Endlich schien dieses leidige Thema überwunden zu sein, so hoffte ich jedenfalls. Die Freude wollte wieder zurückkehren, wenn auch erst zaghaft, kam sie doch Stück für Stück wieder. Wenngleich auch in mir das Wissen ruhte, ertappt worden zu sein.
"Ja, ich glaube, du hast recht!" entgegnete ich. Der Hochzeit der beiden waren einige Hürden in den Weg gestellt worden, die sie aber mit Bravour gemeistert hatten! Das Paar war in der Tat vorbildlich für jeden, der schwere Zeiten zu durchschreiten hatte.
"Ein schönes Familienfest hat durchaus seine Reize und ich wäre gar nicht dagegen abgeneigt, es nur bei der Familie zu belassen, aber wie steht es mit dir? Hast du keine Verpflichtungen gegenüber deinen geschäftlichen und politischen Freunden? Die müßten wir dann auch einladen." Sein Einwand der langen Reisezeit war berechtigt, würde man es tatsächlich vorziehen und in Baiae das Ehegelöbnis zu feiern. Die Gäste hätten dann eine eintägige Kutschfahrt über sich ergehen lassen müssen. Sein Vorschlag allerdings war einfach grandios! "Ein Schiff? Das wäre einfach… fabelhaft! Ich kenne niemanden, der auf einem Schiff geheiratet hat! Wir werden die ersten sein, Marcus! Diese Idee ist einfach brilliant!" rief ich ganz aufgeregt aus.
Ich ließ mir von dem Sklaven auch einen Becher mit unverdünntem Wein einschenken und nippte daran. Es war noch so viel vorzubereiten, damit dieses Fest zur Hochzeit des Jahres werden würde!
Marcus´ Frage nach den sponsalia war berechtigt. In der Tat in wenigen Wochen wurden bereits die Saturnalia gefeiert und dann noch ein weiteres Fest? "Ich denke, wir werden uns nicht den Zorn unserer Familien aufhalsen, wenn wir darauf verzichten. Aber es wäre schön, wenn wir uns zu den Saturnalia sehen könnten! Gracchus wollte in diesem Jahr das Fest wieder im kleineren Rahmen feiern."
Beiträge von Flavia Celerina
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Wie und ob sich Corvinus dieses Wissen zu nutzen machen würde, wußte ich nicht und ich vermochte auch keinen einzigen Gedanken daran hängen, was geschah, wenn er es tatsächlich tat. Eingeschüchtert, wie ein Häufchen Elend saß ich nun neben ihm, unfähig mich zu rühren und hoffend, er würde es dabei belassen. Eigentlich hätte ich mich freuen sollen und meinen Triumph feiern sollen, aber dazu war mir im Augenblick nicht zumute. "Ich… ich weiß nicht, …was in mich… Es tut mir aufrichtig Leid, Marcus!", stammelte ich. Wie gerne hätte ich nun nach einem Loch Ausschau gehalten, in dem ich mich hätte verkriechen können. Doch es gab kein Schlupfloch, welches mir zur Verfügung gestanden hätte. Ich mußte da durch und mußte zu dem stehen, was ich mir eingebrockt hatte. Dabei konnte ich mich noch glücklich schätzen, daß er mich nicht von sich gestoßen hatte und mich dem öffentlichen Spott preisgab. Die Botschaft war bei mir angekommen!
Glücklicherweise ließ er mir einen Ausweg, damit ich endlich diese schlechten Gefühle los werden konnte. Er lächelte sogar ein wenig, als er die anstehende Planung der Festivitäten ansprach. Die Röte wich allmählig aus meinem Gesicht und auch ich ließ mich zu einem milden Lächeln hinreißen. Zwar war mir erst, als stecke mir ein Kloß im Hals, doch kam die Sprache bald wieder zurück. "Meine Vorstellungen? Ja, ich dachte an etwas Außergewöhnliches. Wir beide haben ja eine Vorliebe für Gärten, doch Aristides und Epicharis haben ja einen Park bereits als Lokalität für ihre Hochzeit gewählt. Was bliebe da noch übrig? Vielleicht eine nette Landpartie. Meine Familie besitzt einige Landgüter außerhalb Roms." Mir fiel spontan Baiae ein, die schöne Sommerfrische in Campania felix, nahe Misenum, am Golf von Neapolis. -
Meinem Ja folgte ein Ring, welcher der Sklave seinem Herrn übergeben hatte und den er mir jetzt an den Finger meiner rechten Hand streifte. Voller Ehrfurcht besah ich mir das wertvolle Stück. Besonders die filigrane Intarsie aus Elfenbein war meiner Bewunderung zuteil geworden. Nicht minder feierlich verkündete er nun unser Verlöbnis. In diesem Moment war ich selig! Dieses Mal war ich es gewesen, die den Verlauf meines zukünftigen Lebens bestimmt hatte, und keine alten Männer, die mich nur an den meistbietenden verscherbeln wollten, so wie es schon einmal geschehen war.
Er näherte sich mir und hauchte mir einen flüchtigen Kuß auf meine Lippen, zog sich aber sogleich wieder zurück. Ich, die ich die Augen geschlossen hatte, hatte auf etwas mehr gehofft, welches er mir aber enthielt. Ich vernahm seine Stimme, die nun gar nicht mehr zu der Feierlichkeit des Augenblicks passen wollte, denn sie klang ernst und hatte fast etwas drohendes an sich. Als ich nun realisierte, was er mir sagte, schlug ich erschrocken die Augen auf. Meine schlimmsten Vermutungen bestätigten sich in diesem Moment! Er hatte davon erfahren, woher auch immer. Er wußte es und es war nicht der richtige Moment, auch nur etwas davon abzustreiten. Das hätte alles nur noch schlimmer gemacht. Trotzallem hatte er sich mit mir verlobt und mit einem Mal fiel es mir wie Schuppen aus den Augen. Mit diesem Wissen hatte er mich in der Hand und wenn es ihm gefiel, so konnte er es publik machen, was mit Sicherheit meinen gesellschaftlichen Tod bedeutet hätte. So mußte ich einfach hoffen, er würde sich diesen Vorteil niemals zu eigen machen und mich zu etwas zwingen, was ich nicht wollte.
Schamesröte stieg in mein Gesicht. "Nein, natürlich nicht!" Ich schlug meine Augen nieder und die Fröhlichkeit war mir zur Gänze verloren gegangen. -
Mir schwante, diese Frage hatte einen besonderen Zweck gehabt, denn die Stille, die ihr folgte, hatte etwas ungewohntes, fast schon feierliches. Irgendetwas ging hier vor, von dem ich annahm, daß es mich gleich treffen würde. Einen klitzekleinen Moment überschwappte mich ein Angstgefühl, der unheilvolle Abend im Marcellustheater könne mich nun doch noch einholen. Doch dann erblickte ich einen schwarzen Sklaven, der von Corvinus´ Blicken angelockt worden war. Er lächelte mich an und langsam begann ich zu verstehen! Der große Augenblick, auf den ich so lange gewartet hatte und auf den ich mich freute, da ich nun endlich mein Ziel erreicht hatte, war gekommen!
Feierlich ergriff Marcus meine Hand und begann die Frage aller Fragen zu stellen. Ich hielt den Atem an, mein Herz begann ganz heftig zu schlagen und jedes einzelne Wort, welches seinen Weg aus seinem Munde fand, zerschmolz in mir. War es nicht genau das, was ich hören wollte? Wie konnte ich nur so töricht sein und auch nur eine Sekunde daran zu zweifeln! Meine Augen waren auf die seinen gerichtet. Diese wundervollen braunen Augen, die ich so begehrt hatte und um die ich gekämpft hatte. Nun sollten sie bald ganz mir gehören!
Ein eigenartiges, aber dennoch unglaublich angenehmes Gefühl beschlich mich, einerseits glaubte ich fallen zu müssen und anderseits war es, als würden mich abertausende von Schmetterlingen küssen. So ergab ich mich voll und ganz. "Oh Marcus! du ahnst nicht, wie sehr du mich glücklich machst! Ja, das will ich!", antwortete ich, über das ganze Gesicht strahlend.
Ich war am Ziel angelangt! Mir, der Siegerin winkte eine fabelhafte Zukunft an der Seite eines der angesehensten Männer Roms, ein Leben, welches von Macht und Luxus geprägt war und welches keine Wünsche offen ließ. Und wenn die Götter es gut mit mir meinten, dann erfüllten sie sogar den größten meiner Wünsche! Ein Kind, mein Kind, unser Kind! -
Der Besuch auf den Märkten Roms war immer wieder ein Erlebnis. Entweder traf man alte Bekannte, oder lernte neue kennen, oder man konnte über die Wunder der Welt staunen, die zusammengetragen wurden, um den Bewohnern dieser Stadt zum Verkauf angeboten zu werden. Da machte der Sklavenmarkt keine Ausnahme! Besonders mochte ich die Stände an denen man exotische Ware feilbot! Nichts machte mehr Eindruck, als ein Nubier, der schwarz wie die Nacht war oder ein Parther, bei dem jedes römische Kind in Tränen ausbrach, wenn er es anschaute. Auch langhaarige Thraker hatten so ihre Vorteile, wie ich selbst schon feststellen konnte. Genau deswegen war ich auch nun hier! Ich war auf der Suche nach einem stämmigen Burschen, einem muskelbepackten Exemplar, welches hart anpacken konnte und wußte, wie man kämpfen konnte. Ich war nicht etwa ins Gladiatorengeschäft eingestiegen, oh nein! Ich suchte lediglich nach einem Spielzeug für meinen Thraker, mit dem er sich ertüchtigen konnte und seine Fähigkeiten vervollkommnen konnte, um mich besser schützen zu können.
Was ich allerdings bei Titus zu sehen bekam, war bislang nicht der Rede wert gewesen! Man mußte schon sagen, Titus Angebot hatte in den letzten Monaten wirklich zu wünschen übrig gelassen! Da machte das Objekt, welches gerade zum Verkauf angeboten wurde auch keine Ausnahme! Richtige Muskeln waren da nicht gerade zu sehen! Wie sollte denn einer wie der mich beschützen können, fragte ich mich.
Der Grieche war dessen mächtig, wozu alle Griechen mächtig waren: lesen, schreiben, rechnen. Das Übliche eben! Ich trat etwas näher, um den Sklaven besser sehen zu können.
"Kann der Junge auch fest zupacken, Tranquillus, oder ist er für solcherlei Arbeiten nicht zu gebrauchen?" rief ich dem Sklavenhändler zu. -
In den Tagen meiner freigewählten Isolation, die ich zumeist in Dunkelheit verbracht hatte, war mir mein Zeitgefühl verlustig gegangen. Ich wußte nicht, wie lange es her war, seit ich mich in meinem cubiculum eingeschlossen hatte. Selbst Ylava war ich unheimlich geworden. Mit vielen guten Worten versuchte sie, mich zu beschwichtigen und mir neue Hoffnung zu geben, was ihr allerdings nicht recht gelang.
Als sie jedoch eines Morgens zu mir kam und mir das Frühstück brachte, war sie von einer gewissen Heiterkeit beseelt. Der Grund dafür war eine Nachricht, die ein aurelischer Sklave für mich abgegeben hatte. Zwar wußte sie nichts über den Inhalt dieser Nachricht, doch war sie zuversichtlich, daß es sich um eine gute Nachricht handelte. Ich hingegen konnte nicht behaupten, freudig erregt zu sein, beim Anblick des Papyrus. Gespannt laß ich das Schreiben, welches von Corvinus stammte. Doch in kürzester Zeit erhellte sich mein Gesicht. "Eine Einladung, Ylva! Schnell öffne die Fenster! Laß die Sonne herein!" Kein einziges Wort ließ darauf hindeuten, daß er etwas vom Treffen mit dem Sergier erfahren hatte, nichts! Die Einladung ließ offen, wohin und wozu genau ich eingeladen war. Offenbar sollte es eine Überraschung sein! Corvinus wußte um meine Vorliebe für Überrschungen. Er teilte mir lediglich mit, eine aurelische Sänfte würde mich abholen kommen. Die Götter waren mir noch einmal gnädig gewesen und diesmal durfte ich mich nichtnocheinmal meinen Gefühlen so sorglos hingeben! Vor allen Dingen durfte ich den Sergier vorerst nicht mehr sehen! Jedenfalls nicht mehr in aller Öffentlichkeit. Am geschicktesten war es wohl, ihn bis nach der Hochzeit, sofern es denn dazu kommen sollte, einfach ignorierte und keinen Kontakt mehr zu ihm aufnahm.
So bediente ich mich einer Methode, die es manchen Meschen möglich machte, schlimme Ereignisse vergessen zu machen. Ich strich den gesamten Abend im Marcellustheater vollkommen aus dem Gedächtnis und redete mir ein, dies sei nie passiert! Die Freude über diese Einladung half mir dabei. Hier ging es um meine Zukunft!
Die kargen Tage hatten ein Ende und ich verließ, wenn auch anfänglich eher zögernd, wieder mein cubiculum.
Schließlich war der ersehnte Tag der Einladung gekommen. Erfüllt von einer freudigen Unruhe harrte ich der Minuten und Stunden und endlich, ein Sklave klopfte an meiner Tür und meldete die Ankunft der aurelischen Sänfte! -
Damon, er würde doch nicht etwa sterben? Nein, das durfte er nicht! Nicht jetzt! Er sandte ein Stoßgebet an einen Gott und ich mit ihm. Gab es denn kein Erbarmen mehr? Und doch, ein Gott hatte ihn erhört. Er rettete den Helden vor dem sicheren Tod. Gestärkt eilte er Syrakus entgegen, um festzustellen, daß er zu spät kam. Trauer und Enttäuschung kamen in mir hoch. Sollte alles umsonst gewesen sein? Eine Träne löste sich und rann an meiner Wange herab.
Doch wie verhielt sich der Held, nachdem er vernommen hatte, daß das Leben des Freundes soeben endete? Er flüchtete nicht etwa! Nein, ganz und gar nicht. Einem Römer gleich, stellte er sich dem Tyrannen. Und siehe da, der Freund war noch nicht Tod! Nein, er war noch zur rechten Zeit zurückgekehrt.
Mir stockte der Atem, was würde nun Dionys tun, der nun grübelnd da saß, nachdem man ihm berichtet hatte, was geschehen war? Nun passierte etwas, womit die wenigsten gerechnet hatten. Der Tyrann ließ Gnade vor Recht walten, einem Verhalten, welches seine wahre Größe ausgezeichnete. Nun lagen sich alle drei in den Armen. Ich wischte mir eine letzte Träne aus den Augen.
Die Bühne wurde wieder erleuchtet und ich erhob mich und begann, genauso wie Corvinus, den Mimen heftigen Beifall zu spenden. Dieses Stück war einfach grandios!
Nachdem die Schauspieler abgegangen waren, nahm ich wieder Platz und meine Beigeisterung war noch lange sichtbar. Dank des kurzweiligen Abends,war es mir gelungen, jegliche Gedanken an das Geschehene zu vermeiden. Nichts hatte sich geändert zwischen Corvinus und mir. Erleichterung breitete sich in mir aus. Meine ganzen Befürchtungen hatten sich als unbegründet erwiesen, so glaubte ich.
Doch dann spürte ich seinen Blick auf mir, worauf ich den seinen lächelnd erwiderte. "Es war einfach wundervoll, Marcus!" -
Den Rest des Tages verbachte ich in meinen Räumen. Vermied es, auch nur einen Schritt hinaus zu tun. Meinen Lebwächter hatte ich vor meiner Tür postieren lassen, damit ich auch getrost hoffen konnte, nicht gestört zu werden. Einzig Ylva hatte Zutritt. Sie war meine Verbindung zur Außenwelt und sie war es auch, die unter den Sklaven das Gerücht streute, die domina Celerina sei an einem geheimnisvollen Gebrechen erkrankt, niemand dürfe zu ihr und selbst einen medicus wolle sie nicht sehen.
Die Weigerung, mich aus meinen Räumen zu bewegen, ging mit der Weigerung, mich herzurichten, einher. Ylva hatte dafür gesorgt, daß selbst das Tageslicht nicht in mein cubiculum gelangte. Im Halbdunkel lag ich den lieben langen Tag auf meinem Bett und grübelte, während sich in mir ein heftiger Kampf anbahnte. Das Herz, welches gestern noch für den Sergier entbrannt war, gegen den Verstand, der mich an das angestrebte Verlöbnis mit dem Aurelier mahnte. Der Verstand war es auch, der mich mit der Angst beseelte, jemand habe uns eventuell beobachten können. Es war, als trüge ich ein unsichtbares Brandmal, ein Stigma, welches mich zeichnete und welches von jedermann gesehen werden konnte.So vergingen einige Tage, in denen ich mehr ein Schatten meiner selbst war, denn ein Mensch. Sollte ich Rom den Rücken kehren und zu meinem Bruder fahren, der in Ostia weilte, da laut den Ärzten die frische Meeresbrise besser für seine Genesung sein sollte? Vielleicht tat mir ein Ortswechsel gut, um Abstand zu gewinnen. Abstand von meinem Leben…
Am schlimmsten war jedoch diese Ungewissheit! Ich spielte mit dem Gedanken, Ylva zur Villa Aurelia zu schicken. Doch ich ließ es. Corvinus würde sich in irgendeiner Form bemerkbar machen. -
Bereits auf dem Heimweg, nach dieser ominösen Vorstellung im Macellustheater hatte ich die Geschehnisse des Abends noch einmal Revue passieren lassen und ich fragte mich einmal mehr, wie ich es nur soweit hatte kommen lassen können. Wieder hatte ich mich von meinen Gefühlen leiten lassen und riskierte damit meine ganze Zukunft. Mich mit einem Mann einzulassen, der nicht Corvinus war und der nicht meinem Stand entsprach. Eine Liaison, die keinen Nährboden hatte, noch bevor sie eigentlich richtig begonnen hatte. Doch was hätte ich tun können, wenn ich von Amors Pfeil getroffen worden war? Nichts! Dagegen war ich machtlos. War es wirklich wahre Liebe, die in mir so plötzlich entbrannt war? Oder war es nur ein Strohfeuer?
Ich hatte meine Ylva zu diesem Lupanar gesandt, dorthin wo der Sergier auf mich wartete, um ihm mitzuteilen, daß ich unpässlich war. Schreckliche Kopfschmerzen hatten sich meiner bemächtigt, die es mir unmöglich machten, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Ich hatte mir von einem Sklaven Wein bringen lassen, um das zu betäuben, was in mir nagte.
Nach Ylvas Rückkehr, gönnte ich ihr und mir keine Ruhe. Ich zwang sie, mir jeden Einzelheit, die sie verfolgt hatte, und die ich, trunken vor Liebe nicht wahrgenommen hatte, zu berichten, immer und immer wieder. Je öfter sie sich widerholte, umso schlechter fühlte ich mich, umso größer wurde meine Gewissenspein. Was, wenn man mich beobachtet hatte, mitten in der Öffentlichkeit? Ich eine Dame, eine Patrizierin, die sich schon bald mit dem Senator Aurelius verloben wollte! Was, wenn er davon erfuhr? Nicht auszudenken!
Irgendwann, trunken vom Wein und versunken in Scham, fiel ich schließlich hinab in Morpheus Reich. Unruhig war mein Schlaf und als ich am späten Vormittag erwachte, fühlte ich mich wie gerädert.
Auf dem Weg zum Atrium begegnete mir eine Gruppe von Sklaven, die mich ehrfürchtig anblickten und sich verneigten, als sie mich sahen. Als ich jedoch an ihnen vorbei gegangen war, beschlich mich das Gefühl, sie tuschelten über mich. Überall, wohin ich mich bewegte, war es, als beobachtete man mich. Litt ich nun schon unter Verfolgungswahn? Verschüchtert flüchtete ich mich in mein cubiculum und schloß die Tür hinter mir. Hier wähnte ich mich in Sicherheit. "Falls jemand nach mir fragt, so antworte demjenigen, ich bin unpässlich! Für niemanden zu sprechen. Ich möchte niemanden sehen!", instruierte ich Ylva. -
Noch ehe ich das Theater verlassen hatte, ließ ich mittels meiner Sklavin einen der Trägersklaven losziehen, um etwas mehr über dieses Etablissement, von dem Sulla gesprochen hatte, in Erfahrung zu bringen.
Nach der Vorstellung berichtete mir der Sklave, was er herausgefunden hatte. Die Vorstellung, die Nacht in einem Lupanar zu verbringen, klang zwar verwegen, doch für eine Frau meines Standes undenkbar!
So ließ ich mich erst nach Hause zur Villa tragen und während ich mit Ylva noch haderte, für die Unverschämtheit, die sie sich am heutigen Abend geleistet hatte, beschloß ich eine Nachricht zu schreiben. Wenn Sulla so viel an mir lag, dann würde er warten, bis ich ihn zu mir rief.
Mein lieber Sulla,unglücklicherweise bin ich unpässlich und kann dein Arrangement nicht wahrnehmen. Doch wenn du mich treffen möchtest, so werde ich Vorbereitungen treffen lassen, welche uns ein ungestörtes Beisammensein garantieren wird.
Celerina
Ylva schickte ich, als Strafe dafür ins Lupanar, um dem Sergier meine Nachricht zu überbringen.
Ihr war unbehaglich bei dem Gedanken daran, wohin ihre Herrin sie geschickt hatte. Zum anderen wollte sie nur ungern dem Sergier gegenübertreten, da sie seinen Groll fürchtete.
Mit gemischten Gefühlen klopfte sie an der Tür des Freudenhauses.
"Ich möchte bitte zu dem Herrn Serius Sulla. Ich habe ihm eine Nachricht zu überbringen." piepste sie zaghaft, als ihr die Tür geöffnet wurde und ihr eine Frau mittleren Alters gegenüberstand. -
Wie betäubt, waren meine sonst so aufmerksamen Sinne. Betäubt von dem süßen Gift, welches er versprüht hatte und welches ich, ohne darauf zu achten, ahnungslos eingesogen hatte. Alles, was mich hätte zurückhalten können, war ausgeschaltet, selbst meine wohlgehegten Bestrebungen, bald die Frau eines Senators zu sein, war wie vom Erdboden verschluckt.
Nur eine hatte einen klaren Kopf bewahren können und war dem Sergier gefolgt, der mich nun hinfort tragen wollte.
Auch wenn ich sie augenblicklich dafür hätte züchtigen können, so war ich ihr im Nachhinein doch sehr dankbar, meiner Ylva!
"Herrin! Corvinus!!!", sagte sie auf sehr eindringliche Weise und genau das war es, was diesen Rausch mit einem Streich hinweg fegen konnte.
Wie ein Donnerschlag fuhr es in mich! Endlich erwachte ich aus meiner Berauschtheit und sofort ohne Unterlaß sorgte ich für den nötigen Abstand, aus der Angst heraus, beobachtet worden zu sein. "Corvinus??? Wo???" Erschrocken fuhr ich auf und sah mich voller Panik um. Doch niemanden, der Corvinus auch nur ein wenig hätte ähneln können, war zu erkennen. Erbost fuhr ich zu Ylva um. "Du dumme Gans, wie kannst du nur?!"Extrem echauffiert blieb ich stehen und war mir der kompromittierenden Lage, in die ich mich begeben hatte, wohl bewußt. "Mein lieber Sulla, es tut mir leid! Aber wir dürfen das nicht!, Jedenfalls nicht hier, an diesem Ort. Meine Verlobung, sie ist äußert wichtig für mich! Bitte… versteh doch!"
Ich gab meiner Sklavin ein Zeichen, daß ich gedachte, diesen Ort so schnell als möglich zu verlassen. -
Wie im Taumel des Rausches nahm ich die Situation nur noch schemenhaft wahr und war längst nicht mehr Herr über mich selbst. Ich vermochte nicht zu beschreiben, was es war, was mich so in seinen Bann zog. Vielleicht war es einfach die kecke Art, mit der er mir bereitsam Morgen begegnet war.
Ich verspürte nur noch den Drang, ihm noch ein kleines Stücken näher zu sein, ihm Einlaß zu gewähren, zu meinem Allerheiligsten, was er nicht zuletzt durch seine süßen Worte erreicht hatte. -
Je weiter das Stück fortschritt, umso mehr war ich gefangen, von dem, was sich auf der Bühne abspielte. Innerlich hoffte ich, nein ich flehte darum, Damon würde alle Hürden nehmen können, die sich denen in den Weg stellen, die noch auf ihn lauerten. Schließlich schien seine Lage aussichtslos. Ich kannte selbst das Gefühl, in der Falle zu sitzen, gefangen zu sein und keine Perspektive mehr zu sehen. Sieben Jahre lang hatte ich in der Falle gesessen und war letztendlich doch befreit worden, durch den Willen der Götter. Nicht nur das, sie schenken mir fortan ein Leben, von dem ich früher nur träumen konnte. So hoffte ich, würde es auch dem Helden auf der Bühne ergehen!
Corvinus´ Blicke bemerkte ich nicht mehr, wahrscheinlich weil sie nur flüchtig und selten waren. Selbst die Antwort auf meine Frage nahm ich nur unterschwellig war. Eine Frage? Welche Frage hatte ich noch gleich gestellt?
Erst als er meine Hand ergriff, ließ ich mich ablenken und schenkte ihm ein Lächeln, welches man als flüchtig hätte bezeichnen können. Sogleich widmete ich mich aber wieder des Dramas, welches in vorzüglicher Weise aufgeführt wurde. Es war für mich en Leichtes, mich hinein zu fühlen in die Gefühlswelt des Helden, der um jeden Preis kämpfte, auch wenn ihm die Zeit sprichwörtlich in den Händen zerrann und er sich unüberwindlichen Gefahren gegenüber sah. Schließlich kam es auch noch zu einem Kampf. Räuber hatten sich auf den Protagonisten gestürzt und sie setzten ihm heftig zu. Diese Spannung, ich konnte sie fast nicht mehr ertragen. Meine Hand, die noch in Corvinus´ Hand lag, verstärkte ihren Druck. Nein, sie klammerte sich fast an ihn, so sehr fieberte ich mit Damon.
Doch schien es, als erbarme sich ein Gott und er ließ ihn die Schurken besiegen! Erleichtert seufzte ich auf. Noch einmal trafen sich unsere Blicke. Ich lächelte verschmitzt, hatte ich mich doch so sehr dem Stück hinreißen lassen.
"Oh..!"Doch war das? Damon sank in die Knie! Ich hatte ein Bedürfnis in diesem Augenblick, aufzuspringen und lautstark zu protestieren, um der Götterwillen, nein! Doch glücklicherweise hielt mich etwas zurück und ich sah Corvinus eindringlich, hilfesuchend an, so als wolle ich ihn auffordern, etwas zu tun! -
Meine Vermutungen hatten mich in keinster Weise getrübt. Seine Annäherungen und das Berühren meiner Wange entfachten in mir ein Gefühl, dem ich mich nicht freiwillig micht hingeben durfte, auch wenn ich durchaus gewillt war. Heiß und kalt wurde es mir und dies zur gleichen Zeit. So nah wurde er mir, daß nur noch ein Papyrus dazwischen gepaßt hätte. Seinen Atem konnte ich auf meiner Haut spüren und mir war, als zöge mich etwas magisch an, was ich lange nicht mehr in solch einer Intensität wahrgenommen hatte.
"Diese Beschreibungen passen wohl eher zu Horatius Agrippa, meinem verstorbenen Gatten, auch wenn er kein Senator war." versuchte ich einzulenken. Jedoch stellte ich mich dabei recht stümperhaft an, denn ich wich keinen Deut von ihm zurück. Stattdessen wurde mein Atem schneller, wie bei einem Tier, welches befürchten mußte, sogleich erlegt zu werden. Meine Augen ertranken in der Tiefe seiner dunklen Augen und ich vergaß die Welt um mich herum.
"Ja, tue alles, was du möchtest," antwortete ich wie hypnotisiert. Appetit auf Essen hatte ich schon lange nicht mehr… -
Der Sergier war in der Tat ein amüsanter Zeitgenosse, der mich immer wieder zum Lachen brachte. Außerdem war er innerhalb der letzten zehn Minuten, mir bedeutend näher gekommen, was mir auf eine gewisse Art gar nicht unangenehm war. Doch nicht nur körperlich war er mir näher gekommen. Auch mit seinen Worten war er auf direktem Kollisionskurs. Die Frage nach meinem Ehemann überraschte mich.
"Mein Ehemann? Oh, der ist im letzten Jahr von mir gegangen! Und ja, er war ein Dummkopf!", antwortete ich vergnügt. Sollte ich ihn auch von meinem zukünftigen Mann berichten? Angebracht wäre es ja gewesen! Also tat ich es. "Aber ich bin verlobt. Nun ja, sozusagen verlobt. Offiziell bin ich es noch nicht, doch dies ist nur noch eine Frage von wenigen Tagen." -
Nachdenklich hörte ich mir an, was Chimerion mir zu berichten hatte und mußte bei dem Gedanken schmunzeln, wie er meinen Angreifern mit seinen Zähnen zu Leibe rückte. "So, würdest du das? Das ist schön, zu hören. Aber ich finde, es ist nicht ausreichend, wenn du nur Liegestützen machst. Du brauchst genügend Übung und diese sollte möglichst regelmäßig stattfinden."
Ich ließ meine Blicke über den Tunika verpackten Körper gleiten. Man konnte die Muskeln darunter erahnen und ich mochte gut durchtrainierte Männerkörper. Besonders dann, wenn sie mit wohlriechenden Ölen einmassiert waren. Als Ringer konnte ich ihn mir auch sehr gut vorstellen. In meinen Gedanken spann ich nach und nach eine Idee zusammen, die ich schließlich artikulierte.
"Ich hatte mir überlegt, einen geeigneten Partner für dich zu suchen, mit dem du trainieren könntest. Vielleicht einen neuen sklaven. Vielleicht wäre aber auch eine Gladiatorenschule das Richtige für dich. Was meinst du? Scheue dich nicht, deine eigene Meinung kund zu tun!"Chimerions Frage erstaunte mich. Wie kam er darauf, ich könnte Feinde haben? "Ich wüßte nicht, wen ich fürchten müßte, doch es gibt immer Individuen, die es nicht gut mit einem meinen. Davor sollst du mich schützen." -
Seine Antwort war äußerst diplomatisch gehalten, was mich ein wenig zum schmunzeln brachte. "Und wie findest du diese Mischung?", fragte ich nach. "Normalerweise bevorzuge ich eher exotische Düfte. Ich habe eine Vorliebe für alles Ägyptische!" Nichts von meinem Äußeren ließ darauf schließen. "Aber wahrscheinlich langweilige ich dich mit meinen Vorlieben. Ich habe noch keinen Mann getroffen, der sich längere Zeit gerne über Kosmetika oder Mode unterhalten wollte. Erzähle mir doch etwas über dich? Womit beschäftigst du dich im Augenblick?"
Solange das Stück noch nicht begonnen hatte, konnte man sich ja noch ein wenig unterhalten -
"So sind sie, die Katzen!", antwortete ich lachend. "Wahrscheinlich ist seine Sympathie für mich in der Tatsache begründet, daß ich selbst eine Katze besitze. Dein Kater wird meine Kätzin gewittert haben." Die Fähigkeiten einer Katzennase waren nicht zu unterschätzen! Das hatte ich schon einige Male beobachten können. Allerdings hatte hier nicht nur der Kater die Witterung aufgenommen, so glaubte ich jedenfalls zu spüren.
"Der Fliederduft stammt von meinem Parfum. Ein neuer Duft, den ich heute erstanden habe. Findest du ihn gut?" Ich war auf seine Meinung gespannt, denn eine offene ehrliche Meinung war mir wichtig. Den ganzen Tag war ich von Sklaven und anderen Untergebenen umgeben, die immer nur das sagten, was ich hören wollte. -
Ja, ich hatte mich nicht getäuscht! das war der Sergier vom Markt, den ich heute Morgen kennengelernt hatte und der mich auf recht unkonventionelle Art 'gerettet' hatte. "Sergius Sulla! Welch eine Überraschung!" Jetzt war mir alles klar, weswegen der Platzanweiser mich hierher geführt hatte und warum er die rote Rose bei sich getragen hatte.
Ich nahm neben Sulla Platz und gab den Sklaven ein Zeichen, damit sie sich im Hintergrund bereit hielten."Mein Bruder ist schon eine Weile schwer erkrankt, was leider zur Folge hat, daß er sich in den letzten Monaten gänzlich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat. Aber laß uns von etwas erfreulicherem sprechen." entgegnete ich ihm, als er abermals meinen Bruder zur Sprache brachte.
"Wo hast du eigentlich deine Katze gelassen?" Diese Frage war eigentlich scherzhaft gemeint, da wohl niemand auf die Idee kam, eine Katze mir ins Theater nehmen würde. -
Nanu, was war das denn? Seit wann trugen die Platzanweiser rote Rosen? Hatte ich etwas verpaßt? Selbst meine Ylva, die bereits durch meine gelegentlichen Anwandlungen nichts mehr erschüttern konnte, sah etwas ungläubig drein. Doch behielt sie jeglichen Kommentar für sich.
"Äh, wie? Mein Platz? Oh ja, danke!" Etwas verwirrte von dem Ganzen, folgte ich dem Platzanweiser, der mich zu einem Platz führte, an dem ich üblicherweise nicht zu sitzen pflegete und an dem es bisher auch nur einen Theaterbesucher hin verschlagen hatte.
"Äh, bist du dir ganz sicher, daß dies der richtige Platz ist? Normalerweise sitze ich etwas weiter unten." fragte ich etwas besorgt. Ich fragte mich schon, wie man von hier aus noch einigermaßen gut das Stück verfolgen konnte. Doch dann ahnte ich schon, weshalb der Platzanweiser mich hierher geführt hatte. Dieser eine Besucher, der dort saß, kam mir irgendwie bekannt vor!