"Oh, das wird er mit Sicherheit! Er war gerade davon besessen!", meinte ich und wollte es damit auch belassen. Es gab weitaus wichtigeres, als das. Lieber wollte ich nun den Augenblick einfangen, da wir uns gemeinsam so nah waren. Noch immer streichelte er mir übers Haar, was ich sehr mochte. Dies ließ mich sogar fast das Frühstück vergessen machen. Doch dann ließ er zu meinem Leidwesen davon ab. Voller Sehnsucht verfolgte ich den Weg seiner Hand, wie sie das Apfelstück nahm, es zum Mund führte und sich dann mit der anderen Hand hinter seinem Kopf vereinigte, indem er seine Arme verschränkte. Welch ein Jammer, dachte ich bei mir. Noch stundenlang hätte er mich streicheln können. Stattdessen bat er mich, einige Dinge zu erledigen. Dinge eben, um die sich die Herrin des Hauses zu kümmern hatte. Natürlich würde ich mich darum kümmern. Es war Zeit, wieder einmal einen Fuß vor die Tür zu setzen und auf den Märkten herumzustreifen. Ich war mir sicher, das Nötige schon zu finden.
"Das mache ich doch gerne! Ich war ohnehin schon lange nicht mehr auf dem Markt. Vielleicht finde ich auch etwas passendes zum Anziehen. Und was ist mit dir, soll ich dir auch etwas farbenfrohes zum Fest mitbringen? Eine schöne Tunika vielleicht? Und ene passende Toga dazu? Dieser Brix, von dem du sprachst, hat doch in etwa deine Statur, nicht wahr? Dann wird er mir zweifelsohne dabei helfen können, etwas passendes zu finden." Der Sklave mußte dann wohl oder übel eine Anprobentortur über sich ergehen lassen, bis sich das Richtige gefunden hatte und das konnte unter Umständen sehr lange dauern.
Beiträge von Flavia Celerina
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Auch wenn er darin keine Erfahrung hatte, war mir das gleich. Ich wollte ihn haben und wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt hatte, war ich nur schwer davon wieder abzubringen. Auch wenn ich ihn nun mit den Zwillingen und Septima teilen mußte, denn das Septima wohl auch noch ihre Ansprüche stellen würde, rechnete ich fest damit. Brix würde einen Plan erstellen müssen, der genau regelte, wer und wann in den Genuß des Sklaven kam. Somit würde der maiordomus neben Aedan selbst zu einem der begehrtesten Sklaven des Hauses werden. Welch wunderbare Aussichten! Ich stellte mir schon vor, wie an allen Ecken nur noch lustvoll der Name Aedan gehaucht wurde.
Mein Plan, zur Ablenkung der Zwillinge war wenigstens teilweise aufgegangen. Offenbar hatte Marcus mit seiner Vermutung, die Mädchen planten ein Fest, falsch gelegen, denn Flora bestätigte nicht meine Frage.
"Ach ja? Wie schade! Ich meine, wie schade, daß ihr kein größeres Fest plant. Aber vielleicht könnten wir alle zusammen ein großes Frühlingsfest planen, zu dem wir alle möglichen Leute einladen. Notfalls sogar Plebejer." Mein Blick wanderte von den Zwillingen zu Septima, um herauszufinden, was sie von meinem Vorschlag hielten. Nun konnte ich mich ja anderen Dingen widmen, den der gute Brix hatte ja alles fest im Griff. -
Etwas anderes, als diese Antwort hatte ich von Brix nicht erwartet. So entließ ich ihn wieder aus meinem Blick und wandte mich, für den Moment zufrieden den Zwillingen wieder zu.
"Nun ja", meinte ich zu Flora, die mich angesprochen hatte. "Der Sklave kann gut anpacken. Ein echter Handwerker eben! So etwas können wir gut gebrauchen. Für Feste, den Garten und wenn im Haus etwas gemacht werden muß. Apropos Feste, Marcus sagte mir, ihr beide plant ein Fest?", plapperte ich drauf los, um von meinen eigentlichen Absichten abzulenken. -
"Siebenhundert!", rief ich sofort, nachdem mir das Gegengebot zu Ohren gekommen war.
Mit wenig Begeisterung, doch mit einem Lächeln auf meinen Lippen, sah ich dem Herannahen der Zwillinge entgegen. Dieser Brix tat doch einfach, was man ihm sagte, dachte ich seufzend. Genau aus diesem Grund mochte ich germanische Sklaven nicht, obgleich mir dieser Brix, aus welchem Grund auch immer, doch recht imponierte. Ich nahm mir vor, mich demnächst etwas näher mit ihm zu beschäftigen.
"Salvete ihr beiden! Was macht ihr denn auf dem Markt?" ... und treibt unnötig den Preis für den Sklaven in die Höhe!
"Ihr braucht euch um den Burschen dort oben nicht mehr zu bemühen und euer Taschengeld sinnlos verplempern. Brix wird sich jetzt darum kümmern, das der Sklave in die Villa Aurelia geht. Nicht wahr, Brix!" Was ja eigentlich kein Kunststück war, denn bisher waren sämtliche Gebote nur von Familienmitgliedern abgegeben worden. Den Germanen hatte ich nun fest im Bliuckfeld, denn er war jetzt verantwortlich dafür, daß ich heute zufrieden nach Hause ging. -
Mit versteinerter Miene sah ich ihm noch nach, wie er zur Tür schritt, nachdem er sich erhoben hatte. Seine Bemerkungen hatte ich unkommentiert gelassen. Offenbar hatte er eine ganz andere Vorstellung von familia, als der Rest der zivilisierten römischen Welt. Am Ende konspirierte er noch mit dieser Sekte, den Christianiern. Eine schreckliche Vorstellung! Nein, das durfte einfach nicht sein!
Es verging eine ganze Weile, in der ich unbeweglich, fast versteinert auf meinem Stuhl gesessen hatte, bis ich meinen Blick zu Charis richtete, die ebenso bewegungslos in der Ecke stand.
"Geh zu Tiberia Septima und sage ihr, ich sei untröstlich, ihre Einladung zur cena ablehnen zu müssen. Ich fühle mich nicht wohl. Ihr Gatte weiß warum.", sagte ich mit monotoner Stimme.
"Bevor du gehst, schließe wieder die Vorhänge und zünde eine Lampe an!"Wortlos kam die Sklavin meinen Anordnungen nach, dann ging sie und ließ sich erst wieder am späten Abend blicken. -
Während Septima nun ihre kleine Sklavin zur Rede stellte und Brix von dannen zog, um sie Zwillinge zu uns herüber zu bitten, sah ich ihm noch. Dann fragte ich mich plötzlich was ich hier machte! Am heutigen Tag war die halbe aurelische Familie auf dem Sklavenmarkt anwesend. Wenn nun auch noch die Mädchen zu uns kamen, dann mußte ich mir den Gallier nicht nur mit Septima teilen, was ja noch durchaus seine Reize gehabt hätte. Dann würden auch sie womöglich noch mit Ansprüchen kommen! Mich hätte nicht gewundert, wenn auch noch Prisca um die Ecke bog und auch noch hier auftauchte! Ich seufzte leise und sah wieder zu der Augenweide auf dem Podest. Der arme Kerl tat mir jetzt schon leid, so viele Bedürfnisse von so vielen Frauen zu stillen war keine leichte Aufgabe. Ganz im Gegenteil, es grenzte meiner Ansicht nach an Schwerstarbeit. Wie gut, daß er gut bestückt war.
"Ach weißt du, Marcus meinte, ich sollte einige nützliche Dinge vom Markt mitbringen, für den Schmuck zu den Floralia...", verheißungsvoll lächelte ich Septima zu. Manchmal sagten eben Blicke mehr als Worte, vorausgesetzt, man verstand sie. Bei Septima machte ich mir da keine Sorgen.
"Fünfhundert!", rief ich derweil und hoffte innerlich, die Zwillinge mochten sich entschuldigen lassen. -
"Sieben lange Jahre!", antwortete ich Septima mit einem gezwungenen Lächeln. Dann wandte ich mich wieder Brix zu, der mit einem weiteren Einwand kam.
"Ach, was weißt du schon von meinen Ansprüchen?", konterte ich Brix. Die übertriebene Vorsicht des Germanen verärgerte mich. Passend dazu, kam schon das nächste Gebot. Eine zarte weibliche Stimme. Wie aufgeschreckt sah ich mich um, um meine Konkurrentin auszumachen. Zu meiner Überraschung erblickte ich die beiden Zwillinge, begleitet von Ursus´ Nubier. Nanu, was suchten die Mädchen auf dem Sklavenmarkt?
"Das sind die Zwillinge!" rief ich Septima und den Sklaven zu. "Man sollte sie zu uns bitten. Es wäre töricht, wenn wir uns gegenseitig Konkurrenz machen." sagte ich zu den beiden Sklaven, ohne einen damit direkt zu beauftragen. Und dann war da auch noch Marei.... -
Ich wollte schon protestieren, als sich plötzlich unmittelbar ein hünenhafter Rüpel aufbaute. Irgendwoher kannte ich ihn. Als dann Septima plötzlich hinter dem Klotz auftauchte, wußte ich auch wieder, wo ich ihn schon einmal gesehen hatte.
"Salve Septima! Welch eine Überraschung!" Oh ja, das war es tatsächlich. Sie wollte mir doch nicht etwa meinen Gallier streitig machen? Nun ja, wenn die mich nett darum bat, würde ich ihn ihr gelegentlich zur Verfügung stellen.
"Ja, ist er! Obwohl ich ja Germanen nicht viel abgewinnen kann. Aber der hier kommt aus Gallien. Wußtest du eigentlich, daß ich, bevor ich nach Rom kam, in Lutetia lebte?" Damals hatte ich zwar nicht viel Gallier zu Gesicht bekommen, da ich kaum Gelegenheit hatte, das Haus zu verlassen. Doch einige unter den dortigen Sklaven waren auch gallischer Herkunft gewesen. -
Nun denn, was ich hörte, wunderte mich nicht sonderlich. Daß Männer zu Dummheiten neigten, sobald man sie mit Alkohol abfüllte, war ja weithin bekannt. Warum sollte das im Norden anders sein. Ich fragte mich natürlich auch, warum Brix ausgerechnet danach gefragt hatte, wie Sklave zudem wurde, was er nun war. Womöglich sollte mich die Antwort des Galliers abschrecken. Mir jedoch kam es einzig und alleine darauf an, wie dessen Verständigung war, mein Entschluß stand schon längst fest. Selbst jetzt, als er vorwitzigerweise Brix nun eine Gegenfrage stellte und er dafür sofort in seine Schranken verwiesen wurde, war meine Entscheidung unumstößlich.
Wie viel war für ihn bereits geboten worden? Zweihundert? "Dreihundert!" rief ich zum Podest hinauf. Vorerst wollte ich zurückhaltend bieten. Der Sklave sollte mich nicht teurer kommen, als nötig.
"Ich will diesen Kerl haben! Koste es, was es wolle!", sagte ich dann, zu Brix gewandt. Was ich mir einmal in den Kopf gesetzt hatte, davon war ich nur schwerlich wieder abzubringen. -
Nachdem die Sklavin das Tablett endlich abgestellt hatte, konnte ich einen Blick auf die Leckereien werfen, die sich darauf befanden. Eines mußte man den Sklaven in der Küche lassen, sie hatten ein gutes Gespür, aus Gaumenfreuden auch Augenfreuden zu machen. Die Blumen zwischen den Speisen gefielen mir außerordentlich gut! Vielleicht sollte ich dem Koch später ein paar lobende Worte ausrichten lassen. Somit würde mein Bild, als grausame Despotin unter den Sklaven womöglich etwas gemildert.
Inzwischen war er zu mir zurückgekehrt und hatte es sich auch im Bett bequem gemacht. Ich sah zu ihm und deutete ein Lächeln an. Alles war wieder so, wie es sein sollte!
"Ich sagte, der Befehl dazu kam von dir. Doch weshalb, darüber habe ich mich ausgeschwiegen. Es gibt Dinge, die niemand anderen angehen, auch nicht Ursus," antwortete ich und genoß, wie seine Hand durch mein Haar fuhr. Wäre ich eine Katze gewesen, hätte ich es ihm mit einem zufriedenen Schnurren gedankt, so schmiegte sich mein Kopf an seine Hand an. -
"Reparaturarbeiten...", sinnierte ich vor mich hin . "Ja, ganz offensichtlich kommt er aus dem Norden. Ein Indiz dafür sind seine hellen Haare. Alle Barbaren aus dem Norden sind blond!", belehrte ich ihn, obwohl er es ja hätte besser wissen müssen. Hier vertrat ich ganz einfach die römische Ansicht, daß alle blond- oder rothaarigen wilde Barbaren aus dem Norden sein mußten. Ob dann nun Marcus, der ja dunkelblond war, auch aus dem Norden kam...? Ach was, dummes Zeug!
"Nun ja, da sich ja alle meine custodes als nutzlos erwiesen haben, brauche ich dringend Ersatz. Stell ihm eine Frage! Ich möchte sehen, wie gut er unsere Sprache spricht." Tranquillus hatte zwar erwähnt, der Bursche würde sich verständigen können, doch erstens traute ich diesen Sklavenhändlern nicht über den Weg und zweitens herrschen zwischen sprechen und sprechen große Unterschiede! Bevor ich also mein Geld ausgab, wollte ich auch wissen, wofür. -
Meine Strategie war aufgegangen. Ich konnte ihn gezielt in eine andere Richtung lenken. Weg von Septima, ihrem Besuch und meiner Frage nach seiner Treue. Und daß ich mit der Erwähnung von Ursus´ Namen nur noch mehr Salz in die Wunde gerieben hatte, bestätigte sich ebenso. Auch wenn er seiner Frage wenig Interesse beimaß, glaubte ich, an der richtigen Adresse zu sein. Noch ehe ich seine Frage beantworten konnte, öffnete sich die Tür. Mein Blick schwenkte dorthin, wo endlich eine Sklavin, die mit einem großen Tablett beladen war, eintrat. Auch wenn sie sich für ihr Zuspätkommen entschuldigte. bedachte ich sie mit einem strengen Blick. Im Grunde aber war sie unwichtig, denn das Frühstück war ja nun da.
"Ach, nur wegen der Sklaven," antwortete ich belanglos und wandte mich wieder ihm zu. "Er kam, um sich bei mir wegen der Bestrafung des Parthers zu beschweren. Er sagte, solche Aktionen würden den Sklaven Angst machen. Lächerlich!" Ich nahm an, Marcus würde mir darin beipflichten, deswegen schüttelte ich nur verständnislos den Kopf über Ursus´ Ansichten. Dabei spielte es gar keine Rolle, daß die Sklavin noch immer im Zimmer stand, und darauf wartete, uns das Frühstück zu servieren.
Schließlich nahm ich wieder meinen Platz im Bett ein, denn ich hatte Hunger, großen Hunger! -
Von meiner Sänfte aus hatte ich ihn die ganze Zeit über immer wieder beobachtet, solange jedenfalls, bis es für meine Sänfte kein Durchkommen mehr gab. Das letzte Stück bis zum Sklavenmarkt mußte ich zu Fuß bewältigen. Dieser Germane, Brix hieß er wohl, hatte etwas. Vielleicht waren es die wachen Augen, die so ganz untypisch waren für seinesgleichen. Glücklicherweise erwies er sich nicht als so tumb, wie manch seiner Landsleute. Ich mochte eigentlich Germanen nicht sonderlich. Ich bevorzugte eher sie südländische Sorte Sklaven.
Nachdem er mir nun aus der Sänfte geholfen hatte, begleitete er mich nach vorne, zu dem Podest , auf dem ein muskelbepacktes Etwas Aufstellung genommen hatte. Freilich kein Südländer, das sah man auf den ersten Blick! Ein Rotschopf, mehr blond als rot. Er hatte etwas verwegenes in seinem Augen. Ein Mann, den es noch zu zähmen galt. Etwas regte sich in mir, ein Zucken an meinem Mundwinkel, doch nein, es kam aus meinem Inneresten heraus.
Da ich mehr oder weniger meinen Spielzeugen beraubt worden war, der eine war nach Sardinien strafversetzt worden und der andere mußte sich auf meinen Befehl hin von mir fernhalten, was eigentlich nur eine Vorsichtsmaßnahme für ihn und für mich war, fehlte es mir nun an Ersatz. Sollte ich mir tatsächlich untreu werden und mir einen Barbaren ins Haus holen?
Brix´ Kommentar spornte mich nur noch mehr an, als daß er mich davon abhielt.
"Ach ja? Meinst du? Was bringt dich zu dieser Annahme? Ich finde, der Barbar dort oben ist eine Herausforderung!" Mein Blick wich kurz von dem Gallier auf dem Podest, um Brix zur Gänze einzufangen und auf dessen Antwort zu warten -
Seltsam, daß er mir nicht antwortete und nur mit einer Gegenfrage konterte. Ich wußte nicht, was ich davon halten sollte. Ob ich mir wegen der Tiberia doch Sorgen machen mußte? Am Ende war sie gar nicht das zarte, brave Lämmchen für das jeder sie hielt.
"Ach, nur so!", antwortete ich, als wäre es doch nicht so wichtig gewesen. Er hatte ja recht! Im Grunde hatte ich mir seine Treue erst zu verdienen, bevor ich sie von ihm einfordern konnte. Jetzt klang er schon fast verärgert. Keinesfalls wollte ich es jetzt so enden lassen, so daß wir an diesem Morgen wieder als Feinde auseinander gingen. Wo nur die verdammten Sklaven mit dem Frühstück blieben!
"Übrigens, gestern war auch Ursus bei mir gewesen!" Nunja, diese Aussage würde zwar nicht unbedingt zur Verbesserung des Klimas beitragen, doch lenkte sie etwas vom eigentlichen Thema ab. Seitdem ich in der Villa Aurelia wohnte, wußte ich um die Spannungen, die gelegentlich zwischen dem Onkel und seinem Neffen herrschte. Keinesfalls wollte ich meinem Gatten etwas vorenthalten! Er würde es sowieso erfahren, sobald Ursus ihn aufsuchte. Daß er dies tun würde, davon war ich überzeugt. Dann konnte ich Marcus demonstrieren, wie sehr ich zu ihm stand. Und letztlich war es doch genau das, was man von einer guten Ehefrau erwartete! Meiner Loyalität konnte er sich, zumindest darin, gewiß sein. -
Es war also wahr! Sie war bei ihm gewesen? Weshalb war sie nur so versessen darauf, herauszufinden, warum wir uns so verhielten, wie wir uns verhielten und uns, die Götter verhüteten, am Ende noch helfen zu wollen. Warum verstand sie es nicht einfach von selbst, sie war hier fehl am Platz! Natürlich konnte ich ihr das nicht so sagen, sie lebte schließlich im selben Haushalt und ich mußte voraussichtlich noch Jahre lang mit ihr auskommen müssen. Außerdem konnte sie nützlich sein. Wofür, das würde sich noch erweisen. Und nicht zuletzt, wollte ich wissen, was Marcus ihr anvertraut hatte. War er tatsächlich so verschlossen, wie sie behauptete? Nun ja, ihr gegenüber vielleicht.
"Es hat wirklich nichts gesagt? Ja!" seufzte ich. "Er ist so schrecklich verschlossen. Es ist so schwer an ihn heranzukommen. Wüßte ich doch nur, wie ich an ihn herankommen könnte, ...oder durch wen!" Der letzte Satz klang so, als hätte ich dies zu mir gesagt, doch meine Absichten lagen ganz woanders. Septima war ein williges Opfer, wenn es darum ging, jemandem helfen zu können. Nun sollte sie mir helfen, mehr über meinen Mann zu erfahren. Dinge, die er ihr oder sogar mir nicht anvertrauen würde. Daß es solche Dinge gab, davon war ich überzeugt.So reichte ich ihr meine Hand, wenn auch nur im ideellen Sinne. Tiberia Septima sollte sich von nun an als meine Freundin fühlen, auch wenn ich in meinem Inneren nicht so empfand. Doch dies wußte ich gut zu verbergen.
"Meine Liebe, ich bin jetzt doch froh, daß du gekommen bist. Du gibst mir wieder Hoffnung! Das ist schön. Wenn es mein Zustand erlaubt, dann können wir vielleicht schon morgen oder übermorgen gemeinsam den Tempel der Iuno aufsuchen?" Vielleicht half ja ein wenig göttlicher Beistand ja wirklich.
Doch bot ich der Tiberia einen Finger, so griff sie gleich nach der ganzen Hand! Eine gemeinsame cena nur mit ihr? Gepaart mit Musik und Lyrik? Dafür war ich definitiv noch nicht bereit! Natürlich sagte ich ihr das nicht. Mir würde schon noch ein passender Grund einfallen, weshalb ich mich unpässlich fühlen würde.
"Das hört sich verlockend an! Allerdings ist meine Charis gänzlich unbegabt in solchen Dingen." Wie gut, daß sie nicht zugegen war, denn sie beherrschte die Kunst, lyrische Texte aufzusagen, auch wenn ich dies nur selten nutzte. "Warum also nicht?!" Später am Nachmittag würde ich dann Charis schicken, die mich dann entschuldigte. -
Kaum hatte ich Platz genommen, da begann er auch schon, mit ungewohnter Schärfe, mich zu traktieren. Mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht damit! Septima war also nur die Vorhut gewesen, die die Lage sondieren sollte. Er hingegen mischte sich nun in Dinge ein, die ihn nichts angingen! Selbst wenn Phraates´ Bestrafung auf meinen Befehl hin zurückgegangen wäre, hätte ich mich wohl kaum vor ihm deswegen rechtfertigen müssen.
Mein Lächeln war längst entschwunden. Mein Ärger, den ich zu Recht empfand, äußerte sich damit, daß mein Gesicht ausdruckslos, verschlossen blieb.
Der kurzen Pause, die er einlegte, folgte eine Belehrung, über die aurelische Sichtweise der Behandlung von Sklaven. Täuschte ich mich, oder er packte er seine Sklaven in Watte ein? Ich selbst war ja schon Zeuge davon geworden, wenn man Sklaven alles durchgehen ließ. Diese unverschämte Germanin war das beste Beispiel dafür gewesen.Endlich war er fertig! Oder legte er nur eine weitere rhetorische Pause ein, um danach noch stundenlang über die sanfte Art der Sklavenhaltung zu referieren? Ich hingegen nutzte die Gelegenheit, um zur Abwechslung auch etwas zu diesem Gespräch beitragen zu können. Rechtfertigen wollte ich mich keineswegs, denn ich hatte mir nichts zu Schulden kommen lassen. Und selbst wenn, wäre er der Letzte gewesen, vor dem ich mich zu verantworten hatte.
"Bist du jetzt fertig?", fragte ich ihn in nicht minderer Schärfe. "Bevor ich dir nun meine Ansichten über eine angemessenen Behandlung von Sklaven unterbreite, möchte ich nur eines klarstellen, ich habe die Bestrafung des Parthers nicht angeordnet, obwohl er es eigentlich verdient hatte." Er hatte es zwar nicht aus den Gründen verdient, weswegen er bestraft worden war, doch war er dafür verantwortlich gewesen, daß es meiner Katze wochenlang nicht gut ging und daß fast alle Orchideen im Garten schlichtweg ruiniert waren.
"Ganz in der Tradition meiner Familie, bin ich der Meinung, Sklaven brauchen eine starke Hand, die ihnen den Weg weist und sie notfalls auch straft. Eines kann ich dir verraten, mein Lieber, die flavischen Sklaven erlauben sich keinerlei Unverschämtheiten, so wie es hier teilweise an der Tagesordnung steht, denn sie wissen, was ihnen droht. Und daß es ihnen auch gelegentlich vor Augen geführt wird, ist gut so! Nur ein Sklave, der weiß, wer sein Herr ist uns seine Grenzen kennt, ist ein guter Sklave! Aber in einem kann ich dir nur beipflichten, man sollte sie nicht im Unklaren lassen, weshalb einer von ihnen bestraft wird. Dadurch verpufft der Lerneffekt." Ich versuchte, gezügelt zu bleiben, auch wenn es mir schwer fiel.
"Im Übrigen rate ich dir, deinen Onkel aufzusuchen. Er hat die Bestrafung veranlaßt. So, und nun entschuldige mich bitte. Ich habe zu tun!" Ich war nicht Willens, noch länger dieses Gespräch fortzuführen. Einfach nur wieder meine Ruhe haben, das wollte ich! -
Ich hatte sie keines Blickes mehr gewürdigt, nachdem ich ihr unmissverständlich klargemacht hatte, was ich davon hielt, wenn sie meinen Anweisungen nicht folgte. Elendes Sklavenpack! Ein kleiner Klaps auf die Wange, das half Sklaven manchmal, wieder klarer zu denken. Und so war es auch mit Charis. Schweigsam verrichtete sie nun ihren Dienst, machte all das, was ich ihr aufgezählt hatte und dies in einem bemerkenswerten Tempo. Nun ja, die Frisur hätte man etwas sorgsamer stecken können, doch ich hoffte, Ursus würde nicht ewig bleiben. Ich fragte mich, was er hier verloren hatte! War der Draht zu seiner Herzallerliebsten doch nicht so gut, wie gedacht? Erzählten sie sich nicht alles. Oder gab es gar einen ganz anderen Anlaß, weswegen er mich aus meinem Schlaf reißen mußte?
Das Licht des nun eindringenden Lichtes hatte mich anfangs geblendet. Doch es offenbarte nun erbarmungslos, in welchem Unrat ich mich die letzten Tage aufgehalten hatte. Mich ekelte es. Wie willkommen war da die frische Luft, die herein durfte. Herrlich! Das war Leben!
"Salve Ursus! Schön dich zu sehen!", grüßte ich den nun eintretenden Aurelier. Ich gab mir die größte Mühe, freundlich zu klingen, auch wenn ich nicht sonderlich erpicht war, auf diesen Besuch.
"Was führt dich zu mir? Setz dich doch!" Ich deutete auf die nun freigeräumten Stühle, auf denen Septima und ich bereits am Morgen gesessen hatte. -
Nachdem ich den Becher wieder abgesetzt hatte, blickte ich ihn forschend von der Seite an. Seine Erklärungen deckten sich mit dem, was die junge Tiberia mir erzählt hatte. Er hatte sich die letzten zwei Wochen von seiner Familie ferngehalten, genauso wie sie es gesagt hatte. In gewisser Hinsicht fühlte ich mich deswegen wieder schuldig, denn ich war ja der Grund dafür gewesen. So sehr hatte ihn mein Geständnis mitgenommen, der Arme. Die war doch ein gutes Zeichen, wenn es ihn so niederschlug.
"Sie hat mich gestern Morgen besucht. Sie wollte nach mir sehen, sagte sie und dabei erwähnte sie auch, daß du dich von der Familie fernhältst und daß dich etwas bedrückt. Mehr nicht. Oh Marcus, es tut mir ja so leid!", antwortete ich reumütig. Allerdings hatte mich das ganze doch etwas stutzig gemacht. Hatte er nicht soeben gbehauptet, er hätte sie kaum gesehen? Nun ja, wenn Septima tatsächlich bei ihm gewesen war, dann hatte er sie bestimmt mehr als nur kaum gesehen. Es sei denn, er hatte sich die Augen verbunden oder das Treffen hatte in stockfinsterer Dunkelheit abgespielt. Irgendetwas stimmte da nicht. Wer von den beiden log mich an. Mein Mann oder Septima? Daß die Tiberia mich anlog, glaubte ich kaum. Welchen Grund hätte sie dafür gehabt? Und Marcus? Blitzschnell schossen mir wieder die längst vergessenen Bilder von der Opferung am Kapitol in den Sinn, lange vor Ursus´ Hochzeit. Die Tiberia hatte meinem Mann damals für meinen Geschmack einige zu leidenschaftliche Blicke zugeworfen. Eine schreckliche Ahnung beschlich mich! Sie und mein Mann...?
"Marcus?", fragte ich mit sanfter Stimme. "Könntest du mir jemals untreu sein?" Daß ich es sein konnte, hatte ich ja schon bewiesen. Was aber war mit ihm? Wenn es ihn so mitgenommen hatte, was lag dann näher, als es mir gleichzutun? -
Wer mich kannte, wußte, daß ich kein Freund ausgedehnter Wagenrennen war. Die Begeisterung, die viele für diesen Sport übrig hatten, konnte ich nicht im mindesten nachvollziehen. Nun denn, ich gönnte allen diesen Spaß, doch ich döste, wohlgemerkt mit offenen Augen, dahin, während die Wägen und deren Fahrer ihre Runden drehten. Dies war einzig und alleine ein Pflichttermin für mich als Gattin des Aedilis Curulis gewesen, der mich an der Seite meines Mannes hierher getrieben hatte. In der aurelischen Loge hatte ich mich dann auf meinen Platz gepflanzt, in einer seidenen Tunika, die in meiner Lieblingsfarbe, dem zarten lachsrosa gehalten war, zurechtgemacht und wohlduftend, die allerneueste Frisur großspurig aufgetürmt, ganz so eben, wie man es von mir erwartet hatte. Ich harte indes der Dinge, die da noch folgen sollten, so es die Götter für nötig erachteten. Nichts war aufregender als ein Gladiatorenkampf. Mann gegen Mann. Freilich wenn das Blut floß, war dies weniger ästhetisch. Doch in meinen kühnsten Träumen sehnte ich mich nach einem dieser starken und gut bestückten Muskelpakete, wie sie für gewöhnlich in der Arena anzutreffen waren. Bis dahin konnten sich aber die Wagenrennen noch ewig hinziehen. Wie gut, daß ich da meine Sklavin im dezent im Hintergrund geparkt hatte. Ich hatte sie angewiesen, mir mitzuteilen, wenn der interessante Teil endlich begann. Bis es so weit war, hielt ich mich dezent zurück.
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Die herbe Süße des Honigkuchens ließ meinen Mund wässrig werden. Schon lange hatte ich auf derlei Gebäck verzichtet. Ich hatte nie aus Kummer gegessen. Ganz im Gegenteil, ich verzichtete, wenn mich etwas betrübte. Der Verzicht aber dauerte nun schon einige Tage, so daß auch wahrer Hunger mitschwang. Auch wenn ich noch mehr gewollt hätte, ich beließ es vorerst bei einem Stückchen. Letztendlich war ich nicht allein. Was sollte die Tiberia von mir denken?
Was sie mir nun von Marcus berichtete, berührte mich, doch ich zeigte es Septima nicht. Mit dem, was ich dachte oder was ich fühlte, wollte ich nicht hausieren gehen. Im Inneren jedoch fühlte ich mich mit jedem Wort noch schuldiger, als ich es bisher getan hatte.
"Dies geschah sicher infolge seiner Enttäuschung.", log ich, denn mir waren seine Gründe wohlbekannt. Doch dann hätte ich mir selbst auf die Zunge beißen können, als sie andeutete, sie habe alles versucht, herauszufinden, was vorgefallen war. "Du hast ihn also aufgesucht und mit ihm gesprochen?" Ich versuchte meine Anspannung vor ihr zu verbergen, so gut es ging.
"Ich weiß nicht, wem er sich anvertraut. Ich bin es jedenfalls nicht." Es war wohl kein großes Geheimnis, daß wir beide nicht als das Traumpaar schlechthin galten. Dafür waren zweifelsohne Ursus und Septima zuständig. Ich hatte sie dafür bereits auf der Hochzeit beneidet und zog es vor, mich deshalb im Hintergrund aufzuhalten. Nicht daß ich ihr dies gefundene Glück nicht gönnte, doch es machte mich auf die Dauer krank!
Doch Septima war so schrecklich verständnisvoll, so furchtbar hilfsbereit! Ich mußte nur nach ihrer Hand greifen, um die gebotene Hilfe annehmen. Was bildete sich dieses Gör überhaupt ein? Ich war viel alter als sie und sie maßte sich an, mir helfen zu können!
Doch was war schon dabei, gemeinsam Iuno zu opfern? Ich hatte selbst schon daran gedacht, die Allmächtige anzurufen und um ihren Beistand zu bitten. Was mich nur dabei störte, war die Tatsache, daß es nun so aussah, als wäre es ihre Idee gewesen. Doch ich gab mir einen Ruck. Womöglich wurde ich sie so schneller los.
"Das wäre eine famose Idee! Mit Iunos Hilfe wendet sich vielleicht alles noch zum Guten!" Dann hätte auch mein Exil ein Ende. Ich sehnte mich nach der Außenwelt, nach Luft und dem Licht der Sonne. Doch was mich bislang zurückgehalten hatte, war Marcus.