Beiträge von Numerius Duccius Marsus

    Aus einem großen Topf auf dem Tisch dampfte es und verströmte einen herrlichen Duft von Eintopf. Dicke Bohnen, ein paar Stücke Speck, knuspriges Graubrot und ein Humpen Bier bildeten für Witjon und den Rest der Sippe den geruhsamen Ausklang eines aufregenden Tages. Als alle saßen, erhob Witjon sich und ergriff das Wort.


    "Meine Lieben, heute ist ein Tag der Freude", verkündete er. "Die Nornen haben entschieden, die Lebensfäden von Alrik, Hadamar und Sönke weiterzuspinnen. Der Sieg bei Vicetia zeigt das Wohlwollen, mit dem Teiwaz auf unsere Sippe blickt. Dankt ihm und allen Göttern, dass unsere tapferen Männer drunten in Italia im Kampfe siegreich und wohlbehalten aus der Schlacht hervorgegangen sind." Er warf einen Blick in die Runde. Albin und Marga ließen nur wenig ihrer Freude wirklich nach Außen hin erkennen, doch Lanthilda war ganz offensichtlich stolz auf ihren Bruder und natürlich auch erleichtert, dass dieser lebte. Auch Naha schien sich zu freuen und Eldrid stand der Jubel über Hadamars Überleben und dessen Auszeichnung auch noch immer deutlich ins Gesicht geschrieben.
    "Erheben wir also unseren Becher auf unsere Krieger und auf ihren großen Schutzherrn Teiwaz und trinken wir auf ihren Sieg und auf ihre sichere Heimkehr!" Witjon hob den Humpen an die Lippen und trank ein paar große Schlucke. In diesem Moment wurde er sich einmal wieder bewusst, aus welchem Grund er die Götter verehrte und warum auch Teiwaz in einer so vergleichsweise befriedeten Provinz wie Germania Superior noch immer nicht an Wichtigkeit verloren hatte.


    Daraufhin setzte Witjon zum Gebet an, womit das Essen eröffnet wurde, und das schon Lando damals immer gesprochen hatte: "Wir bitten, ihr Götter, seid unserm Haus steter Gast, tagein, tagaus, und helft, dass wir der Gaben wert, die eure Güte uns beschert."

    Es klopfte, es knarzte die sich öffnende Tür und es trat ein: Numerius Duccius Marsus, Eques Imperii und ehemaliger Duumvir Mogontiaci, Marmor-, Stein- und Eisenmagnat in der Civitas und darüber hinaus und überprovinzial bekannter Kaufmann. Nachdem dieser schöne und nichtssagende Fülltext vorangegangen war, begrüßte Witjon die Schreiberlinge mit einem freundlichen "Salvete" und schloss die Türe hinter sich. "Ich möchte gerne einen Termin mit dem Princeps Praetorii machen, sofern er nicht zufällig jetzt gerade oder in den nächsten Augenblicken Zeit hat. Ich habe auch etwas Wartezeit mitgebracht." Er hatte sich heute tatsächlich etwas Zeit genommen, da er den Domitier nach der letzten Sitzung verpasst hatte und ihm eine Angelegenheit unter den Fingern brannte, zu deren Erledigung er nicht zuerst den üblichen zeitraubenden Botenwechsel voranschieben wollte.

    Der Fisch hatte die Angel also bemerkt und für interessant befunden. Jetzt hieß es geduldig sein und bloß keine Hektik verbreiten. Das Feilschen konnte beginnen.
    "Ich kann dir anbieten, sämtliche überschüssigen Kontingente aus meinen Werkstätten zu liefern, falls du solche benötigen solltest. Ich würde quasi vor dem freien Verkauf eine gewisse Anzahl zurückhalten." Die duccischen Betriebe verbrauchten ja selbst auch eine gewisse Zahl an Werkzeugen im Laufe ihrer Betätigung. Doch je nach Produktionsstärke am Ende der Kette blieb gelegentlich am Anfang, wo Witjons Werkzeugschmiede stand, auch schonmal ein kleiner Überschuss erhalten.


    "Als Konditionen kann ich dir pro Stück einen preis von circa siebzehn Sesterzen bieten, je nach Art des Werkzeugs, versteht sich." Für einen Nagel zahlte man schließlich nicht so viel wie für einen Meißel oder gar einen Vorschlaghammer.

    Noch vor Sonnenaufgang hatte Witjon auch die Duumvirn über Alriks Schreiben informiert und um die Einberufung einer Sondersitzung gebeten. Dies wurde ihm auch sogleich gewährt und so fanden sich etwa eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang bereits die ersten verschlafenen Decuriones im Sitzungssaal ein und begannen sich aufgeregt über den möglichen Grund dieser unerwarteten Zusammenkunft zu bequatern. Langsam füllte sich der Saal und der Lärmpegel stieg und auch die Fragen nach dem Grund der Sitzung wurden immer lauter, da natürlich auch keine Tagesordnung verkündet worden war.


    Schließlich erhob sich Witjon, ließ den Duumvirn für Ruhe sorgen und richtete dann sein Wort an die Versammelten:
    "Hohe Duumvirn, werte Honoratioren, ich habe heute eine freudige Nachricht zu verkünden. Mich erreichte heute Nacht eine Botschaft von meinem Vetter Titus Duccius Vala, der als Tribun im Heer unseres allseits verehrten Statthalters und seines Amtskollegen Flaminius aus Germania Inferior gen Süden zog."
    Eine Pause folgte, die die Spannung im Saal greifbar machte. Man hätte eine Nadel auf den Boden fallen hören können. Dann setzte Witjon an, um auf den Punkt zu kommen:
    "Meine Herren, unsere Legionen sind bei Vicetia in Italia in die Schlacht gezogen...UND WAREN SIEGREICH! Sie schlugen Laberius Maturus und die Cohortes Praetoriae und ziehen nun gegen Rom, um Potitus Vescularius Salinator endlich zu stürzen!"

    Lucius wollte also warmes Bier, was dessen Vater aber offensichtlich ablehnte. Interessant zu sehen, wie wenig Entscheidungsfreiheit der Petronier seinem Sohn zugestand. Witjon gab Audaod einen Wink, dass dieser gleich bei Lanthilda entsprechend ordern möge.


    "Verstreut, ja. Da fällt es derzeit sicherlich schwer, die geschäftlichen Kontakte zueinander aufrecht zu erhalten, oder?" Witjon wusste ja, dass Hadrianus Iustus irgendwo in Italia lebte und, dass Vinicius Lucianus sogar auf der Proskriptionsliste stand. Wo der Artorier sich aufhielt, konnte er nicht einmal sagen.
    "Aber du möchtest wissen, wieso ich danach frage. Nun, ich will dich nicht länger auf die Folter spannen, Petronius. Du führst ja einen Steinbruch. Und ich führe eine Werkzeugschmiede. Ich dachte mir ich frage einmal nach ob ich du an einem Angebot meinerseits interessiert wärest, das etwaige Versorgungsengpässe in deiner Produktion ausgleichen könnte."
    Mit nach außen entspannter Miene sah Witjon seinen Gegenüber an und stopfte sich noch ein, zwei weitere Eier in den Mund, während er dessen Reaktion erwartete. Dieses Mal würde er sich jedenfalls geschickter anstellen, als er es bei seiner ersten und seitdem letzten Verhandlung mit Marcus Petronius Crispus getan hatte.

    "Sehr gut, sehr gut", sagte Witjon zerstreut. Er sah einen Moment lang so aus als versuche er mit allen Kräften seine müden Gedanken zusammenzuhalten. "Ich muss dem Vertreter des Statthalters, diesem Statilius, eine Nachricht zukommen lassen. Und...der Ordo, genau. Also, los, los los!" Witjon schob sich an Albin vorbei, nur um wenige Schritte später abrupt zu erstarren und auf dem Absatz kehrt zu machen.
    "'Ne Hose anziehen wäre vielleicht 'ne Idee..." murmelte er im Vorbeigehen und verschwand in seinem Zimmer, nur um Augenblicke später bekleidet mit Hose und Hemd sowieso einem wärmenden Schafspelz wieder zu erscheinen und sich erneut am überforderten Albin vorbeizuschieben. Seine Schritte lenkten ihn ins Arbeitszimmer, wo er ein Schreiben aufsetzen und die weiteren Schritte planen wollte...

    Noch vor Sonnenaufgang, ungefähr zur zweiten Stunde, erreichte ein Botenjunge die Regia Legati Augusti Pro Praetore. Am Haupttor gab er bekannt er komme von Numerius Duccius Marsus und habe eine höchst dringende Botschaft für den Vertreter des Statthalters...


    Ad:
    Titus Statilius Taurus



    Salve Statilius,


    ich darf dir voller Freude und Stolz vom Sieg des Heeres unter dem Kommando unseres Statthalters Annaeus und des Flaminiers berichten! Bei Vicetia schlugen sie ein Heer unter Laberius Maturus und rücken nun auf Rom vor.


    Ich berufe noch heute eine Sitzung des Ordo Decurionum ein, auf der ich die Botschaft den Honoratioren verkünden werde und für Fragen offen stehe. Du bist herzlich dazu eingeladen, dieser Sitzung beizuwohnen, wie es dein gutes Recht als Vertreter des Statthalters ist.


    Vale bene




    Erstaunt starrte Witjon Albin einen Augenblick lang einfach nur an, bis in seinem Hirn ankam, was diese Wachstafel bedeutete. Alrik lebte! Plötzlich machte sich helle Aufregung in ihm breit und er riss die Augen auf. Jetzt war er hellwach. "Her damit", geiferte Witjon und entriss Albin die Wachstafel förmlich. Gespannt wie ein Flitzebogen las er die Zeilen, einmal, zweimal und ein drittes Mal.
    "Das gibt's ja nicht", entfuhr es ihm daraufhin und ein breites Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Erleichterung, Freude, Stolz, das waren die Gefühle, die Witjon in diesem Moment beherrschten. Die Legionen waren siegreich gewesen und Witjons Schützling und seine Verwandten waren allesamt lebendig! Teiwaz hatte sein Versprechen gehalten. Jetzt war es an Witjon, sich bei ihm erkenntlich zu zeigen und sein Versprechen einzulösen.
    Und dann die weiteren Worte Alriks: Sie marschierten auf Rom zu, wollten den Vescularius endlich stürzen. Und Cornelius war angeblich ebenfalls in Italia gelandet! Das waren hervorragende Neuigkeiten. Witjons Gedanken rasten. Er musste all dies jemandem mitteilen. Dem Vertreter des Statthalters. Dem Ordo Decurionum. Der ganzen Civitas!
    "Albin!", rief Witjon ganz hibbelig und packte den alten Mann am Arm, um ihn aufgeregt zu schütteln. "Albin, sie waren siegreich! Alrik und Hadamar und Sönke leben und sind ausgezeichnet worden für ihren Kampf. Sie stehen jetzt vor Rom. Vor Rom! Das...das ist...bei Wodans Bart, das ist fabelhaft!" Witjon war vollkommen außer sich vor Freude. Als er sich etwas beruhigt hatte, ließ er schließlich von Albin ab und überlegte laut. "Also, der Reihe nach. Ach, wie geht es eigentlich dem Boten? Ich hoffe du hast ihm 'was zu Essen und einen Platz am Kaminfeuer oder so etwas angeboten?"

    "Na, das trifft vermutlich nicht auf alle Götter zu, aber im Groben hast du wohl Recht", relativierte Witjon Crispus' Bemerkung über die Benennung der Götter. "Über dieses Thema wird es wohl nie eine einheitliche Meinung geben. Ich kann mich an Diskussionen erinnern, die wir hier manchmal in der Familie geführt haben..." Kurz sah es so aus, als denke Witjon tatsächlich zurück an vergangene Tage und ließe seine Gedanken in die Ferne schweifen, bevor er die Vergangenheit abzuschüttelte und diese Sache mit einer Geste beiseite schob. "Naja, lassen wir das."


    Die Frage nach den Soldaten in der Sippe brachte einen ernsten Ton in das Gespräch, den Witjon eigentlich hatte vermeiden wollen. Er war noch völlig Ahnungslos, wie es um die Legionen im Süden stand und versuchte so wenig wie möglich über den Ausgang des Feldzugs und die Folgen zu spekulieren.
    "Tut mir leid, ich habe auch noch keine Meldungen erhalten", verneinte er daher mit bedauerndem Gesichtsausdruck.*
    "Aber wir hoffen natürlich, dass sie siegreich und wohlbehalten heimkehren werden."


    In diesem Moment kam zum Glück Lanthilda und brachte die Vorspeise.
    "Ah, da kommt der erste Gang. Hier habt ihr die obligatorischen Eier mit einer Auswahl von Soßen. Diese rote ist recht scharf, die hellere hier ist mit Kräutern und Knoblauch und die hier ist eine Piniensoße." Er nahm sich auch gleich eins der Eier, das er in die letztgenannte Soße tunkte. "Guten Hunger", wünschte er und biss herzhaft hinein.
    Dazu wurde selbstverständlich Brot gereicht. Witjon hatte sowohl ein Fladenbrot aus Dinkel geordert als auch ein dunkles Körnerbrot. Eine Schale mit grünen Oliven war natürlich auch dabei, denn diese war spätestens seit Landos Leidenschaft für diese herrlichen Leckereien eine Standardbeilage auf dem duccischen Esstisch.


    Während sie die Eier aßen und heißen Met tranken, wollte Witjon das Gesprächsthema auf sein eigentliches Ziel lenken. Deshalb fragte er ganz unverbindlich nach: "Sag mal, du hattest doch vor ein paar Jahren auch einmal eine Societas gegründet, nicht wahr? Societas Mogontiaci...äh...hilf mir aus, wie war das noch?"

    Es waren kalte Tage, die früh begannen und nur kurz währten. Kalte, teils arbeitsreiche Tage, an deren Ende Witjon in letzter Zeit häufig völlig erschöpft ins Bett fiel. Er hatte einiges zu tun gehabt mit der Umverteilung der vielen Betriebe seines Handelskonsortiums. Bei Wodans Bart, das war eine Frimelei gewesen! Diese Neugliederung war alles andere als simpel gewesen. Er hatte zudem seinem Sohn regelmäßig unter die Arme greifen müssen, da dieser zwar schon viel über das Kaufmannsgeschäfts gelernt hatte, aber noch lange nicht dem optimalen Verhandlungsführer nahe gekommen war. Und dann hatten sich natürlich noch einiger ihrer Handwerker zur Miliz gemeldet, wodurch es zu einer leichten Abschwächung der Produktionsgeschwindigkeit gekommen war. Witjon war zunächst verärgert gewesen, doch hatte er schließlich von einer Lohnminderung abgesehen angesichts des Winters und der schleppenden Wiederbefüllung der mogontinischen Getreidespeicher, nachdem die Legionen hier durchgezogen waren.


    Es war an einem solchen Abend der Erschöpfung, da es unerwartet an Witjons Tür klopfte. Bereits im Halbschlaf, schreckte Witjon kurz hoch und musste zunächst seine Orientierung wiederfinden. War da jemand? Oder hatte er es geträumt? Grummelig hiefte er sich unter dicken Wolldecken und Schafsfellen hervor aus seinem Bett und stapfte barfuß zur Tür, die er ein stückweit öffnete und einen aufgeregten Albin mit einer Öllampe und einer Wachstafel in der Hand vorfand.
    "Hrrmmm?" brummte das müde Sippenoberhaupt, den Hausgeist durch zugekniffene Augen fixierend.

    "Oh ja, der Winter trifft uns dieses Jahr besonders hart, dünkt es mir", bekräftigte Witjon auch gleich Crispus' Kälteempfinden. "Da lässt man ja nichtmal mehr die Hunde vor der Tür winseln", fügte er noch zur Veranschaulichung seiner Meinung an.


    "Es ist ein Weißer", beantwortete er daraufhin die Frage nach der Weinsorte, musste jedoch sogleich schmunzeln, als der Petronier Sekunden später seinen Wunsch nach heißem Met äußerte. "Warmen Met kannst du selbstverständlich auch gerne bekommen", bejahte Witjon und warf daraufhin Lucius einen fragenden Blick zu. "Für dich auch der warme Met, oder lieber etwas anderes?"
    Lanthilda jedenfalls wusste von Witjon und Audaod bereits, dass diese warmen Met trinken wollten und so hatte Marga auch einen Topf voll aufgewärmt. Sie nahm die Karaffe mit kaltem Met wieder mit und kam statt dessen mit warmem Met wieder herein, wo sie zunächst dem älteren Petronius einen Becher einschenkte, gefolgt von Witjon und Audaod. Dann wartete sie, wie sich der jüngere Petronier entschied.


    Als dann schließlich alle etwas zu trinken hatten, vergoss Witjon einen ordentlichen Schluck davon auf den Boden und erhob dann sein Glas in die Runde. "Für Wodan, Donar und Teiwaz, die uns und unsere Verbündeten in des Statthalters Legionen vor Unheil bewahren mögen!" Milde fügte er als Erklärung für seine Gäste hinzu: "Vergießt ihr ruhig euren Wein zu Ehren Juppiters, Bacchus und Mars. Unsere Männer können drunten in Italia wohl aller Götter Hilfe gut gebrauchen..."


    Gewöhnlich würde Witjon jetzt den Becher zu Ehren der genannten Götter leeren. Aber da der Met gerade frisch aufgewärmt war, sah er zugunsten seines noch unverbrannten Gaumens davon ab und trank nur einen angemessenen Schluck, um im Folgenden wieder mit den Petroniern zu plaudern. Zu lange wollte er heute lieber nicht über diesen trübseligen Krieg reden, das verdarb nur die Stimmung.

    Der Wirt betrachtete mit glitzernden Augen den weiteren Sesterz und erwiderte sodann Haakons Grinsen. "Marcus Petronius Crispus, Pontifex und Decurio Mogontiaci." Jetzt prüfte er seinen Gast mit einem eindringlichen Blick. Diese Information war durchaus einiges wert, wie er fand. "Vielleicht kann er auch einen kräftigen Kerl zur Kontrolle seines Steinbruchs gebrauchen. Dir bieten sich gewiss einige Möglichkeiten, das kann ich dir sagen."


    Und um nicht allzu lange und auffällig so miteinander zu tuscheln, richtete der Wirt sich schließlich auf und winkte das Schankmädchen herüber. "He Eldrid, bring unsere Gäste auf ihr Zimmer." Während das Mädchen herankam, warf der Wirt Haakon einen fragenden Blick zu. "Wie heißt ihr beiden eigentlich?"

    Der Wirt lachte ein bisschen mit und grinste dann beiläufig weiter, während er sich Haakons Erwiderung auf seine Zimmerangebote anhörte. "Ganz wie du meinst", bestätigte er schließlich die zwei Übernachtungen. "Überleg's dir einfach nochmal. Vielleicht steht dir ja morgen eher der Sinn nach ein wenig Spaß", versuchte er dann nochmal zu locken.


    Dann jedoch bot Haakon ihm das Trinkgeld an und stellte auch sogleich in gedämpftem Tonfall seine Frage. Der Wirt beugte sich zu ihm vor und spitzte die Ohren. Haakon wollte kein billiger Tagelöhner sein, sondern sich mit etwas herausfordernden Tätigkeiten durchschlagen. Der Wirt nickte bedächtig und ließ sich genügend Zeit zum Nachdenken, bei der gewiss jene Leute mit schwachen Nerven unruhig geworden wären.
    "Ich hätte da vielleicht einen Namen. Jemand, von dem man sagt, er benötige gelegentlich etwas...härtere Kerle. Um unwillige Lieferanten für seine Betriebe umzustimmen, wenn du verstehst was ich meine."
    Er zog geheimnistuerisch die Augenbrauen hoch, bevor er ruhig weitersprach.
    "Es geht um einen Decurio. Er besitzt eine Weberei und hat manchmal mit seinen Schäfern zu kämpfen. Aber der Mann ist angesehen und angesehene Männer sind nie günstig zu bekommen..."
    Womit der Wirt ganz offensichtlich noch einen kleinen Aufschlag auf sein Trinkgeld provozieren wollte.

    Witjon erhob sich rasch, als die Gäste schließlich eintrafen. Ehrlich erfreut ging er auf Petronius den Älteren zu und streckte ihm die Hand zur Begrüßung hin.
    "Salve, Pontifex Petronius. Herzlich willkommen in der Casa Duccia!" erwiderte er die Worte seines Gastes und wandte sich dann auch an dessen Sohn: "Und auch dir Salve und mein herzliches Willkommen. Uns geht es hervorragend, danke der Nachfrage." Er schüttelte seinen Gästen die Hände und wies auf die Liegen. "Und wie geht es euch? Seid ihr gut hergekommen? Nehmt doch Platz."


    Wie zuvor abgesprochen erschien nun bereits Lanthilda, die zwei Karaffen mit Wein und Met herbrachte, gefolgt von Albin, der eine Karaffe voller Bier hielt.
    "Was darf es zu trinken sein? Wir haben Wein aus Gallia Narbonensis von einem massilischen Winzer. Oder Met und Bier aus eigener Produktion."
    Da sie nur vier Personen waren, die Klinen der Duccii aber auch nicht dem römischen Standardmaß entsprachen, sondern nur zwei statt drei Personen Platz boten - größere Gesellschaften pflegten sie nicht auf Klinen zu bewirten, sondern am großen Tisch sitzend; vorzugsweise bei sonnigem Wetter im Garten - hatte man die beiden Petronii auf einer Kline zusammen positioniert. Dem älteren der beiden kam der locus consularis zu. Rechtwinklig zu diesem stand eine Kline, die Witjon allein belegte, wodurch er wie üblich den summus in imo einnahm. Zu Lucius' Linken schließlich hatte Audaod seinen Platz auf einer weiteren Kline. So hatte Witjon sichergestellt, dass die beiden jüngeren Männer sich im Notfall auch über etwas spannenderes als die Geschäfte unterhalten konnten und keine Gespräche über Kreuz geführt wurden, was im Allgemeinen eher anstrengend war. In der Mitte stand dazu die mensa, so dass die Petronii sich Witjons Erwartung gemäß recht heimisch fühlen mussten.

    Lysander


    "Was?" fragte Lysander verwirrt, drehte sich um und warf einen Blick zum Gerüst hinauf. "Nein, nein, das ist mein Zimmermann. Der wird schon nicht springen!", korrigierte er die zuletzt von Pacatus vorgebrachten Befürchtungen.


    "Trotzdem viel Erfolg beim Aedil. Vale, Matinius." Daraufhin widmete er seine Aufmerksamkeit wieder der Baustelle, die er zu betreuen hatte.

    "Heilsa", grüßte der Wirt brummelig den Gast. Das Wetter setzte seinem Rücken und den Knien zu, weshalb er im Winter immer etwas schlechter gelaunt war als sonst schon. Und im Schankraum war es auch gelegentlich zugig, wenn nicht gerade überall Kundschaft herumlungerte.
    "Wir haben vier Zimmergrößen. Ganz klein kostet 'nen Dupondius pro Nacht. Klein einen Sesterz. Mittel drei Sesterzen. Und Groß ist zu teuer für euch, schätze ich mal."
    Er musterte die beiden kritisch, wobei er die Stirn in tiefe Falten legte. Im nächsten Moment kam ihm aber wohl ein Gedanke, der ihn amüsierte. Dabei grinste er leicht und zeigte lässig mit dem Daumen auf eine junge Blondine, die an einem der Tische soeben zwei Becher Bier servierte.
    "Kostet dich auch nur ein As zusätzlich, wenn dir meine Eldrid dort das Bett vorwärmt."

    Witjons prüfender Blick glitt über die Einrichtung des Kaminzimmers, fand jedoch keinen offensichtlichen Mangel. Im Kamin knackte das Holz im Feuer, das ein flackerndes Licht auf die vier Liegen warf, die im römischen Stil um einen großen runden Tisch herum gruppiert waren. Der Tisch hatte etwa die selbe Höhe wie die Liegen, so dass man gut die darauf zu positionierenden Speisen erreichen konnte. In der Küche rackerte Marga bereits seit zwei Stunden und bereitete das Mahl vor, das Witjon den Petroniern heute bieten wollte. Denn wenn er schon den Pontifex und dessen Sohn in sein Haus einlud, dann musste er schon etwas mehr auffahren, als den üblichen Eintopf mit Schwarzbrot oder Speckstreifen auf Körnerbrot. Wein, Bier und Met standen selbstverständlich auch bereit.


    Mit seiner gemischten Einrichtung bot das Kaminzimmer eine Mischung aus germanisch-rustikalem und traditionell-römischem Eindruck, was insbesondere zusätzlich durch Witjons Erscheinung unterstrichen wurde. Er war nämlich in seine beste Toga gekleidet, trug jedoch wie so häufig die langen Haare offen und zeigte dazu stolz seinen gut gepflegten Vollbart. An der rechten Hand prangte dazu natürlich der duccische Siegelring und ein leichter Geruch von Duftwasser umgab ihn. Alles in allem gab er sich bewusst römisch genug, um den Petronier nicht gleich völlig zu provozieren und schlechte Stimmung zu verbreiten. Witjon wusste ja, wie anfällig der Alte in dieser Hinsicht sein konnte. Auch Audaod hatte er angewiesen, sich entsprechend zu kleiden, denn sein Sohn würde natürlich auch an diesem Treffen teilnehmen. Wo blieb der überhaupt? Die Petronier mussten gleich da sein, da konnte man als Gastgeber ja nicht zu spät sein! Ungeduldig gab Witjon Albin den Auftrag, seinen Sohn gefälligst zügig ins Kaminzimmer zu schicken. Dann ließ er sich auf einer der Liegen nieder, fühlte sich dabei jedoch zu untätig und erhob sich wieder, um im Raum umherzuschlurfen und noch einmal prüfend die Einrichtung zu mustern.

    "Wunderbar", fasste Witjon die Situation und seinen Gemütszustand zusammen und nickte zufrieden. Sein Sohn war offensichtlich zu etwas zu gebrauchen. Zumindest sträubte er sich nicht gleich gegen väterliche Entscheidungen. "Gut, ich muss hier dann noch einiges tun." Er warf einen müden Blick auf sich türmende Unterlagen, die seine Laune mit ihrer düsteren Aura von Arbeit und Stress akut bedrohten.
    "Wenn noch was ist, frag einfach. Weißt ja bescheid", forderte er Audaod schließlich auf in dem Wissen, dass sein Sohn den Willen das Gespräch zu beenden erkannte. Audaod war klare Anweisungen gewöhnt und kam damit klar, dass er so abgefertigt wurde. Witjon war ja ansonsten immer für Fragen zu erreichen und beantwortete diese auch sogleich. Deshalb sah er jetzt nur noch kurz von seinen Unterlagen auf. Falls Audaod nichts zu sagen hatte, sahen sie sich ja sowieso wie immer bei der abendlichen Cena.

    Lysander


    Der alte Mann kniff die Augen wieder etwas zusammen, als er Pacatus zuhörte. Hier und dort verlautete er ein verstehendes "Ahja" oder ein durch Nicken bekräftigtes "Hmhm", während man ihm ansah, dass er dem Gedankengang des Matiniers vor seinem inneren Auge folgte.


    Im Anschluss an Pacatus' letzte Feststellung, dass nämlich sowieso die ganze Aktion nicht von heut auf morgen über die Bühne gebracht werden würde, lächelte Lysander wissend.
    "Was du sagst, klingt alles sehr vernünftig. Geh' und sprich mit dem Aedil. Richte ihm schöne Grüße von Lysander aus und sag mir bescheid, wenn ihr übereingekommen seid. Du findest mich in den nächsten Tagen vormittags hier oder ein paar Häuser weiter, da habe ich noch ein Projekt." Er deutete die Straße hinunter und warf dann einen Blick zu der Baustelle, wegen der er ja eigentlich heute hier war. Dieser Matinius sorgte jedenfalls dafür, dass ihm nicht langweilig wurde und auch weiterhin die Münzen im Beutel klingelten.

    Lysander


    Lysander nickte ernst. Mit dem Quaestor war meistens nicht zu spaßen, wenn es um sein Geld beziehungsweise das der Civitas ging. "Was für ein Schlag?" fragte er dann aber vorsichtshalber erstmal nach, denn er meinte da etwas falsch verstanden zu haben. Im selben Moment erahnte er jedoch, was der Scriba wirklich meinte und winkte ab: "Achso, ein Voranschlag. Ja ja, den würde ich dann wohl machen, nicht?"


    Im Folgenden hörte er sich den Vorschlag an, den Pacatus ihm zu unterbreiten hatte. Seine Meinung dazu tat er auch sogleich kund: "Sicher kann man das machen, mein Sohn. Die Entscheidung liegt bei dir, würde ich mal sagen. Aber wirf mir hinterher nicht vor, dass du die nicht so offensichtlichen Bauschäden nicht erkannt hast, wenn dann mal etwas passiert."