Beiträge von Flavia Celerina

    Da konnte ich ja nun wirklich beruhigt sein! Es hätte mich doch auch sehr verwundert, hätte sie CP nicht gekannt! Antonias Stimmungswandel war nicht zu übersehen. War sie bis vor wenigen Minuten noch scheu und lustlos, machte sie nun einen aufgekratzten und begeisterten Eindruck. "Ich finde, CP sollte viel mehr in die Öffentlichkeit gehen und Werbung machen!" Wobei CP wohl in aller Munde war, wenn man einmal den Andrang sah. Wobei die meisten Frauen nur eine kurze Wegstrecke vor sich hatten. Die richtig schwergewichtigen Fälle waren eigenartigerweise hier nur unzureichend vertreten.
    "Nun Antonia, ich weiß nicht, was du schon alles über CP weißt. In jedem Treffen, gleich ob es in Rom, in Massalia oder in Lutetia stattfindet, ist der Ablauf gleich. Siehst du da vorne die beiden Frauen hinter dem Tisch? Die eine ist die Wiegesklavin. Vor der brauchst du keine Angst zu haben! Und die andere..." "Entschuldigung, wenn ich mich einfach so einmische! Aber ich bin heute zum erten Mal hier..." Die dicke Dame, die direkt hinter uns anstand und die die ganze Zeit unserer Unterhaltung gelauscht hatte, unterbrach mich in meiner Erklärung. "Du scheinst dich hier auszukennen! Stimmt es, daß man bestraft wird, wenn man zugenommen hat?" Ich sah befremdlich zu ihr hinüber. "Bestrafen? Gute Frau! Glaubst du, hier wäre ein solcher Andrang, wenn hier jemand bestraft werden würde?" Wieder wandte ich mich zu Antonia. "Mhm, wo war ich nur stehen geblieben? Ach ja, also die eine ist die Wiegesklavin und die andere..." "Ja, aber ich habe aber doch gehört, daß man.. Aber wenn du es sagst. Aber wie ist das denn, darf ich dann überhaupt noch etwas essen?" Schon wieder hatte diese Person mich unterbrochen und langsam wurde ich ungeduldig. "Gute Frau, laß dich einfach überraschen! Die Frau neben der Wiegesklavin wird dir nachher alles erklären!" Das schreckliche an diesen Treffen war einfach, daß man die Gesellschaft von derartigen Individuen ertragen mußte. Ich fragte mich, warum CP keine Hausbesuche machte!.

    An diesem Abend war wieder ein großer Andrang! Alle Welt lechtzte danach, wieder schlank und schön zu werden! Besonders jetzt, da der Sommer schon fast vor der Tür stand und es nicht mehr weit war, bis man Rom für eine Weile den Rücken kehrte und sich auf die Landgüter im Süden zurück zog, um dort etwas zu verweilen und Erholung vom stressigen Altag zu finden. In der Tat, der Winter hatte an so mancher weiblichen Kurve seine Spuren hinterlassen. Nur durch eiserne Disziplin und einen starken Willen schaffte man das, was sich viele wünschten: ein Leben lang schlank zu sein! Dies mußte durchaus nicht von Verzicht geprägt sein. Oh nein, ich hatte nicht damit aufgehört, auf die schönen Dinge des Lebens zu verzichten. Ganz im Gegenteil! Nun genoß ich sie noch mehr!


    Die Schlange vor uns wandt sich nur schleppend weiter. Offenbar waren heute wieder viele Neu- oder Wiedereinsteigerinnen anwesend, so wie auch meine Verwandte, die neugierig ihre Blicke schweifen ließ.
    Ich war der Schriftzug CP aufgefallen und wer hätte es gedacht, sie konnte immer noch nichts damit anfangen, wo sie sich eigentlich befand.
    "CP steht für custodes ponderis, Antonia! Sag nur, du haßt noch nie etwas davon gehört?" Das hätte mich jetzt wirklich verblüfft, da viele durch diese Methode abgenommen hatten. Erstaunlich fand ich nur, dass CP noch keine Werbung in der Acta machte. Das wäre doch die Chance, an noch mehr Kundschaft zu kommen. In einer Zeit wie der unseren, stand doch die Schönheit hoch im Kurs!

    Ich mußte ihr wohl ordentlich Respekt eingeflöst haben. Mit äußerster Vorsicht ging sie vor. Etwas anderes hätte ich auch nicht geduldet.
    Es erstaunte mich, zu hören, wem sie gehörte. Offensichtlich war sie nicht die Gänsemagd, für die ich sie zuerst gehalten hatte.
    "So, Flavius Aquilius! Das ist ja....interessant!" Während sie mir meine Tunika anzog musterte ich sie und mußte gestehen, daß mein Onkel durchaus Geschmack hatte. Nun ja, sie war vielleicht etwas blaß und dürr und... schwanger. Aber sonst, machte sie einen recht guten Eindruck.
    Mich beschlich der Gedanke, dieses Mädchen dachte schon, sie sei fertig! Weit gefehlt! Da meine Ylva heute leider unabkömmlich war, lag es nun an ihr, mich zufrieden zu stellen. Wahrlich keine einfache Aufgabe, die ich ihr stellte! Doch so war nun mal das Leben. Außerdem verschaffte ich ihr dadurch etwas mehr Abwechslung. Sollte sie doch froh sein, mir über den Weg gelaufen zu sein!
    "Ich nehme an, dein Herr wird die Villa bereits verlassen haben. Nun, dann darfst du mich heute in die Stadt begleiten, nachdem du mich noch frisiert und geschminkt hast," wies ich sie mit einem süffisanten Lächen an.
    "Dort drüben findest du alles, was du benötigst." Ich deutete auf meinen Komodenschrank, auf dem alle Utensilien zum Frisieren bereit lagen. Ich selbst begab mich auch dorthin und ließ mich auf dem davorstehenden Stuhl nieder.

    "Na dann! auf in den Kampf!". Bevor ich mich auf die offene Tür zu bewegte, zwinkerte ich Antonia noch einmal zu. Ylva bedeutete ich, hier zu bleiben und auf uns zu warten, während ich den Anfang machte und das Haus betrat. Ich folgte einem Gang, der ganz offensichtlich zum angestrebten Ziel unserer nächtlichen Unternehmung führte. Immer wieder sah ich mich nach Antonia um, damit ich mir sicher sein konnte, daß sie mir noch folgte.
    Schließlich traf ich auf eine Menschenschlange, die vor dem Eingang zu einem gößeren Raum standen und warteten. Ich stellte mich hinten an und begann zu warten, so wie die anderen Frauen, die anstanden, es auch taten. Hier war ich inkognito. Niemand wußte wer ich war uns so sollte es auch bleiben. Peut à peut, wandt sich die Schlange weiter nach vorne und Antonia und ich mit ihr. Bald schon hatte man einen Einblick in das Innere des Raumes. Einige Stühle standen dort, ein langer Tisch, hinter dem einige Frauen agierten und ein Banner über dem Ganzen, auf dem ein großes CP zu sehen war.
    "Na, bist du schon aufgeregt? Keine Sorge, es sieht schlimmer aus, als es tatsächlich ist!"
    Ich selbst hatte mit CP bereits Erfahrung und war von seiner Wirkung überzeugt. Was mir einmal geholfen hatte und immer wieder half, wäre auch für Antonia das Richtige!

    Dies war doch wirklich beruhigend zu hören, daß Aquilius des Stickens auch nicht mächtig war. Wäre es anders gewesen, hätte ich mir darüber Gedanken machen müssen. Doch stattdessen verleitete mich sein Geständnis zum schmunzeln.
    Ein wenig Zerstreuung fernab der Literatur war auch recht angenehm, zumal wir bisher noch nicht so oft die Gelegenheit hatten, uns ungezwungen zu unterhalten. Um ehrlich zu sein, kam mir unser Aufeinandertreffen sogar sehr gelegen. Doch das, worüber ich schon seit geraumer Zeit mit meinem Onkel sprechen wollte, hatte auch noch Zeit und so stellte ich es hinten an, um mich erst noch etwas zu amüsieren. Wie es schien, war Aquilius ein Meister in der Kunst des theatralischen Schauspiels. Er beherrschte es so gut, daß er mich dadurch fast zum Lachen brachte. Jedoch ein lautes Auflachen wäre für mich nicht in Frage gekommen, ein mädchenhaftes Gekicher fand ich auch unpassend so beließ ich es einfach bei einem dezenten Schmunzeln.
    "Oh ja, ich vergehe hier langsam vor Monotonie! So habe ich heute beschlossen, die Bibliothek zu plündern. Der Bibliothekar, Mago heißt er glaube ich, hat mir wohl insgeheim die Pest gewünscht, als ich mit all den Schriftrollen sein Heiligtum verließ. Selbstredend lag es mir fern, dir auch noch das letzte Vergnügen zu nehmen." Wobei es mein Vorstellungsvermögen überschritt, zu glauben, er könne sich an der Aeneis ergötzen. Ich legte meine Schriftrolle etwas zur Seite. Aeneas und Dido mußten noch etwas warten, bis das sie sich letztlich doch trennen mußten.
    "Nun derzeit befasse ich mich mit Vergils Aeneis. Jedoch habe ich hier noch einiges mehr, falls ich dem überdrüssig werden sollte. Du kannst gerne einen Blick auf meine Auswahl werfen." Mit einer dezenten Handbewegung deutete ich auf die Schriftrollen, die ich neben der Kline niedergelegt hatte. Wenn er mir nicht das Beste wegschnappen würde, wäre ich sogar zum Teilen bereit gewesen.
    "Nun, ich gönne mir einen solchen Nachmittag auch viel zu selten. Zu oft kommt etwas dazwischen und manchmal habe ich das Gefühl, die Zeit rinnt wie Sand zwischen meinen Fingern hindurch. Der Duft der Blumen war heute zu verführerisch, als daß ich etwas anderes hätte tun konnen." Ich atmete tief ein und der süße Duft der Rosen strömte in meine Nase. Ja, so ein Nachmittag im Garten war schon herrlich und durch (fast) nichts ersetzbar.

    Meine Ziehmutter, die von jeher immer daran geglaubt hatte, daß nichts ohne besonderen Grund geschah, hätte unsere Bekanntschaft sicher als Vorsehung oder auch als den Willen der Götter bezeichnet. Wie auch immer die Sachlage war, wer seine Finger im Spiel gehabt haben mochte, ich dankte ihm oder ihnen dafür! Diese Bekanntschaft war wirklich mehr, als ich erwarten durfte, zumal wir uns in einigen Dingen sehr glichen oder uns auf wundersame Weise ergänzten. Was wollte man da mehr?
    Den Austausch unserer Kindheitserinnerungen weckte in mir zwar einige unschöne Momente, die ich lieber hätte vergessen wollen, als daß ich darüber sprach, doch konnte ich mich damit amüsieren. "Nun, von Wollen konnte zumindest bei mir keine Rede sein! Meine Mutter hat mich regelrecht dazu nötigen müssen. Dementsprechend waren dann auch die Resultate meiner Fertigkeiten. Ja, die tunica recta habe ich mit Ach und Krach selbst hergestellt." Dementsprechend war dann auch meine Ehe verlaufen. Doch dieses Drama, welches meine Ehe nun einmal gewesen war, konnte nicht alleine am miserablen Ergebnis einer selbstgewebten Tunika begründet gewesen sein! Die Zeit, da ich unter Selbstvorwürfen litt, war längst vorbei. In all den Jahren hatte ich eine gesunde Portion Selbstvertrauen entwickelt und seit dem Tod meines Gatten, sprühte ich förmlich vor Selbstbewußtsein! Dies betraf nicht nur mein Verhalten in der Öffentlichkeit. Nein, auch bei der Wahl meiner Kleidung legte ich stets Wert auf Originalität. Die Tunika von der Stang war mir dabei immer ein Graus gewesen. "Oh, dein Kompliment weiß ich zu schätzen!" Ich lächelte und musterte ihn insgeheim. Nun ja, seine Kleidung als topaktuell zu titulieren, wäre zu viel des Guten gewesen. Er war ohne Zweifel adrett gekleidet, jedoch fehlte vielleicht etwas der Pepp!
    "Nun, wenn du möchtest, so kann ich dir einige Adressen von empfehlenswerten Schneidern übermitteln lassen oder aber wenn du möchtest, werde ich dich gerne unter meine Fittiche nehmen, und dich von Kopf bis Fuß neu einkleiden lassen." Ein schelmisches Schmunzeln war meinem Gesicht zu entnehmen. Gab es doch nichts schöneres, als einen Mann beim Kauf seiner Kleidung hilfreich zur Seite stehen zu können.

    Es war in der Tat eine düstere und unfreundliche Gegend, in die wir derweil vorgedrungen waren. Selbst mir war es etwas mulmig geworden. Falls jemand uns hätte angreifen wollen, wären wir hilflos ausgeliefert gewesen. Nur Ylvas Fackel hätte uns als Waffe dienen können.
    Doch es mußten nun wirklich nur noch wenige Schritte sein, bis wir unser Ziel erreicht hatten.
    Unversehens blieb Ylva stehen und machte mich auf eine Schmiererei an einer Hauswand aufmerksam. Eine verzerrte Darstellung einer beleibten Frau und ein Pfeil waren darauf zu erkennen. Ich nickte ihr verschwörerisch zu und wandte mich sogleich zu Antonia um. "Siehst du, wir sind gleich da!" Die Dunkelheit die die Claudia umgab, verhinderte es, daß ich den verdrießlichen Ausdruck in ihrem Gesicht sah. Jedoch hätte ich volles Verständnis für sie gehabt, hätte sie sich abschätzig über unsere nächtlichen Exkursion geäußert. Bald darauf setzten wir wieder unseren Spaziergang fort.
    Schließlich erreichten wir, ein von außen unscheinbares Gebäude. Die Eingangstür stand sperrangelweit offen. Eine Frau, die offenbar auch nicht erkannt werden wollte und sich deshalb auch ihr Gesicht mit der Palla verbarg, lief schnellen Schrittes an uns vorbei.
    "Hier sind wir, Herrin!" Ylva war wieder stehen geblieben und sah mich erwartungsvoll an. Ich wiederum wandte mich an Antonia. "Wollen wir?"

    Das war die Rettung in letzter Minute! Auch wenn meine Ausrede womöglich eher an den Haaren herbei gezogen war. Jedenfalls lieferte sie die erwünschte Wirkung. Ich hatte mich sozusagen wieder selbst aus meinem eigenen Netz befreit. Der Schrecken saß mir noch fast in den Knochen, als mich seine Entschuldigung, der darauffolgende versöhnliche Blick und seine Hand auf der meinen, mich wieder dahin schmelzen ließen. Nein! Ich hatte nichts verpatzt. Nichts war verloren! Ich war weiterhin im Rennen und meine Chancen standen gut. So spannte ich erneut mein Netz, um damit einen guten Fang machen zu können.
    "Nein, ein solch wunderbarer Abend, verdient auch einen gebührenden Abschluß. Zumal es sich ja um eine unüberlegte Äußerung meinerseits handelte." Freudig lächelte ich wieder, denn vor uns tat sich nun jener Park auf, in den mich der Aurelier entführen wollte. Innerlich jauchzend, war mir, als laufe ich auf Wolken. Alsbald folgte ein Gesprächsthema, welches uns mit Sicherheit gelegen war und keinen von beiden kompromittieren konnte – die Welt der Pflanzen. "Oh wirklich! Das wäre ja wunderbar, könntest du ein solch höchst seltenes Exemplar dein Eigen nennen! Wie gerne würde ich selbst solch fremde und geheimnisvolle Länder und Völker besuchen! Wie du siehst, plagt mich stets das Fernweh!" Ich grinste über meine letzte scherzhafte Bemerkung. Erfreulicherweise war auch sein Interesse an mir nicht abgerissen. Auf seine Frage hin, mußte ich schmunzeln.
    "Nein, wenn du mich hinter einem Webstuhl vermutet hättest, müsste ich dich nun enttäuschen! Handarbeiten waren mir von je her ein Graus. Als Kind wurde ich zwar stets dazu angehalten, jedoch konnte ich mich mit derlei Beschäftigungen niemals richtig anfreunden. Nun, ich liebe es zu lesen und meinen Studien über die Heilkraft der Pflanzen nachzugehen. Oder ich fröne meinem Laster!“ Spitzbübisch schaute ich zu Corvinus. Ob er wohl erahnen konnte, welches Laster das meine war? Über mein wahres Laster würde ich ihn wohl auf ewig im unklaren lassen müssen. Jedoch das weitaus unverfänglichere konnte ich mit ruhigem Gewissen preisgeben. Nun wollte ich ihn auch nicht zu lange auf die Folter spannen. "Dem Einkaufen! Ich bin eine äußerst modebewußte Frau und ich verfolge jede neue Richtung, die derzeit en Vogue ist."

    Von der Villa Flavia war es etwa noch ein fünfzehnminütiger Weg, bis wir unser Ziel erreichen sollten. Ich hatte diesen Weg schon einige Male mit Ylva gemacht- immer dann, wenn es wieder notwendig wurde. Meine Sklavin wußte genau, welche Straße sie nehmen mußte und wann man wo abbiegen mußte.
    Einige Straßenzüge weiter, schien es so, als wären wir weit entfernt vom schönen strahlenden Rom. An die Villengegend hatte sich erst ein Viertel angeschlossen, indem einige Händler ihre Geschäfte hatten. Doch unversehens wurde auch dieses Viertel von einer etwas herunter gekommenen Wohngegend abgelöst. Die mehrstöckigen Häuser sahen nicht sehr einladend aus. In der ferne hörte man plötzlich das Bellen eines Hundes. Aus einem der Häuser drang das Gebrüll eines Streites. Du verdammte Schlampe, komm sofort her! Du kannst mich mal! Hau bloß ab!Dies war gewiss kein Platz für Patrizierinnen, wie wir es waren. Unschlüssig darüber, das Richtige getan zu haben, wandte ich mich zu Antonia. Was sollte sie nur von mir denken? Eine Dame, wie sie es war, hatte sich höchstwahrscheinlich noch nie in eine solche Gegend gewagt. "Keine Sorge! Mir ist bisher noch nie etwas passiert. Außerdem sind wir bald da!"

    Schnell zog ich mir noch eine Palla über, die mir Ylva reichte. Dann verließen wir meine Räumlichkeiten und folgten dem Korridor auf leisen Sohlen. Da es durchaus unüblich war, zu so später Stunde noch einmal das Haus zu verlassen, wollten wir Sorge dafür tragen, damit kein anderer Hausbewohner unsere Absenz bemerkte. Meine Sklavin schritt voran und wies uns den Weg zum Hinterausgang der Villa, der für gewöhnlich von den Sklaven und Lieferanten benutzt wurde. Ylva hatte sich zwischenzeitlich eine Fackel besorgt, mit der sie uns den Weg über den Hof leuchtete. Um diese Zeit wirkte der Hof wie ausgestorben. Dieser Umstand machte die Sache etwas einfacher für uns.
    Erst als das schwere Hoftor hinter uns ins Schloß gefallen war, atmete ich erleichtert auf. "So, das wäre geschafft! Nun liegt noch ein kleiner Fußmarsch vor uns, der allerdings mit Leichtigkeit absolviert werden kann!"
    Während des Ankleidens hatte ich Ylva flüsternderweise eingeweiht, wohin es gehen sollte. So reichte es aus, ihr nur leicht zuzunicken und schon setzte sie sich in Bewegung.


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    War meine Frage zu gewagt? Hatte ich mich zu weit nach vorne gebeugt? Was, wenn seine Antwort enttäuschend ausfallen würde? Ich fühlte mich in jenem Moment doch recht beengt in meiner Haut. Fragen über Fragen plagten mich jetzt. Ich war gegen den Aurelier wirklich nicht abgeneigt. Ganz im Gegenteil! Was ich bereits über ihn in Erfahrung bringen konnte, machte ihn um ein Vielfaches noch attraktiver für mich. Noch einmal wollte ich mich nicht ins Unglück stürzen lassen! Diesmal wüsste ich dies zu verhindern wissen. War es vielleicht das, was meine Feinfühligkeit auf der Strecke bleiben ließ?
    Nun gab es jedoch kein Zurück mehr! Angespannt harrte ich einer Erwiderung und wog die möglichen Varianten ab. Gewiß war es unwahrscheinlich, daß ein Mann wie er, bislang keine Verbindung eingegangen war. Sein zögerndes Lächeln verriet mir, daß es ihm ähnlich ergehen musste. Möglicherweise sah er in mir die Spinne, die ihr Netz geknüpft hatte, um darin ihr nächstes Opfer zu fangen, um es anschließend verspeisen zu können.
    Sein Nein erstaunte mich allerdings. Jedoch folgte darauf ein kleiner Einblick in sein bisheriges Leben.
    Verlobt also! Jedoch die Verbindung wurde wieder gelöst. Es war zu indiskret, nach dem Warum zu fragen. Er machte nicht den Eindruck auf mich, als wolle er ausführlich darüber sprechen. So entschied ich mich dafür, nicht noch tiefer in nicht ganz verheilten Wunden zu bohren.
    Indes ließ mich seine Frage erschüttern! Mir war, als hätte man mich bei etwas unflätigem erwischt. Ich ahnte förmlich, wie sich meine Wangen röten mussten.
    "Wie bitte? …Ich… ein Ehemann? Aber nein! Oh nein! Ich fragte mich nur, ob unser beider Schicksal einige Gemeinsamkeiten aufweisen." So gut es ging, versuchte ich mich aus meinem eigenen Netz wieder herauszuwinden. Dieses Opfer wollte nicht so einfach ausgesaugt werden. Ich musste mich einer anderen, etwas fein sinnigeren Strategie bedienen.

    Es bedurfte nur wenige Augenblicke, bis Corvinus mir seinen Arm anbot. Dankend hakte ich mich ein und eine innere Zufriedenheit machte sich in mir breit. War ich schon an meinem Ziel angekommen? Nun, ich war auf dem besten Weg dorthin, wenn auch noch nicht auf der Zielgeraden. Mein heutiges Etappenziel hatte ich allerdings erreicht! Ich war es gewohnt, früher oder später das zu bekommen, was ich wollte. Warum sollte es in diesem Fall anders sein?
    So schlenderten wir duch den lauen Abend, den horti entgegen. Den Sklaven, die uns folgten schenkte ich nur wenig meiner Aufmerksamkeit. Wichtig alleine war nur der Mann an meiner Seite. Nun fehlte nur noch der Anstoß zu einer netten kleinen Konversation. Der Aurelier hatte beschlossen, den Anfang zu machen. Er hatte in der Tat nicht vergessen, woher ich kam. Allenfalls ein Indiz dafür, daß ich ihm in Erinnerung geblieben war.
    "Ich habe meine Zelte in Lutetia für immer abgebrochen und gedenke nun für unbestimmte Zeit in Rom zu bleiben," antwortete ich lächelnd auf seine Frage.
    Eine betretene Stille brach über die vermeindlich begonnene Konversation herein. Sollte das kleine Flämmchen denn schon erloschen sein, oder rang er lediglich nur nach einem passenden Thema?


    Um das zu bekommen, was man wollte, musste man gelegentlich auch zu etwas unkonentionelleren Mitteln greifen. Das tat ich dann auch, indem ich ihn direkt ansprach.
    "Wie ist es mit dir, mein lieber Aurelius? Warst du auch schon einmal im sicheren Hafen der Ehe?" Natürlich wußte ich durch meine Informanten, daß dies noch nicht der Fall gewesen war. Doch einem flüggegewordenen Vogel half es oftmals, einfach aus dem Nest gestoßen zu werden.

    Liebster Marcus Aurelius Corvinus!
    Dein Postfach ist berstend voll! Es wird höchste Zeit, daß die Sklaventruppe aus Germanien wieder zurückkehrt! :D

    Mir war die Überraschung in Antonias Gesicht keineswegs entgangen. Doch ich beschwichtgte sie mit einem Lächeln. "Keine Sorge, uns wird nichts passieren!" Ein netter kleiner Spaziergang konnte äußerst erquickend sein. Zumal man dadurch auch etwas für die schlanke Linie tun konnte... und deswegen wollten wir uns ja auf den Weg machen.
    Unwesentlich länger, nachdem ich nach ihr gerufen hatte, betrat Ylva mein Cubiculum und sah mich fragend an. "Ja, Herrin?"
    "Claudia Antonia und ich werden heute Abend noch einmal die Villa verlassen. Du wirst uns begleiten! Sieh zu, daß keiner erfährt, wo wir hingehen und veranlasse, daß wir die Villa über den Hinterausgang verlassen können. Alles soll so unauffällig wie möglich sein!" Ylva sah überrascht zu der Claudia hinüber und nickte dann etwas unschlüssig.
    "Doch bevor wir aufbrechen, suchst du mir noch eine unauffällige Tunika und ziehst sie mir an!"
    Während ich hinter meinem Paravant verschwand, zog Ylva eine schon etwas ältere Tunika heraus, die nicht mehr viel her machte. Innerhalb kürzester Zeit hatte sie mich anzezogen.
    "Tada! Ich bin fertig! Jetzt können wir gehen!" Angezogen war ich hinter meinem Paravat hervorgetreten und war nun zu allen Schandtaten bereit!

    Calli hat mir auf Anfrage geantwortet. Er hat leider selbst die Fragen noch nicht. Wahrscheinlich wird sich alles um eine Woche verschieben! ;) Also kein Grund zur Sorge! Wir wurden nicht vergessen! ;)

    "Schön!" Ich spritzte unerwartet aus meinem Sessel auf und blickte vielsagend auf die Claudia herab. Sie fragte sich sicher, was das sollte. Doch sie würde schon noch früh genug sehen! "Mein Geheimnis befindet sich nicht hier! Wir müßten heute Abend noch die Villa verlassen. Im Schutz der Dunkelheit, wird niemand erfahren, wo wir hingehen. Wir sollten auch auf Sänften verzichten, damit niemand auf die Idee kommt, wer wir sind! Eine unauffällige Palla wäre auch angebracht."
    Ich wandte mich zur Tür und rief nach meiner Sklavin, die sich mit hundertprozentiger Sicherheit vor der Tür verschanzt hatte und nun lauschte. "Ylva!"

    Genüßlich schob ich mir eine weitere Weintraube in den Mund, während ich angeregt weiterlas. Der süße Saft der Frucht breitete sich in meinem Mund aus und sorgte für ein Frohlocken meiner Geschmacksknospen. Gab es etwas schöneres, als den Nachmittag so in aller Stille zu verbringen? Wenn man dabei mit allem wichtigen versorgt war, was der Mensch bedurfte, so war diese Frage einzig nur mit 'ja' zu beantworten. Vergils Aeneis bezauberten mich immer wieder aufs Neue. Ob Dido es diesmal schaffen würde, das Herz des Helden zu gewinnen? Nein, leider nicht! Abermals mußte sie sich ihren Tränen hingeben. Welche Dramatik doch in diesem Stoff lag! Ich seufzte mitleidig und gönnte mir noch einen Schluck des erfrischenden Weines.
    Der Duft der Blumen und das fröhliche Gezwitscher der Vögel erinnerten mich wieder daran, wo ich war und wer ich war. Dies gab mir die Zuversicht, Didos Schicksal nicht teilen zu müssen. So vertiefte ich mich wieder in meinen Text und bemerkte gar nicht, daß ich mit einem Mal gar nicht mehr alleine war. Die mahnenden Worte meines Onkels waren es, die mich aufblicken ließen. Seine Strenge war aber nur gespielt, soviel verriet mir sein Schmunzeln. Selbstverständlich ließ ich es mir nicht nehmen, entsprechend darauf einzugehen. "Oh ja, ein äußerst lästerliches Vergnügen! Besonders der Wein ist unverschämt gut," antwortete ich mit einem unterdrücktem grinsen. Leider gelang es mir nicht lange, den gespielten Ernst und die damit verbundene strenge Miene zu halten. Stattdessen grinste ich breit. "Um die Wahrheit zu sagen, ich kann gar nicht sticken!" Handarbeiten waren mir schon immer zuwider gewesen. Ob dieses Geständnis jetzt mein ganzes zukünftiges Leben beeinflussen würde? "Und ein geeigneter Sklave ist auch nicht in Sicht. Außerdem hinterläßt das immer solche häßliche Flecke auf der Tunika." Ich hatte da so meine eigenen Methoden, die letztlich viel effektiver waren und auch viel weniger Schmutz verursachten.
    Ich legte meine Schriftrollen zu den anderen und setzte mich auf. Zu dumm, daß ich nur eine Kline hatte herstellen lassen! Meine Ylva war auch nicht griffbereit. Ich hatte sie ja in die Stadt geschickt, wo sie nun in aller Ruhe damit beschäftigt war, mein Geld auszugeben. So setzte ich mich kurzerhand auf, rutschte etwas zur Seite und bot Aquilius den Platz neben mir an. "Möchtest du dich nicht setzten?"

    Antonia starb fast vor Neugier! Was in ihrer mißlichen Lage auch gar nicht verwunderlich war. Ich konnte förmlich die Verzweiflung aus ihren Worten entnehmen. Diese Frau war wirklich an jenem besagten Punkt angelangt sein, an dem sie zu allem bereit war! Jetzt war auch ich mir sicher, das richtige zu tun, wenn ich sie einweihte.
    Nicht minder geheimnisvoll lächelte ich erneut. "Es wird funktionieren! Darauf kannst du dich verlassen!"Mein Blick wanderte zum Fenster. Es war schon spät. Die letzten Sonnenstrahlen hatten sich gerade verabschiedet und bald brach die dunkle Nacht herein. Gerade recht, für einen nächtlichen Spaziergang, der den neugierigen Augen Roms verborgen bleiben sollte!
    " Nun, liebste Antonia, könntest du etwas Zeit erübrigen. Ich würde dir gerne mein Geheimnis offenbaren."

    Etwas was ich am Theater haßte, waren die Zusachauer, die alsbald das Stück zu Ende war, aufspritzten und sogleich zum Ausgang drängten. Mir war das alles zuwider! Nur dann, wenn man unmittelbar nach dem Ende der Vorstellung noch etwas sitzen blieb,(um zum Beispiel den Abspann und die Outtakes noch zu bewundern :D) konnte man das Stück auf eine ganz besondere Weise auf sich wirken lassen. Außerdem hatte sich dann auch das schlimmste Gedränge bereits wieder aufgelöst. Offenbar hielt es der Aurelier ebenso. Ein Umstand, dem ich sehr begrüßte. Auch die aurelischen Damen, die sich zu Beginn noch in seiner Obhut befunden hatten, waren mit einem Mal verschwunden. Sie waren bei meinem Onkel Aquilius bestens aufgehoben! So kam es, daß ich schließlich alleine an der Seite des Aurelius war. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Schlagartig fielen mir wieder die Worte Antonias ein, die kürzlich bei unserer abendlichen Unterhaltung gefallen waren.
    "Oh ja, äußerst glamourös! Ähm, ja, das Lächeln...ja. Heißt es nicht, ein Lächeln versüßt den Tag?" Ich konnte mich vor Verlegenheit kaum noch retten. Dieses Kompliment kam einfach zu überraschend, als dass mir etwas besseres darauf eingefallen wäre. War Corvinus bei unserem ersten Treffen sehr zurückhaltend, wagte er sich nun etwas mehr in die Offensive.


    Das Verkehrsaufkommen nach den Vorstellung, war wie bereits erwartet imens. Ein einziges Gedränge war das in den Straßen von Rom. So war sein Vorschlag, den Nachhauseweg doch zu Fuß zu berschreiten, eine gute Alternative zum entnervenden Einreihen in den Stau. "Ein abentlicher Spaziergang wäre jetzt genau das Richtige," antwortete ich strahlend.
    "Da mir die horti Menenniae noch nicht bekannt sind, lasse ich mich gerne überraschen!" So konnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen - ein Spaziergang in angenehmer Begleitung und die Besichtigung eines mir noch unbekannten römischen Parks, auch wenn man bei der bald einbrechenden Dunkelheit wohl nicht mehr allzu viel von seiner Pracht bewundern konnte.