Beiträge von Numerius Duccius Marsus

    Die triste Kolonne der Ratsherren von Mogontiacum schob sich träge hinter den Pontifices durch die Menge über das Forum. Witjon hatte eine ernste Miene aufgesetzt, wohingegen seine Gefühlslage eher einer gewissen Gleichgültigkeit entsprach. Appius Cornelius Palma war ein Kaiser gewesen, der in Germania Superior nur äußerst geringe Spuren hinterlassen hatte. Abgesehen von den Gefallenen, Vermissten und Verwundeten, die die Legio Secunda Germanica, die Ala Secunda Numidia und die verschiedenen Auxiliarkohorten der Region zu beklagen hatten, waren die Leistungen des Corneliers für die Provinz an einer Hand abzählbar. Sicher, er hatte Mogontiacum das Stadtrecht verliehen. Aber hatte die Abordnung der Honoratioren den Imperator zuvor nicht auch mit unendlichem Lob und kistenweise Gold überschüttet? Appius Cornelius Palma war gewiss kein Kaiser, der für seine großen Taten in der Erinnerung der Provinzbevölkerung haften bleiben würde, so wie noch im Falle des Divus Iulianus. Andererseits würde sein Andenken auch nicht so negativ behaftet sein wie das des Gaius Ulpius Aelianus Valerianus, der eher durch Abwesenheit und ständiges Dahinsiechen geglänzt hatte. Und natürlich war der verblichene Imperator kein Usurpator gewesen wie der verhasste Vescularius. Jedenfalls würden die Geschichtsschreiber es zweifellos so darstellen. Seine Meinung zu diesem Punkt teilte er jedoch lieber niemandem außerhalb des engsten Familienkreises mit.


    Die Rede des Duumvirs Turius leitete schließlich in angemessener Weise das Opfer ein. Die Worte des Duumvirs rissen ihn zwar nicht vom Hocker, aber das war ja auch nicht beabsichtigt. Mittlerweile war den Leuten klar geworden, dass der Statthalter keine Ambitionen auf den Kaiserthron haben konnte, denn die Legionen verhielten sich ruhig und es waren keine Anzeichen für einen baldigen Feldzug zu erkennen. Witjon vermutete, dass bei der aktuellen Mannstärke der germanischen Einheiten auch kein großangelegter Feldzug ohne Unterstützung aus anderen Provinzen möglich wäre. Zumal die großen Löcher, die der Bürgerkrieg in die Reihen der Legionen gerissen hatte, mit zahlreichen jungen Kerlen gefüllt worden waren, die noch keinen Kampfeinsatz erlebt hatten. Wie sollten diese jungfräulichen Einheiten einen weiteren Bürgerkrieg überleben, gar siegreich daraus hervorgehen? Nein, Witjon war mittlerweile überzeugt, dass die Weitsicht des vinicischen Statthalters diesen von jeglichen Gedanken über eine gewaltsame Thronbesteigung abhielten. Und das war auch gut so.

    Zitat

    Original von Titus Petronius Marcellus
    "Nun ich habe den Menschen wieder Zuversicht gegeben im Vicus und sie haben Vertrauen zu mir gefasst. Viele kommen zu mir mit kleinen Problemen die ich relativ rasch klären kann. Hier und da helfe ich auch aus wenn finanzielle Engpässe da sind. Doch sind mir die Hände gebunden, wenn ich auf Dinge stoße die sich außerhalb meines Einflusses befinden. "


    In Witjons Ohren klangen Marcellus' Worte nicht unbedingt danach als habe der Petronier großartiges geleistet. Vielmehr schien er Ausflüchte vorzubringen, weshalb er noch keines seiner Projekte an den Start gebracht hatte. Auf der anderen Seite verstand Witjon, dass es für einen Magister Vici nicht immer einfach war seine Vorstellungen auch gleich gegenüber den vorgesetzten Magistraten durchzusetzen, die womöglich andere Pläne hatten.


    "Hmm", machte er nachdenklich, bevor er in eine andere Richtung laut weiterdachte: "Einfluss hättest du als Aedil natürlich um einiges mehr. Hast du mit deinem Onkel schon darüber gesprochen, dass du in den Ordo Decurionum aufgenommen werden willst? Das ist nämlich Voraussetzung, um Aedil zu werden."


    Dass Marcellus in solchen Angelegenheiten, die seinen geringen Einfluss überstiegen, auch einfach zu seinem Patron kommen könnte, ließ Witjon ungesagt. Er hatte den Eindruck, dass der junge Petronier sich lieber auf seine eigenen Kräfte verließ. Witjon würde sich in diesem Fall nicht aufdrängen. Er bot zwar gerne seine Unterstützung an und half wo er konnte. Aber wenn sein Klient manche Angelegenheiten lieber selbst regelte, würde er sich auch nicht einmischen, wie es manche anderen Patrone taten.


    Rutilus dagegen, der weniger Skrupel hatte in eine Wunde zu drücken, hakte weiter nach: "Wofür reicht denn dein Einfluss nicht aus, Petronius? Du hast doch einen Patron, der dir vielleicht behilflich sein kann." Ein Hauch von Tadel schwang in dieser Frage mit.

    http://www.kulueke.net/pics/ir/nscdb/e-roemer-maenner/29.jpg Volusus Palfurius Bolanus war seit dem Tod des Faustus Domitius Massula zum Princeps Praetorii ernannt worden. Jetzt, mit dem Tod des Kaisers Cornelius, hatte er mehr Arbeit als je zuvor. Täglich kamen Antworten aus den Gemeinden, die er schriftlich über das Ableben des Kaisers informiert hatte. Die Duumviri der verschiedenen Provinzstädte äußerten darin ihre Sorge über einen erneuten Bürgerkrieg, fragten danach wie es nun um das Reich stand, ob der Statthalter die Lage unter Kontrolle hatte.


    Bolanus betrat auch an diesem Morgen das Officium des Statthalters mit einer Selbstverständlichkeit, die man sich nur im täglichen Umgang miteinander aneignen konnte. Er wollte schon eine der Wachstafeln zücken, auf denen Kommandeure aus den südlicher gelegenen Grenzlagern am Limes nach neuen Befehlen angesichts der veränderten Lage fragten, als ihm der fremde Mann auffiel, der soeben den Vinicius begrüßte.


    "Äh... salve?", grüßte er etwas überrascht. Schnell fasste er sich jedoch und reichte dem Mann die Hand zum Gruß. "Volusus Palfurius Bolanus. Princeps Praetorii. Salve."



    Zitat

    Original von Titus Petronius Marcellus
    Marcellus Gesicht erhellte sich als er seinen Patron sah und so nahm er gerne dessen Angebot an ein gutes germanisches Bier zu sich zu nehmen.
    "Ah ja natürlich kennen wir uns vom Sehen her." Marcellus reichte Rutilus ebenfalls die Hand. "Ich verstehe einfach nicht warum sich alles so aufschaukeln muss, der Tod des Imperators ist schon schlimm genug, aber dass sich die Masse so gebärdet entbehrt jeglicher Logik. Unser Duumvir hat jetzt eine Menge zu tun um wieder Ruhe reinzubringen in die Masse."Während der Petronier dies sagte gab er seinen beiden Freunden und Leibwächtern ein Zeichen. Diese entfernten sich ein bisschen um die Gesprächsrunde nicht zu stören. Sie wussten natürlich um wenn es sich dabei handelte und begaben sich in den Hintergrund.
    "Vor kurzem war ich noch bei Simplex um mit ihm über meine Pläne zur Wasserversorgung meines Vicus zu sprechen. Es geht einfach nicht voran mit meinen Plänen, doch der Duumvir hat mir einen Weg gewiesen der mich ggf. ans Ziel führt. Ich denke ich bewerbe mich um den Posten des Aedils, damit kann ich mich besser in die Materie hinsichtlich der gesamten Wasserversorgung unserer Stadt einarbeiten und bekomme einen Gesamtüberblick wie was wo zu laufen hat. Was hälst du denn von meiner Idee hinsichtlich des Postens?"


    http://www.kulueke.net/pics/ir…rmanen-maenner-alt/02.jpg "Das Volk ist nun einmal leicht in Wallung zu bringen", kommentierte Rutilus leichthin. "Angst und Schrecken lassen sich schnell verbreiten. Und die Nachricht vom Tod des Kaisers ist eine der einfachsten Möglichkeiten, dies zu tun."


    "Naja, andererseits wird unsere Provinz offenbar tatsächlich nicht gleich in einen Krieg gezogen. So sieht es jedenfalls aus. Insofern ist zwar Sorge angebracht, Panik jedoch überflüssig", gab Witjon sein Garum dazu. Der Wirt schickte eine Bedienung, die den Männern drei Humpen Bier auftischte. Witjon stieß mit seinen Gesprächspartnern an, nahm einen ordentlichen Schluck und seufzte erleichtert.
    "Achja, das tut jetzt Not", sagte er und stellte mit einem zufriedenen Nicken seinen Humpen ab.


    Rutilus rülpste vernehmlich, wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und ging dann auf Marcellus' Pläne ein: "Wo hakt es denn derzeit mit deinen Plänen?"
    Und Witjon hakte dort ein: "Genau, wenn du Aedil werden willst, hast du denn mittlerweile etwas vorzuweisen, was du für den Vicus getan hast? Und sei es nur, dass du die Wasserabgaben etwas gedrückt hast..." Er grinste. Über geringere Gebühren freute sich jeder, das war klar.

    "Verdammte Axt", fluchte Witjon zähneknirschend. Sobald die große Unruhe aufkam, reihte er sich lieber schonmal in die hinteren Glieder der Gruppe der Decurionen ein. Zum Glück war er in diesem Moment mit keinem städtischen Amt betraut, sodass er sich in erster Linie um die eigene Sicherheit Gedanken machen konnte. Er wechselte ein paar Worte mit Cossus Visellius Rutilus und schnell fiel die Entscheidung, dass man bei einem Bier in einer der umliegenden Garküchen abwarten wollte, bis sich der Tumult auf dem Forum gelegt hatte. Diese Variante erschien ihnen jedenfalls sicherer, als bei dem vorherrschenden Gedränge auf dem Forum die Flucht nach Hause anzutreten. Und so bahnten sich die beiden - wie mehere andere Decurionen nun auch - den Weg fort von der Curia. Dass Duccia Silvana in eben diesem Moment nur ein Stück entfernt ebenfalls den Rückzug aus der Menge antrat, erahnte Witjon dabei nicht. Wenig später fand er sich in Otmars Garküche wieder.

    "Salve Petronius Marcellus", begrüßte Witjon seinen Klienten, den er beim Eintreten in Otmars Garküche an diesem aufregenden Tag erblickte. "Wir haben vor, das Getümmel da draußen hier erstmal bei einem Krug Bier auszusitzen", verkündete Witjon und wies auf seinen Begleiter, den er dann auch vorstellte: "Dies ist Decurio Cossus Visellius Rutilus. Ihr kennt euch vielleicht vom Sehen aus den Ratssitzungen."

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    "Salve Petronius", grüßte Witjons Begleiter, indem er dem Magister Vici die Hand reichte. Sie setzten sich zu Marcellus und Rutilus begann ein bisschen Smalltalk: "Ganz schön was los da draußen. Todesnachrichten verbreiten immer so eine lästige Unruhe." Er schüttelte empört den Kopf und gab dem Wirt dann durch Winken und Fingerzeig zu verstehen, dass sie zwei Bier bestellen wollte.


    "Trinkst du auch etwas?", fragte Witjon seinen Klienten. Die Frage stellte darauf ab, ob Witjon Marcellus etwas spendieren könnte.

    "Es wird sich schon etwas passendes finden", kommentierte Witjon recht unbestimmt die Sache mit dem Vorkaufsrecht. Das Gespräch ging nun seinem Ende zu, merkte er. Curio bedankte sich und erntete dafür ein wohlwollendes Lächeln und Nicken.


    "Ich helfe gern, wenn ich kann", erwiderte Witjon und pinselte dann noch ein wenig den helvetischen Bauch: "Für engagierte Municipes unserer schönen Gemeinde habe ich immer ein offenes Ohr."


    Damit erhob Witjon sich als Zeichen dafür, dass er die Unterredung nun offiziell als abgeschlossen ansah. Er reichte Curio die Hand. "Dann wünsche ich dir noch einen produktiven Tag. Ich erwarte dich bald wieder hier, Helvetius. Viel Erfolg mit dem Architectus."

    Witjon atmete auf. Es war unvermeidlich, dass sie dem Volk von Mogontiacum das Ableben des Kaisers verkündeten. Marcellus hatte diese fundamentale Diskussion beinahe in sehr abwegige Bahnen gelenkt, aber das hatten sie zum Glück verhindern können. Wichtig waren jetzt erstmal andere Dinge als Bauwerke. Witjon richtete seine Toga durch leichtes Zupfen und dachte einen Augenblick lang darüber nach, Marcellus kurz ein paar Takte zu sagen. Er entschied sich jedoch dagegen, da er bereits einen aussagekräftigen Blick von Petronius Crispus aufgefangen hatte, er dessen Neffen gegolten hatte. Nein, das würde der Onkel wohl selbst klären, dachte sich Witjon. Deshalb erhob er sich, setzte eine möglichst betroffene Miene auf und folgte den Duumvirn und Honoratioren hinaus auf das Forum.

    Witjon hatte zunächst beipflichtend genickt, als der Duumvir die nächsten Schritte verkündet hatte. Leider schloss dieser die Frage nach weiteren Ideen an. Witjon runzelte die Stirn, erst recht als Marcellus sich zu Wort meldete. Was schwang der denn hier für Reden?


    "Petronius Marcellus, ich denke wir sollten jetzt erstmal die allernächsten Schritte besprechen und zügig zur Tat schreiten." Er zählte die Punkte an den Fingern ab: "Informierung des Volkes, Opfer durch die Pontifices, Totenspiele organisieren. Punkt." Damit dürfte nun klar sein, worauf der Fokus zu legen war. "Alles weitere, Bauprojekte, Koordinierung von Aktionen mit dem Militär... das können wir auch in den nächsten Tagen besprechen, wenn die nächste ordentlich terminierte Sitzung stattfindet."


    Er sah Marcellus nun nochmal eindringlich an, um daraufhin klarzustellen: "Kriegerische Vorstöße der Stämme jenseits des Rhenus sind nicht unsere Sorge. Der Statthalter und die hiesigen Kommandeure werden sich darum schon kümmern. Deshalb schlage ich vor, dass wir jetzt endlich da raus gehen und den Leuten sagen, dass der Imperator tot ist." Sein Blick ging nun zum Duumvir, den er auffordernd fixierte.

    "Ein Vorkaufsrecht könnte ich euch wohl einräumen", gab Witjon zu. Er würde sich zwar im Gegenzug darum bemühen müssen, einen adäquaten Ersatz zu bekommen, aber vielleicht ergab sich da ja etwas. "Andererseits ist mir natürlich daran gelegen, aus dem Grundstück langfristig Profit zu schlagen. Die Vermietung ist demnach für mich attraktiver. Soll ich dir ein Vorkaufsrecht einräumen, so hast du womöglich eine Idee, wo ich den Kaufpreis gleichermaßen neu investieren könnte?" Vielleicht war dem Helvetier ja jemand bekannt, der zur Schuldentilgung ein Grundstück zu veräußern gezwungen sein könnte.


    "Dann schlage ich vor, dass du einen Architekten zu Rate ziehst und einen Kostenvoranschlag einholst. Mit diesem sollten sich weitere Planungen konkreter gestalten lassen", zeigte Witjon sich schlussendlich recht positiv gegenüber Curios Ansinnen.

    Kurz nach Sonnenaufgang überbrachte ein duccischer Bote folgende Nachricht an den petronischen Hausherrn.


    Pontifex Decurioque
    Marcus Petronius Crispus


    Salve Crispus,


    letzte Nacht ereilte mich Nachricht über schicksalhafte Geschehnisse in Rom. Der Kaiser ist tot.


    Ich lade dich hiermit zur außerordentlichen Sitzung des Ordo Decurionum am heutigen Tage zur üblichen Tageszeit. Bitte bringe auch Marcellus als Magister Vici mit. Es gibt einiges zu besprechen.


    Vale


    Es war erst wenige Stunden nach Sonnenaufgang. Witjon hatte dafür gesorgt, dass die Ratsherren Mogontiacums aus ihren Betten geworfen und mittels eindringlicher Botschaften auf Wachstafeln, die er selbst noch wenige Stunden zuvor im Eilverfahren hatte anfertigen lassen, über die Sondersitzung des Ordo Decurionum informiert wurden.


    Jetzt stand er dort, wo in der Regel derjenige Ratsherr stand, der einen Antrag in den Ordo Decurionum einbrachte, und atmete tief durch. Die Duumviri sahen ihn besorgt an und die versammelten Decuriones waren in verwundertes Geraune verfallen. Witjon ergriff schließlich das Wort:
    "Decuriones Mogontiaci! Ich muss euch schreckliche Kunde aus Italia übermitteln. In der vergangenen Nacht erreichte mich die Nachricht über das Ableben unseres verehrten Imperator Caesar Augustus Appius Cornelius Palma."
    An dieser Stelle ließ er den Anwesenden einen Augenblick Zeit für Geraune, Getuscheln, oder entsetztes Schweigen, bevor er fortfuhr.
    "Wir alle sind tief betroffen über diesen Schicksalsschlag. Dennoch, es gilt dafür zu sorgen, dass diese Nachricht keine Unruhen auslöst. Ich habe mich bereits mit dem Statthalter besprochen. Werte Pontifices, ich bitte euch darum, im Namen Mogontiacums und im Namen der ganzen Provinz ein Opfer darzubringen für den Genius Imperatoris und für das Wohl der Res Publica. Ich bitte außerdem euch alle, werte Honoratioren: Betet in eurer Trauer um den Princeps an eurem Hausaltar. Ehrt den verstorbenen Kaiser und lasst ihn im Angesicht der Götter hochleben."


    Somit war für Witjons Geschmack genug der Ehrungen und Lobhudeleien getan. Er hatte den Cornelius nie kennen gelernt und war sich demnach nicht zu schade, jetzt endlich zum Geschäft überzugehen. "Des Weiteren gemahne ich euch, werte Ratsherren: Schürt keine Angst im Volke! Wir müssen dafür sorgen, dass das Leben seinen gewohnten Gang geht. Sollte es in Rom auch zu kritischen Situationen kommen, wir müssen hier in Germania Superior einen kühlen Kopf bewahren."
    Dass er dies sagte, weil der Statthalter offensichtlich kein Interesse daran hatte, augenblicklich mit seinen Soldaten nach Rom zu marschieren, verschwieg Witjon hierbei wohlweislich.

    Die Reaktion des Statthalters kam für Witjon durchaus etwas überraschend. Sicherlich, womit hatte er denn gerechnet? Damit, dass der Vinicius augenblicklich sein Pferd satteln und die Legionen zum Abmarsch nach Rom vorbereiten ließ, um den Thron an sich zu reißen? Wenn er ehrlich zu sich selbst war: Ja, das war eine leise Furcht gewesen, die tief in Witjons Innern ihr Unwesen getrieben hatte. Aber nachdem Hungaricus seine Anweisungen gegeben hatte, sah das schon ganz anders aus. Sie sollten erstmal schlafen. Schlafen! Als könnte er jetzt einfach ins Bett fallen und die Augen zu tun. Auf der anderen Seite zog der Statthalter sogleich sämtliche zu treffenden Vorkehrungen in Betracht, die man angesichts der Todesnachricht des Princeps zu beachten hatte.


    "Gut", bekräftigte Witjon daher die Aufgabenverteilung. "Ich werde die Decuriones morgen sogleich zusammenrufen und informieren. Einen absolut vertrauenswürdigen Boten kann ich schnellstens auftreiben." Letzteres meinte Witjon ernst, hatte er doch sozusagen als Handelsherr der Provinz eine Vielzahl von Nachrichtenübermittlern, die er auch in delikaten oder gefährlichen Situationen sicheren Gewissens einsetzen konnte. Einen solchen würde er am nächsten Tag dem Legatus Augusti Pro Praetore zur Verfügung stellen.


    "Ähm, noch eine letzte Frage, bevor ich verschwinde", fügte Witjon an. "Soll ich die Nachricht auch dem Volk verkünden? Wenn der Ordo Decurionum bescheid weiß, wird sich die Nachricht gewiss wie ein Lauffeuer verbreiten. Oder möchtest du selbst eine Ansprache halten? Auf dem Forum beispielsweise?" Etwas unsicher und mit müdem Blinzeln legte sich Witjons Blick angesichts dieser Überlegungen auf den Vinicier.

    "Na dann", sagte Witjon unbestimmt und schien kurz zu überlegen, wie es nun weitergehen sollte. "Ich denke ich werde jetzt direkt mal die Möbel in Auftrag geben. Truhe, Schrank, Wiege", wiederholte er und zählte die drei Dinge zur Verdeutlichung für sich selbst an seinen Fingern ab.


    "Achja, und den Hausalter. Da ist dann bei mir also auch noch so einiges offen", lachte er und wandte sich zur Tür um. "Hast du schon eine Idee, was es zum Abendessen gibt?", fragte er schließlich mit vor Neugierde geweiteten Augen. Im selben Moment fiel ihm auf, dass dies vielleicht eine der Sachen war, die Octavena mit Marga und Lanthilda noch nicht besprochen haben könnte. Sei's drum, Hunger hatte er trotzdem.

    Witjon folgte gähnend. Er war auch nicht gerade begeistert über die Umstände dieser Nachrichtenübergabe. Jedoch genügte die aktuelle Dosis Adrenalin in seinem Körper um ihn von äußeren Einflüssen abzulenken, die nichts mit Valas Brief zu tun hatten.


    "Ich, äh... am besten lese ich dir einfach... ich übersetze dir den Brief", verkündete Witjon, sammelte sich einen Augenblick, holte Luft und begann den Inhalt des Briefes vorzutragen: "Mein Patron... ich schreibe dir mit schlimmer Kunde. Der Princeps ist heute... unerwartet gestorben und wie du weißt, hat er keinen richtigen Erben." Hier konnte Witjon nicht anders als eine Pause zu machen, bevor er weiterlas. "Ich arbeite an, äh... der Schließung Roms, so dass du der erste bist, der die, äh... üble Nachricht bekommt. Du weißt, was das heißt. Deine Familie ist sehr angesehen im Reich und in Rom und du hast, hm, tausende Bewaffnete unter dir. Das..."
    Jetzt sah Witjon den Vinicius an und sprach weiter, mit ernstem Blick und nicht ganz so drängendem Tonfall, wie die folgenden Worte es vermuten ließen.
    "Das kann deine Stunde sein! Du musst nur zugreifen! Tu es! Lass mich wissen, was du denkst. Ich kann deine Ankunft vorbereiten. Das ist DIE Möglichkeit für die Vinicii. Und für dich. Aus Rom. V..."


    Nach dieser Lektüre stand Witjon einfach nur da und sah den Statthalter erwartungsvoll an. In seinem Kopf hatte er bereits auf dem Weg hierher die Szenarien durchgespielt, die nun folgen mochten. Würde Vinicius die Initiative ergreifen? Bedeutete das einen erneuten Bürgerkrieg? Oder konnte es auch anders kommen? Witjon schlug das Herz bis zum Hals, während seine Finger vor Aufregung leicht zitterten. Beunruhigt hielt er sich an seiner Wachstafel fest.

    "Allerdings ist es wichtig", kam Witjon sofort zur Sache und trat ein Stück näher, um dann mit gedämpfter Stimme fortzufahren: "Ich habe einen Brief von Vala bekommen. Es geht um... den Kaiser..."
    Er hielt die Tabula in Händen, mit der die unheilvollen Worte gekommen waren. Den Statthalter bedachte er mit einem düsteren Blick. "Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?"

    Ein eingeschossiges Atriumhaus. Ja, das war vermutlich der Traum eines jeden Bewohners des römischen Reiches. Die Krönung war dazu lediglich ein zweites Geschoss. Jedenfalls für all jene, die nicht der kleinen Oberschicht des Reiches, den Rittern und Senatoren angehörten. Witjon legte die Spitzen seiner gespreizten Finger aneinander und nickte leicht, während er zu einer Antwort ansetzte.


    "Die einzige Alternative zu einem Pachtverhältnis, die ich derzeit sehe, ist: Ich baue selbst ein Haus und du und die deinen können als Mieter dort wohnen. Aber das wird dir vermutlich nicht besser schmecken."


    Diese bittere Pille musste der Helvetius wohl schlucken - vorerst.


    "Also für ein Darlehen werdet ihr gewiss nicht selbst bürgen, soviel steht fest", stellte Witjon zunächst einmal richtig. "Wenn, dann bürgt jemand anderes für eure Schulden. Habt ihr euch schon umgehört, wer euch ein Darlehen geben würde?"


    Nach der Höhe der Anzahlung fragte Witjon vorerst nicht, das wäre wohl unhöflich gewesen. Außerdem hatten sie ja auch noch nicht darüber gesprochen, wie teuer schätzungsweise der Bau eines Hauses wäre.