Beiträge von Flavia Celerina

    Während Charis noch meine Tunika glättete und mit ihrem geübtem Blick noch einmal meine Erscheinung prüfte, sah ich mich erst einmal argwöhnisch um, ob sich nicht doch irgendwo noch ein paar Piraten versteckt hielten. Dann fiel mein Bick auf das wunderschön hergerichtete Schiff. Doch auch da war kein einziger Pirat auszumachen. Dort waren lediglich nur umhereilende Sklaven, die die Gäste bedienten, einige Familienmitglieder sowie Marcus und ich mußte mich einmal mehr fragen, ob ich nicht schon an Verfolgungswahn litt.
    Charis, die gute Seele zwinkerte mir noch einmal aufmunternd zu, als wollte sie wird schon sagen.
    In der Tat, es gab kein Zurück mehr! Umso schwieriger fiel es mir, den ersten Schritt vorwärts zu machen. Charis unterstütze mich darin, in dem sie etwas energischer schaute. Es bedurfte keinerlei Worte. Auch schieben mußte sie mich nicht.
    Wenigstens hatte eine die Zügel in der Hand behalten. Den beiden Leibwächtern, Phraates und Diomedes gab sie zu verstehen, daß ihr Platz nun an der Seite ihre Herrin war.
    Noch einmal holte ich tief Luft. Dann stürzte ich mich hinein ins Getümmel, darauf bedacht, meinen Zukünftigen zu erreichen, der mir hoffentlich entgegen kam und mir die nötige Kraft geben würde, den Tag zu überstehen und damit letztlich meine Ängste zu überwinden.
    Ich konzentrierte meinen Blick auf das Schiff und ließ meine Gedanken abschweifen. Tatsächlich, eine wunderbare Dekoration. Mein Geschmack hatte mich auch diesmal nicht im Stich gelassen. Als besonderer Clou, den ich mir hatte einfallen lassen, waren die Tuniken der Sklaven. Auch sie waren in rot-gold gehalten.

    Geduldig machte sich meine Sklavin an meiner Frisur zu schaffen, ohne sich von irgendetwas aus der Ruhe bringen zu lassen. Mit ungefähr dem gleichen Maß an Geduld ließ ich dies alles mit mir geschehen, auch wenn sie des Öfteren an meinem Haar ziepte. Der Parther indes klärte mich über seine eigenartige Bemerkung, hinsichtlich der Zahl sieben auf. Das Lächeln, welches er dabei zur Schau trug, sollte ihm schon noch vergehen! Er war auf dem besten Weg, meine gute Stimmung zum Cerberus gehen zu lassen!
    "Soso! Hast du das. Nun, dann wird es dir ja umso mehr Freude bereiten, mir dienen zu dürfen. Als mein Sklave, versteht sich!", antwortete ich süffisant. Nicht, daß ich mich daran ergötzte. Aber einem Sklaven muße von Anfang an unmißverständlich klar gemacht werden, wo sein Platz war!
    Wenigstens hatte er seinen Auftrag für den morgigen Tag vollends verstanden. Noch ein Satz lag mir auf der Zunge. Ich fragte mich, ob ich ihn im speziellen auf die Sklavin ansetzen sollte, die so unverschämt zu mir gewesen war. Ja, ich sollte, beschloß ich.
    "Ach ja, Phraates. Es gibt dort eine blonde Sklavin." Herrje, wie war doch gleich ihr Name? "Ich habe ihren Namen vergessen, was eigentlich ja auch keine Rolle spielt. Sie ist Germanin oder Keltin oder weiß der Himmel, was sie ist. Blond ist sie auf jeden Fall, mit langen Haaren. Auf die mußt du achten!" Ich wußte nicht, warum, aber bei ihr hatte ich ein so eigenartiges Gefühl. Unvermittelt mußte ich an den Saturnalienabend bei den Aureliern denken…

    Jetzt, da sie neben mir saß, hatte ich Gelegenheit dazu, mir ihr Kind genauer betrachten zu können. Nun ja, eine gewisse Ähnlichkeit war nicht zu verleugnen. Das kleine schmerzverzerrte und verheulte Kindergesicht hatte zweifellos etwas Rührendes. "Darf ich es einmal haben, ja? Wie hast du es eigentlich genannt?" Der kleine Wonnebrocken war einfach zu niedlich. Ich selbst hoffte darauf, die Götter seinen mir gnädig gestimmt und würden mir baldmöglichst auch ein Kind schenken, sobald ich mit Marcus vermählt war.


    "Soso, er hat dich freigelassen! Wie nobel von ihm!" Das war mir glatt entgangen! Vielleicht hatte er sie während meiner Abwesenheit freigelassen. Unvermittelt sah ich auf das Kind, sein Kind. Nein, dafür war das Kind bereits zu groß! Sinn und Zweck dieser Handlung war es ja wohl, dem Kind ein Leben in Freiheit zu ermöglichen. Es mußte ein Akt von reiner Menschenfreundlichkeit gewesen sein, der Sklavin die Freiheit zu schenken, die das Kind ihres Herrn unter ihrem Herzen trug. Seltsamerweise konnte ich Verständnis dafür aufbringen. Das eigene Kind als Sklave zu halten, erschien auch mir als sehr befremdlich.
    Die junge Mutter machte mir einen sehr unsicheren Eindruck, so als hätte sie Angst vor mir. Ich fragte mich nur, weshalb. Von mir hatte sie nichts zu befürchten. Jetzt da sie Aquilius Freigelassene war, sowieso nicht mehr.
    "Du fürchtest dich vor mir, nicht wahr?", bemerkte ich schließlich noch, auch wenn ich sie mit meiner Frage noch mehr verunsichern sollte.

    Die Sänftenträger setzten sich wieder in Bewegung. Ich atmete tief durch und versuchte die unheilvollen Erinnerungen an jenen Ort, dem ich mich im Schritttempo näherte, zu verdrängen.
    Ich hörte noch, wie es neben der Sänfte zwischen Charis und einem der Sklaven zu einem Wortwechsel kam. Das beunruhigte mich, wie so manches mich an diesem Morgen beunruhigte.
    "Was geht dort draußen vor, Charis?" rief ich meiner neuernannten Leibsklavin zu. "Nichts, Herrin. Alles bestens!", bekam ich zur Antwort. Und das sollte ich glauben??? Unter anderem Bedingungen hätte ich erneut die Sänfte anhalten lassen und wäre dem persönlich nachgegangen, doch die Zeit drängte! Ich würde sowieso mit einer beträchtlichen Verspätung in Ostia ankommen.


    Begleitetet von einigen Unterbrechungen, in denen ich beinahe meinen Selbstzweifeln erlegen wäre, war es nur dem guten und forschen zureden meiner Leibsklavin zu verdanken, daß ich doch noch den Hafen von Ostia erreichte. Dieser Ort bereitete mir in der Tat Bauchschmerzen, die sich allmählich zu Magenkrämpfen entwickelten. So schaffte ich die letzten stadien bis zum Schiffsanleger nur, indem Charis mir die Hand hielt.
    Wie ich sah waren schon einige der Gäste eingetroffen. Ich erkannte Marcus, der die Gäste in Empfang nahm. Auch eine flavische Sänfte konnte ich erspähen. Wie war es dieser Sänfte nur möglich gewesen vor mir anzukommen, fragte ich mich.
    Die Träger ließen die Sänfte ab und Charis half mir beim aussteigen. Sorgfältig brachte sie meine Tunika und das orangerote flammeum in Ordnung. Meine Ankunft war nicht lange unbemerkt geblieben. Einige Sklavenkinder, die am Kai Fangen spielten, hielten plötzlich inne und sorgten dafür, daß auch wirklich jeder von meinem Eintreffen erfuhr. Lauthals riefen sie: „Die Braut ist da! Die Braut ist da!“
    Von nun an gab es kein Zurück mehr! Ich hatte mich meiner Vergangenheit und auch meiner Zukunft gleichermaßen zu stellen. Inwieweit es sinnvoll war, sich nur vor der Vergangenheit zu fürchten und dabei die Zukunft ganz außer Acht zu lassen, würde sich noch zeigen.

    Nun ja, es war ja sehr beruhigend, zu wissen, keine Jungfrau mehr als Leibwächter zu haben. Das machte die Sache hoffentlich für ihn einfacher, seinen Auftrag gut auszuführen.
    Charis indes ging ans Werk. Mittels der umgebogenen Spitze der hasta celibaris, begann sie mein Haar in sechs Strähnen zu unterteilen, die sie mit wollenen Bändern umwickelte.
    Wie mir schien, hatte das ehemalige Kriegsgerät eine beeindruckende Wirkung auf den Parther. Er war gänzlich verstummt und starrte auf die hasta. Wohl hatte er schlechte Erfahrungen damit in seiner jüngeren Vergangenheit gemacht. Umso erstaunlicher fand ich es, als er mich plötzlich lächelnd ansah und sieben dabei sagte. Um zu verdeutlichen, was er meinte, streckte er mir auch noch die entsprechende Anzahl von Fingern entgegen.
    "Aha?", stellte ich nicht ganz verstehend fest. "Sieben?" Doch jetzt verstand ich! "Du wurdest von sieben Lanzen getroffen und hast trotzdem überlebt, nicht wahr?" Natürlich, sonst wäre er nun nicht mein Sklave!


    Wenn mich eines zur Weißglut brachte, dann waren es unqualifizierte Bemerkungen eines Sklaven, der meine Befehle hinterfragte. Da aber morgen mein großer Tag war und ich (noch) milde gestimmt war, überhörte ich den Zweifel in der Stimme des Parthers
    "Wieso sollten sie es nicht wissen? Schließlich umsorgen sie ihn! Doch bei dieser Gelegenheit kannst du auch das herausfinden!", antwortete ich ihm gereizt. Ich war ja bereits schon früher mißtrauisch geworden, wenn ich darüber nachdachte, wie viele Sklavinnen Marcus hatte. Nun würde ich es aus sicherer Quelle erfahren.
    "Ach ja, bevor ich es vergesse! Ich möchte, daß du morgen eine der neuen parthischen Tuniken trägst. Das macht dich noch authentischer!" Wenn man schon einen Parther hatte, dann mußte man das der Welt auch zeigen!

    Offenbar hatte er soweit verstanden. Ich erfuhr auch, daß er ein Mädchen hatte, welches nun an einen anderen Mann verheiratet worden war. Das war sehr bedauerlich, half mir jedoch im gegenwärtigen Moment nicht viel weiter.
    "Nun ja, das tut mir sehr leid für dich. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet. Ich wollte wissen, ob du bereits einmal eine Frau hattest. Also ob du bereits bei einer gelegen hast." Wieder sah ich den Parther prüfend an, aber im Grunde war es gleich, ob er Erfahrung mitbrachte oder nicht, jedenfalls für meine Zwecke.
    "Ach, auch wenn du keine gehabt haben solltest, wird das für deinen Auftrag keinen Hinderungsgrund darstellen! Also…" Charis war endlich mit dem Anlegen der tunica recta fertig geworden und holte sich die hasta caelibaris .
    "Wußtest du übrigens, mit dieser hasta wurde mindestens einer unserer Feinde getötet. Sie stammt aus dem Parthienfeldzug, wenn ich mich nicht irre." Ich gab Charis ein Zeichen, damit sie sich nun meiner Frisur widmen konnte. Dafür nahm ich wieder auf dem Stuhl platz.
    "Also, dein Auftrag lautet, du sollst dich bei den aurelischen Sklaven umhören. Unterhalte dich mit ihnen. Frage sie aus. Höre ihnen zu, was sie erzählen und finde heraus, welche Vorlieben mein zukünftiger Gemahl hat. Du verstehst schon. Ich möchte vorbereitet sein, für die Nacht der Nächte." Bei dieser Gelegenheit konnte ich vielleicht auch erfahren, womit er sich bisher vergnügt hatte.

    Nein, nein, das sind die typischen Auswüche, die jedesmal auftreten, wenn irgendwelche Werbefutzis, die absolut keinen Schimmer von der Materie haben, nach einem Brainstorming ein paar Ideen haben, sich aber zu fein sind, mal in den "Gelben Seiten" nach zu blättern, sprich, mal die zu fragen, die was davon verstehen :D
    ...und außerdem, ich kenne auch total witzige Nordlichter :D

    Dieser Sklave hatte die seltene Begabung, von einem Fettnäpfchen ins andere zu geraten. Zuerst der Kampf mit der Tür. Sie gebärdete sich für ihn widerspenstiger, als er geglaubt hatte. Der Blumendreck und die Erde, die noch an seinen Schuhsohlen klebte, verteilte er in meinem ganzen cubiculum.
    "Charis," sagte ich beiläufig im ruhigen Ton, während ich ihn weiter beobachtete, "du wirst unserem jungen Freund hier anschließend zeigen, wo sich die Utensilien für die Bodenreinigung befinden." Charis nickte, ohne dabei eine Gefühlsäußerung zu zeigen. "Ja, Herrin!"Endlich hatte er es bis zu mir geschafft und wollte mir mittels einer originell gemeinten Phrase zeigen, was er Neues gelernt hatte. "Nicht nur dein Ohr!" antwortete ich unbeeindruckt.
    Doch ich wollte mich nicht mit diesen Kindereien aufhalten. Es gab viel Wichtigeres zu tun!
    "Phraates, es geht um deine Aufgaben am morgigen Tag. Ich möchte, daß du morgen die Ohren aufhältst und dich umhörst. Insbesondere bei den Sklaven meines zukünftigen Gatten. Ich möchte, daß du etwas wirklich Wichtiges herausfindest! Hast du das verstanden?" Ich wollte den armen Kerl nicht gleich überfordern und ließ deshalb nicht sofort die Katze aus dem Sack. Zuerst sollte er richtig verstanden haben, was er tun sollte.
    "Ach Phraates, du warst doch in deinem früheren Leben sicher verheiratet gewesen oder hattest wenigstens schon einmal eine Frau gehabt, nicht wahr?"

    Einige Sklaven, die sich als Fackelträger nützlich machten gingen vorne her und den nachfolgenden Sänftenträgern zu leuchten. Wir hatten bereits ein viertel der Wegstrecke zurückgelegt, bis endlich die Sonne aufgegangen war. Ich fragte mich, warum Marcus die Hochzeit für die hora quinta angesetzt hatte? Das war viel zu früh für meinen Geschmack! Und ich fragte mich auch, warum ich mich nicht in einem Wagen durchrütteln ließ?
    Ich hatte mich von den vorbeiziehenden Schatten und dem Geplapper der Sklaven ablenken lassen. Dadurch mußte ich nicht mehr länger darüber nachdenken, daß es der Hafen von Ostia war, der mein Ziel war. Doch irgendwann kehrte die Langeweile zurück und mit ihr auch meine Grübelei. Die Angst war ein schlechter Reisebegleiter. Auf ungebührliche Art und Weise näherte sie sich mir, mit jedem passus, den sich meine Sänfte Ostia näherte. Schließlich saß sie mir fest im Nacken und versuchte mir die Luft abzuwürgen.
    "Halt!" schrie ich, fast außer mir! Die Sänfte stoppte abrupt. Charis kam zu mir gerannt und erkundigte sich, was vorgefallen sei.
    "Ich kann das nicht! Laßt uns umkehren! Sofort", jammerteich ihr vor. Charis sah mich artig mit ihren Lämmchenaugen an. "Aber Herrin! Dein Bräutigam erwartet dich doch!" Oh sanfte Charis, dachte ich mir, warum konntest du in solchen Fällen nicht so resolut sein, wie es Ylva gewesen war! Sie hätte mir jetzt den Marsch geblasen! "Das ist mir gleich! Ich möchte nach Hause!", antwortet ich ihr trotzig, wie ein Kind. "Aber Herrin!" Charis wieder! Diese widerliche Freundlichkeit machte mich rasend! "Aber Herrin, aber Herrin, deine Nettigkeit finde ich einfach zum… sie ist unangebracht!" Die Sklavin wich zurück, nachdem ich sie beschimpft hatte. Ich wußte nicht, was mit ihr geschah, doch plötzlich wuchs sie über sich hinaus!
    "Na schön! Wenn du es eben so willst, dann sollst du es auch so haben! Stell dich nicht so an und benimm dich nicht wie eine verwöhnte Göre! Dein Bräutigam wartet in Ostia auf dich und du wirst da jetzt hingebracht, ob du willst oder nicht!" Mein Unterkiefer klappte nach unten. Ich war sprachlos, für den ersten Moment jedenfalls! "Äh, ja. Ist gut, Charis! Danke." Die Sklavin entfernte sich von der Sänfte und gab den Trägern ein Zeichen "Los vorwärts, nach Ostia!", trieb sie sie an.
    Ein wenig Ylva steckte wohl in jedem Menschen. :D

    Erschrocken fuhr ich zusammen, als plötzlich die Tür aufflog, diese gegen die Wand knallte und ein scheinbar verrücktgewordener Parther in mein cubiculum stürzte. Dabei hatte er die Gabe besessen, das halbe Inventar zu Bruch gehen zu lassen. Selbst meine geliebten Veilchen hatten das zeitliche segnen müssen.
    "Phraates! Was fällt dir ein!!! Sieh nur, was du angerichtet hast, du Tölpel!" Mein Zorn war groß. Der Sklave konnte von Glück sagen, daß ich gerade in meiner Bewegungsfreiheit etwas eingeschränkt war. Charis hatte begonnen, sich meine Frisur anzunehmen. Bevor sie zur hasta caelibaris greifen konnte, kämmte sie erst noch mein langes Haar.
    "Du wirst diese Scherben beseitigen, sobald ich mit dir fertig bin!", fügte ich in einem strengen Ton an. Doch bevor er das tat, hatte ich noch eine äußerst delikate Sache mit ihm zu besprechen.
    "Komm zu mir her! Aber schließ vorher die Tür. Was ich dir zu sagen habe, muß nicht das ganze Haus wissen!" Ich winkte ihn zu mir her, denn es war von größter Wichtigkeit, daß er auch genau verstand, was ich von ihm verlangte.

    "Guten Morgen, Herrin! Heute ist dein großer Tag!" Mit diesen Worten hatte mich Charis mitten in der Nacht geweckt. Die Nacht in meinen Hochzeitsgewändern zu verbringen, war die reinste Tortur gewesen. Es hatte ewig gedauert, bis ich eingeschlafen war und nun war die Nacht zu Ende, obwohl es noch stockdunkel war! Hoffentlich war dies die letzte Hochzeit, an der ich aktiv teilnahm!
    "Guten Morgen Ylva, äh ich meine natürlich Charis!" Oh ihr Götter! Warum in aller Welt hatte ich sie Ylva genannt? Ob dies bereits ein Omen war? Wollten mich die Geister der Verstorbenen an meinem Ehrentag etwa wieder heimsuchen? Schlimm genug, daß ich mich heute auf den Weg nach Ostia machen mußte. Noch schlimmer, daß die Hochzeit im ostianischen Hafen stattfand. Aber am allerschlimmsten war für mich die Vorstellung, im Hafen von Ostia auf ein Schiff gehen zu müssen. Nein, ich war nicht seekrank. Es war vielmehr eine fixe Idee, nein eine Manie, nein eine Phobie!

    Meine Sklavin traf die letzten Vorbereitungen. Sie schminkte mich noch und legte mir meinen Schmuck an. Im Grunde war ich nun bereit, mich auf zu meinem Bräutigam zu machen. Doch da war noch etwas!
    "Ich will dort nicht hin, Charis!", entfuhr es mir spontan, als meine Sklavin mir den orangeroten Schleier richtete. Charis blickte mich an, als sei sie soeben vom Blitz getroffen worden. "Aber Herrin, warum nicht. Du hast dich doch so auf die Hochzeit gefreut!"
    Natürlich, sie konnte es nicht verstehen, sie hatte keine Ahnung davon, was ich mit Ostia, Hafen und Schiff assoziierte. Niemand konnte sich das vorstellen. Doch ich hatte die Bilder noch genau vor Augen. Die als Soldaten verkleideten Piraten, die uns in das Lagerhaus lockten, der Augenblick in dem sie Chimerion niederstachen und dann das viele Blut überall. Was danach geschah, waren unmenschliche Qualen die man mir und meiner Sklavin angetan hatte. Nein, ich wollte nicht dorthin zurückkehren!
    "Ich habe Angst, Charis! Große Angst sogar!", gab ich freimütig zu. Ich schämte mich deswegen nicht. Zu meiner Verwunderung, schien Charis zu verstehen. Offenbar hatte jede Einzelheit zu meiner Entführung die Runde gemacht, unter der Sklavenschaft. Sie schenkte mir ihr gütigstes Lächeln und in ihren folgenden Worten lag so viel Ruhe und Zuversicht. "Herrin, du kannst die Angst überwinden, in dem du an den Platz zurückkehrst, an dem du schlimmes erlebt hast! Und außerdem werde ich ja immer bei dir sein!" Das war ja so rührend! Ich hatte wirklich mit den Tränen zu kämpfen, vermied dies aber, damit meine Schminke nicht ruiniert wurde.


    Nein, ich hatte keine Wahl, ich mußte mich meinen Ängsten stellen, genauso, wie es Charis gesagt hatte. Wenn ich nicht in Ostia erschien, dann blamierte ich nicht nur meinen zukünftigen Ehemann, nein, auch meine ganze Familie mit dazu!
    Mit einem klammen Gefühl im Magen, verließ ich mein cubiculum. Die Sklaven, die mich begleiten sollten, darunter waren Diomedes und Phraates, warteten schon. Meine Sänfte stand ebenfalls bereit. Nur meine Wenigkeit sollte das Szenario noch abrunden.
    Während Charis mir noch einen aufmunternden Blick zuwarf, bestieg ich die Sänfte. Die Reise zu meinen Ängsten begann!

    Der Kampf hatte bereits begonnen. Eigentlich ersparte ich mir sonst immer solche blutige Unterhaltung. Meine Passion galt dem Theater. Diesem Gaudium um Mord und Totschlag konnteich nicht viel abgewinnen. Ich nahm nur meiner Verwandten zuliebe teil. Sobald es in der Arena brenzlig wurde, wandte ich meinen Blick ab.
    "Ach tatsächlich! Aquilius´ Sklave also!" Soso, und offensichtlich von Marcus eigenhändig gefangen. Wie originell! Und nun kämpfte er für den Mann, der ihm seiner Freiheit beraubt hatte. "Wirklich originell!", bemerkte ich nun laut.
    Ich sah wieder auf das Geschehen in der Arena hinunter. Für den Germanen sah es nicht besonders gut aus. Er hatte den Verlust seines Speeres hinnehmen müssen und mußte sich nun mit einem Messerchen behelfen. Im Grunde war es klar, wer der Gewinner dieses Kampfes sein würde. Als der Germane schließlich auch noch ohne Messer da stand, war dies absehbar. Das Schicksal aber meinte es anders mit dem Blonden. Er wehrte sich mit dem, was er noch hatte, mit seinem Helm. Angeekelt wandte ich mein Gesicht ab. Nein, das wollte ich nun wirklich nicht sehen. Da lobte ich mir doch meine griechischen Tragödien!

    Dieser ungehobelte Sklave! Diese Art von Aufsässigkeit hatte ich noch nie bei einem Sklaven erlebt! Was erlaubte er sich? Ich nahm an, Marcus würde dieses ungebührliche Verhalten nicht dulden und hart durchgreifen. Er stellte den Sklaven zur Rede. Sichtlich entsetzt über das Vorgefallene, verfolgte ich das Wortgefecht zwischen Herr und Sklaven, was mich noch mehr entsetzte.
    Diesen Sklaven hatte noch niemand auf seinen Platz verwiesen. Sein Stolz war ungebrochen. Eine Mischung, die mir sehr gefährlich erschien. Dieser Disput hatte längst nichts mehr mit meiner Beschwerde zu tun.
    Sie war lediglich der Auslöser gewesen. Ich fand, es war besser, mich zurückzuhalten. Marcus würde bestimmt nicht zimperlich sein, wenn es darum ging, dem unverschämten Sklaven eine Lektion zu erteilen.
    Nun ja, vielleicht war ja die ganze Sache nur an den Haaren herbei gezogen. Ach papperlapapp! Ich war im Recht. Im Gegensatz zu dem Sklaven, der sich gerade nicht wie ein Sklave benahm, sondern doch tatsächlich glaubte, gleichgestellt zu sein. Sich jetzt ein schlechtes Gewissen einzureden, war der Sache unangemessen. Marcus würde das schon richtig machen!

    Was hier begann, hat heute ein Ende gefunden.
    Zwar hätte ich mir noch gewünscht, daß man dem elenden Mistkerl noch den Prozeß macht und ihn ans Kreuz nagelt, aber Roms Justizmühlen mahlen eben (zu) langsam, wie sich letztlich gezeigt hat. ;)


    Nochmal ein großes Dankeschön an alle Beteiligten für euer großes Engagement und euer spannendes Spiel! Ihr ward alle SUPER!!! :dafuer:

    "Oh, da bist du ja Charis! Ja, ich bin bereit. Ähm nein,eigentlich noch nicht. Geh und laß nach Phraates rufen! Ich muß ihn unbedingt sprechen. Ich habe einen wichtigen Auftrag für ihn" Einen äußert wichtigen sogar! Die Sklavin starrte mich überrascht an, tat aber dann, was ich von ihr verlangte.
    Sie verließ kurz das Zimmer, um ihren Auftrag an einen anderen Sklaven zu delegieren. Nachdem sie wieder da war, erhob ich mich von meinem Stuhl und stellte mich in die Mitte des Raumes. "So, jetzt können wir beginnen!"
    Meine Arme breitete ich aus, damit Charis beginnen konnte, mich zu entkleiden. Behutsam begann sie, den Umhang zu entfernen. Sie legte ihn ab und ihr nächster Griff galt der tunica recta, die sie mir ganz vorsichtig überstreifte. Ich war schon ganz gespannte darauf, wie ich in meinem selbstgewebten Gewand aussah. Charis´ Miene war nichts zu entnehmen, ob ihr gefiel oder mißfiel, was sie sah. Sie war ganz auf ihre Arbeit konzentriert und ließ sich durch nichts ablenken.


    "Charis, was glaubst du, wird er mich lieben? Du hast ihn ja bereits kennengelernt. Hat er etwas gesagt?", fragte ich meine Sklavin, während sie noch mit der tunica beschäftigt war. Charis war Marcus´ Saturnaliengeschenk an mich, als Ersatz für meine treue Ylva.

    Alle Zeichen standen gut, für die bevorstehende Ehe. Iuno hatte unser Opfer angenommen und uns somit ihre Gunst geschenkt. Von nun an würde alles gut werden. Endlich konnte ich die Schatten der Vergangenheit hinter mir lassen. Diesmal wollte ich glücklich werden. Morgen begann mein neues Leben!


    Am Abend hatte ich Charis zu mir rufen lassen, damit sie mich vorbereitete für den morgigen Tag.
    Die weiße tunica recta lag bereit. Ich hatte sie eigenhändig angefertigt. Natürlich hätte ich sie auch käuflich erwerben können. Doch ich bestand darauf, sie selbst herzustellen.
    In einer Schatulle lag die hasta caelibaris bereit, womit mir Charis später das Haar zurechtmachen sollte. Sie sollte Kraft spenden und reinigen. Neben einem Kranz aus Blumen lag auch das orangerote flammeum, ein hauchdünner Schleier, den sie mir heute Abend noch anlegen würde.


    Nach einem erquickenden Bad war ich in mein cubiculum zurückgekehrt. Mein Körper duftete nach Mandelöl, womit man mich massiert hatte. Ich war bereit, mein altes Leben hinter mir zu lassen. Alles was gewesen war. Ab nun zählte nur noch, was sein würde.
    Während ich auf meine Sklavin wartete, ließ ich meine Gedanken schweifen. Auf den morgigen Tag und auf die Verantwortung, die auf mir lag.
    Es sollte ein glanzvolles Fest werden, wenn auch auf einem Schiff. Ausgerechnet ein Schiff! Ich hatte Marcus nicht enttäuschen wollen, indem ich protestierte, als er mir eröffnete, die Feier fände auf einem Schiff statt. Dennoch war mir der Gedanke unheimlich, nach meiner Entführung wieder auf ein Schiff zu gehen. Aber das waren nur unsinnige Gedanken…
    Eine Stimme riß mich wieder zurück. Es war Charis, die gekommen war. Ich hatte sie gar nicht bemerkt.

    [Blockierte Grafik: http://img139.imageshack.us/img139/3458/diomedeszm4.png%20]



    Diomedes, der bereits vor Stunden schon aufgestanden war, spazierte gut gelaunt in dem Speisesaal hinein, um den neuen Sklaven abzuholen. Er fand, es war ein feiner Zug von der Herrin gewesen, ihn mitgehen zu lassen. Einer mußte sich ja um den Neuen kümmern und um die junge hübsche Makedonierin, die Ylvas Nachfolgerin geworden war.
    Er fand den Parther immer noch an einem Tisch sitzend, mit einigen anderen Sklaven im Gespräch.
    "Guten Morgen, Fa…äh Fra..äh nein.. Fati, mein Junge! Na, gut geschlafen?" Mit seinen Pranken klopfte er ihm heftig auf den Rücken.


    Charis wartete bereits im Vestibulum auf die beiden Sklaven. Die Herrin hatte ihr einen Beutel mit Münzen überlassen und ihr die letzten Instruktionen für den Einkauf gegeben. Neben den Gewürzen und dem parthischen Gewändern für den neuen Sklaven, sollten sie auch noch einige Kleinigkeiten für die Herrin besorgen.
    "Da seid ihr ja endlich!" entfuhr es Charis, als die Sklaven sich ihr näherten.
    Jetzt konnte es endlich losgehen. Diomedes schritt voran. Er sorgte dafür, daß sich ihnen niemand in den Weg stellte. Außerdem war er der einzige von den dreien, der sich in der Stadt ansatzweise auskannte.
    "Was sollen wir denn alles besorgen?" fragte Diomedes. "Aha, Gewürze und Klamotten. Sonst noch was? Hat sie noch was gesagt, Charis?" Er drehte sich zu der Sklavin um, die einfach hinreißend aussah. Diomedes war zwar nicht mehr der Jüngste, aber Chancen hatte er immer noch, bei den Frauen, und Charis war ja eine – eine Frau.