Beiträge von Numerius Duccius Marsus


    Prudentia Callista:


    Und da war Elfleda auch schon, die gute Seele. Erleichtert und dankbar hörte Callista aufmerksam zu, was diese ihr sagte. Nicht, dass sie wichtige Anweisungen verpasste. "Diesmal ist es....gnnhhh...schlimmer!" presste sie nur hervor, als ihr Unterleib sich erneut zusammenpresste. Und dann war die Germanin schon fast wieder weg. Ihr Götter, jetzt lag sie schon wieder alleine hier. Schweiß brach ihr aus und ihre Finger gruben sich krampfhaft in das Bettzeug. Dann hatte sie wieder einen Moment zum Verschnaufen. Callista schluckte schwer. Sie fühlte sich schwach und müde. Und das jetzt schon? War das richtig so? Nein, das konnte nicht normal sein. Sie wusste, dass sie nicht kräftig genug war, aber sie musste dieses Kind zur Welt bringen!



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    Urghs, da wurde Witjon erst einmal wieder fortgeschoeben. "'Tschuldige," haspelte er, wurde jedoch abgewürgt, als er einen Schritt zurückgetreten war. Mit offenem Mund glubschte er Elfleda an, die ihm erklärte, dass es so weit war. Frigg hilf, Callista gebar und er konnte nichts tun! NICHTS! "Ich..." startete er einen Versuch, Argumente gegen Elfledas Anweisungen vorzubringen, besann sich dann aber seiner Rolle bei Elfledas Geburt. Er hatte Loki beruhigt. Unten. Weit weg von den Frauen. "Gut," lenkte er also ein. "Ich verschwinde schon." Er machte auf dem Absatz kehrt, schlurfte die Stufen herunter - gefolgt von Elfleda, die nun dringend zu Marga in die Küche wollte - und schlug eine unbestimmte Richtung ins Innere des Hauses ein. Und das Innere des Hauses bedeutete immer: Das Atrium. Und da saß auch schon Lando. Völlig gelassen, wortkarg wie so oft - und in letzter Zeit besonders - und mit einem Getränk. Met. Jawoll, runter damit. "Hmhm," brummte Witjon nur dankbar, ließ Becher an Becher stoßen und nahm einen tiiiiiiiefen Schluck, der beinahe den Becher leerte.
    Nach einem stillen Augenblick des Zusammenhockens und Dahinstarrens fand der junge Ubier seine Sprache wieder. "Mann, ist Vater werden schrecklich," stellte er niedergeschlagen fest. Noch nie hatte er sich so nutzlos gefühlt wie jetzt.


    Prudentia Callista:


    Viele Wochen waren vergangen seit Elfleda Witjon von Callistas Schwangerschaft berichtet hatte. Seitdem war es um seine junge Ehefrau nicht wesentlich besser bestellt gewesen. Callista kämpfte wahrhaft tapfer und machte ihrer Familie Ehre, doch so recht wollte sie nicht wieder zu Kräften kommen. Die Schwangerschaft ging voran, ihr Bauch wölbte sich rapide und die Prudentia fühlte sich immer unwohler. Nur selten kam sie aus dem Bett heraus, um einige Schritte zu gehen. Einmal hatte sie es sogar unter großer Anstrengung auf den Balkon der Casa geschafft, als der Frühling sich aus seinem Versteck traute und Midgard mit Sonne und Wärme beglückte. Doch nur selten war die Zeit von Freude geprägt. Ständig lag sie im Streit mit ihrem Mann, weil ihre Launen ihn nervten oder sie ihn absichtlich provozierte. Dann floh er vor ihr zu seinen Freunden und Vettern, ertränkte den Ärger im Bier oder in der Arbeit und Callista blieb zurück in ihrem Zimmer, traurig und wütend auf sich selbst. Selbst Elfleda hatte sie in ihrer Verzweiflung schon öfters vertrieben gehabt. Nur Marga war geduldig und hart genug, regelmäßig nach ihr zu sehen, ohne die Nerven zu verlieren. Aber mit Marga konnte sie sich auch nicht recht unterhalten. Trotz Callistas Bemühungen zur Erlernung des Germanischen war die Kommunikation in letzter Zeit schwierig geworden, nicht zuletzt weil sie in diesem Zustand des Kränkelns und der Schwäche nicht immer bereit war sich den widrigen Umständen anzupassen.
    Es war einfach ungerecht! Sie hatte sich so viel vorgenommen. Sie hatte es so gut gemeint, hatte sich auf alles eingelassen. Merkwürdige Hochzeitszeremonien, fremdländische Kultur, Sitte und Sprache hatte sie toleriert, akzeptiert und letztendlich auch gemocht. Doch in den letzten Monaten waren die Zweifel immer stärker geworden. Lange wurde sie nicht schwanger, machte sich Vorwürfe deshalb. Dann war sie krank, vom harten germanischen Winter stark getroffen. Und jetzt diese Schwangerschaft zum ungünstigsten Zeitpunkt! Witjon hatte zwar seine unendliche Freude beteuert und ihr noch einmal seine Liebe und Treue zugesichert. Doch das hatte nicht geholfen die Sorgen zu zerstreuen. Elfleda war mit Callista genauso ehrlich gewesen wie mit Witjon und hatte alle Risiken und Gefahren offengelegt. Allen war klar, wie die ganze Sache enden konnte, alle kannten die Risiken. Callista spielte mit dem Feuer, das wusste sie. Doch ihr blieb keine andere Wahl. Sie musste dieses Kind zur Welt bringen, um jeden Preis! Für ihren Mann. Für ihre Familie. Für ihre Ehre als Witjons Frau und für ihr Versprechen ihrem Onkel Balbus gegenüber!


    Jeden Tag betete sie zu Iuno, um für ihren Segen zu bitten. Doch immer mehr beschlich sie das Gefühl, dass die Schutzgöttin der Mütter sie verlassen hatte. Was hatte sie falsch gemacht? Wieso würde Iuno ihr ihre Unterstützung nicht bewilligen? Missbilligte sie gar ihre Vermählung mit Witjon, dem Germanen? Nein, das konnte und wollte sie nicht glauben! Göttlicher Segen oder nicht, irgendwann kam der Tag, den alle sehnsüchtig und zugleich furchtsam erwarteten.
    "Eeeelfleeeeeeeeeedaaaaaaaaaaaaaaaa!" kreischte die junge Prudentia. Die Wehen hatten eingesetzt. Nicht zum ersten Mal, nein. Aber diesmal fühlte es sich ernst an. Es schmerzte wie noch nie zuvor und trieb ihr bereits die Tränen in die Augen. "Ihr Götter," keuchte Callista. "Iuno steh' mir bei..." Ihr Stoßgebet ging in einem weiteren keuchenden Stöhnen unter. Es war soweit. Heute würde sich alles entscheiden.


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    Witjon hatte den Vormittag in der Regia verbracht, indem er sich mit jeder Arbeit ablenkte, die er kriegen konnte. Er arbeitete sich in letzter Zeit beinahe zu Tode, nur um nicht nachdenken zu müssen. Die Zerstörung des Handelskonsortiums war für ihn Grund genug sich unheilvolle Gedanken zu machen. Doch Callistas Zustand machte ihm umso mehr Sorgen. Irgendwann war er völlig fertig gewesen und hatte sich in einen Sessel im Kaminzimmer gepflanzt, einen Becher Bier getrunken und war einfach eingenickt. Er schlief unruhig, während schlechte Träume ihn plagten. Und dann schreckte ihn ein unheimlicher Schrei auf. Das war seine Frau! Bei den Göttern, ging es etwa los? Wie ein aufgeschrecktes Huhn sprang Witjon auf, rannte kopflos im Kreis und hechtete dann die Treppe des Wohnturms hinauf, immer drei Stufen gleichzeitig nehmend. Vor der Tür zu seinem Zimmer stieß er mit Elfleda zusammen. "Was ist mit ihr? Was ist los?" hechelte er, vor Sorge völlig außer sich.

    Ragin hörte sich auf einmal nicht mehr sonderlich selbstsicher an. Und wütend schien er auch nicht mehr zu sein. Nur noch ein wenig verlegen. Witjon konnte sich ein gönnerhaftes Lächeln nicht verkneifen. Er zwinkerte seinem Vetter gut gemeint zu und beließ es bei dessen Erklärung. "Na, wenn du das sagst. Ich will mal nicht so sein und glaube dir." Nun war es an der Zeit, das Thema zu wechseln. "Sag mal, wie geht's eigentlich deinem Bein? Bist du bald wieder voll auf der Höhe?"

    "Skeita! Skeita! Skeitaaaaa!"* hallten Witjons verzweifelte Schreie über den Platz. Es war noch beinahe Nacht, die Sonne blinzelte noch verhalten am Horizont. Eine gewaltige Rauchsäule stieg aus dem Herzen der Stadt auf, aus einem Häuflein Schutt und Asche zehrend. Wo noch wenige Stunden zuvor ein Flammenmeer an Holz, Putz, Schindeln und Stroh gefressen hatte, war nun nur noch ein großer rauchender Geröllberg übrig, dessen Überreste noch vor Glut schwelten. "Verflucht noch eins, wie konnte das passieren? Welch Katastrophe!" Sich die Haare raufend kniete der Procurator Consortii auf dem Pflaster des Forum. Wie ein Wahnsinniger war er hierhergestürmt, als des Nachts ein Vigil die Schreckensnachricht mitgeteilt hatte.


    Denn die Männer der 'Feuerwehr' waren nicht erfolgreich gewesen bei ihrem Löscharbeiten. Wie denn auch? Diese Leute waren allesamt Handwerker und engagierte Knechte aus den Betrieben der Stadt, ausgerüstet mit persönlichen Werkzeugen. Unterstützung erhielten sie von den wenigen Nachtwächtern und Bewohnern der benachbarten Häuser. Doch eine professionelle Löschtruppe wie sie gar in Rom selbst existierte waren diese Männer nicht. Man hatte Glück gehabt, dass die umstehenden Gebäude nicht zu schnell Feuer gefangen hatten. Dennoch war der Schaden fatal: Das Römisch-Germanische Handelskonsortium war bis auf die Grundmauern abgefackelt, während die beiden nebenstehenden Häuser ebenfalls nicht unerheblich durch die Flammen angegriffen worden waren. Die Dächer waren völlig hinüber, ebenso die oberen Geschosse. Ein Glück für die Bewohner, dass das Konsortium eigene Nachtwächter angestellt hatte, die in letzter Sekunde die Menschen aus dem Schlaf gerissen hatten, sonst wäre es wohl auch sie zu spät gewesen.


    Auf dem Forum stand trotz der frühen Morgenstunde schon eine große Menschenmenge beisammen, die meisten Gaffer, manche Helfer, manche Opfer. Die Vigiles standen bedröppelt herum und redeten sich ins Gewissen, dass sie wenigstens einen Stadtbrand hatten verhindern können. Die Nachtwächter der Freya Mercurioque saßen auf dem Straßenpflaster, den Kopf in die Hände gestützt in Erwartung eines noch ausstehenden Donnerwetters. Witjon derweil kniete immer noch vor dem Haufen Trümmer, der ihm so viel bedeutet hatte. Und nicht nur ihm. Was Lando wohl sagen würde!? Er hatte das Konsortium immerhin gegründet. Er war von Anfang an dabei gewesen, hatte den Aufstieg in Mogontiacum angeleitet und die Erfolge auch über die Provinzgrenzen hinaus erlebt. Jetzt schien es Witjon, als wäre all das vorbei. Im Feuer untergegangen.


    Sie konnten nicht einmal versuchen irgendetwas zu retten. Der Hauptmann der Vigiles hatte Witjon erklärt, dass es viel zu gefährlich sei die glühende Ruine jetzt schon zu betreten. Da wäre sowieso nichts mehr übrig, was es zu retten lohnte. Alles war zu Asche verkommen! Die Waren, die Dokumente, alles! Einzig einige Kopien von Urkunden und Produktionslisten war übrig, die in den Archiven der Casa Duccia lagerten. Wundervoll!
    "Ihr Götter, warum hasst ihr uns? Freya, womit haben wir das verdient?!" murmelte er zu sich selbst, nah daran in Selbstmitleid zu verfallen.
    Da fühlte er plötzlich einen freundlichen Händedruck auf seiner Schulter. Verwundert wandt Witjon sich um und blickte einem seiner teuersten Freunde ins Gesicht.


    [Blockierte Grafik: http://www.kulueke.net/pics/ir/nscdb/a-germanen-maenner-jung/08.jpg]


    Ortwini, Sohn des Siguhelm:


    "Witjon..." setzte der beste Freund des Duccius an, wusste jedoch nichts hilfreiches zu sagen. Statt dessen drückte er noch einmal dessen Schulter und schenkte dem jungen Mann einen mitfühlenden Blick.
    "Ortwini!" stellte Witjon fest, erleichtert den Freund am Ort des Unglücks an seiner Seite zu sehen. Er erhob sich und deutete händeringend zum Schutthaufen, ehemals Handelskonsortium. "Wenn ich den erwische, der wird seines Lebens nicht mehr froh..."
    Ortwini nickte verständnisvoll und zog die Augenbrauen zusammen. "Meine Hilfe sei dir gewiss, mein Freund."
    Der Duccius nickte dankbar. Er wusste, er konnte sich auf Ortwini verlassen. Mit dieser Gewissheit fasste er neuen Mut und in seinem Kopf schmiedete er bereits Pläne zur ununterbrochenen Weiterführung der Geschäfte. Ein suchender Blick glitt dann über die Versammelten. Wo waren eigentlich die anderen Duccii? Und waren die restlichen Consortii benachrichtigt worden? Wobei Witjon sich sicher war, dass eine Nachricht von solcher Tragweite sich ohnehin in Windeseile verbreiten würde.



    *germ. Skeita = Sch**ße

    Mehr als nicken konnte Witjon nicht ob der Versicherung Elfledas. Callista würde kämpfen, ja. Aber ob sie siegreich war stand in den Sternen. Jedenfalls halfen Elfledas Worte ein wenig und bestärkten Witjon in seiner plötzlichen Tatkräftigkeit. "Mach das," erwiderte er auf ihre Feststellung, den Naha-Vorfall geflissentlich ignorierend. Er sah sich in keiner Weise schuldhaft an der Eistaufe oder gar an Nahas kurzem Höhenflug. Auch ihre Anweisungen bezüglich des Hustens tat er mit einer lapidaren Handbewegung ab. "Ist gut, mach ich. Wird schon werden." Er erhob sich, von neuem Tatendrang - nicht ohne bitteren Beigeschmack - erfüllt und wandte seine Schritte Richtung Garten. "Auf dass die Götter meine Bitten erhören," warf er ihr noch über die Schulter zu, keine Reaktion abwartend. Dann ging er hinaus zum Gebetsfelsen, wo er lange knien würde. Nur gelegentliches Husten unterbrach die andächtige Stille.

    Elfledas Diagnose kam nicht gerade unerwartet. Dennoch traf sie Witjon tief, der sich nur an einen winzigen Hoffnungsschimmer zu klammern schien. Das Kind loszuwerden um die Mutter zu retten wäre auch seine erste Wahl gewesen, doch wenn Elfleda sagte, dass das bei Callistas Zustand keine Option war...nun, dann blieb wohl keine andere Wahl. Elfleda setzte sich neben ihn und teilte ihm nun ihre Sorgen mit, das ganze Ausmaß der Gefahr schildernd. Aber wenn sie weiterhin so kränklich und schwächlich bleibt... wiederholte Witjon in Gedanken. Er malte sich bereits das Schlimmste aus. Am Ende war er kinderloser Witwer und musste sich ein neues Weib suchen. Ein klebriger Kloß setzte sich bei dieser Zukunftsversion in seinem Hals fest, machte es ihm für einen Moment unmöglich zu sprechen. "Ich..." krächzte er, wurde aber vom Husten unterbrochen. Als er Elfleda wieder ansah, sprachen Sorge und Hilflosigkeit aus seinem Blick. "Ich danke dir für deine Mühen, Elfleda. Tu was in deiner Macht steht, ich werde es dir zu vergelten wissen." Ehrliche Worte eines verzweifelten Mannes sprach er da aus. Er war der Mattiakerin wahrhaft zutiefst dankbar, was er sogar durch eine Geste ausdrückte. Denn seine Hand fand sich auf ihrer Schulter wieder und eine kurze, verlegene Umarmung folgte daraufhin. "Mir bleibt nichts, als die Götter um ihren Beistand zu bitten," stellte er dann nüchtern fest. Erste Anzeichen eines gewissen Fatalismus machten sich erkennbar. Wenn selbst eine begabte Heilerin nicht mehr viel tun konnte, so lag Callistas Leben und das des Ungeborenen einzig in den Händen der Nornen.

    Witjon knurrte mürrisch, als Elfleda ihn so herumkommandierte. Doch fügte er sich und setzte den Becher an, um ihn mit großen Schlucken zügig zu leeren. "Lääcker..." grunzte er mit ausgestreckter Zunge und drückte damit in seinen Augen die erwartete Dankbarkeit zur Genüge aus. Er schluckte ein paar Mal und versuchte den widerlichen Geschmack der Medizin herunterzuwürgen, während er darauf wartete, dass Elfleda endlich mit der Sprache herausrückte. Und das tat sie auch, indem sie Witjon einen Schrecken einjagte. "Schwanger? Endlich?" keuchte er in Ermangelung der angemessenen Zurückhaltung, die er sonst gelegentlich pflegte. Doch bevor er noch mehr sagen - oder vor Erleichterung jubeln - konnte, schüttelte ihn ein weiterer Hustenkrampf, der ihn weiters zum stillen Zuhören verdammte. Die anfangs so fröhliche Nachricht offenbarte natürlich schnell ihre kritischen Aspekte. Erschöpft seufzte Witjon. Er wollte sich vor Elfleda keine Schwäche eingestehen, doch die Krankheit hatte ihn schon hart gepackt und so sah er sich nach einer der Bänke im Atrium um und ließ sich müde darauf plumpsen.
    "Eine Amme," wiederholte er, sich Elfledas Worte noch einmal vor Augen führend. Sorge zeigte sich in seiner Miene, als er die Mattiakerin ansah. Nach einem Augenblick der Stille musste er den Gedanken, der sich manifestierte und der peinigend wie eine heiße Klinge durch Witjons Geist schnitt, aussprechen: "Wird es sehr ... gefährlich für sie sein?" Er wusste natürlich, dass eine Geburt immer ein Gefahrenpotenzial für beiderlei Mutter und Kind barg. Doch in diesem Fall war es wohl offensichtlich, dass Callista keine leichte Geburt haben würde. Ohne es zugeben zu wollen: In Witjon stieg panische Angst um sein Weib auf, ohne dass er etwas dagegen zu tun vermochte! Ein grausiger Albtraum kam ihm wieder ins Gedächtnis und eine böse Vorahnung schlich sich ein, die kein vernünftiges Argument zu entkräften vermochte.

    Sie war ihm eine richtig gute Freundin geworden? Witjon hätte beinahe laut losgelacht. Für ihn gab es nur wahre Freundschaften unter Männern. Bei Frauen war das etwas ganz anderes. Entweder sie wollten dich deines Geldes wegen, oder weil du so angesehen bist. Oder sie wollen dich nicht und lassen dich deshalb dumm dastehen. Oder du willst sie, nimmst sie dir und nimmst dir dann eine andere. Oder aber du nimmst dir eine und behälst sie, weil sie dir im Tausch für dein Geld oder Ansehen oder beides einen Erben geben kann. Und ein bisschen Liebe war am Ende womöglich auch im Spiel. Oder aber Frauen waren mit dir verwandt, dann bestünde gewiss auch die Möglichkeit auf eine ganz ordentliche Freundschaft.
    Aber eine Römerin aus Alexandria als gute Freundin seines Vetters Ragin? Kaum! Da lachten ja alle Hühner in Albins kleinem Stall! Als hätte der Pimpf die Kleine nicht in seinem Bett gehabt. Das konnte ihm doch kein Mensch erzählen. Skeptisch beäugte er daher seinen Vetter und kniff prüfend die Augen zusammen. "Eine gute Freundin, so so. Um dein Sax hat sie sich gekümmert? Und du musstest dich auch noch von ihr retten lassen?" Witjon grinste breit. "Hör sich das mal einer an. Was hat sie denn als Belohnung bekommen für diesen Rettungsdienst?" Seine Worte waren erst zweideutig anspielend, dann eindeutig provokant gewesen. Und das mit voller Absicht. Witjon verstand voll und ganz, dass Ragin stinkig wurde und das nutzte er umso mehr, um ihn noch weiter zu ärgern. Mal sehen, wann der Bogen überspannt wäre.

    Mit gerümpfter Nase nahm er den Becher entgegen und betrachtete das Gebräu angewidert. Landos Göttergattin zählte die Zutaten auf, doch Witjon hörte - ganz nach Männermanier - sowieso nicht richtig zu, sondern bereitete sich innerlich bereits auf einen widerlichen Brechreiz vor. 'Austrinken' war das Stichwort und Witjon hatte das Gesöff bereits an die Lippen gesetzt, als Elfleda weitersprach. Hatte er das richtig gehört? Callista? Was war schon wieder mit ihr los? Mit gerunzelter Stirn nahm er den Becher wieder runter und sah die Mattiakerin fragend an. Welche schlechten Neuigkeiten würde er wohl nun wieder zu hören bekommen? Nicht nur, dass die Prudentia ihm seit ihrer Hochzeit kein einziges Kind hatte gebären können. Sie war seit geraumer Zeit auch noch ständig kränklich, hatte miese Laune und ließ dementsprechend auch ihren Unterricht bei Phelan schleifen. Es war zum Haare raufen. Erst sah alles so gut aus und jetzt ging diese Ehe langsam aber sicher ziemlich in die Brüche. Witjon war genervt und hatte eigentlich keine Lust sich schon wieder mit dem leidigen Thema herumzuschlagen, aber er würde Elfleda jetzt gewiss nicht über den Mund fahren. Immerhin wollte er auch gesund werden und da musste er sie bei Laune halten, damit sie sich auch um ihn kümmerte. Anders als sein nutzloses....wunderschönes....verweichlichtes....liebenswertes Weib!
    "Was denn?" fragte er unfreundlicher als gewollt, seiner Gegenüber jetzt die volle Aufmerksamkeit schenkend.

    Witjons Grinsen wurde schwächer, als Ragin in seiner Beschwerdeführung fortfuhr und seine Abneigung Alrik gegenüber ganz deutlich offenbarte. "Nun," erwiderte Witjon da in sachlicherem Ton. "Ich würde solches Gerede nicht so ernst nehmen, wie du es gerade tust. Aber, da stimme ich dir zu, Alrik ist mir auch nicht recht geheuer. Wenn der es wirklich schafft, in Rom zu erreichen was er sich vorgenommen hat - was auch immer das sein mag - so soll der bloß nicht wieder herkommen und einen auf dicke Hose machen." Er hatte nun die Arme verschränkt und schaute zum Fenster raus, bevor er sich wieder seinem Vetter zuwandte. Ihm fiel da etwas auf, das Ragin zuvor gesagt hatte. "Sag mal...wer ist denn überhaupt diese Axilla?"
    Wenn jemand so von deiner Frau, oder unseren Cousinen schreiben würde, fändest du das also in Ordnung? Das hatte Ragin immerhin gesagt. Ob er wohl eine Geliebte hatte? In Rom? Jetzt wurde Witjon richtig neugierig.

    Schnell überflog Witjon das Schreiben, wobei er nicht weit kam. Denn der zweite Absatz ließ ihn breit grinsen und teilweise sogar laut lachen. "Was hast du denn? Ich kenne diese Axilla zwar nicht, aber Valas Beurteilung ist doch keineswegs negativ." Er grinste weiterhin breit und gab seinem jungen Vetter den Schrieb wieder zurück, ohne den persönlichen Teil angerührt zu haben. Insgeheim machte er sich bereits auf einen weiteren Wutausbruch gefasst, denn allzu besänftigend waren seine Worte auch nicht gewesen. Ein Kichern entfleuchte wieder seiner Kehle, als er den trotzigen Gesichtsausdruck in Ragins Miene sah. Hach, war es herrlich den kleinen Pimpf zu ärgern!

    Witjon gehörte ganz klar erster Kategorie Mann an. Er merkte zwar selbst, dass er völlig neben der Spur war, aber das wollte er sich keineswegs eingestehen. Ausgerechnet in diesem Moment der offensichtlichen Schwäche fand Elfleda ihn im Atrium vor und zeigte ihre Zufriedenheit mit ihrem ekelhaften Lächeln. Witjon kniff die Augen zusammen und schluckte eine bissige Erwiderung herunter. Er wusste ja doch, dass sie recht hatte, verdammt! "Hrrmpf," machte er nur und richtete sich wieder gerade auf. "Selbstverständlich geht es mir blährrährrrähhrrrgh!" Ein weiterer Hustenreiz ließ ihn nicht zum Ende des Satzes kommen. Ärgerlich wischte Witjon sich mit dem Handrücken über den Mund und schüttelte resignierend den Kopf. Er bemerkte Elfledas Siehst-du-Blick und hob hilfs die Arme. "Ist ja gut! Was hast du für mich?" Als ginge es ihm nicht schon schlecht genug. Jetzt würde er sich auch noch mit ihren grauenhaften Heilmethoden herumplagen müssen. Das Weib würde ihn vermutlich jeglicher hässlicher Wurztränke und stinkenden Schmiersalben unterziehen und am Ende wäre er wohl vor Ekel verreckt, bevor sich überhaupt Besserung einstellen konnte. Zumindest rief seine Fantasie solche Bilder hervor, die von Schwäche, Ärger und Trotz noch geschürt wurden. Ungerecht war die Welt, jawohl!

    Zitat

    Original von Claudia Romana
    Oder gleich nach Rom gehen und die einflussreichen Leute dort so lange nerven, bis zu dein Wunsch erhört wird. ;)


    Ich bezweifle stark, dass ihn das sonderlich weit bringen würde. :P
    Allerdings sich dem Statthalter anzubiedern klingt wesentlich erfolgversprechender. Zumindest auf lange Sicht gesehen.

    Sisenna Caeparius Gracilis:


    "Die Decurionen werden entscheiden, ob sie sich an der Finanzierung der Vorbereitungen beteiligen wollen. Es ist anzunehmen, dass sie - wie jedes Jahr - einen Großteil der anfallenden Kosten aufbringen werden. Es geht immerhin auch um ihre eigenen Betriebe, in ihrer Stadt."
    So richtig zufrieden schien der Vinicius noch nicht zu sein und das machte Gracilis noch nervöser. "Selbstverständlich wäre es dem Ordo eine Ehre, dich auf seiner nächsten Sitzung als Beisitzer begrüßen zu dürfen. Oder, wenn deine Pflichten dich davon abhalten..." Der Magistratus sah zu Witjon hinüber, der ja ohnehin im Ordo war und zugleich den Statthalter in manchen Punkten wohl vertreten können würde. Wenn das denn gewünscht wäre. Witjon derweil nickte verstehend und sah den Vinicius fragend an. "Der Ordo Decurionum wird freilich wie gesagt handeln."

    Verflucht sollte Loki sein für seine wahnwitzigen Ideen! Verflucht sollte Phelan sein für seine durchgeknallte Art und sein Herumgehibbele! Verflucht sollte der Winter sein für Kälte, Schnee und Eis! Für zugefrorene Teiche und bitterkalten Wind! Für Schnupfen und Erkältungen, Lungenentzündung und abgefrorene Gliedmaßen! Verflucht sollten sie alle sein, denn sie waren Grund dafür, dass Witjon sich grausam fühlte.


    Es war der zweite Tag nach Landos großartiger Eiswassertaufe seiner Tochter mit der Folge, dass er und Witjon unfreiwillig im Gartenteich baden gegangen waren. Er hatte schon an jenem Tag bitter geschlottert, doch das warme Feuer im Kaminzimmer und etliche wärmende Decken hatten Linderung verschafft. Witjons Nase hatte zwar noch lange einem unaufhaltsamen Strom geglichen, dem selbst die stärksten Taschentücher einmal anheim fallen mussten. Doch er hatte sich keine nachhaltigen Gedanken mehr über Krankheit gemacht, nachdem er in der folgenden Nacht in dicke Felle und Decken eingewickelt in tiefen Schlaf gefallen war.


    Am darauf folgenden Tag hatte ihn der Husten gepackt. Ständig hörte man das rasselnde Röcheln des Ducciers, wenn er in der Casa umherstapfte oder im Arbeitszimmer saß. Auch in der Regia war der Husten ein Ärgernis gewesen. Der Legat hatte ihn sogar früher heimgeschickt, weil das Geröchel ihn störte. Einen Tag später war es noch schlimmer geworden.
    Und so schlurfte er jetzt durch das Atrium, auf der Suche nach Elfleda und ihren Heilkünsten. Ein grässlicher Hustenanfall unterbrach seinen Gang und hilflos musste er sich kurz an eine der Säulen anlehnen, bevor der Husten abgeklungen war. Ein ekelhafter Schleimklumpen war ihm hochgekommen, den er ohne große Anstalten ins Impluvium rotzte. Urghs, eitrig gelb war der Schnodder, der dort langsam auf den Abfluss zutrieb. Ein lautes Naserümpfen folgte, dann hob er wieder den Kopf und sah sich kurz blinzelnd um. Verflucht sei die Krankheit!

    Witjon runzelte nachdenklich die Stirn, als er den Namen hörte. Fabius Vibulanus, nein an den konnte er sich nicht erinnern. Das musste abgemacht worden sein, als sie auf Reisen gewesen waren. "Wieso bei Garms Glubschern würde jemand absichtlich seinen Termin beim Statthalter sausen lassen?" fragte er mehr sich selbst, als Valgiso. Er erwartete auch keine direkte Antwort, sondern nickte nur und machte eine unbestimmte Handbewegung. "Ist gut, danke. Ich werd's ihm ausrichten. Fabius Vibulanus..." Er prägte sich den Namen halbwegs nachhaltig ein und würde dem Vinicius gleich bescheid geben. Gleich, sobald er diese ekelhafte Sache mit der Weinlieferung erledigt hätte! Valgiso stand vermutlich immer noch im Raum, als Witjon bereits wieder in seinen Unterlagen vertieft war. Doch er erinnerte sich seines fleißigen Schreiberleins wieder und schaute nochmal kurz auf. "Äh...sonst noch was? Irgendwelche Vorkommnisse?" Er hatte immerhin den halben Tag in seinem Officium herumgelungert. Viel bekam man da nicht immer mit, wenn draußen auf dem Flur mal etwas los war oder wenn die Scribae mal wieder Tratsch hielten.

    Sisenna Caeparius Gracilis:


    Der Magistratus räusperte sich verlegen. Nun, äh...gewiss gäbe es da noch einige weitere Maßnahmen..." Unsicher schaute er von Witjon, der immer noch mit aufgesperrten Ohren im Türrahmen stand, zurück zum Legaten und fuhr fort. "Womöglich wäre eine feste Sammelstelle für Verletzte hilfreich. Dazu könnte man das Valetudinarium im Castellum herrichten. Und...Sache der Decurionen wäre eine Einstellung weiterer Männer, die die Kloake instand halten und Ratten bekämpfen." Mit der Hand fuhr Gracilis angespannt über seine Wange und rieb die Stoppeln, die sich seit der gestrigen Rasur dort wieder hervorgetan hatten. "Das Thema wird nämlich selbstverständlich auch Ordnungspunkt für die nächste Sitzung des Ordo Decurionum sein." Witjon fiel in diesem Augenblick auf, dass der Vinicius noch lange nicht seine Zustimmung zu jenen Nachfragen bezüglich des Militärs gegeben hatte. Gleichzeitig nahm er die Anspannung wahr, die der Magistratus ausstrahlte. Der Mann war sichtlich eingeschüchtert von der Souveränität des Senators.
    "Das Problem," setzte Gracilis bei der Nachfrage des Statthalters nochmal an, "ist, dass es für das Anlegen von Deichen oder Dämmen schon fast zu spät ist. Selbst wenn wir nun noch Dämme in Ufernähe errichteten, so ist dennoch der Nutzen daraus recht gering. Mogontiacum liegt zu dicht am Wasser, als dass eine großflächige Überschwemmung innerhalb der Stadtgrenze verhindert werden könnte." Er verzog hilflos die Lippen, fügte jedoch noch wenig ernst hinzu: "Außer man würde einen Damm quer durch die Stadt ziehen..."
    Bei dem Gedanken musste Witjon schmunzeln. Amüsiert stellte er sich vor, wie ein Viertel von Mogontiacum einfach vom Rest der Stadt abgetrennt wurde, um es den Fluten zu überlassen, so dass der größere Teil verschont bliebe. Eine wundervolle Idee, dachte er mit einem unterdrückten Augenrollen.

    Es war die reinste Katastrophe. Elfleda schimpfte wie ein Rohrspatz. Lando gab recht erfolglos contra, bewahrte jedoch seinen Stolz und fand auch eine - zumindest in seinen Augen - glaubwürdige Erklärung, die die Schuld auf Phelan abwälzte. Der wiederum schien völlig plem plem zu sein, denn selbst nachdem Elfleda abgerauscht war, drehte er noch völlig am Rad und warf seinem Vetter vor, dass er die eigene Tochter in Eiswasser getaucht hatte! Witjon bibberte mittlerweile fürchterlich und stieg aus dem Teich heraus, triefend wie ein begossener römischer Köter. Ragins leise Bitte am Rande vernahm er nicht gleich, sondern nickte vielmehr Landos Erwiderung ab, die dieser Phelan an den Kopf warf. "Rrrichtttig..." klapperten seine Zähne leise, während er an Phelan vorbeihaspelte, vor Kälte ganz hibbelig geworden. Sie waren alle abgehärtet worden, das stimmte. Was Lando für die verweichlichte römische Gesellschaft übrig hatte, kam zwar irgendwo in seinem Hirn an, wurde jedoch durch den abrupten Frost erst einmal nicht weiter beachtet.
    "Idiot," knurrte er, als er dem wirren Vetter einen Stoß gegen die Schulter gab, dann stand er auch schon vor seinem anderen Verwandten, der zur Zeit Invalide war. Tropfend stand er kurz da, zog Schnodder hoch und reichte Ragin dann eine Hand, wobei er das Eiswasser auch über diesen versprenkelte. "Nnna komm, dddu rrretter der Kkk...Kleinkinder!" mit einem Ruck zog er den gar nicht mehr so kleinen Pimpf in die Höhe, ohne allzu viel Rücksicht auf dessen steifes Bein zu nehmen und bot ihm kurz Halt, bis Ragin die Krücke zur Hand hatte. "Bbbett...kkkkalt!" bibberte Witjon dann nur und stapfte auch schon über die Wiese aufs Haus zu, eine lange triefnasse Spur hinter sich lassend.