Beiträge von Numerius Duccius Marsus

    Narf. Witjon ärgerte sich maßlos, dass seine Idee auf einmal dem Petronius in den Mund gelegt wurde. Deshalb schaltete er sich auch schnell wieder ein, indem er sich an den Duumvir wandte: "Hoher Duumvir, hiermit beantrage ich dem Wunsch dieses Gremiums entsprechend den Erlass eines Decretums über die Zulassung der erwachsenen Söhne der Decuriones als Praetextati zu unseren Sitzungen." So wurde wenigstens festgehalten, dass der entsprechende Antrag von ihm gestellt wurde.

    Sexualität war im antiken Rom ein Thema, das nicht öffentlichkeitstauglich war. Dennoch war es allgemein anerkannt, dass der natürliche Trieb des Mannes durch seine eigenen Sklavinnen oder jene im Lupanar befriedigt werden konnte. Auch wenn mancher Germane oder Kelte diesbezüglich eine andere Sichtweise haben mochte, so war auch im romanisierten Mogontiacum seit Jahrzehnten die römische Kultur insoweit einflussreich gewesen, als dass sich etliche Lupanare hatten etablieren können. Und sie hatten reichlich Kundschaft. Besonders die jungen Männer der Civitas kamen regelmäßig hierher, was insbesondere auch von den Vätern der vielen jungen Mädchen der Stadt gut geheißen wurde, denn so verminderte sich die Zahl der ungewollten Schwangerschaften unter den 'gutbürgerlichen' Familien der Gemeinde.


    Und dennoch fühlte Witjon sich jedes mal, wenn er hierher kam, seltsam unwohl. Nach Callistas Tod hatte er lange kein Bedürfnis verspürt. Später hatte er sich häufig so viel Arbeit aufgehalst, dass er nicht einmal die Zeit hatte, über Geschlechtsverkehr nachzudenken. Als dann jedoch auch noch Elfleda gestorben war, von der er sich - das musste er sich heute eingestehen - durchaus auf lange Sicht etwas erhofft hatte, war es mit der Geduld vorbei gewesen. Irgendwann hatte es ihn ins Lupanar getrieben. Heimlich hatte er sich nachts aus der Casa Duccia geschlichen als täte er etwas Verbotenes. Zu seiner Überraschung war er jedoch kein einziges Mal schräg angeschaut worden. Im Lupanar traf er teilweise Bekannte, verheiratete Männer. Schnell wurde ihm klar, dass er von der römischen Sexualität nicht viel verstand. Immerhin war sie auch kein Gesprächsthema, das bei der Cena diskutiert wurde.


    Bei ihr jedoch lernte Witjon mit der Zeit noch so einiges. Sie hieß Locusta, war einige Jahre jünger als Witjon und Thracerin. Und Witjon ging zu niemand anderer als ihr. Nicht wöchentlich, aber doch halbwegs regelmäßig. Er fühlte sich wohl bei der dunkelhaarigen Thracerin, die ihn mittlerweile auch nicht mehr nur als gewöhnlichen Kunden begrüßte. Nein, Witjon hatte schon Stammkundenstatus und wurde vom Betreiber des Lupanars immer besonders bevorzugt behandelt. Spätestens seit dieser erkannt hatte, dass der ehemalige hochangesehene Duumvir der Civitas deutlich Gefallen an einem seiner Mädchen gefunden hatte, konnte Witjon sich eines Sonderstatus' im Lupanar sicher sein.


    An diesem Tag blieb Witjon länger als sonst bei Locusta. Draußen herrschte eine Eiseskälte und er hatte einfach keine Lust, aus dem warmen Bett wieder hinaus in den Schnee zu gehen. Deshalb ließ er noch zwei Becher Glühwein kommen und unterhielt sich mit Locusta über dies und das, plauderte über die Neuigkeiten der Woche. Der Bürgerkrieg war dabei schon lange kein Thema mehr, denn über die Alpen kamen seit Wintereinbruch keinerlei Nachrichten mehr, die Aufsehen erregen konnten.


    Irgendwann sah Witjon dann jedoch ein, dass es Zeit für ihn war zu gehen. Er gab Locusta also einen Kuss, zog sich an und trat hinaus auf den Flur, um das Lupanar zu verlassen.

    Hab mir grad den ersten Teil in der Mediathek angesehen. Ist durchaus gelungen. Besonders stimmungsvoll sind die nachgestellten Szenen mit gesprochenem Latein und Untertiteln. Leider war die Auflösung in der Mediathek nicht so gut wie erhofft, das mag aber am Fernseher anders sein.


    Jetzt schau ich dann mal den zweiten Teil. :D

    Witjon flätzte sich auf seinen Stuhl und versuchte dabei noch möglichst würdevoll auszusehen. Ihm war kalt und am liebsten hätte er die Arme vor der Brust überkreuzt und mit den Füßen aufgestampft, aber das konnte man in der Toga einfach nicht bringen ohne Gelächter zu riskieren. Hoffentlich legten die Sklaven gleich nochmal was nach, damit die Kohlebecken besser wärmten. "Wir brauchen hier dringend ein Hypocaustum", raunte er seinem Nebenmann zu, während der Petronius sich anschickte, eine Ansprache zu halten. Das zumindest erwartete Witjon von ihm.

    Es gab Tage in Witjons Leben, an denen er die Einsamkeit des duccischen Balneums der Geschäftigkeit der Thermae Iuliani vorzog. An diesen Tagen bevorzugte er Ruhe und Frieden und suchte die Entspannung vom stressigen Tagesgeschäft. So auch heute. Das Wasser dampfte, als er sich vorsichtig im Becken niederließ. Unter einem wohligen Seufzer glitt Witjon ins Wasser und gab sich der angenehmen Hitze hin. Mit geschlossenen Augen lag er da und verharrte einfach nur einige Augenblicke in Stille.


    Lanthilda:
    [wrapIMG=left]http://farm2.static.flickr.com/1025/559389906_c1e0d48ad7_t.jpg[/wrapIMG] Auch als Lanthilda das Balneum betrat, ließ Witjon die Augen noch einen Moment geschlossen. Als er sie schließlich öffnete, hatte sich die Haushälterin bereits hinter ihm hingekniet und ließ demonstrativ die Finger knacken. Witjon brummte nur und setzte sich etwas anders hin, dann begann Lanthilda schon, seine Kopfhaut zu bearbeiten.
    Seit Callista einmal Witjons Kopf massiert hatte, wollte der Duccius nicht mehr darauf verzichten. Es war einfach zu entspannend und nachdem er einmal den Kopf frei hatte, konnte er meistens auch wieder klarer über Vergangenes oder Zukünftiges sinnieren. So auch heute. Lanthilda hatte mittlerweile richtig Übung und wusste auch, dass Witjon kräftige Kopfmassagen sehr gern hatte und kam diesem Wunsch auch gerne nach. Dennoch kam Witjon nicht umhin sich manchmal zu fragen, ob sie sich nicht auch langsam ein neues Weib für ihn wünschte, das ihr diese wöchentliche Aufgabe endlich abnehmen konnte. Ohnehin fühlte der Sippenführer sich in letzter Zeit immer häufiger beobachtet, wenn mal Weibsvolk in der Nähe war und gelegentlich glaubte er auch die Leute heimlich tuscheln zu sehen. Oder bildete er sich das nur ein? Er musste sich tatsächlich endlich eine Frau suchen, das stand für ihn fest!


    Mit fortschreitender Massage verflogen die Gedanken jedoch und Witjon driftete ab in einen Zustand zwischen Entspannung und Schlaf. So reagierte er auch nur mit einem zufriedenen Brummen, das man auch das "Dankeschön" interpretieren konnte, als Lanthilda die Kopfmassage schließlich beendete und sich - ein Handtuch zurücklassend - wieder aus dem Balneum zurückzog. Witjon blieb derweil noch einige Zeit im Halbschlaf im Wasser liegen. Die Ruhe tat ihm gut und die Wärme entspannte seine Muskeln und gab ihm die nötige Pause. Auch wenn er kein städtisches Amt mehr innehatte, so waren die Geschäfte des Handelskonsortiums in derart schwierigen Zeiten nicht weniger anstrengend.
    Irgendwann merkte Witjon dann, dass das Wasser abgekühlt war. So raffte er sich auf und trocknete sich zügig ab, zog sich Hose und Hemd über und ließ das Badewasser ab. Jetzt freute er sich auf ein rustikales Abendbrot, einen dampfenden Glühwein und das wärmende Feuer im Kamin.

    Etwas verdutzt sah Witjon den Petronius an, als dieser einen Vorschlag machte, an den der Duccius noch gar nicht gedacht hatte. Verdammte Axt, musste dieser Kerl immer gleich gegensteuern? Und warum war er eigentlich nicht selbst darauf gekommen? Er sollte sich in Zukunft wieder mehr Zeit zum Nachdenken nehmen, bevor er vorpreschte und irgendwelche Anträge stellte, die ihm dann später entglitten.


    "Hm", machte Witjon also erstmal, wobei er seine Unzufriedenheit bestmöglich zu verbergen suchte. "Einfacher wäre es wohl, das gebe ich zu", lenkte er schließlich ein.

    Amon:
    [Blockierte Grafik: http://www.kulueke.net/pics/ir/nscdb/z-spezielle/amon.jpg]


    Schade, der wollte gar nichts kaufen. Aber Interesse am Angebot des Konsortiums hatte er offenbar dennoch, also antwortete Amon mit seinem strahlendsten Verkäuferlächeln:


    "Lysander, jaja. Das ist allerdings unser Architekt. Und der ist auch immer noch bei uns angestellt. Du findest ihn um diese Zeit vermutlich auf seiner aktuellen Baustelle. Ähm..." Man sah Amon an, dass er kurz überlegen musste, wie er dem Mann am besten den Weg erklärte.


    "Also, wenn du die Basilica verlässt, geh schnurstracks auf die Curia zu. Daran vorbei und die nächste wieder links rein. Da wird dir ziemlich schnell ein eingerüstetes Streifenhaus auffallen. Frag dort nach Lysander und man wird dir weiterhelfen. Noch fragen? Oder darf's doch noch etwas für den Weg sein? Wir haben hier auch ganz famoses Honiggebäck." Amon lächelte freundlich und versuchte selbstvertändlich, wenigstens ein süßes Backteilchen für auf den Weg anzubieten.


    Sim-Off:

    Tschuldige, habe dich nicht mehr auf dem Schirm gehabt. Kann dann hier weitergehen.


    In der nähe der Curia Mogontiaci steht ein Streifenhaus, das unbedingt einmal wieder einen Anstrich und Ausbesserungen am Dachstuhl benötigt. Der Eigentümer hat dies erkannt und den Architekten Lysander beauftragt, alles Notwendige zu veranlassen und das Haus wieder auf Hochglanz zu bringen.


    Mittlerweile war es zwar eiskalt, aber der Anstrich war immerhin schon abgeschlossen. Was noch beendet werden musste, waren die Dachstuhlarbeiten. Man befürchtete, dass es Schäden durch starken Schneefall geben könnte und außerdem mussten etliche Dachziegel ausgetauscht werden. Lysander war gerade zu Besuch und besprach sich mit dem Zimmermann, der die Aufsicht führte. Sie standen mitten auf der Straße und zeigten hierhin und dorthin auf Stellen am Dachstuhl. Platz war genug da, denn bei den Temperaturen huschten die Leute lieber zügig auf dem überdachten Gehweg entlang.


    Quelle

    "Salvete Decuriones", begrüßte Witjon die Ratsherren an diesem Tag, an dem er wieder einmal um das Wort gebeten hatte. "Heute geht es mir um unsere Söhne." Einige der Anwesenden horchten interessiert auf. "Um unsere Söhne, und zwar in einer Angelegenheit, die der Erziehung und Heranführung an die Politik dienen soll."


    Er ließ die Worte, mit denen er die Aufmerksamkeit der Decuriones auf sich lenken wollte, kurz wirken, bevor er zum Thema kam: "Ihr erinnert euch vielleicht an einen Einfall, der mir während der Debatte über die Lex Municipalis kam. Ich schlug vor, die Söhne der Decuriones als Praetextati zu unseren Sitzungen zuzulassen. Der Vorschlag fand allgemeine Zustimmung, sollte jedoch nicht in der Lex Municipalis, sondern gesondert festgeschrieben werden."


    Mit diesem Teil sollten die Honoratioren ausreichend ins Bild gesetzt sein. Jetzt kam Witjon auf seinen eigentlichen Antrag zu sprechen: "Ich habe mir also Gedanken gemacht, wie man am einfachsten eine solche Regelung umsetzen könnte. Zunächst war eine Änderung der Geschäftsordnung des Ordo Decurionum angedacht. Doch finde ich, dass ein Zusatz dort irgendwie fehl am Platze wirkt. Die Geschäftsordnung konkretisiert momentan nämlich nur die in der Lex Civitatis festgelegten Rechte und Pflichten der Decuriones."


    An dieser Stelle zückte Witjon eine Abschrift der Lex Civitatis und fuhr fort: "Daher beantrage ich, statt dessen die Lex Civitatis an folgender Stelle zu ändern. Pars Secunda, §3, (5) nennt außerordentliche Beisitzer. Ich finde, wir könnten die Regelung über Praetextati hier einfügen. Das könnte dann so aussehen."


    Witjon las nun laut vor:


    §3 - Ordo Decurionum
    [...]
    (5) Außerordentliche Beisitzer des Ordo Decurionum ohne direktes Stimmrecht, bei gleichzeitiger Einhaltung des Weisungsrechts durch das jeweilige Amt, sind: der Kaiser, der Legatus Augusti Pro Praetore, die Patrones der Civitas, die Pontifices der Civitas, Personen, denen das Beisitzrecht vom Ordo Decurionum ausgesprochen wurde sowie die erwachsenen Söhne der Decuriones, in dieser Fuktion Praetextati genannt.


    Erwartungsvoll blickte Witjon daraufhin von dem Schriftstück auf und machte sich auf die Antworten der Decuriones gefasst.

    Witjon warf dem alten Veteranen einen irritierten Seitenblick zu. "Was meinst du?" Hatte Witjon den Petronius richtig verstanden? Der glaubte doch nicht etwa...
    "Ich glaube du verstehst das falsch. Das dort sind keineswegs meine Klienten, sondern einfache Leute, die ich im Vicus Navaliorum aufgegabelt habe. Ich dachte mir es wäre eine gute Idee, die ganzen Tagelöhner und Tunichtgute von der Straße zu holen und ihnen Beschäftigung zu geben. Wenn du sie ordentlich drillst, sind sie hinterher womöglich noch Nutzen." Wofür genau, wollte Witjon jetzt auf Anhieb auch nicht einfallen. Aber er wollte definitiv nicht, dass Petronius glaubte, seine Klienten wären dahergelaufene Habenichtse.


    "Aber unsere Klienten zu verpflichten, ist natürlich ebenfalls eine gute Idee", pflichtete Witjon schließlich doch bei. "So dürften wir mühelos die erforderliche Mannstärke erreichen, was meinst du?" Zumal es ja durchaus möglich war, dass manche Bewerber auch nicht genommen wurden. Besonders unter denjenigen, die Witjon soeben mitgebracht hatte, würde sich vermutlich auch so manche hohle Nuss verbergen.

    Witjon bat an diesem Sitzungstag um das Wort. Nachdem der amtierende Duumvir ihm als Ratsvorsitzender das Wort erteilt hatte, sprach er zu den Versammelten:
    "Hohe Honoratioren unserer Civitas. Ich stehe heute vor euch mit einem Anliegen finanzieller Art. Wie ihr wisst, hält Mogontiacum einige Betriebe im Eigentum, die jedoch seit längerer Zeit brach liegen. Ich halte das für eine unverantwortliche Verschwendung unseres Kapitals und möchte deshalb eine Entscheidung in dieser Sache herbeiführen!"


    Soviel als kleine Einleitung. Witjon machte eine kurze Pause, damit die Ratsherren sich auf das Thema einstellen konnten und nahm derweil eine Tabula zur Hand, die er vom Quaestor bezogen hatte.


    "Wie ihr euch erinnert, führte ich damals bereits die Verhandlungen mit Gaius Terentius Primus, dem Praefectus Alae, über eine Pferdezucht. Diese kaufte er uns tatsächlich ab und zwar für einen ordentlichen Preis zusammen mit einigen Waren.
    Heute aber geht es mir um die Betriebe, die leider keinen Abnehmer gefunden haben oder noch gar niemandem angeboten worden sind. Das sind ein Geflügelhof, eine Imkerei, eine Taberna und der Laden eines Barbiers."

    Witjon sah von seiner Tabula auf und warf einen Blick in die Runde.
    "Ich sehe hier zwei Möglichkeiten. Entweder, wir versteigern diese Betriebe und diverse dazugehörige Waren in einer öffentlichen Versteigerung - möglicherweise auch zuerst unter interessierten Decuriones, falls gewünscht. Oder wird machen die Betriebe einfach dicht und sacken so zumindest noch etwas durch die Veräußerung der Geschäftsräume ein."


    Wieder ging sein Blick durch die Reihen, um die Mienen der Versammelten zu beobachten.
    "Ich ersuche euch daher um einen Beschluss, wie mit diesen ungenutzten Werten unserer Civitas umgegangen werden soll."

    Und damit war der Ring frei für Meinungen und Vorschläge!


    Sim-Off:

    Die zweite Option bezieht sich Wisimtechnisch auf diese Ankündigung der Spielleitung, von der wir Gebrauch machen könnten.

    http://www.kulueke.net/pics/ir…manen-maenner-jung/08.jpg Ortwini, der Sohn des Siguhelm, hatte sich auf einer Kiste bei einem seiner Marktstände niedergelassen. Von dort aus hatte er einen guten Blick auf die beiden Petronier, die Rekruten für die mogontinische Miliz anzuwerben versuchten. Ortwini zog interessiert die Augenbrauen hoch, musterte die beiden Petronier eindringlich und schürzte dann anerkennend die Lippen ob ihres Auftretens. Das konnte sich ja zumindest schonmal ganz gut sehen lassen. Beiläufig fischte Ortwini ein Säckchen an seinem Gürtel hervor und kramte daraus Walnüsse hervor, die er genüsslich kaute.


    Als sich endlich einer der jungen Leute nach vorn wagte und sich einschreiben ließ, sog Ortwini kritisch die Luft ein. Wenn das so schleppend weiterging, war der Krieg vorüber, ehe auch nur ein Contubernium voll besetzt war. So in Gedanken bemerkte er Witjon erst, als dieser bereits neben ihm stand und eine Walnuss aus dem Beutel stibitzte.


    "Das sieht ja noch nicht sonderlich erfolgreich aus", stellte das duccische Sippenoberhaupt fest und reichte seinem Freund die Hand zum Gruß.
    "Dir auch einen schönene Tag", grinste Ortwini, um dann wieder ernst zu werden. "Ne, Petronius Crispus und Sohn haben bisher tatsächlich noch nicht viel positive Resonanz erhalten."
    "Das ändert sich jetzt", entgegnete Witjon, drehte sich herum und gab einer Gruppe einen Wink.


    Entschlossenen Schrittes hielt Witjon auf die Rekrutierer zu und begrüßte sie einzeln mit Handschlag, sogar den Sekretär am Pult.
    "Salve Centurio Petronius und auch dir, Optio Petronius, einen schönen Tag. Ich bringe euch hier mutige Männer unserer Civitas, die gewillt sind ihrem Pflichtgefühl entsprechend unserer hehren Sache zu dienen und der Miliz beizutreten."
    Witjon machte eine umfassende Handbewegung auf die Gruppe, die zögerlich hinter ihm Aufstellung genommen hatte. Da waren junge und nicht mehr ganz so junge Männer, die Witjon am Hafen aufgegabelt hatte. Tagelöhner, Tunichtgute, Abenteurer, Obdachlose, vermutlich auch einige Diebe und Prügelknaben. Und sie alle versprachen sich eine ordentliche Vergütung und Anerkennung durch den Dienst an der Civitas, den Witjon ihnen allen in überschwänglicher Rede schmackhaft gemacht hatte. Einige berufstätige Männer hatten sogar ihre Sklaven geschickt, damit diese an ihrer statt Milizionäre wurden. Insgesamt waren es vielleicht um die fünfzig oder etwas mehr Personen, die sich hinter Witjon drängelten. Keiner wollte so richtig als erster vortreten, daher pickte Witjon sich einen etwas älter wirkenden Mann mit vollem Haar und dichtem Bart aus der Menge und winkte ihn zu sich.
    "Du, wie heißt du?", fragte Witjon.
    "Mein Name ist Farold", entgegnete jener.
    "Gut, Farold. Zeige diesen Männern, wie ein pflichtbewusster Mogontiner handelt."
    Mit dieser Aufforderung konfrontiert, warf Farold zunächst einen kritischen Blick auf den Schreiber und die beiden Offiziere, dann wurde er sich wohl der bohrenden Blicke in seinem Rücken bewusst. Denn letztlich machte er es Trudbert, Wunolds Sohn, gleich und ging zum Tisch, wo er sich Privatus' Fragen unterzog. Und siehe da, es bildete sich erst zögerlich, dann immer entschiedener eine Schlange von Freiwilligen, die allesamt Milizionäre werden wollten (oder mussten, weil ihre Lebensbedingungen eine andere Entscheidung gar nicht zuließen).


    Witjon trat neben den älteren Petronius und raunte diesem zu: "Ich schätze, wir sollten Ausrufer durch die Vici schicken und gerade diejenigen zur Pflicht rufen, die dringend Münzen in ihrer Börse brauchen. Den gefestigten Handwerker, der Familie und Besitz sichern muss, werden wir wohl so schnell nicht aus der Reserve locken."

    Das Blut floss in Strömen. Gut, dass die Opferdiener darauf vorbereitet waren und dementsprechend schnell reagierten, um es in Schalen aufzufangen. Schließlich wurde der Ochse geöffnet und die Innereien konnten begutachtet werden. Witjon hatte darin mittlerweile durchaus Übung. Dementsprechend sah er sich die verschiedenen Teile genauestens und mit geübtem Blick an. Mit Erleichterung stellte er letztlich fest, dass kein Makel zu erkennen war und verkündete fröhlich:


    "LITATIO!"


    Ein paar Schaulustige applaudierten, besonders diejenigen, die Witjons Sippe nahe standen oder Sympathien für die Duccier hegten. Nun folgte das Blutopfer und auch die Innereien wurden Mars dargebracht, indem sie ihren Weg ins Altarfeuer fanden. Der Ochse dagegen würde auseinandergenommen und komplett verwertet werden. Witjon wartete noch so lange, bis die Opfergaben verschmort waren. Dann bedankte er sich bei den Opferhelfern und zahlte die Musikanten aus, wünschte noch einen angenehmen Tag und verließ den Tempelvorplatz. Erfüllt von einem Gefühl der Erleichterung und der Gewissheit, dass die Seinen unter göttlichem Schutz standen, kehrte er nach Hause zurück.
    Mars mit euch, ihr tapferen Soldaten! dachte er und musste unweigerlich lächeln. Hoffentlich sah er sie alle gesund und munter wieder.

    Meine Damen und Herren, ich melde mich mal langsam und ganz vorsichtig wieder zurück. Erwartet bitte noch keine schreiberischen Glanzleistungen. Ich muss mich erstmal wieder an die viele Freizeit gewöhnen, gebt mir also ein paar Tage zur Aklimatisierung. ;)

    Vor dem Tempel hielt Witjon nun gemessenen Schrittes und unter ständiger Begleitung der Opfermusiker auf den Sockel mit dem Opferaltar zu. Dort wartete bereits der Ochse auf ihn sowie der victuarius. Einer der von Witjon engagierten Burschen besprenkelte die Prozession mit Wasser, um sie noch einmal rituell zu reinigen, dann hatten sie schon den Altar erreicht. Witjon legte nun eigenhändig Weihrauch in die Feuerschale. Ein Herold ermahnte ein paar Schaulustige mit dem obligatorischen "favete linguius" zur Ruhe. Nun konnte Witjon die Darbringungsformel vorbringen.


    "Ehrwürdiger Mars, dem Weihrauch gleich mögen meine Gebete in deine göttlichen Gefilde emporsteigen und deine Großmut erregen!"


    Es folgte die Händewaschung und noch einmal wurde Weihrauch nachgelegt. Das Opfertier war bereits in Position gebracht worden und nun wurde ihm der Schmuck entfernt. Ein Opferhelfer übergoss es mit Wein und weihte den Ochsen so dem Kriegsgott. Dann entkleidete Witjon den Ochsen symbolisch mit dem Opfermesser und konnte endlich seine Bitte vortragen:


    "Diesen Ochsen bringe ich dir, Mars, dar und trage diese Bitte vor dich: Halte deine schützende Hand über meine Vettern Alrik und Hadamar, die in den Legionen als Titus Duccius Vala und Lucius Duccius Ferox ihren Dienst versehen und sorge auch für den Schutz meines Muntlings Sönke, den seine Legionskameraden als Marcus Marius Madarus kennen. Sorge auch für meinen Bruder Arbjon, der bei den Praetorianern als Quintus Duccius Eburnus bekannt ist. Lenke ihre Klingen und lass ihre Schilde und Rüstungen sie vor feindlichem Stahl wappnen.
    Ich bitte dich, oh gewaltiger Gott der Schlacht, gewähre den Meinen deine Gunst und gewähre ihnen das Glück, die bevorstehenden Kämpfe lebendig zu überstehen, egal welcher Kriegspartei sie angehören!
    Mars, dich rufe ich an in meinem Flehen und weihe dir diesen stolzen Ochsen! Gewähre mir diese Bitte und ich will dir ein noch prächtigeres Opfer darbringen. Das verspreche ich dir in der Hoffnung auf deine gönnerische Hilfe.


    Do ut des!"


    Der Schlächter wartete einen Augenblick, dann fragte er "Agone?" und Witjon antwortete bestimmt: "Age!"


    Der Victimarius holte mit seiner Opferaxt aus und traf gekonnt die gewünschte Stelle am Kopf des Ochsen, der zuckend zusammenbrach. Jetzt lagen Witjons Verwandte und der Muntling in Mars' Händen.

    Witjon hatte sich den heutigen Tag komplett frei genommen, denn er hatte eine Erledigung zu machen, bei der es um Leben und Tod ging, und zwar nicht nur sprichwörtlich. Während die Legionen, in denen ein Teil seiner Sippe und einer seiner Muntlinge in den Krieg gen Italia gezogen waren, bereits ihr eigenes Opfer dargebracht hatten, hatte Witjon heute selbiges in einem etwas kleineren, aber ebenso feinen Maßstab vor.


    Gute Vorbereitung war das halbe Opfer, so hieß es, und deshalb hatte Witjon sich im Vorfeld einige Gedanken gemacht. Zunächst einmal war es für ihn ungewöhnlich, dass er außerhalb öffentlicher Angelegenheiten heute überhaupt einen römischen Tempel betrat, um ein Opfer darzubringen. Aber er hatte sich überlegt, dass ein Gott, der römische Legionen im Kampf gegen andere Römer beschützen sollte, wohl am liebsten auch unter dem Dachgebälk eines römischen Tempels und nach römischem Opferritus umworben werden wollte.


    Des Weiteren hatte sich der Sippenführer der Abkömmlinge Wolfriks natürlich Gedanken über die Opfergaben und das Drumherum des Opfers gemacht. Er hatte den Aedituus gefragt und auf dessen Rat hin ein halbes Vermögen für einen Ochsen ausgegeben, der tatsächlich strahlend rotes Fell hatte - Witjon hatte ihn zuvor selbst begutachtet und mit ausgewählt - und dessen Hörner er vom hauseigenen duccischen Goldschmied Brix hatte vergolden lassen. Das Opfertier, das sich unter Einfluss beruhigender Kräuter vom Opferhelfer relativ willig zum Altar führen ließ, war zudem mit prächtigen Blumenkränzen geschmückt und trug eine scharlachrote Wollbinde um die Stirn, wie es ihm der Aedituus empfohlen hatte. Danaben sorgten jeweils ein halbes Dutzend tibicines und fidicines für eine festliche musikalische Untermalung des Geschehens.


    Witjon trug die weißeste Toga, die er hatte auftreiben können, selbstredend ergänzt durch die Zeichen seines Ritterstandes. Er hatte sich aus der Curia sogar einen Sklaven geliehen, der dem Gewand einen besonders professionellen Faltenwurf gegeben hatte. Jetzt führte er die Opferprozession auf die Stufen des Marstempels zu, der mächtig vor ihm aufragte. Das Opfertier machte am Altar auf der zweiten Ebene der Stufen halt, während Witjon - gefolgt von den Musikanten, Weihrauchträgern und den restlichen Opferdienern, die allesamt junge und zumeist gut aussehende Männer waren - dem Eingang des Tempels auf der höchsten Ebene zustrebte. Dort unterzog er sich bereitwillig dem Reinigungsritual. Dann betrat die Prozession den Tempel.


    Im Inneren fuhr Witjon zunächst ein Schauer der Ehrfurcht über den Rücken. Schnell zog er sich die Toga über den Kopf und zeigte so seine Funktion als Opferherr. Vor ihm ragte nun der gewaltige bärtige Mars auf, die Lanze in kriegerischer Pose gen Himmel gereckt. Prompt fühlte Witjon sich von den vielen Abbilden der Feldherren beobachtet, die von den Seitenwänden her jeden Opferherren im Blick hatten.
    Bevor der nicht mehr ganz so junge Duccius sich jedoch dem Kriegsgott höchstpersönlich zuwandte, betrat er vorerst den Nebenraum, in dem nun Bellona ihren starren Blick auf ihn richtete. Dort ließ er neuen Weihrauch auflegen und breitete sodann seine Arme zur Anrufung aus.


    "Bellona, du mächtige Herrin des Kampfes! Die Grausamkeit der Schlacht ist deine Wonne und der Kampfeslärm ist dein Loblied. Du füllst die Flüsse mit dem Blut deiner Feinde und mähst jeden Feind mit vernichtender Wucht nieder. Bellona, Tochter des Mars, wenn dein Streitwagen voranprescht, kann kein Krieger wiederstehen. Der Lobpreis der Soldaten ist dein, auf alle Zeit und in allen Völkern!"


    Jetzt trat einer der Opferdiener vor und platzierte eine flache Schale voller Honigkekse vor dem Bildnis der Göttin.


    "Bellona, dich ruft Numerius Duccius Marsus! Dieses Gebäck möge dich gütig stimmen und deine Ohren öffnen für meine Bitte."


    Als nächstes legte ein anderer Diener eine Schale mit Herbstobst und einer saftig gebratenen, gefüllten Taube auf den Opfertisch.


    "Dir weihe ich diesen Schmaus und möchte dich ersuchen: Unterstütze mich in meinem Anliegen an Mars, damit er meine Bitte erhört und Wohlwollen zeigt für die Männer, denen meine Sorge gilt!
    Gewährst du mir diese Bitte, oh starke Göttin, so will ich dir einen stolzen Ziegenbock darbringen. Do ut des!"


    Und damit beendete er seine Anrufung und drehte sich nach rechts um.


    Jetzt betrat die Opfergruppe wieder den Hauptraum des Tempels und Witjon postierte sich vor der beeindruckenden Statue des Kriegsgottes. War er beim Opfer an Bellona bereits aufgeregt gewesen, so waren seine Hände nun kalt und schweißnass und ein ungutes Gefühl der Nervosität machte sich in seinem Magen breit. Einer seiner Opferdiener legte eine großzügige handvoll Weihrauch auf, der sogleich knisternd zu schmoren begann und dessen wohlig duftender Rauch gen Dachgebälk emporstieg. Erneut hob er die Hände, schluckte einen dicken Kloß im Hals herunter und begann sein Gebet.


    "Oh starker Gott des Krieges, höre welche Bitte dein unzulänglicher Diener an dich heranträgt!
    Du Schutzherr der Soldaten, den die Römer im Jubel Mars nennen.
    Mamars, Lenker der Legionen und Führer der Feldherren.
    Marspiter, Gott des tödlichen Stahls und des schützenden Schildes.
    Herr des Kampfes, den die Griechen ehrfürchtig Ares rufen.
    Oh du Feindbezwinger, von Germanen huldvoll Teiwaz genannt."


    Witjon musste nochmal kräftig schlucken. Beinahe hätte er sich versprochen. Jetzt brauchte er ein paar Sekunden um sich an die Worte zu erinnern, die er sich im Folgenden zurechtgelegt hatte. Einer der Opferhelfer nahm die kurze Pause bereits zum Zeichen, die erste Opferschale darzubringen. Fast hätte Witjon interveniert, bevor er sich entschied einfach im Text weiterzumachen. Die Schale sollte ja genau dort hin.


    "Dich preisen die Krieger aller Völker und loben dich im festlichen Kampfesjubel. Jede Schlacht wäre vergebens ohne deinen Segen und kein Schwert und keine Speerspitze träfe ohne deine lenkende Hand. Darum richte ich meine bescheidene Bitte an dich, oh ruhmreicher Bestimmer des Schlachtenglücks, in der Hoffnung auf Gehör. Dir sei dieser Kuchen zuteil, geweiht in Ehrfurcht und Verehrung!"


    Als nächstes folgten zwei Schalen mit versüßtem Obst und würzig geräuchertem Fisch.


    "Mögen diese Gaben dich wohlwollend stimmen."


    Und schließlich ließ Witjon noch eine Bronzestatuette von Mars höchstselbst auf dem Opfertisch aufstellen, die ebenfalls aus duccischer Schmiedearbeit stammte.


    "Zum Zeichen meiner Verehrung diene auch dieses Abbild deiner göttlichen Gestalt. Ich bitte um deine bescheidene Hilfe in meinem Anliegen und verspreche dir meine Dankbarkeit dafür in Form eines prächtigen Rinderpaares!"


    Erleichtert darüber, dass er sein Gebet auf die Kette bekommen hatte, drehte Witjon sich auch hier nach rechts und trat durch die Weihrauchschwaden hinaus ins Freie, wo er erstmal einen tiefen Zug Sauerstoff einatmete.

    "Decuriones, ich darf also verkünden: Der Entwurf einer Lex Municipalis ist angenommen worden!"
    In einem kräftigen Applaus entlud sich die Erleichterung der Decuriones über das ersehnte Ende dieser Debatte.


    "Ich werde ihn ordentlich ausformulieren lassen. Wer möchte, kann sich selbstverständlich eine Abschrift in der Curia anfertigen lassen, um - wie von Domitius bereits angekündigt - krumme Formulierungen auszubügeln."


    Er lächelte in die Runde, als er dann endlich sagen konnte: "Hiermit schließe ich diese Sitzung. Valete!"





    DECURIO - MOGONTIACUM