und drehte sich um – das war auch so einer der Vorteile davon, der Lehrmeister zu sein, dachte Crios verschlafen und etwas grummelig –, und nach einem weiteren winzigen Moment quälte er sich aus seinem Bett, schnappte sich eine Tunika und ging zur Tür, während er sich streckte und zugleich irgendwie das Kleidungsstück über seinen Kopf zog. Bis er angekommen war und die Tür öffnete, fühlte er sich auch wach genug, um angemessen zu reagieren. „Was gibt es?“ Etwas verschlafen mochte seine Stimme noch klingen, aber das änderte nichts daran, dass er sein Gegenüber aufmerksam ansah.




    Es war nicht unbedingt so, dass Seiana nicht genug zu tun hätte. Aber sie brauchte Ablenkung, Ablenkung von all dem, was ihr im Augenblick zu schaffen machte. Und den Wirtschaftskurs hatte sie ohnehin schon seit einiger Zeit besuchen wollen. Also schrieb Seiana sich für den Kurs Rebus Mercatoris ein.


    Sim-Off:

    Überwiesen

    „Medizin am Iatreion?“ Seianas Augenbrauen rutschten ganz leicht nach oben, teils ein wenig überrascht, teils anerkennend. „Ich habe erst vor kurzem eine Taberna Medica übernommen. Wenn du Zeit hast, kannst du gerne einmal vorbei sehen und meine Angestellten unter die Lupe nehmen“, lachte sie leise. Dann verklang das sachte Geräusch, als Valeria nach dem fragte, was sie hier tat. „Nun, ich… kümmere mich augenblicklich in erster Linie um meine Geschäfte. Wie gesagt, die Taberna Medica ist noch neu, für mich zumindest, da gibt es einiges in das ich mich einarbeiten muss. Und dann wären da noch zwei andere, die derzeit zwei andere, deren Hauptgeschäfte in Alexandria laufen, die ich nach Rom verlagern möchte – einen davon hatte ich dort gegründet, da muss ich hier erst mal geeignete Räumlichkeiten finden…“ Und dann musste sie überlegen, ob sie die Filialen in Alexandria überhaupt behalten wollte, aber das hatte noch Zeit. „Das lastet mich momentan ziemlich aus. Ich hatte überlegt, an der Schola tätig zu werden – ich habe aushilfsweise bereits für sie gearbeitet. Aber im Augenblick sehe ich nicht, wie ich die Zeit dafür aufbringen soll.“ Und sie wusste auch nicht, wie es in Zukunft werden würde. Immerhin hatte sie vor zu heiraten, und wer wusste schon, was danach alles auf sie zukommen würde. Und wenn es nur das war, dass sie tatsächlich so bald schwanger wurde, wie Caius es wohl gerne hätte… Nein, es war besser, sich nicht zu viel aufzuhalsen, wenn sie sich nicht sicher war, dass sie es schaffen konnte. Dann lächelte sie Venusia zu, als diese auf ihre Frage antwortete. „Ich kann nicht beurteilen, wie die Einkaufsmöglichkeiten in Misenum sind – aber ich kann mir gut vorstellen, dass es in Rom weit besser aussieht.“ Auch wenn sie persönlich eher der Auffassung war, dass weniger Auswahl letztlich mehr war. Es war nicht unbedingt so, dass sie Einkaufen hasste. Nicht, wenn es zielgerichtet, effizient und in kurzer Zeit erledigt war. „Schön, dass du noch ein wenig bleibst. Vielleicht ergibt sich dann noch die ein oder andere Gelegenheit, dass wir uns näher kennen lernen.“


    Bei dem folgenden Thema warf Seiana dann Faustus einen kurzen Seitenblick zu, bevor sie eine der Muscheln aß. Die Erinnerung an ihr Gespräch im Stall hätte es nicht gebraucht, um ihr klar zu machen, dass Faustus das Thema nicht unbedingt angenehm war – sie kannten sich einfach zu gut, und ganz davon abgesehen war dieses Thema wohl kaum einem Mann angenehm, der keine Freundin vorzuweisen hatte, wenn ihn seine Familie danach fragte. Wie sie jetzt allerdings reagieren sollte, um ihn aus der Schusslinie zu bringen, war Seiana völlig unklar. Sie könnte versuchen, das Thema auf sich und ihre Hochzeit zu lenken, aber das… passte einfach nicht. Ihr fiel nichts ein, wie sie das so hinbekommen könnte, dass es elegant wirkte und nicht plump – oder gar aufmerksamkeitsheischend. Und davon mal ganz davon abgesehen war Faustus nach wie vor nicht gut auf dieses Thema zu sprechen. Und dann sprach Valeria eine Frage aus, die Seiana tatsächlich überraschte. „Die Glückliche?“ wiederholte sie in fragendem Tonfall. So wie die andere Decima ihre Frage formuliert hatte, klang es nach einer Tatsache, dass Faustus eine Freundin hatte – oder vermutete sie das einfach nur? Ohne in diesem Augenblick daran zu denken, dass bereits Valeria und Venusia zu Faustus sahen, warf sie ihm nun auch einen fragenden Blick zu.

    Wirklich beruhigt war Seiana nicht, als sie Faustus’ Antwort hörte. Einer muss es aber tun. Einfach aufhören geht nicht. Ich komme schon klar. Nein, das beruhigte sie keineswegs, aber irgendwie war ihr Hirn ein wenig zu vernebelt, als dass sie all die Gegenargumente fassen könnte, die in ihrem Kopf herumschwirrten. Es gab genügend, aber sie wollten einfach nicht still halten, nicht genug, nicht so, dass sie sie in Worte hätte formulieren können. Was würde die Familie denken… Sie starrte vor sich hin, während diese Worte sie einzuhüllen schienen. Die Familie… Es war so wichtig, was die Familie dachte, sie wusste das, aber in diesem Augenblick schien sie nicht mehr sagen zu können, warum es eigentlich so wichtig war. Sie wollte Faustus sagen, dass es egal war, was die Familie dachte. Und dass sie ganz sicher nicht schlecht von ihm denken würde, wenn er aufhörte, wenn er tat, was er tun musste, um sich selbst zu schützen. Aber auch das sagte sie nicht, weil Faustus weiterredete, und was in ihrem Kopf dann hängen blieb, so, dass sich Worte zu einer Antwort fanden, war das, was er zuletzt sagte. „Dann erzähl mir davon. Ich meine, auch in… weiß nicht, ein paar Tagen. Ein paar Wochen. Immer, bevor es dir zu viel wird. Ja?“ Mehr konnte sie ihm nicht tun für ihn, aber wenn ihm das tatsächlich half, dann hörte sie ihm nur zu gerne zu – ganz abgesehen davon, dass sie es genoss, so mit ihm zusammen zu sein. Es war schon viel zu lange her, dass sie so miteinander hatten reden können, fand sie, und sie stellte fest, dass sie es vermisst hatte. So sehr vermisst… Obwohl das Thema eher ernst war, verzogen sich ihre Lippen zu einem ganz leichten Lächeln, und sie lehnte kurz den Kopf erneut an die Wand hinter sich.


    Als Faustus dann zu erzählen begann von diesem Sklaven, verflog ihr Lächeln, wie sacht es auch gewesen sein mochte. Ihr Kopf blieb an der Wand, drehte sich aber zu ihm, während Worte von seinen Lippen perlten, die in ihrer Gesamtheit so viel mehr zu sagen schienen als die einzelnen Sätze. Zum einen begann sie zu begreifen, wie wenig sie von Faustus eigentlich wusste. Sie waren sich so nahe gewesen, als Kinder, als Jugendliche… und das wirkte sich naturgemäß immer noch aus auf sie, ließ ihre Beziehung zueinander immer noch eng sein, ihr Verständnis füreinander immer noch groß. Aber abgesehen davon: was wusste sie schon von ihm, von seinem Leben? Und er umgekehrt von ihrem? Faustus hatte also in einem Theaterstück mitgespielt… das ein Erfolg gewesen war… Die Leute, die ihre Mutter auf ihren jüngsten Sohn angesetzt hatte, hatten das offenbar nicht mitbekommen, oder sie hatten vergessen es zu erzählen, oder es nicht für wichtig gehalten, oder das war eine der Berichterstattungen gewesen, die sie nicht mitbekommen hatte, aber es war wichtig, es war so wichtig… Das war doch viel wichtiger als all die negativen Dinge, die sie erzählt hatten, darüber wie Faustus immer tiefer in eine Abwärtsstrudel geraten war, fand sie. Seiana blinzelte. Was Faustus’ Worte noch verrieten, dass ihm dieser Sklave viel bedeutet hatte. Dazu bedurfte es nicht des leisen Schniefens, das an ihr Ohr drang, um ihr das klar zu machen. „Faustus…“ murmelte sie leise, und ein wenig betroffen. Er vermisste diesen Sklaven. Er trauerte um ihn. „Ich glaub ich hätt ihn gern mal kennen gelernt…“ Dann erwiderte sie Faustus’ Blick, als dieser sie ansah, mit einer Intensität, die sie ein wenig schaudern ließ. „Ja“, antwortete sie schlicht.

    „Ich freue mich auch, dich kennen zu lernen“, antwortete Seiana Venusia. Dann lächelte sie Valeria zu und wollte gerade erwidern, dass sie ihr gerne die Sachen auslieh, als Mattiacus den Raum betrat und ihre Verwandte begrüßte. Die zwei schienen sich offenbar schon länger zu kennen, und so wartete Seiana ab, während sie sich kurz unterhalten. Bei dem anschließenden Trinkspruch hob auch sie ihren Becher und nickte Valeria kurz zu, bevor sie sich den Vorspeisen widmete, die die Sklaven währenddessen servierten. Mattiacus verabschiedete sich gleich darauf schon wieder, und nun fand auch Seiana die Gelegenheit, erneut ins Gespräch einzusteigen. Sie lächelte etwas verlegen, als Faustus vom Museion sprach. „Na ja, es war eher ein erster Gehversuch. Ich hatte nicht die Gelegenheit, dort dann wirklich anzufangen, obwohl ich es gerne getan hätte. Meine Rückreise nach Rom kam dann dazwischen – allerdings war es für mich schon ein Erfolg, überhaupt die Möglichkeit bekommen zu haben, dass ich dort hätte lehren und lernen können. Was hast du denn am Museion gelehrt?“ Während Faustus und Valeria sich dann weiter unterhielten, lächelte Seiana Venusia zu. „Du wohnst doch in Misenum, nicht wahr? Weißt du schon, wie lange du noch in Rom bleiben wirst?“

    Mit einem Lächeln erwiderte Seiana den Gruß des Ianitors, bevor einem Sklaven mitteilte, was sie zu trinken wünschte – stark verdünnten Wein – und sich dann neben Caius niederließ, dessen Magen gerade ein Geräusch von sich gab. Sie warf ihm ein kurzes Schmunzeln zu und betrachtete dann bewundernd die kunstvolle Dekoration, während sie auf ihre Gastgeber warteten.

    Als Seiana Caius’ Lächeln sah, musste sie auch lächeln. Er schien zufrieden zu sein, und auch sie fand, dass das Gespräch bisher recht gut verlaufen war – vor allem dafür, dass sie anfangs doch recht nervös gewesen war. Und dafür, dass sie nur knapp das ein oder andere Fettnäpfchen umschifft hatte. Bei Caius’ nächster Frage merkte auch sie auf, immerhin interessierte sie dieses Thema auch ziemlich – sie war auch nicht unbedingt begeistert von der Vorstellung einer großen Feier. Ihre Hochzeitsfeier würde ohnehin schon größer werden, als ihr lieb war, und wenn sie es irgendwie im Rahmen halten konnte, war ihr das nur zu Recht. Von daher erleichterte sie Quartos Antwort deutlich. „Ja, dass die Familien eingeladen werden, versteht sich von selbst. Ich freue mich auch schon darauf, vielleicht den ein oder anderen Verwandten aus Tarraco wieder zu sehen.“ Seiana wusste nicht, ob jemand von ihrer Familie aus Spanien anreisen würde, aber es konnte ja sein.

    Ganz leicht zogen sich Seianas Brauen zusammen, als sie mitbekam, wie Caius und Axilla miteinander herumtuschelten – sie hatte es schon von Anfang an mitbekommen, immerhin saß sie auf Caius’ anderer Seite, aber sie hatte es bewusst ignoriert, solange das noch ging, hieß das. Nach Caius’ etwas lauterem Ausruf nun und der Präsentation seiner Zunge war das allerdings nicht mehr möglich, und Seiana kam nicht umhin, sich ein wenig, nun ja, zu wundern. Schon als Axilla und sie sich unterhalten hatten, war sie ein wenig überrascht gewesen, als ihr aus den Worten der Iunia klar geworden war, wie gut die beiden tatsächlich befreundet waren – und es war noch einmal etwas ganz anderes, das nun so vorgeführt zu bekommen. Und sie wusste nicht so recht, ob ihr das gefiel. Die nächsten Augenblicke widmete sie sich ihrem Essen, bevor sie Caius dann wieder anlächelte, diesmal allerdings nicht ganz so… ehrlich wie zuvor noch, sondern ein wenig befangen – was allerdings nur genauen Beobachtern auffallen könnte, wenn überhaupt, war Seiana doch recht gut darin, eine Maske aufzusetzen. „Wenn das so ist, dürfte das Leben mit einem Aelier angenehm werden.“


    Bei den darauffolgenden Erzählungen hörte Seiana zunächst wieder nur zu – bis Axilla anfing zu kichern. Sie sah zu ihr hinüber, und diesmal rutschten ihre Augenbrauen eine Winzigkeit nach oben. Wie viel hatte Axilla schon getrunken? Irgendwie bekam sie das Gefühl, dass es vielleicht besser war, wenn jemand Axilla jetzt nach Hause brachte. Sie allerdings war nicht wirklich die Richtige dafür, immerhin waren sie beide nicht unbedingt das, was man als Freundinnen bezeichnen könnte, auch wenn sie die Iunia mochte und sich gut mit ihr unterhalten hatte.

    [Blockierte Grafik: http://img210.imageshack.us/img210/4457/crios.jpg~Crios~


    Crios sah Axilla an, ein wenig forschend, versuchte zu erkennen, was in ihr wohl gerade vorgehen mochte. Sonderlich gut gelang ihm das nicht. Axillas Gesicht war zwar nicht unbedingt das verschlossenste, aber abgesehen davon, dass Crios auch nicht unbedingt der feinfühligste war, war das hier einfach eine Situation, die er nicht nachvollziehen konnte. Ebenso wortlos, wie sie ihm die Münzen reichte, nahm er sie entgegen und legte sie ohne nachzuzählen auf den Tisch. „Ich schlafe hier.“ Crios machte eine vage Handbewegung schräg nach hinten. Iaret hatte zwar für sie beide noch anderswo eine Unterkunft, aber Crios blieb meistens hier. Selbstverständlich waren sie auch für Notfälle in der Nacht erreichbar, und da zum einen die Taberna zentraler lag und zum anderen Iaret ohnehin nicht jedem erzählen wollte, wo er wohnte, da Crios darüber hinaus ein Langschläfer war, war es das einfachste, wenn er hier schlief. Viel brauchte er nicht, daher war das vollkommen in Ordnung. „Meistens allein, nur… für den Fall, dass Iaret auch hier ist, sollte dein Sklave sagen, er ist ein Freund von mir. Wie heißt er?“


    Danach schien Axilla für einen Moment zu überlegen. „In Ordnung“, antwortete er dann, nur um gleich im Anschluss leicht den Kopf zu schütteln. „Mach dir keine Sorgen, das werde ich nicht“, wiederholte er, was er schon zu Beginn ihrer Unterhaltung versichert hatte. Und dann wusste er nicht mehr, was er sagen sollte. „Ja… ehm, wenn du Hilfe brauchst, sag deinem Sklaven er soll in die Seitengasse gehen und an der Tür dort klopfen. Sonst… viel Glück.“ Kaum hatte er das gesagt, hätte Crios sich am liebsten selbst geohrfeigt. Viel Glück. Er wünschte ihr viel Glück? Na großartig, als ob es Glück war, was sie jetzt brauchte, eher viel Kraft und der Segen der Götter, aber das würde vermutlich genauso falsch ankommen und noch bescheuerter klingen. Er hatte einfach kein Talent, Worte zu finden, die solchen Situationen angemessen waren.




    Seianas Lächeln, dass sie trotz der merkwürdigen Stimmung noch gehalten hatte, erstarrte zusehends, je länger Livianus sprach. Sie sah ihren Onkel an, ohne seinem Blick auszuweichen, obwohl sie am liebsten weggesehen hätte, gleich schon als es hieß, er habe keinen Brief bekommen. Dann jedoch, als er sagte er hätte bereits von der Verlobung erfahren, aber nicht aus eben jenem Brief oder gar von Meridius, sondern von Aelius Quarto, schloss sie tatsächlich für einen Moment die Augen, und auch ihre Lippen pressten sich aufeinander. Das war das Schlimmste, was hätte passieren können. Dass er nicht von ihr, nicht einmal von einem Familienmitglied von ihrer Verlobung erfuhr, sondern von jemand Außenstehendem. Sie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte, aber ihr Glück war, dass sie noch nichts darauf sagen musste – denn ihr Onkel war noch lange nicht fertig. Seiana gab das immerhin die Gelegenheit, zunächst in Ruhe ihre Gedanken zu sammeln, hätte sie doch jetzt wohl erst einmal herumgestottert. Pech daran war, dass Livianus ihr nur noch mehr gab zum Verdauen. Als nächstes sprach er nämlich von Gefühlen, von Liebe – und sie begann sich zu fragen, was für einen Eindruck sie eigentlich auf die Menschen um sich herum machte. Faustus hatte auch schon davon geredet, hatte sogar gemeint, dass die Liebe ihr wohl die Vernunft geraubt hätte. Wirkte sie tatsächlich so? Wirkte sie wie jemand, der sich Hals über Kopf verliebt hatte? Sie hatte war diese Verlobung überlegt eingegangen, hatte sich bewusst dafür entschieden, und das aus verschiedenen Gründen, warum begriff das keiner? Natürlich spielte es eine Rolle, dass sie Caius mochte, dass sie ihn sehr mochte – bei den Göttern, sie hatte vor ihn zu heiraten, ihr Leben mit ihm zu verbringen, ihr ganzes, wenn die Götter ihr wohlgesonnen waren, da war es ihr doch wohl vergönnt einen Mann zu wählen, den sie auch mochte. Mit dem sie sich auch tatsächlich vorstellen konnte, ein Leben zu verbringen. Für Faustus mochte das vielleicht kein Argument sein, dass Caius sie zum Lachen brachte, aber für sie war es eins, ein äußerst wichtiges sogar. Aber politische Überlegungen hatten dabei genauso eine Rolle gespielt. Sie wäre Caius niemals nach Ägypten nachgereist, wäre er kein Mitglied einer Familie, zu der eine Verbindung auch der ihren einen Vorteil brachte. Sie könnte ihn noch so gern haben, sie hätte seinen Antrag niemals angenommen, käme er nicht aus einer Familie, die der ihren würdig war. Was also hatte alle Welt mit ‚Liebe’ und damit, dass ‚die jungen Leute’ vor lauter ‚Gefühlen’ nicht mehr ‚klar denken’ könnten, angeblich?


    Und dann sprach Livianus den Punkt an, der auch Faustus am meisten zu schaffen machte. Respekt, Anerkennung, Ehre. Sie musste mit Caius reden, das wusste, sie musste sie an einen Tisch holen und dazu bringen, miteinander zu reden – ihren Verlobten, ihren Bruder, ihren Onkel. Wenn von den Männern das keiner fertig brachte, musste sie eben dafür sorgen, andernfalls würde diese Verlobung in die Brüche gehen, das sah sie schon kommen. Wenn Männer nur nicht so furchtbar stur wären in ihren Ansichten und Denkweisen… Und dann, bevor sie etwas erwidern konnte, gab auch Faustus seinen Kommentar ab. Und Seiana starrte ihn an, mehr perplex und vor allem ungläubig im ersten Moment als vorwurfsvoll. Sie hatten gerade darüber gesprochen? Gerade eben?!? „Wie bitte?“ entfuhr es ihr, bevor sie sich beherrschen konnte. Dann presste sie erneut die Lippen aufeinander. Spielte es denn eine Rolle, ob Faustus hinter ihrem Rücken zu ihrem Onkel gegangen war? Irgendwie schienen sie doch alle alles hinter ihrem Rücken tun zu wollen. Caius hatte es ja auch nicht für nötig gehalten, sie noch mal in Kenntnis darüber zu setzen, wann er sich nun mit ihrem Bruder treffen wollte, und der hatte ihr nichts darüber gesagt, ob er schon eine Einladung oder eine Anfrage von ihrem Verlobten bekommen hatte. Seiana atmete leise, aber tief ein. Es brachte nichts, wenn sie jetzt die Beherrschung verlor, aber gerade fiel es ihr doch zugegebenermaßen schwer, ruhig zu bleiben. Am liebsten wäre sie aufgestanden und gegangen, wenn sie schon nicht mit dem herausplatzen konnte, was ihr auf der Zunge lag, aber nichts davon kam in Frage. Sie konnte sich Faustus gegenüber gehen lassen, aber nicht wenn noch jemand anderes anwesend war. Also tat sie das, was sie in den ganzen letzten Jahren so meisterhaft gelernt hatte: sie beherrschte sich. „Um eines mal klar zu stellen“, und das hoffentlich ein für alle mal, „bei dieser Verlobung handelt es sich, zumindest für meinen Teil, durchaus um eine beabsichtigte politische Verbindung“, begann sie, und ihre Stimme klang kühl. Sie hatte es satt, dass alle Welt dachte, sie als Frau sei nicht dazu in der Lage, in diesen Bahnen zu denken und würde sich stattdessen nur von ihren Gefühlen leiten lassen. Wenn überhaupt war doch Faustus derjenige, der zu laut hier geschrieen hatte, als die Götter in der Sparte Theatralik, Gefühle und weiteres die Begabungen verteilt hatten, aber doch nicht sie. Nein, sie war da eher noch einen Schritt zurückgegangen, zumindest schien sie nicht in der Lage zu sein, das zu empfinden, wovon Faustus und alle anderen sprachen, wenn sie Dinge wie verliebt sein erwähnten. „Nach unserem ersten Aufeinandertreffen hätte ich nicht versucht, Caius Aelius Archias näher kennen zu lernen, würde er nicht diesen Familiennamen tragen.“ Sie hoffte, das war deutlich. Sie hätte ihn umgekehrt auch niemals näher kennen lernen wollen, hätte sie ihn nicht auf Anhieb sympathisch gefunden, das stimmte auch – aber dass er für sie als Mann in Frage gekommen war, das hatte seine Ursache in beiden Tatsachen, dass sie ihn mochte genauso wie dass er Aelier war. „Was den… ganzen… Verlauf betrifft, ich weiß, dass einiges schief gelaufen ist, mehr als nur ein verloren gegangener Brief. Ich war längere Zeit in Alexandria und konnte die Familie nicht so einbinden, wie es angemessen und richtig gewesen wäre. Das habe ich zu verantworten, und dafür entschuldige ich mich. Aber Caius ist bei Meridius vorstellig gewesen, ich bin mit Meridius’ Einverständnis nach Alexandria gereist, und als Meridius dort war, mit seinem Schiff, habe ich ihn an Bord besucht und mit ihm noch einmal über die Verlobung gesprochen, und er war nicht nur einverstanden, er schien äußerst positiv gestimmt zu sein.“ Dass Livianus in dieser Zeit in Parthien verschollen gewesen war, kam noch erschwerend hinzu, aber das wollte Seiana nicht erwähnen, auch wenn dieser Fakt zum Teil mitverantwortlich für die Misere jetzt, zumindest dass Livianus nicht von Anfang an eingebunden gewesen war. Genauso wenig wie sie erwähnte, dass sie nichts dafür konnte, dass Meridius und Livianus offenbar nicht mehr gesprochen hatten über die Familie und die Entwicklungen, bevor Meridius sich nach Tarraco zurückgezogen hatte. Auch das war mitverantwortlich, aber nun gut, vielleicht war das die Lektion, die sie aus dem Ganzen zu lernen hatte – dass sie besser daran tat, sich in Zukunft um alles, aber auch wirklich alles, selbst zu kümmern, wenn sie wollte dass es erledigt wurde.


    Sie hatte zu beiden gesprochen, aber dennoch mehr ihren Onkel angesehen als ihren Bruder. Jetzt jedoch warf sie Faustus wieder einen deutlichen Seitenblick zu. Sie hatte bisher noch nicht Stellung genommen zu den Vorwürfen, die mehr oder weniger direkt Caius gemacht worden waren – und diese waren auf Faustus’ Mist gewachsen, jedenfalls klang alles danach. Das Problem war, dass sie hier nicht wusste, was sie darauf sagen sollte. Natürlich wusste sie, wovon Livianus sprach, was Faustus meinte, aber das war nun mal… Caius’ Art. Unkonventionell. Respektlos, wie Faustus und auch Livianus es sahen. Und auch wenn ihr das jetzt gewaltige Probleme bereitete, oder zumindest zu bereiten schien, war das doch einer der Gründe, warum sie ihn so mochte. „Er ist ebenfalls erst vor kurzem aus Alexandria zurückgekehrt, später als ich. Aber er hatte schriftlichen Kontakt mit Faustus“ – im Verlauf dessen Faustus ihm gedroht hatte, ihm irgendetwas zu brechen, und sie in einem separaten Brief gefragt hatte, ob sie schwanger sei. Aber das erwähnte sie besser nicht – „und er hat mir zugesichert, dass er sich mit dir treffen wollte.“ Jetzt sprach sie Faustus direkt an, und während sie ihn ansah, konnte sie nicht verhindern, dass sich in ihren Augen die Bitte um Unterstützung zu spiegeln begann. „Sollte er mich tatsächlich nicht in Ehren halten, werde ich mich zu wehren wissen“, meinte sie noch, etwas leiser, und auch dieser Satz war hauptsächlich an Faustus gerichtet. Es rührte sie ja irgendwie, dass er sich um sie sorgte, und auch wenn sie fand, dass es übertrieben war, wollte sie ihn doch wenigstens wissen lassen, dass sie das ernst nahm.

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    Axillas Reaktion trug wenig dazu bei, um Crios’ Erstaunen zu mindern. Allerdings, je länger sie sprach, desto mehr begriff er doch, zumindest ein wenig. Ihr Fehler, ihre Entscheidung… ihre Verantwortung. Doch, irgendwie verstand er es tatsächlich, dass sie für diese Leistung bezahlen wollte. „In Ordnung…“, meinte er langsam, bevor er im Kopf kurz überschlug, wie viel er für den Trank verlangen sollte. „Zehn Sesterzen“, antwortete er schließlich. Das war der Standardpreis für Tränke und Salben – der Trank für Axilla war zwar eine Sondermischung, die sie so nicht auf Vorrat hatten, aber Crios beschloss, darüber hinweg zu sehen – vorausgesetzt sie fragte nicht nach. „Wenn du… also, wenn du in der Nacht jemanden brauchen solltest – ich meine, in der du den Trank benutzt –, dann können wir das ja noch mal extra abrechnen“, fügte er noch hinzu und räusperte sich. Irgendwie schien es ihm nicht so ganz richtig zu sein, Geld von ihr zu verlangen, nicht in dieser Situation, aber wenn sie unbedingt wollte, dann würde er nicht weiter versuchen ihr das auszureden. Immerhin war das hier ein Geschäft, Geld verdienen gehörte dazu, und er ging davon aus, dass sie als Iunia sich das auch leisten konnte. „Wenn…“ Crios räusperte sich erneut. „Falls sie fragt, ob du hier warst…“ Er wusste nicht, ob die Decima fragen würde. Er glaubte es eigentlich nicht so recht, jedenfalls nicht, dass sie versuchen würde ihn auszufragen, aber man wusste ja nie, und ganz davon abgesehen: die Frage, ob Axilla überhaupt da gewesen war, war durchaus gerechtfertigt, immerhin hatte sie ihr das ja angeboten. In jedem Fall aber sollten sie sich absprechen, denn dass Axilla nicht wollte, dass ihre Schwangerschaft bekannt wurde, hatte sie zuvor ja schon deutlich gemacht. „Was soll ich ihr sagen? Dass du nicht gekommen bist? Dass du da warst, aber nichts los war?“




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    Crios meinte zu sehen, dass ihr nun noch unwohler zumute war also bisher schon, was kein Wunder war, bedachte man, was er gerade von sich gegeben hatte. Und Worte, das wusste er, waren noch kein Vergleich mit der Realität. Mit einer bewussten Anstrengung schob er die Gedanken beiseite. Axilla mochte – zumindest laut ihren Worten – kein Problem mit der Aussicht haben, dass sie möglicherweise sterben könnte, er hatte es. Er hatte ein gewaltiges Problem damit, wenn er ehrlich war. Aber er konnte es nicht mehr ändern, und deswegen verdrängte er es. Er hoffte nur, dass ihn diese Entscheidung nicht einholen würde.


    Er nickte nur, als sie versprach ihn zu holen, und begann sich schon mal zu überlegen, was er wohl Iaret sagen könnte, wenn der Fall tatsächlich eintrat. Und was er ihm sagen sollte, wenn er bei der Iunia war und feststellte, dass er ihr nicht helfen konnte. Dass er Iarets Wissen und Können brauchen würde. Wieder zuckte ein Muskel in seiner Wange, als er die Zähne aufeinander biss, weil ihm bewusst wurde, dass er es schon wieder tat, dass er schon wieder darüber grübelte, was war, wenn es schief ging. Und dann wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Ein wenig verblüfft sah er Axilla an. „Wie, bekommen?“ fragte er nach, während sie beinahe zeitgleich weitersprach. Jetzt war er, für einen Moment wenigstens, wirklich überrascht. Sie wollte es nicht umsonst? Und nicht von Decima Seiana? „Du musst nichts zahlen, das ist schon in Ordnung so. Decima Seiana hat einen Brief geschrieben. Wenn du willst, zeige ich ihn dir“, bot er ihr an. Vielleicht war sie sich ja nicht sicher, wie ernst das Angebot gemeint gewesen war, oder dass sie etwas falsch verstanden hatte. Oder dass die Decima ein preisliches Limit gesetzt hatte, dass diese Beratung und Behandlung überschreiten würde.