Beiträge von Flavia Celerina

    "Oh Prisca, wie schön! Ja, in der Tat, welch ein Zufall!", sagte ich, als ich ihre Stimme vernahm und mich zu ihr umdrehte. "Ja, genau! Was meinst du zu diesem Prachtexemplar, dort oben?" Sogleich lenkte ich ihre Aufmerksamkeit auf den Sklaven, der auf dem Podest in der Sonne schmorte. Tatsächlich, es war noch kein Gebot gefallen. Offenbar war bei dieser Hitze niemand gewillt, mehr als nötig zu tun.
    Auch mir fiel auf, daß der Sklave plötzlich grinste, doch sprechen wollte er offenbar nicht. Entweder konnte er es nicht oder er war einfach zu widerspenstig dazu. Nun ja, solche Problemchen konnte man gut mit der Peitsche korrigieren.
    "Das frage ich mich auch! Vielleicht erfreut er sich seines Lebens und des schönen Wetters." Ratlos zuckte ich mit den Schultern. Wieder wandte ich mich an den Sklaven, der schon soeben mein Sprachrohr gewesen war. "Sklave, warum grinst du so?", rief er und kam sich dabei reichlich dämlich vor. Doch was tat man nicht alles für die domina?!


    Sim-Off:

    So, jetzt geht´s ins Schwimmbad! Bis heute Abend! :D

    Erleichterung machte sich bei mir breit, als er sich von mir entfernte. Er war nicht über mich hergefallen und hatte sich genommen, wonach es ihm in diesem Augenblick augenscheinlich gelüstete, so wie er es bereits schon einmal getan hatte.
    Als er dann sogar Anstalten machte, zu gehen, versuchte ich mich, so gut als möglich zu entspannen. Erst beim zweiten Blick bemerkte ich, daß er sich nicht ganz entfernt hatte, nur soweit, daß er in Hörweite blieb. Er war bei den Rosen stehen geblieben und verharrte dort, als ob er auf etwas wartete. Vielleicht eine Entschuldigung meinerseits oder die Absolution dafür, daß ich nun mit allem einverstanden war und ich ihm vergab.
    Mir war klar geworden, daß ich an meine Grenzen gestoßen war. Daß ich auf Dauer so nicht leben konnte und wollte. Und ein zweites Mal als Gefangene in einer Ehe dahinzuvegetieren, wollte ich auch nicht.
    "Ich werde gehen!" sagte ich plötzlich ganz ruhig und gefaßt. "Gleich Morgen schon. Gib mir nur etwas Zeit, um meine Sachen zu ordnen. Es wird dann so aussehen, als hätte ich die Ehe zerstört. Dir wird dann kein Nachteil entstehen. Vielleicht etwas Gerede, aber mehr nicht."

    Da Charis etwas auf sich warten ließ, hieß ich die Träger die Sänfte abzusetzen, damit ich ihr entsteigen konnte. Ein erleichtertes Seufzen war von ihnen zu hören, als sie sich endlich von der schweren Last etwas ausruhen konnten. Freilich ignorierte ich dies. Mit der Hilfe einer der Sklaven, die mich begleiteten, entstieg ich meiner schützenden Sänfte, die mich bis dahin vor den blendenden Sonnenstrahlen bewahrt hatte. Um diese Zeit begann es in Rom unerträglich zu werden. In der Hitze des Sommers stank die Stadt nach Unrat. Es wurde Zeit, sich endlich an eine Sommerfrische am Meer zu flüchten. Baiae wäre wundervoll dafür geeignet gewesen. Und man hätte dies mit einem Besuch bei der eigenen Familie verknüpfen können. Es wäre sicher schön, Aristides und Epicharis wieder zu treffen.
    Doch vorerst stand ich nun hier auf dem Sklavenmarkt. Der Sklave, der mir soeben geholfen hatte, flüsterte ich etwas zu. Er sollte für mich die Verhandlungen führen.
    "Die ehrenwerte domina Flavia Celerina möchte erfahren, ob der Sklave auch des Sprechens mächtig ist!", rief der Sklave. Tranquillus, diesem Halsabschneider konnte man schließlich alles zutrauen. Am Ende war der Grieche stumm oder gar nicht richtig im Kopf.

    Die Spannung stieg ins unermeßliche. Mir war, als würde mir gleich schwarz vor Augen werden, doch ich tat dies nur als dumme Folge meiner Anspannung ab. Ich hing förmlich an den Lippen des Aedituus und konnte es nicht mehr abwarten, wie sein Urteil ausfallen würde. Alles um mich herum war bedeutungslos geworden, selbst Septima war nebensächlich geworden. Dieses Opfer war so wichtig für mich gewesen. Ich hatte mich so sehr hineingesteigert, als würde Leben und Tod davon abhängen. Und in der Tat würde mir ein angenommenes Opfer wieder sehr viel Lebensqualität zurückgeben. Mit der Gunst Iunos könnte ich alles wieder gelassener angehen.
    Doch die Göttin wollte mich einer weiteren Prüfung unterziehen. Aus allen Wolken fiel ich, als ich das Kopfschütteln des Aedituus sah und die dazugehörigen Worte vernahm.
    "Nein… das…das ist nicht… Das ist…" , stammelte ich. Zweifellos lag es an mir, daß das Opfer verschmäht worden war!
    Mir wurde heiß und kalt zugleich. Mit einem Mal fühlte ich mich wie im Taumel. Alles schien so surreal zu sein. Die Frage nach der Fortsetzung des Opfers ging an mir vorbei . Meine ganze Wahrnehmung war getrübt. Schließlich kehrte die Schwärze wieder zurück, die mich in mich selbst zusammensacken ließ. Meine Sklavin war es, die mich noch rechtzeitig auffing und dann begann mir Luft zuzufächeln , damit ich das Bewußsein wieder zurückgewinnen konnte.

    Zweifellos war der Sklave eine Augenweide. Auch seine künstlerischen Fähigkeiten, die durch das Bild, welches der Sklavenhändler der Menge zeigte, bezeugt wurde, stimmten mich wohl. In der Tat dachte ich darüber nach, mir den Sklaven ins Haus zu holen.
    Natürlich war ich nicht die Einzige. Ein ganze Menge von gierigen Augenpaaren waren auf den Griechen gerichtet. Viel zu viele, die seine künstlerische Begabungen gar nicht richtig zu schätzen wußten. Es wäre eine einzige Vergeudung gewesen, würde der Grieche in einem dreckigen Stall oder gar auf einem Rübenacker landen. Nein, nein, er gehörte in gute Hände, die etwas mit seiner Kunst anzufangen wußten!
    Als ich so darüber nachdachte, wie viel ich bieten sollte, wurde mein Denken jäh von einem Gepolter und Geschrei unterbrochen. Dies bewog mich, meinen Blick von dem Griechen abzuwenden und mich umzuschauen, jedoch war meine Sicht in der Sänfte begrenzt.
    "Sieh nach, was da los ist!", befahl ich meiner Charis, die sofort von meiner Sänfte wich. Es dauerte nicht lang, bis sie wieder zurückkehrte.
    "Ein Tumult, Herrin! Ein Marktstand ist umgekippt und die Leute stürzen sich nun auf die heruntergefallenen Waren. Wenn ich noch bemerken dar, Herrin, da vorne ist auch die Sänfte von domina Prisca!"
    Das war mal wieder typisch! Dieser widerliche Mob konnte einfach nicht genug bekommen. Verständnislos schüttelte ich mit dem Kopf, bis ich den Namen Prisca vernahm.
    "Prisca?! Sie sitzt aber doch hoffentlich noch in ihrer Sänfte und hat sich nicht dem Mob angeschlossen?", fragte ich besorgt. Eigentlich hatte die junge Aurelia immer einen guten Eindruck hinterlassen und ich glaubte auch nicht, daß sie sich zu solchen Dingen hinreißen lassen konnte.
    "Nein, Herrin, ich nehme an, sie sitzt noch in ihrer Sänfte. In der Menge habe ich sie nicht gesehen."
    Mein erleichtertes Aufatmen war zu hören und mein beruhigtes Lächeln kam auch wieder zurück.
    "Nun, dann geh zu ihr und frage sie, ob sie zu mir herüber kommen möchte! Mich würde interessieren, was sie von dem Sklaven dort oben hält."
    Die makedonische Sklavin eilte sofort zu Priscas Sänfte, um die Botschaft ihrer Herrin zu überbringen.
    Ich hingegen warf einen weiteren Blick auf den Sklaven. Dieses mal, zog ich den Vorhang zur Seite, um ihn noch besser sehen zu können. Zu gerne hätte ich ihn einmal sprechen gehört. Schließlich war das, zumindest für mich, auch noch ein Kriterium, ob ich ihn kaufen sollte, oder nicht.

    Stets war ich darum bemüht gewesen, solcherlei Gefühlsausbrüche zu vermeiden, besonders dann, wenn mein Gegenüber um einige Jahre jünger war, als ich selbst. Es war nicht immer leicht, Vorbild zu sein. Manchmal war es sogar unmöglich und so ließ ich mich einfach gehen. Ich versank förmlich in meinem Kummer.
    Mich überraschte es kaum noch, als ich feststellen mußte, daß Prisca bereits eingeweiht war. Marcus mußte es ihr gesagt haben, noch lange bevor er überhaupt Anstalten gemacht hatte, mich in Kenntnis zu setzen. Unter anderen Umständen hätte mich dies über alle Maßen verärgert. Doch dazu fehlte mir einfach die nötige Kraft. Ich sah sie lediglich etwas forschend an, als sie mich fragte, ob es um Marcus ginge und ob wir darüber gesprochen hätten.
    "Du weißt es also auch schon!", bemerkte ich seufzend. Eigentlich hätte ich um Priscas Aufrichtigkeit froh sein müssen, auch wenn ich nun diese Enttäuschung in mir spürte. Sie war wahrscheinlich die einzige in diesem Haus, die mir gegenüber mit offenen Karten spielte. Ich gab nicht ihr die Schuld, daß sie wußte, was sie wußte. Auch in diesem Fall war es einzig und alleine Marcus, der sich auch hier nicht mit Ruhm bekleckert hatte.
    "Ja, es geht um ihn und dieses Weibsstück und das Kind, das sie zusammen haben." Es schwang Verbitterung in meinen Worten mit, dies war unüberhörbar. Gerade weil es dieses Kind gab, machte es mir dies besonders schwer.
    "Dann weißt du sicher auch, daß er sie zurückholen wird?"

    Wie es der Zufall wollte, streifte meine Sänfte an diesem Tag den Sklavenmarkt. Vor nicht gar nicht allzu langer Zeit, hatte ich an diesem Ort meinen Gallier entstanden. Ich befahl den Trägern die Geschwindigkeit zu drosseln, damit ich einen Blick auf das Tagesangebot werfen konnte.
    Just in diesem Moment brachte man einen jungen Griechen auf das Podest. Fürwahr eine Augenweide, was man von meiner Warte aus, hinter dem Sichtschutz meiner Sänfte erkennen konnte.
    Auf meinen Befehl hin, blieben die Träger stehen. Wenigstens für einen kleinen Moment wollte ich hier verharren und beobachten, was mit dem Griechen geschah. Laut den Anpreisungen des Sklavenhändlers handelte es sich um einen Künstler. Wenn ich es mir recht überlegte, konnte man einen Künstler gebrauchen, besonders dann, wenn man in absehbarer Zeit die Villa umbauen ließ. Vielleicht war der Grieche ja noch in anderen Dingen ein Künstler. Den Körper dazu hatte er!

    Das war also die Frau von Senator Germanicus Sedulus! Gehört hatte ich von ihm, doch näher kannte ich ihn nicht. Doch wie verliebt die Inunia dreinschaute! Beneidenswert! Ich versuchte nicht länger darüber zu grübeln, warum alle außer mir verliebt waren.
    "Ah, Germanicus Sedulus, so so! Dann seid ihr noch nicht lange verheiratet, nicht?", fragte ich interessiert. Natürlich, wenn die Hochzeit erst kürzlich stattgefunden hatte, dann war die Liebe, oder das, was man für Liebe hielt, noch frisch.
    "Nein, leider war ich damals unpäßlich," meinte ich, als sie die Fontinalia erwähnte. Dunkel konnte ich mich noch an das Einladungsschreiben erinnern. Ein wenig verlegen lächelte ich, denn ich hatte bemerkt, wie sie mich anstarrte. Beinahe hätte ich etwas unwirsch nachgefragt, warum sie das tat, doch sie rettete die Situation, indem sie die Unterhaltung fortsetzte.
    "Dies ist meine erste Vestalia seitdem ich in Rom bin. Jedoch bin ich zum zweiten Mal verheiratet bin." Meine Antwort auf die Frage der Iunia kam etwas verspätet, da ich vorher durch das Erscheinen der Furia abgelenkt worden war. Als sich nun Serrana vorerst der Furia zuwandte, entschied ich mich vorerst im Hintergrund zu bleiben, da die beiden Frauen sich näher kannten.
    Es entsprach den Tatsachen, daß ich die Furia in den Thermen gesehen hatte.
    "Salve Furia Calliphana! Es freut mich, dich wieder zu sehen." Ich hingegen hatte nicht so schöne Erinnerungen an diesen Tag in den Thermen, da es wegen Minos, dem Masseur zu diesem unschönen Streit mit der Germanica gekommen war. Den Kreter hatte ich längst wieder verkauft. Er war mehr Schein als Sein gewesen. Der Verwalter der Thermen hatte ihn mit Handkuß wieder zurückgenommen.
    Als die Furia plötzlich die Großmutter der Iunia erwähnte, sah ich in die Richtung, wohin sie dezent gedeutet hatte und ich erblickte eine alte Frau, die ihre besten Tage bereits hinter sich zu haben schien. Die Großmutter beschäftigte mich nicht länger, doch erblickte ich neben ihr eine der Vestalinnen. Zu allem Überdruß fiel auch noch der Name dieser Germanicerin, mit der ich mich um Minos gestritten hatte. Ach herrje, dachte ich, die wird doch nicht auch noch hier auftauchen! Dann doch lieber die Bekanntschaft mit der alten Mumie machen, die sich mit der Vestalin unterhielt.
    "Vielleicht sollten wir deiner Großmutter einen schönen Tag wünschen, was meinst du, meine Liebe?"

    Am liebsten hätte ich ihm noch mehr malträtiert. Unglücklicherweise waren die Kratzer in seinem Gesicht nicht besonders tief. Von mir aus hätte das Blut nur so spritzen können, so wütend war ich. Doch dafür reichten meine Kräfte nicht aus. Die war einer der Momente, in denen ich mir wünschte, ein Mann zu sein. Dann hätte ich eine echte Chance gehabt, mich zu wehren, als er begann, Widerstand zu leisten. So schaffte ich es einfach nicht, mich seinem Zugriff zu entziehen. Der Druck seiner Hände, drohte meine Handgelenke zu zerquetschen. Nun bekam ich seinen ganzen Zorn zu spüren. Er verglich mich mit einer Germanin, einer derben Barbarin.
    "Laß mich los, du tust mir weh!", schrie ich und wand mich so sehr, ich nur konnte. Mit wenig Erfolg allerdings. Immer noch war ich rasend und je fester er mich hielt, desto ärger wurde es. Dabei versuchte ich sein zetern zu ignorieren. Ich gab nicht viel darauf. Ich sah mich eindeutig als ehrbarere von uns beiden, weil ich mit der Wahrheit nicht bis kurz vor Schluß gewartet hatte.
    "Laß mich sofort los, hörst du! Du bist keinen Deut besser als ich, wenn du das glaubst! Du widerst mich an!", kreischte ich, völlig außer mir. Ich spürte, wie langsam meine Kräfte wichen. Schon bald mußte mein Widerstand ersterben und ich war ihm hilflos ausgeliefert. Diesmal hatte ich ihn tatsächlich zur Weißglut gebracht. In diesem Zustand schätzte ich ihn als unberechenbar ein.
    Zu meiner Erleichterung, ließ er endlich von mir ab. Grob stieß er mich auf die Kline zurück, auf der ich dann auch eingeschüchtert liegen blieb und ihn hasserfüllt anstarrte. Als er mich regelrecht andonnerte, ich solle ihm einen Erben gebären, bekam ich es mit der Angst zu tun. Schlimme Erinnerungen kamen in mir wieder hoch, sehr schlimme Erinnerungen, die mich lähmten. Die Angst stand mir in den Augen. Jede seiner Bewegungen registrierte ich, doch ich hätte nichts dagegen tun können.

    Ich war ja keine Freundin von diesem übertriebenen Herumgesäusels, ihm jedoch klipp und klar mitzuteilen, was ich von ihm hielt, wäre taktisch unklug gewesen. So übertraf ich mich selbst und schleimte weiter.
    "Aber natürlich, auf mich kannst du immer zählen!" Hoffentlich würde er sich dessen auch dann noch bewußt sein, wenn er am Ziel seiner Wünsche angelangt war!
    Einer der Sklaven, die sich im Hintergrund aufhielten, reichte mir einen Becher mit verdünntem Wein, von dem ich auch gleich einen Schluck genoß. Dieses unentwegte anbiedern machte fürwahr doch sehr durstig.
    Natürlich waren mir die Grundzüge dessen, was vorgefallen war, an mein Ohr gedrungen, nicht zuletzt dank meiner aufmerksamen Sklavin, die mir alles berichtete, was sie so im Gespräch mit den anderen Sklaven aufschnappte. Drum nickte ich nur auf eine geheimnisvolle Weise und richtete mein aufmerksames Augenmerk nun voll und ganz auf Pisos Lippen, die mir nun gleich die ganze Wahrheit beichten würden. Und in der Tat, er begann mit seinem Bericht von dem Tage an, an dem er Prisca kennengelernt hatte. Ich nickte nur und schwieg bedächtig dabei. Dies war nun Piso Stunde. Mitfühlend veränderte sich meine Physiognomie, als er davon sprach, wie ihn Prisca geohrfeigt hatte. Und als er schließlich mit dem Fazit endete, daß ihm nur mein Mann im Wege stand, nickte ich zustimmend. Marcus stand nicht nur Piso im Weg, in letzter Zeit stand er sich selbst im Weg. Trotzallem war dies eine rührende Liebesgeschichte. Man hätte direkt neidisch werden können! Prsica, Piso und die wahre Liebe!
    "Hach ja", seufzte ich und ließ einige Augenblicke vergehen, in denen ich mir wünschte, ich wäre an Priscas Stelle. Endlich! Ein Mann, der nicht nur der Politik wegen heiraten wollte, sondern aus Liebe! Auch wenn es nur Piso war...
    "Das ist ja vor Dramatik kaum zu unterbieten, mein armer Aulus!", meinte ich dann. Wieder nahm ich einen Schluck und dachte angestrengt nach.
    "Marcus ist in der Tat ein schwerer Brocken! Er ist Priscas Tutor und mir scheint, es besteht eine besondere Beziehung zwischen den beiden." Diese Worte ließ ich einen Moment im Raum stehen, ehe ich dann fortfuhr. "Dennoch glaube ich, solltest du den Kopf nicht hängen lassen, mein lieber Aulus! Es gibt es Mittel und Wege, Marcus davon zu überzeugen, daß du der Richtige für Prisca bist!", sagte ich schließlich und zwinkerte ihm geheimnisvoll zu.

    Die eingetretene Besserung war nur von kurzer Dauer. Sie währte nur solange, bis er den Mund auftat und mir eine weitere Unverfrorenheit an den Kopf warf. Mir vorzuwerfen, ich hätte alles getan, ein Kind zu empfangen, gleich von wem, war eindeutig unter der Gürtellinie! War nicht ich es gewesen, die ihm reinen Tisch gemacht hatte, die ohne Umschweife meine Amouren gestand und zwar nicht, weil es keinen Ausweg mehr gab, so wie bei ihm? Nun gut, ich hatte nicht den wahren Namen meines Liebhabers preisgegeben, einfach nur deshalb, um ihn zu schützen. Aber seitdem hatte ich meinen Geliebten nicht wieder gesehen, trotz daß ich ihn vermisste und vor Sehnsucht bald starb. Chimerion hatte gewußt, wie man eine Frau glücklich machte! Im Gegensatz zu meinem Gatten, der ein wahrer Langweiler vor den Göttern war. Leidenschaft und Einfallsreichtum, wenn es um die Kunst der Liebe ging, waren ihm fremd. Was diese Sklavin nur an ihm fand?

    Dieser verdammte Dreckskerl! Wie hatte ich mich nur so von ihm blenden lassen können? Jeden Patrizier in Rom hätte ich haben können! Nun war ich an dieses Scheusal geraten, der großzügig seinen Samen versprühte und kleine germanische Bastarde zeugte, statt seiner Frau zur ersehnten Schwangerschaft zu verhelfen.
    Ich hatte große Lust, ihn zu erwürgen! Fest meine Hände um seinen verlogenen Hals zu legen und dann kontinuierlich zuzudrücken, bis ihm die Luft zum atmen fehlte. Ich spürte, wie die Wut in mir aufstieg, die mich jegliches vergessen ließ. Meine gute Erziehung, meinen Stand als Patrizierin und vor allem meine Contenance!
    Einer wilden Bestie gleich, bäumte ich mich ohne Vorwarnung auf, um ihm dann meine spitzen Krallen ins Gesicht zu schlagen. Wie gut, daß Charis meine Fingernägel am Morgen manikürt hatte. Nun waren sie schön spitz und eigneten sich exzellent dazu, Schaden anzurichten.
    "Du widerliches Scheusal! Wie kannst du es wagen, mir jetzt noch Ehebruch vorzuwerfen, obwohl schon in wenigen Tagen deine Metze hier einziehen wird?", schrie ich, einer Furie gleich. Das Kratzen ging ins schlagen und boxen über. Damit hatte er wohl nicht gerechnet! Ich im Übrigen auch nicht und so erschrak ich vor mir selbst. Doch deswegen von ihm abzulassen, war weit gefehlt!

    Mir machte es absolut gar nichts aus, einfach nur da zu liegen, beziehungsweise zu sitzen und aus Protest zu schweigen. Neeeiiin, absolut gar nichts! So hätte ich sicher noch stundenlang verbringen können. Allein nur deshalb, um ihm zu zeigen, daß es so nicht ging. Im Grunde konnte es mir nur recht sein, wenn er sich in Grund und Boden ärgerte! Und daß er sich ärgerte, war augenscheinlich! Vielleicht kam er dadurch endlich zur Vernunft, oder wenigstens zu der Einsicht, wie ungehörig er sich mir gegenüber verhalten hatte. Schade nur, daß ich mir nichts zu lesen mit in den Garten genommen hatte. Dann hätte ich etwas Ablenkung gehabt, falls dieses Trauerspiel noch länger andauern sollte. So wandte ich nun meinen Blick vollkommen von ihm ab, und beobachtete eine kleine grüne Raupe dabei, wie sie sich eifrig einen Grashalm empor schob. Faszinierend, die Natur! Überhaupt ging es in der Tierwelt viel einfacher zu! Jeder normaldenkende Mensch hätte den Tag verdammen müssen, an dem ein kleiner Affe den Baum herunterstieg, auf dem er all die Jahre glücklich gewesen war, um fortan nur noch aufrecht durch die Welt zu gehen.
    Doch dann plötzlich, eine Stimme, ein Lebenszeichen. Im Gehirn meines Mannes hatten sich einige Synapsen miteinander verknotet und sein Sprachzentrum hatte daraus eine Frage geformt. Natürlich zielte diese Frage nur darauf ab, um mich ein weiteres Mal bloß zu stellen. Ich war ja nichts anderes gewohnt!
    Woher hatte er von der Opferung erfahren? Hatte ich es etwa heute Nacht erwähnt? Oder hatte einer der verdammten Sklaven nicht seinen Mund halten können? Meine Augen verengten sich, als ich wieder zu ihm umfuhr. "Die Opferung?", fragte ich eisig. Mir kam bereits die Galle hoch. Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Das war einfach zu viel. "DU! DU bist daran schuld! Du und deine germanische Hure! Ich tue ALLES, was ein Mensch tun kann, um endlich schwanger zu werden, ich verlasse kaum noch das Haus, nur für besondere Anlässe, vermeide stundenlange Einkaufstouren, mache mich vor den Sklaven zum Affen und muß dann auch noch mit Septima im Schleptau erleben, wie mein Opfer verschmäht wird. Es ist alles nur deine Schuld. DEINE SCHULD!!!!" So, jetzt ging es mir besser! Ich mußte nicht einmal heulen!

    Das Zicklein gab sein Leben, ohne sich groß zu streuben. Dies konnte es auch kaum, denn ehe es sich versah, war bereits seine Kehle durchtrennt und das Blut quoll aus seinem Inneren.
    Es schien, als wolle es mir bei diesem Anblick unwohl werden, doch fing ich mich wieder. Ich zwang mich sogar, nicht den Blick abzuwenden, als der Opferhelfer sich daran machte, das Tier auszuweiden, damit anschließend der Aedituus die vitalia begutachten konnte, ob sie auch geeignet waren, um die Göttin freundlich zu stimmen. Mit großem Interesse beobachtet ich ihn dabei, versuchte aus seinem Gesicht zu lesen, um noch bevor er sein Ergebnis kund tat, im Bilde zu sein. Allerdings gestaltete sich dieses als besonders schwierig. So mußte ich mich einfach gedulden.

    Leise und klein ist er, schwarz wie Asphalt
    Von den Ohren hinab zum Schweif.
    Er zwängt sich durch jeden Mauerspalt,
    Auf schmalstem Geländer ist er nicht steif.
    Er zieht jede Karte aus dem Päckchen heraus.
    Auch mit den Würfeln kennt er sich aus.
    Ohne Zweifel und Klauben, ihr werdet glauben,
    Er jagt nur eine Maus.
    Mit Korken ihm jeglicher Trick gelingt,
    Mit einem Löffel und einem Restchen Fisch.
    Was er mit Messer und Gabel vollbringt -
    Sie lagen, so denkt ihr, dort auf dem Tisch -
    Ihr habt sie gerade gesehen, nun - husch!
    Ihr findet sie draußen nach Tagen im Busch.
    "Oh", sagen wir dann!
    Gutes Theater!
    Bestes nur tat er,
    Klüger kein Kater
    Als der Zaubermeister Mephisto.


    Ungeklärt sollte es bleiben, wie es dem fremden schwarzen Kater gelungen war, in den aurelischen Garten einzudringen. Es war seinem unermüdlichen Entdeckerdrang zu verdanken, daß er an Ort und Stelle war. So viele neue unbekannte Gerüche, so viele Möglichkeiten, einer Maus nach dem Leben zu trachten. Doch nicht nur zur Mäusejagd hatte er sich hier eingefunden.
    Längst hatten seine Sinne in Erfahrung gebracht, daß es noch mehr Katzen gab, die hier gelegentlich im Garten verweilten.
    Die laue Sommernacht, der helle Mond, der über allem stand, war wie geschaffen für einen Gesang der besonderen Art.
    Schon viele hatte er in seinem Leben beeindrucken können. Meist waren es einfach Straßenkatzen, getigerte Damen, die es gelüstete, sich des Nachts in der Hoffnung auf einen Leckerissen am Tiberufer oder um Spelunken herumzutreiben. Oder auch die Dreifarbige, der er vor einigen Nächten auf den Dächern über den Weg gelaufen war. Gleich wie auch ihr Fell war, alle hatten sie ihn attraktiv gefunden und ließen sich verzaubern von seinem schönen Gesang.
    Hier nun im Garten sollte eine Artgenossin auf ihn warten, die von den Göttern abstammte. Eine von Bastets Töchtern, eine der edelsten ihrer Art, die einem Wurf der Tempelkatzen aus dem fernen Ägypten entstammte.

    Dem Ianitor keines Blickes mehr würdigend, rauschte ich mit Charis im Anhang zur porta hinein, nachdem ich der Sänfte entstiegen war. Lediglich meine Leibsklavin warf ihm schnell ein Augenzwinkern zu. Doch sie war sich ihrer Aufgabe bewußt. Sie wußte, daß ich es unter gar keinen Umständen schätzte, wenn sie trödelte.


    Selbstredend wußte ich noch, wo sich das atrium befand, wohin ich mich auch ohne Umschweife begab. Dann erblickte ich schon Piso, der sich von seiner Kline erhob. Einen Moment zögerte ich. Auf gar keinen Fall wollte ich ihn in diesem Moment wissen lassen, wie wenig ich ihn doch mochte. Meine Gesichtszüge formten sich zu einem Lächeln. Ich verkniff mir mein Junge! zu rufen, denn dies empfand ich als höchst unpassend. Dieses Geküsse war schon schlimm genug. Ich hingegen deutete die Küsschen nur an, meine Lippen berührten ihn dabei nicht.
    "Salve Aulus, mein Lieber! Natürlich! Das ist doch selbstverständlich! Nachdem ich deinen Brief erhalten hatte, bedurfte es keiner großen Überlegungen, ob ich deinem Hilferuf folgen sollte. " Als einen solchen hatte ich seinen Brief interpretiert. Natürlich lag ein ganzer Schwung Eigennutz darin, daß ich mich nun so sehr engagierte. Wenn die Verbindung zwischen Piso und Prisca zustande kam, dann wurden die Bande zwischen unseren Familien nur noch enger. Etwas besseres konnte mir nicht passieren, gerade jetzt, im Hinblick auf die Veränderungen, die sich in den letzten Tagen und Wochen angebahnt hatten.
    " Oh ja bitte, aber nur verdünnt. " Mein Blick ging zum Weinkrug, der scheinbar noch unangetastet war. Wenigstens hatte er noch nicht seinen Kummer im Wein ersäuft. Ich mochte es nicht, mit Leuten zu verhandeln, die angetrunken waren und die ich zudem nicht sonderlich mochte.
    "Nun bin ich ja da! Und sei dir gewiss, ich werde dir nach allen Kräften helfen, so gut es mir möglich ist." Herrje, es hatte ihn ja so sehr mitgenommen! Er sah ja so richtig bemitleidenswert aus. Beinahe hätte ich mich erweichen lassen und mütterlich seine Wange getätschelt.
    "Was kann ich denn für dich tun, mein lieber Aulus?" Natürlich brannte ich darauf, was er mir mitteilen wollte, auch wenn mir die Grundessenz bereits bekannt war.

    Wenn allein Blicke hätten töten können, dann hätte sie Germanin und ihr Balg auf der Stelle ihr Leben aushauchen müssen. Ich musterte sie von oben bis unten. Dabei war mir nicht wichtig, einen Blick auf den kleinen Jungen erhaschen zu können, den die ehemalige Sklavin auf ihrem Arm trug. Sie und dieses kleine Wesen waren in meinen Augen Fremdkörper, die nur darauf aus waren, mein Weltgefüge ins Ungleichgewicht zu bringen. Sie war meine Rivalin. Dabei war alleine schon die Tatsache beschämend, daß es eine Barbaren war, die diesen Part einnahm. Und der Junge? Zweifellos würde dieser Bastard zwischen meinen ungeborenen Kindern uns ihrem Vater stehen.

    Lediglich das flaue Aufbegehren des Sklaven ließ mein Augenmerk von ihr zu Brix wandern. Voller Skepsis beäugte ich ihn, bevor ich etwas sagte.
    "Natürlich tust du das!" Wahrscheinlich war der Sklave schon viel früher in das Geheimnis seines Herrn eingeweiht gewesen und war mir die ganze Zeit mit diesem Wissen begegnet. Der Gedanke alleine verursachte mir ein blümerantes Gefühl. Mir war regelrecht danach, ihm anschließend, nachdem er seinen Pflichten nachgegangen war, dafür züchtigen zu lassen, daß er es gewagt hatte, sich mir gegenüber diese Frechheiten zu erlauben.
    Der Sklave hatte es allein dem langsamen Aufwachen des Kindes zu verdanken, daß ich diesen Gedanken nicht weiterspann. Offenbar sprang die Unbehaglichkeit der Mutter, die zweifellos da war, auf das Kind über. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis es zu plärren begann. Dann würde die Mutter noch mehr in Panik verfallen. Auch wenn ich Kindergeplärre nicht mochte, wünschte ich es mir gerade jetzt sehnlichst herbei. Helfen würde ich ihr dann nicht. Auch nach dem Jungen sehen, ihn genauer zu betrachten, vielleicht sogar festzustellen, daß er keinerlei Ähnlichkeit mit dem Vater aufwies, oder sie ob des kräftigen Organs ihres Sohnes zu bedauern, all das würde ich nicht tun.

    Mir war die ganze Situation einfach zuwider und auch Marcus war es anzumerken, daß es ihm unangenehm war. Er war nicht der geborene Schauspieler und deshalb nahm ich es ihm auch nicht ab, er wolle mir nur Gesellschaft leisten, ohne einen Grund dafür zu haben. Ich jedoch war einfach zu müde und frustriert, den Krieg, der vergangene Nacht zwischen uns ausgebrochen war, fortzuführen.
    "Nein, einen Grund dazu brauchst du nicht. Du solltest dich aber auch nicht dazu zwingen." Erwiderte ich spitz. Noch unangenehmer war es schließlich, als er mich nachdenklich ansah. Ich hätte zu gerne gewußt, was gerade in ihm vorging, was er dachte oder ob er etwas ausheckte. Unangenehm war es mir aber auch, weil ich aufgrund der schlaflosen Nacht einfach nur schrecklich aussah. Charis´ Schminkkünste hatten dabei auch keine Wunder vollbringen können.
    Indem er sich nun neben mich gesetzt hatte und einfach da war, zwang er mich erneut, wieder über das, was ich letzte Nacht erfahren mußte, erneut nachzudenken. Eine quälende Frage, die mir immer noch auf der Zunge lag, war, wann sie wieder zurück käme. Nicht etwa, daß ich ihr meine Aufwartung machen wollte, ich wollte einfach nur informiert sein. Und auch der Alltag, wie mein Alltag sich gestalten würde, wenn sie wieder da war, wollte ich wissen. Natürlich unterließ ich es, zu fragen. So einfach wollte ich es ihm nicht machen. Er sollte begreifen, daß ich ihre Rückkehr niemals akzeptieren konnte. Ich konnte nicht über meinen eigenen Schatten springen! So saßen wir da, beieinander und doch so unendlich fern auseinander, vor den Scherben unserer Ehe, die er zertrümmert hatte.