Beiträge von Tiberius Germanicus Probus

    Wie Lupus näher an mich ranrückte, dachte ich, er würde mir jetzt seine Meinung zu meinen Worten erzählen. Doch zu meinem Erstaunen wies er mich zurecht. Schnell sah ich mich um. Doch keiner der beiden Optiones waren in unserer Nähe. Natürlich würde ich solche Dinge nicht im Beisein eines Offizieres erzählen. Für wie dumm hielt er mich? Aber ich hatte nicht darauf geachtet, so dass er mit seinen Worten wiederum recht hatte. Ich atmete erleichtert auf, denn auf einen Tracht Prügel konnte ich wirklich verzichten.


    Seinen nächsten Sätze machten sich skeptisch. Ich zwar nur ein kleines Rädchen in der Legio. Aber trotzdem konnte ich doch meine eigene Meinung haben, ob sie mir nun zustehen würde oder nicht. Es war eben nur so ein Gefühl, für das ich nach einer rationalen Erklärung suchte. Und natürlich war es mein Wunsch, eines Tages Offizier zu sein. Aber das nützte mir hier und jetzt relativ wenig. Ich wiegte meinen Kopf hin und her. Ich hielt den Optio nicht für unfähig. Denn bisher war alles gut gegangen. Ich machte mir nur einige Sorgen über das in naher Zukunft Anstehende. Aber vielleicht hatte der Optio schon vorgesorgt und meine Bedenken waren übertrieben. „Ich verstehe, Lupus. Treu nach dem Motto: Du darfst alles denken, aber nicht alles sagen. Dann denke ich mir eben meinen Teil.“


    Als Lupus andeutete, dass mich einer meiner Kameraden bei den Offizieren verpfeifen könnte, sah ich ihn erstaunt an, um dann nachdenklich die Soldaten in unserer Runde anzuschauen. Wer würde denn so blöd sein? Das so etwas jemand aus unserem Contubernium machen könnte, konnte ich mir nicht vorstellen. Sollte das rauskommen, hätte er nichts mehr zu lachen. Es sei denn, man steckte ihn in eine andere Stubengemeinschaft. Nein, aus unserem Contubernium würde mich niemand verraten. Wir waren auf unsere Kameradschaft angewiesen, um zusammen zu leben und zu überleben. Wenn das passieren sollte, verriet derjenige nicht nur mich, sondern auch alle anderen. Bei den anderen Soldaten war ich mir schon unsicherer. Doch würde es einer wagen, zu den Offizieren zu laufen, würde er die mögliche Tracht Prügel dreifach zurückbekommen. „Aus unserem Contubernium wird schon keiner zum Optio rennen. Bei den anderen weiß ich es nicht. Aber danke für die Warnung.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Du hast wahrscheinlich recht. Also werde ich jetzt meine Schale leer essen und meine vorlaute Klappe halten!“, sagte ich mürrisch und schaufelte mir den restlichen Eintopf in den Mund.

    Die Frau schien von einem Augenblick zum anderen zu ändern. Sie hatte sich in so etwas wie eine Wildkatze verwandelt und sagte irgendetwas auf germanisch. Ihrem Tonfall nach war es bestimmt nichts erfreuliches. Erstaunt hörte ich, wie der Optio ihr auf germanisch zu antworten schien. Denn ich wusste nicht, dass er das konnte. Sie redeten miteinander, bis die Germanin ihm auf einem Mal ins Gesicht spuckte. Ist die lebensmüde, fragte ich mich. Und sie bekam prompt die Antwort mitten in ihr Gesicht.


    Alles klar, dachte ich, als ich den Befehl des Optio hörte. Jetzt kommt der lustige Teil, der bestimmt nicht sehr komisch werden wird. Ich folgte Lupus Beispiel und übergab mein Scutum und mein Gladius an einen Kameraden. Vorsichtig näherte ich mich der Frau mit ernster Miene. Lupus war mal wieder schneller als ich und hatte sie überwältigt, noch ehe ich ihm dabei helfen konnte. Bei den beiden angekommen sagte ich zu Lupus. "Warte, ich helfe dir! Gib einen ihrer Arme. Schließlich will der Optio nachschauen, was das für ein Brandmal sein soll." Die Frau mochte zwar tapfer sein, so wie sie sich wehrte. Aber sie war auch dumm. Glaubte sie wirklich, sie würde gegen die Gruppe der Legionarii eine Chance haben?

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    Original von Marcus Terentius Lupus


    Ich wusste nicht, was genau passiert war. Aber es war definitiv etwas passiert, denn ich spürte kleine Schmerzen an Knie, Unterarm, Nacken und Achsel. Eben hatte ich noch nach Lupus mit meinem Gladius gestochen, da war er auch schon bei mir gewesen und schon wieder weg. Und doch war er scheinbar überall gewesen. Ich starrte ihn an, denn ich konnte es immer noch nicht fassen. Greif du jetzt mal an, wiederholte ich seine Worte in meinem Kopf. Womit bitte schön? Seine Worte klangen fast wie Hohn in meinen Ohren. Wenn ich mein Gladius nach ihm werfen würde, hätte ich größere Chancen ihn zu treffen. Und außerdem, hatte ich eben nicht angegriffen? Ich nickte ihm nur stumm zu und nahm zähneknirschend wieder die Grundkampfstellung ein. Die Ringerstellung hatte sich als unzureichend erwiesen. Diesmal stürmte ich nicht nach vorne, sondern näherte mich Lupus mit kleinen Schritten, jeder Zeit bereit, einem möglichen Angriff auszuweichen. Als ich fast bei ihm war, schnellte ich noch mit erhobenen Gladius nach vorne, um einen Schlag von oben rechts nach unten links zu führen....

    Ich hörte es im Unterholz knacken und krachen. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Und als kurz danach dunkle Gestalten auf sich zukommen sah, schien es mir vor Aufregung aus der Brust springen zu wollen. Eine der Gestalten rannte auf den Centurio zu und sprach dabei lateinisch. Was er genau sagte, konnte ich nicht verstehen, stand ich dafür zu weit hinten. Da schallte gespenstisch laut ein Schrei durch den Wald und ich zuckte instinktiv zusammen, als ich es wieder im Unterholz lärmen hörte. Irgendjemand schien sich unserer Position zu nähern. Unruhig stand ich auf der Stelle und wartete auf die Befehle des Centurios. Irgend etwas musste doch jetzt passieren. Die Fußgeräusche entfernten sich wieder und endlich gab der Vitisträger die Befehle zur Kampfbereitschaft aus. Nun würde es los gehen. Ich fühlte mich ängstlich und kampfeslustig zugleich.

    Ich hörte Lupus aufmerksam zu, während ich mich aus der Lorica pellte. „So meinte ich das nicht“, antwortete ich ihm. Warum wir hier waren, wusste ich mittlerweile auch. Nur das mit den Leibwächtern war mir neu. „Ich wollte dich fragen, was du davon hälst, wie der Optio diese Mission führt. Bisher ist alles gut gegangen. Aber nimm zum Beispiel den heutigen Tag. Erst als es begann, dunkel zu werden, hat er befohlen, das Lager aufzuschlagen. Jeder andere hätte es schon früher befohlen.“ Ich setzte mich auf den Boden und nahm mir die Schale voll Eintopf. „Danke, Lupus.“ Ich kostete kurz. Wie immer schmeckte es köstlich. Ich nickte ihm anerkennend zu.„Deswegen auch meine Frage nach dem Optio. Ich bin mir nicht sicher, ob er mit dieser Mission nicht überfordert ist. Er hat doch am Anfang erzählt, dass unser Feind über viel Geld verfügt und somit sich viele Kämpfer leisten kann. Und nun sieh dir unser Trüppchen an! Was können wir paar Legionäre schon gegen eine Schar von Gegner ausrichten. Verstehe mich nicht falsch. Ich will ihm nichts schlechtes nachreden. Ich mache mir nur einige Gedanken.“

    Die Frau erschien mir wirklich sonderbar. Ich konnte es nicht genau beschreiben. Aber irgendwie schien sie mir nicht bei klarem Verstand zu sein. Als Lupus mir ein Zeichen gab, verstand ich. Wir sollten die Frau einkreisen, während sie zu einem Wagen ging. Aber sie stieg nicht ein, so dass sie von den anderen beiden Kameraden geschnappt werden konnte. Bei Lupus Erwähnung der Krankheiten machte ich unbewusst einen Schritt nach hinten. Also die Frau würde ich bestimmt nicht anfassen. Doch als er meinte, dass sie ein Brandmal auf dem Nacken hatte, hob ich erstaunt die Augenbrauen. Denn ich hatte keines gesehen. Aber Lupus hatte auch näher bei ihr gestanden. Jedenfalls bedeutete es, dass sie eine Sklavin war.


    Die Kameraden warfen die Frau auf die Straße, als hätten sie sich die Finger an ihr verbrannt. Plötzlich gab mir Lupus sein Scutum und sein Pilum. Ich sah in etwas verwundert an. War ich jetzt sein Waffenständer geworden oder was? Während ich versuchte, die Sachen halbwegs bei mir zu behalten, damit sie nicht auf den Boden fielen, sah ich kopfschüttelnd auf Lupus, wie er sich der Frau näherte und ihr eine Hand anbot. Hatte er nicht gerade etwas von ansteckenden Krankheiten erzählt, fragte ich mich erstaunt. „Nicht, Lupus.“, rief ich ihm zu. „Du hast doch selbst gesagt, dass sie krank ist. Und wer weiß, welche Krankheit sie hat.“ Ich wollte nicht, dass er sich bei ihr ansteckte und dann jämmerlich an irgendeiner bescheuerten Krankheit krepieren würde.


    Da tauchte der Optio auf einem Mal neben mir auf und befahl mir, kurz die Vorgänge zu schildern. Ich wandte meinen Blick von Lupus ab und sah den Iulier an. Viel bewegen konnte ich mich ja nicht, denn ich hatte noch die Ausrüstung von Lupus festzuhalten. „Jawohl Optio Iulius! Probatus Lupus ist diese Frau dort aufgefallen. Wir sind ihr gefolgt und sie wollte sich scheinbar der Überprüfung entziehen, in dem sie in einen Wagen einsteigen wollte. Die zwei Legionarii dort konnten sie aber festhalten. Die Frau ist scheinbar krank oder verwirrt. Oder beides. Lupus konnte auch noch feststellen, dass sie ein Brandmal im Nacken hat und somit eine Sklavin ist.“

    Ich war durch den Eingang getreten und erkannte Lupus, wie er scheinbar etwas zu essen kochte. Irgendwie war es immer Lupus, der für unser Contubernium kochte, und kurz hatte ich deswegen ein schlechtes Gewissen. Doch dann fiel mir ein, dass ich die ganze Zeit mit der Schanzarbeit beschäftigt gewesen war. „Slave Lupus.“, grüßte ich ihn. „Das riecht ja wiedermal köstlich, was du da zusammengebraut hast.“ Mein Magen knurrte, wie zur Bestätigung meiner Worte. Frisch machen, überlegte ich, während ich Lupus und seinem Eintopf sehnsüchtig hinterher schaute. Hatte ich das nicht schon? Aber er hatte recht. Ein Klamottenwechsel mit einer gründlicheren Wäsche wäre sicherlich nicht verkehrt.


    „Da sage ich nicht nein.“, erwiderte ich auf sein Hilfsangebot. Ich hätte es auch alleine gekonnt. Aber so ging es einfacher und vor allem schneller. Und das bedeutete, dass ich eher etwas von dem Eintopf abbekommen würde. Während mit Lupus beim Ausziehen der Lorica half, fragte ich ihn interessiert nach seiner Meinung. „Sag mal, was hälst du eigentlich von der ganzen Sache hier? Und vor allen Dingen wie schätzt du den befehlshabenden Optio ein?“ Ich hatte mir schon so meine Gedanken dazu gemacht und wollte nun wissen, wie Lupus darüber dachte.

    Die Legionäre hatten das Lager in der Zwischenzeit fertig gebaut. Ein kleiner v-förmiger Graben umgab es vor einem kleinen aufgeschütteten Wall. Auf dem Wall lagen die großen Äste und kleinen Stämme fest verzurrt mit den Pfählen als behelfsmäßige Palisade. Den Eingang, der so schmal war, dass ihn zwei Männer verteidigen konnten, schützte ein kleiner Wall in einigen Schritt Entfernung.


    Ich war froh, diese Sauarbeit endlich beenden zu können. Völlig verdreckt und verschwitzt ging ich zusammen mit anderen Soldaten zu einem kleinen Bach, der in der Nähe des Lagers durch die Landschaft mäanderte. Zwar war es mittlerweile dunkel. Aber das Mondlicht war hell genug, um uns den Weg zu leuchten. Am Bach angekommen, wusch ich mir den Dreck vom Leib, so weit es in der Rüstung ging. Angenehm kalt und frisch spürte ich das Wasser auf meiner Haut und trank ein wenig davon. Herrlich erfrischend rann mir das Wasser die Kehle hinunter. Den anderen schien es ähnlich zu gehen. Denn sie waren schon wieder fast ausgelassen. Wie einfach konnte man doch Legionäre zufriedenstellen, dachte ich grinsend.


    Ich ging zum Lager zurück und war stolz auf unsere Arbeit. Innerhalb kürzester Zeit hatten wir es geschafft, es fertig zu stellen. Das Feuer, welches von irgendjemand in der Zwischenzeit in der Mitte des Lagers entfacht worden war, wirkte auf mich beruhigend. Ich ging in das Lager und zum Zelt meines Contuberniums.

    Womit hatten wir nur diesen öden Wachdienst verdient? Aber den verdiente man sich nicht, den bekam man einfach zugeteilt. Und irgendwann griff jeder mal in die Latrine. Zwar war es gerade ziemlich stressig am Tor. Denn zu dieser Tageszeit strömten viele Menschen aus oder in die Stadt. Aber sonst gab es nichts bis fast nichts zu tun. Wenn man Glück hatte, wie ich, stand man an der Außenseite des Tores und konnte ein bisschen die Landschaft genießen. Aber im Grunde würde ich lieber dreimal irgendwelche anstrengenden Übungen auf dem Campus machen, als mir hier die Beine in den Bauch zu stehen.


    Ich war gerade mit der Überprüfung eines Händlers fertig, der die Stadt verlassen wollte. Alles schien seine Ordnung gehabt zu haben. Zufrieden ging ich zu meinem Platz zurück und blickte eigentlich nur aus Routine zu Lupus rüber, als ich seinen Wink mit dem Kopf sah. Ich nickte ihm nur zu und folgte ihm. Er würde schon wissen, warum er irgendeiner Person hinterher laufen musste. Zu meinem Erstaunen näherten wir uns einer Frau. Lupus, du alter Schwerenöter, dachte ich grinsend. Manchmal konnte der Wachdienst doch seine Vorteile haben. Man musste nur wissen, wie man es anstellen musste.


    Als wir ihr näher kamen, ahnte ich langsam, warum Lupus sie anhalten wollte. Die Frau schien am ganzen Körper zu zittern und fuhr sich mit einer Hand seltsam fahrig durch ihr Haar. Mein Grinsen verschwand vom Gesicht und machte einer ernsten Miene Platz. Während Lupus die Frau ansprach, nahm ich seitlich auf ihrer linken Seite meine Position ein. Wenn sie sich umdrehen würde, hatte ich ihre rechte Seite vor mir und könnte Lupus somit Deckung vor überraschenden Angriffen geben.

    Jetzt machte auch noch der Centurio mit. Und der Steinhagel nahm etwas an Intensität zu. Aber er blieb im Vergleich zu dem Beschuss der Testudo in ertragbaren Rahmen, auch wenn die Steine nicht weniger laut gegen die Scuta krachten. Als ich vorsichtig durch einen Spalt zwischen den Schilden lukte, konnte ich sehen, mit welchem Spaß die beiden uns mit den Steinen bewarfen. Doch irgendwann war die Kiste leer oder sie hatten keine Lust mehr. Jedenfalls hörte das Donnern auf und gespenstische Stille kehrte dafür ein, um gleich darauf vom lauten Befehl des Centurios durchschnitten zu werden.


    Die Probati versuchten, der Anweisung des Artoriers so schnell wie möglich nachzukommen. Alllerdings war das nicht so einfach. Denn sie hatten sich alle dicht an den Schildwall gedrängt, um nicht von irgendeinem Stein getroffen zu werden. So musste ich warten, bis die Kameraden hinter mir sich bequemt hatten, ihren Platz zu verlassen. Erst dann konnte ich aufstehen. Hätte ich es vorher getan, wäre ich wohl mit einigen zusammengestoßen. Doch nach einiger Zeit standen alle Probati wieder ordentlich in Reih und Glied. Die nächste Formation sollte eine so genannte Keilformation sein. Als ich die Beschreibung des Centurios hörte, war ich froh, dass diese nur selten vorkam. Denn insbesondere der erste Mann hatte wohl einen Überlebenschance von gleich Null. Aber es würde auf die Geschwindigkeit und auf die Bewaffnung des Gegners ankommen, wie erfolgreich diese Formation wäre.


    Auf Befehl des Artoriers wuselten die Probati durcheinander, um die Keilformation zu bilden. Da nicht klar war, wer wo in dieser Formation zu stehen hätte, dauerte es eine Weile. Ich stand in der dritten Reihe links außen. Die Einnahme der eigentlichen Position war nicht weiter schwierig. Wie laut der Beschreibung des Centurios brauchte man sich nur in die Lücke stellen, die zwei Kameraden vor einem bildeten. Die außen stehenden Probati, so wie ich, orientierten sich dann an den Kameraden der weiter innen stand und an dem Probati vor einem. Vom Prinzip her war es einfach. Aber nur wenn klar war, wer wo zu stehen hätte, konnte diese Formation schnell gebildet werden. Da dies bei den Probati nicht der Fall war, kam es zu einigem Durcheinander. Man schubste, drängelte und diskutierte. Daher dauerte es etwas, bis eine dafür doch recht ordentliche Keilformation von den Probati gebildet worden war.

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    Original von Marcus Terentius Lupus


    Lupus umkreiste mich noch immer und ich tat es ihm nach. Er machte ständig irgendwelche Scheinangriffe, auf die ich aber nur mit einem leichten Zucken meines Gladius reagierte. Sollte er sich austoben. Aber sie zeigten mir, dass Lupus scheinbar wirklich guter Dinge war und glaubte diesen Kampf gewinnen zu können. Auf Dauer waren diese Finten etwas nervig und ich überlegte gerade, ob ich nicht lieber angreifen sollte, als mir Lupus zuvor kam.


    Er war so schnell, dass ich kaum noch Zeit hatte, seinen Angriff zu parieren. Ich fing seinen Stich mit einem Schlag von unten ab, was sich sogleich als keine gute Idee herausstellte, denn Lupus drückte mein Gladius nach unten weg. Ich machte einen Schritt zur Seite um mich aus der Linie zu bringen, als Lupus sich wie ein Derwisch um seine eigene Achse drehte. Ob er mich getroffen hätte, wusste ich nicht. Denn ich spürte keinen Treffer. Aber ich war mir sicher, dass ich seinen Angriff kaum hätte abblocken können. Auch wenn seine Drehung ihm viel Zeit gekostet hatte und ich mich, für ihn schwer zu treffen, einen Schritt von ihm seitlich stand, hätte ich mein Gladius von unten schräg nach oben zur anderen Seite führen müssen.


    Und schon war Lupus wieder einige Schritte von mir entfernt und schien auf einen Angriff meinerseits zu warten. Mir war klar, dass ich ihm hoffnungslos unterlegen war. Diese Schnelligkeit und diese Geschmeidigkeit, mit der er seinen Angriff ausgeführt hatte, ließen auf ein langes Training und umfangreiche Fechtkenntnisse schließen. Was hatte ich dem entgegenzusetzen. Nur Mut und Herz. Also griff ich an. Ohne irgendwelche Finten oder Schnörkel. Ich machte einen kleinen Schritt nach vorne auf ihn zu, um dann mit einem Ausfallschritt einen geraden Stich nach seiner Brust zu führen und mich glleich darauf wieder in die Grundstellung zu begeben.

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    Original von Marcus Terentius Lupus


    Als ich hörte, wie sich der Tribun für einen Kampf ohne Schild entschied, stöhnte ich innerlich auf. Na dann gute Nacht. Natürlich war ich kein völliger Anfänger im Fechten. Aber ich wusste genauso gut, dass ich noch mehr als genug in dieser Kunst zu lernen hatte. Vielleicht sollte ich das so sehen, sagte ich mir. Diese ganze Sache war eine Lehrstunde für mich. Und mal sehen, wie weit ich mithalten konnte.


    Mein Gegner wäre also Lupus. Da stiegen doch meine Möglichkeiten gleich wieder. Denn das war für mich das leichteste Los gewesen. Allerdings würde es doppelt so schmerzhaft sein, wenn ich gegen Lupus verlieren sollte. Bei den anderen beiden hätte ich mich immer noch mit ihren überragenden Fechtkünsten herausreden können. Also dann. Ich drehte mich zu Lupus und nickte ihm kurz zu. Was der da veranstaltete, kannte ich nicht. Aber es sah beeindruckend aus, so wir er mich grüßte. Dann ging ich in die Grundstellung.


    Ich wusste, dass ich mich schneller als sonst bewegen musste, da mir der Schutz des Scutums fehlte. Außerdem musste ich das Schwert wesentlich agiler nutzen. Es müsste die Arbeit des Schildes mit leisten. Und es würde neben den Stichen auch zu Schlägen kommen. Aber vielmehr konnte ich mir auf die Schnelle nicht zusammen reimen. Als ich sah, wie Lupus begann, mich zu umkreisen, nahm ich eher die Grundstellung im Ringen als im Fechten ein. Dadurch konnte ich mein Gewicht gleichmäßig auf beide Beine verteilen. Ich tat es Lupus nach und fing an, ihn meinerseits zu umkreisen. Ich beschloss, mich erstmal defensiv zu verhalten. Mit kalter Entschlossenheit beobachtete ich Lupus. Meine Lippen waren nur noch zwei dünne Linien in meinem Gesicht. Dann sollte er mal kommen.

    Es war dunkel im Wald. Dunkler, als ich es erwartet hatte.Trotz der Fackeln. Die Geräusche der Nacht waren mir fremd. So reagierte ich auf jedes Rascheln, was ich hörte, mit Alarmbereitschaft. Der Wald schien sein eigenes Leben zu haben. Entfernt konnte ich Wölfe heulen hören. Der kalte Wind durchfuhr die Wipfel der Bäume, die sich in ihm wiegten und ab und zu knarzten. Einige Vögel, die unser Kommen in ihrer Nachtruhe gestört hatte, flogen laut meckernd davon. Doch am lautesten waren wir selbst. Die gesamte Marschkolonne schien mir in der eigentlichen Stille der Nacht unangenehm laut. Obwohl sich die Legionäre Mühe gaben, sich so leise wie möglich zu bewegen, konnten sie nicht verhindern, dass die Waffen oder die Rüstungen klirrten. Häufiger knackte ein Ast unter dem Fuß eines Legionärs mit ohrenbetäubenden Lärm, dass ich manchmal vor Anspannung zusammenzuckte. Ich war mir nicht mehr so sicher, ob uns der Feind zuerst am Fackelschein finden würde. Zu laut erschien mir der Lärm, den wir verursachten. Das einzig gute daran war, dass meine Sorgen hinsichtlich der Geräusche meine Angst verdrängt hatten. So stampften und stolperten wir durch den Wald.

    Dann ging es endlich los. Der Centurio gab den Befehl zum Abmarsch. Doch je näher die Marschkolonne dem Wald kam, desto mehr kam in mir wieder die Angst vor dem Kampf hoch. Ich hatte mich eben noch bei dem lauten Jubel als fast unbesiegbar empfunden. Doch nun, da die Angst in mir hochkroch, riet mir ein kleiner Teil von mir, die Beine in die Hand zu nehmen und wegzurennen. Doch ich blieb. Denn meine Kameraden verließen sich auf mich. So, wie ich mich auf sie verlassen konnte. Und wenn ich schon sterben sollte, wollte ich mit Ehre sterben. Ich wollte nicht den Namen meiner Gens durch eine Flucht beschmutzen. Außerdem hätte ich mit dieser Schande nicht mehr weiter leben wollen.


    So blieb ich in den Reihen bei meinen Kameraden, obwohl mir das Herz immer schneller klopfte, je näher wir dem Wald kamen. Meine Hände waren noch kälter, als sie es ohnehin schon gewesen waren. Dunkel und bedrohlich ragte der Wald vor uns auf. Eine schwarze Wand, ein mystisches Ungeheuer, in dessen Bauch wir marschierten.

    Ich dachte, dass nun endlich los gehen würde. Bevor mich mein Mut verlassen würde. Doch da hörte ich, wie unser Centurio mit einer Rede anfing. Erstaunt hörte ich, was er sagte und die Wut stieg in mir hoch. Sie verdrängte meine Angst für den Moment, so dass ich sie schon fast als angenehm empfand. Frauen geschändet? Kinder verschleppt? Dann verdienten sie wirklich den Tod. Diese Schweine, dachte ich. Hätte der Centurio in diesem Augenblick den Befehl zum Kampf gegeben, nichts hätte mich aufhalten können. Doch die nächsten Worte des Centurios dämpften meine Kampfeslust wieder etwas, als er auf die möglichen Gefahren im Wald hinwies. Mussten die sich ausgerechnet im Wald verstecken? Konnten diese Banditen uns nicht wie richtige Männer im offenen Feld entgegentreten? Mein Jubel hielt sich in Grenzen. Doch dann riss mich die allgemeine Stimmung mit. Ich viel laut schreiend in die Beifallsbekundungen ein. Allein um mir selber wieder Mut zu zu schreien. Ich reckte mein Pilum in die Luft und schlug mit es danach auf den metallenen Buckel meines Schildes, dass es nur so krachte. Nun wusste der Gegner, dass wir zu ihm kommen würden. Und er wusste auch, dass wir zu allem entschlossen waren.

    Ich hörte den Optio brüllen. Scheinbar war er mit unserer Leistung doch nicht so zufrieden, wie ich es gehofft hatte. Und natürlich hätten wir schneller die Formation aufbauen können. Wir alle wussten, dass Schnelligkeit im Gefecht eine wichtige Sache war. Aber für das erste Mal? Waren die Probati wirklich so schlecht gewesen?


    Zu meinem Erstaunen hatte der Optio auch eine Überraschung für uns vorbereitet. Dann hörte ich einen Aufprall auf ein Scutum. Die Intensität des Beschusses hielt sich im Vergleich zu vorher in einem fast angenehmen Rahmen. Aber nur für mich und die Kameraden in den ersten Reihen. Die hinteren Probati liefen Gefahr von den einzelnen Geschossen getroffen zu werden. Deswegen drängten sie sich weiter nach vorne, wodurch das Gedränge noch größer wurde.


    Ich hatte das Gefühl von Enge. Überall spürte ich andere Körper neben mir. Es schien fast, als wäre ich in einem Wald aus lauter Beinen gelandet. Dadurch das die hinteren Probati sich noch weiter nach vorne schoben, bekam die Formation die nötige Festigkeit, um vielleicht auch einem direkten Kavallerieangriff standhalten zu können. Jedenfalls dauerte der Beschuss an. Einmal hörte ich ein lautes metallisches Doing und einen kleinen Schreckensschrei. Scheinbar hatte ein Probati einen Stein auf seinen Helm bekommen. Aber die Formation hielt.

    Was immer du sagst, Lupus, dachte ich immer noch verärgert, während ich mich dehnte. Ich schaute in dabei aus leicht funkelnden Augen an. Aber ich wusste, dass ich diesen Ärger so schnell wie möglich wieder los werden musste. Denn er würde mich zu Fehlern im Kampf verleiten. Das war eine der ersten Lektionen, die ich im Schwertkampf gelernt hatte. Aber ich machte mir immer noch Sorgen, dass wir ohne Schilder kämpfen würden. Ich hatte nur die Stiche mit dem Gladius gelernt. Aber nicht die Abwehr mit dem selbigen. Dafür gab es ja den Schild.


    Wie ich Lupus bei meinen Dehnübungen so beobachtete, machte er auf mich einen ziemlich optimistischen Eindruck. Wahrscheinlich hatte er sowas schon mal geübt, dachte ich. Warum sollte er sonst auch solch einem Kampf zustimmen. Ich beendete meine Übungen und streckte mich wieder.


    "Honor ruborque, Lupus." sagte ich zu ihm. Soviel Fairness musste trotz allem noch sein. Nun stand ich da und wartete auf die Entscheidung der anderen beiden, wer nun gegen wen kämpfen sollte. Ich hoffte nur, dass sie nicht beide gegen Lupus und mich fechten wollten. Dies wäre nicht besonders nett. Mittlerweile war ich auf Lupus nicht mehr wütend, sondern viel mehr aufgeregt.

    Na holla, dachte ich, als ich die Stimme des Optio hörte. Wenn man nach dem Stimmvolumen befördert werden würde, wäre er sicherlich der nächste Centurio. Denn seine Stimme stand der des Artoriers langsam kaum noch nach. Aufmerksam hörte ich seinen Anweisungen zu. Meine Ohren dankten es ihm sofort, dass er wieder etwas leiser sprach. Das, was er erzählte, hörte sich im Grunde nicht allzu kompliziert an. Aber schon mehr als einmal hatte ich mich darin getäuscht. Zuletzt gerade eben bei der Testudo. Doch wenn wir die geschafft hatten, dann würde das jetzt auch klappen. Zumal der Optio uns die ganze Sache ziemlich gut erklärte.


    Auf Befehl des Iuliers begannen die Probati diesen Schildwall aufzubauen. Ich hatte mir zur Abwechselung mal einen Platz in der ersten Reihe ausgesuchte. So kniete ich mich wie beschrieben hin. Die Probati neben mir taten es mir nach und wir schlossen soweit wie möglich die Schildmauer. Nur unsere Pila steckten wir mit ihren Eisenschäften durch den schmalen Spalt. Danach kam die zweite Reihe dran. Sie stellte ihr Schilder auf die der ersten Reihe und hielt sie leicht schräg. Auch sie bildeten mit ihren Pila einen Abwehrstachel. Die restlichen Reihen schoben sich enger zusammen und drängten sich von hinten gegen die Probati der ersten beiden Reihen, um ihnen zusätzlichen Halt zu geben. Ich wusste nicht, ob diese Formation einem Reiterangriff standhalten würde. Aber ihre kleinen Wurfspeere würden auf diese Weise sicher wirkungsvoll abgewehrt werden. Ich fühlte mich in der Formation einigermaßen sicher. Nur das Gedränge war mit der Zeit etwas lästig. Und hoffentlich hatte sich auch nicht noch der Optio einen nette Überraschung ausgedacht.

    Nun sollte es wirklich los gehen. Ich hörte, wie der Centurio ruhig mit seiner kräftigen Stimme die letzten Befehle ausgab. Seine scheinbare Ruhe färbte etwas auf mich ab. Auch wenn ich es keine tolle Idee fand, in der Nacht durch einen unbekannten Wald zu stolpern. Als hätte der Centurio meine Gedanken erraten, verlangte er nach Fackeln. Ich dachte, ich höre nicht richtig. Was sollten zwei Fackeln pro Contubernium bitte bringen?


    Ihr Licht würde die Männer mehr blenden als ihnen den Weg leuchten. Der Schnee würde bestimmt genügend Mondlicht reflektieren. Ich beschloss, mir keine dieser Fackeln zu nehmen. Sollten andere so dumm sein. Aber ich spielte bestimmt kein Glühwürmchen in einer Winternacht. Natürlich würden wir uns nicht lautlos durch den Wald bewegen können. Aber nun brauchte der Gegner uns auch garnicht mehr hören. Denn bevor er dies tun könnte, hätte er uns durch den Fackelschein schon längst entdeckt. Außerdem gab das eine wunderbare Zielscheibe für Bogenschützen ab. Nee, nee. Nicht mit mir.


    So blieb ich in der Formation stehen und zwei andere Unglücksraben hatten die zweifelhafte Ehre zu Fackelträger befördert zu werden. Zum Glück schien Drusus ähnliche Gedanken wie ich zu haben. Denn auch er blieb wohlweißlich in der Kolonne.

    Die Worte von Drusus beruhigten mich wieder etwas. In der Tat sollten unsere Offiziere wissen, was die taten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie uns in den Kampf schicken würden, wenn sie sich nicht sicher wären, dass er auch für uns zu gewinnen wäre. Doch Drusus schien zum Teil die Bedenken der Veteranen zu teilen. Hatte Varus nicht gewusst, was auf ihn zukommen würde? Oder war er auch davon ausgegangen, dass der Kampf zu seinen Gunsten ausraääen würde? „Mhm.“, antwortete ich Drusus. „ Ich hoffe, dass du recht hast, was die Offiziere betrifft. Und sie haben ja auch Späher ausgeschickt, so dass es den Banditen schwer fallen dürfte, uns zu überraschen.“ Durch diese Worte versuchte ich, mir Mut zu zureden. Ich blieb schweigend neben Drusus stehen und hing meinen Gedanken nach.


    Einige Zeit später war es soweit. Auf Befehl des Centurio trat ich mit den Kameraden an. Wie angewiesen legte ich mein Marschgepäck auf den Boden. Darum würden sich die zurückgelassenen Kameraden kümmern. Danach nahm ich mein Scutum vom Rücken und pellte es aus seiner Schutzhülle. Die Lederriemen, mit denen ich den Schild um die Schultern befestigt hatte, band ich mir um den rechten Unterarm. Diesen Trick hatte ich mir bei einigen Veteranen abgeschaut. Sie würden mich zwar nicht vor einem kräftigen Schwerthieb schützen. Aber sie verhinderten wenigsten die Abschürfungen und Prellungen weitestgehenst. Die Hülle verstaute ich im Marschgebäck. Dabei nahm ich meine Feldflasche und trank noch einige Schlucke. Wer weiß, wann ich das nächste Mal dazu kommen werde, dachte ich.


    Dann stand ich neben meinen Kameraden in der Marschformation und wartet auf weitere Befehle. Mein Magen fühlte sich dabei ganz flau an. Ich ärgerte mich über meine Angst. Wie sollte das erst im Kampf werden, fragte ich mich besorgt. Und mein Gesicht hatte bestimmt auch schon mal eine gesündere Gesichtsfarbe gehabt