Beiträge von Tiberius Germanicus Probus

    Ich nickte bei seinen Worten. Ja, er hatte mal wieder recht. Noch viele Kameraden würde ich in meiner Dienstzeit verlieren. Sei es, weil sie irgendwoanders hingingen. Oder ich. Oder sei es, weil sie in irgendwelchen namenlosen Kämpfen stürben. Und ich würde und müsste mich daran gewöhnen. Aber dieses Gewöhnen fiel mir unendlich schwer. Die Kameraden waren mit der Zeit eine Art Familie für mich geworden. Und immer, wenn jemand von ihnen ging oder gehen würde, verlor ich eine Familienmitglied, einen Waffenbruder.


    „Vale, Lupus. Werde ich. Und dir viel Glück!“, verabschiedete ich mich von Lupus. Schweigend sah ich ihm hinterher, während er das Cubiculum verließ. Nachdem er weg war, ging ich zu meiner Pritsche, holte mein Gladius hervor und begann es zu schärfen, um mich auf andere Gedanken zu bringen.

    Ich rannte den Banditen zusammen mit den anderen hinterher. Am Anfang holten wir sogar einige ein. Ohne viel Federlesen wurden sie von uns gnadenlos niedergemacht. Sie sollten büßen. Für alles was sie uns und den Bewohnern dieser Gegend angetan hatten. Doch es dauerte nicht lange und wir konnten ihnen nicht mehr folgen. Einerseits kannten sie das Gelände und wussten sich im Wald geschickt zu bewegen. Andererseits waren sie leichter als wir gerüstet, so dass sie auf Dauer schneller als wir rennen konnten. Als wir merkten, dass wir keinen mehr von ihnen erwischen würden, gingen wir zu den unseren zurück. Schweigend, denn den meisten von uns fehlte einfach die Luft zum Reden. Mir brannten jedenfalls die Lungen. So kamen wir nach einiger Zeit zu unseren Reihen zurück.


    Hatte vor kurzem an dieser Stelle ein erbarmungsloser Kampf geherrscht, der mit einem ohrenbetäubenden Lärm hin und her gewogt hatte, so herrschte jetzt fast gespenstische Stille. Nur das Stöhnen und das Ächzen der Verwundeten erinnerte daran. Und die Toten. In der zunehmenden Dunkelheit sahen die toten Banditen von weitem fast wie große Maulwurfshügel aus. Unter ihnen gab es scheinbar keine Überlebenden. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nichts über den Befehl von Crispus, die schwer verwundeten Banditen zu töten. Und scheinbar waren einige Legionäre bei der Auslegung dieser Anweisung sehr großzügig gewesen. Wieviele von uns bei diesem Kampf gestorben waren, wusste ich nicht. Aber jeder war einer zuviel. Scheinbar waren doch nicht wenige von uns verletzt, denn ich sah, wie sie von ihren Kameraden versorgt wurden. Da fiel mir Drusus wieder ein. Ich hatte ihn seit dem Ausbruch der Schlacht nicht mehr gesehen. Hoffentlich war ihm nichts passiert. So machte ich mich auf die Suche nach ihm.


    Unterwegs sah ich die Toten, die teilweise in fast lächerlichen Posen auf den Boden lagen. Gliedmaßen, die abgehackt worden waren. Legionäre, die sich verzweifelt bemühten, ihre verletzten Kameraden am Leben zu erhalten. Mein Hochgefühl wich immer mehr einer inneren Leere. Mit Entsetzen erkannte ich langsam, woran ich beteiligt gewesen war. Und je mehr sich diese Erkenntnis in mein Hirn fraß, desto unfassbarer, unbegreiflicher kam es mir vor. Ich fing an zu zittern und mir wurde schlecht, so dass ich mich übergeben musste. Etwas wankend suchte ich weiter nach Drusus. Doch kurze Zeit später versagten mir die Beine und ich sackte auf den Boden. Mit weit aufgerissenen Augen sah ich um mich und fing an bitterlich zu heulen. Ich warf mein Gladius und mein Scutum von mir. Mit vor das Gesicht geschlagenen Händen weinte ich hemmungslos, wie ein altes Waschweib.

    Scheinbar hatte Lupus meinen Blick bemerkt. Denn er hielt im Packen inne und sah mich an. Ich hörte seinen Worten schweigend zu, während ich die Kiefer aufeinanderpresste, dass mir die Zähne wehtaten. Ich nickte. Wie fast immer hörten sich Lupus Worte weise an. Aber sie trösteten mich nicht im geringsten. Ich spürte einen Kloß im Hals.


    Ich räusperte mich. „Aber das Gehen oder Gehen lassen ist häufig sehr schmerzhaft. ...Ich weiß, dass du nicht aus der Welt bist...Und ich hoffe, dass wir uns ab und zu mal sehen werden...Jedenfalls wünsche ich dir alles Gute bei den Equites...Und wehe, du verrätst ihnen das Rezept deines Gersteneintopfes.“ Bei der letzten Bemerkung lächelte ich etwas. „Und du hättest mir wenigstens sagen können, dass du um deine Versetzung gebeten hast. Dann hätten wir noch eine kleine Abschiedsfeier organisieren können.“

    Zitat

    Original von Tiberius Germanicus Probus
    War ich das gewesen? Hatte ich etwa meinen ersten Gegner getötet? Bevor ich mir die Frage beantworten konnte, sah ich, wie ein weiterer Feind auf mich einstürmte.


    Der Gegner kam von rechts vorne und rannte wild brüllend auf mich zu, wobei er etwas über seinen Kopf schwang. Ich wollte mich gerade mehr zu ihm drehen, um meine Deckung zu verbessern, als ich eine Bewegung aus den Augenwinkeln sah. Instinktiv drehte ich meinen Körper etwas in diese Richtung und wich einen Schritt zurück, um gleichzeitig die Distanz auf den brüllenden Banditen etwas zu vergrößern. Da schlug es donnernd in mein Scutum ein, dass es mich durchschüttelte. Ich hatte scheinbar einen anderen Gegner übersehen. Mein Arm fühlte sich etwas taub an, so stark war der Schwung des Gegners gewesen. Ich zog mich einen weiteren Schritt zurück. Zwei Gegner. Was sollte ich jetzt machen? Doch bevor ich eine Antwort auf diese Frage finden konnte, brüllte der unbekannte Gegner links von mir auf. Ich blickte kurz hin und erkannte einen Legionarius, der den Banditen scheinbar in den Bauch getroffen hatte. Denn diesen hielt sich dieser mit beiden Händen, während er in sich zusammensackte. Mir blieb keine Zeit, mich bei dem unbekannten Legionarius zu bedanken. Denn da war immer noch der andere Feind.


    Ich wandte mich um und sah ihn gerade ausholen. Ich konnte sein Gesicht nicht genau erkennen. Aber das machte nichts, denn es war zu einer einzigen Grimasse verzogen. Ich zog mein Scutum hoch und blockte den Schlag ab. Dann machte ich einen Stich um den rechten Schildrand. Doch mein Gegner wich ihm aus und holte seinerseits zu einem seitlichen Schlag aus. Ich drehte mich in den Schlag, fing in mit angezogenem Scutum ab. Krachend schlug die gegnerische Waffe auf meinen Schild ein. Mein Körpergewicht fing die Energie ab und gleichzeitig drückte ich die Waffe mit dem Scutum seitlich weg. Mit einem schnellen Ausfallschritt seitlich noch vorne war ich nun kurz vor dem Banditen und stieß ihm mein Gladius in die Brust. Mit einem lauten Schrei riss er entsetzt die Augen auf und griff sich an die Stelle, wo ich ihn getroffen hatte. Doch ich achtete schon nicht mehr auf ihn. Denn hinter ihm schien sich der Wald selbst zu bewegen. Da realisierte ich, dass diese Männer von eben nur die ersten einer größeren Gruppe von Banditen waren. Verzweifelt schaute ich mich kurz um. Denn alleine könnte ich nichts ausrichten und wäre tot. Aber zu meinem Glück hatten es die Banditen scheinbar bisher nicht geschafft unsere Reihen aufzubrechen. Das war meine einzige Chance.


    Ich ging die zwei Schritte in die Reihe zurück und wartete auf den Aufprall, der fast sofort erfolgte. Mit einem Lärm, der alles in den Schatten stellte, prallten die Reihen aufeinander. Ich wurde durch den Aufprall leicht nach hinten geschoben. Hinter meinem Scutum Denkung suchend stemmte ich mich dagegen. Da merkte ich, wie mich jemand von hinten in meinem Rücken nach vorne drückte und somit den Druck auf den Gegner verstärkte. Ich kam zum Stillstand und wollte schon erleichtert aufatmen. Aber ich hatte mich zu früh gefreut. Zwar war der erste Angriffsdruck der Banditen gebrochen. Dafür wurde ich jetzt zwischen von hinten gegen sie gequetscht, dass ich mich kaum noch rühren konnte. Eingekeilt zwischen den Reihen suchte ich Deckung hinter meinem Scutum. Alles, was ich nun sah, waren Teile. Ich sah Gesichter, Arme, Augen, Bärte, Waffen, Stoffe, Felle. Und ich stach nach diesen Teilen, ohne zu wissen, ob ich sie getroffen hatte. Den Lärm, der vor kurzem noch so laut, drang nur noch merkwürdig leise an meine Ohren. Dafür hörte ich das Ächzen, Stöhnen und Keuchen meiner Gegner. Manchmal hatte ich das Gefühl, ich könnte ihren Atem spüren.


    Plötzlich, ich wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war, wurde der Druck von vorne geringer. Unsere Reihe kämpfte sich Schritt für Schritt vorwärts. Keuchend, drückend, schiebend. Auf einmal war der Druck weg. Verständlos lukte ich über mein Scutum und sah die Banditen wegrennen. Ich konnte es nicht fassen. Erst die Siegesschreie meiner Kameraden ließen mich langsam die Flucht der Banditen realisieren. Noch benommen vom Kampf fiel ich erst zaghaft und dann immer lauter in die Rufe ein. Ich fühlte mich auf einmal komisch. Es war ein Gefühl, als wäre man neu geboren worden. So unschuldig und so rein. Alles war glasklar und ohne Zweifel. Und ich fühlte mich glücklich. Das alles, obwohl ich vor kurzem noch Männer getötet hatte. Da befahl der Centurio die Verfolgung der Banditen. Ohne zu zögern rannte ich los, obwohl ich von der Schlacht erschöpft war. Ich war kaum ein paar Schritte weit gekommen, da hörte ich den Centurio befehlen, im Contubernium vorzurücken. Ich blieb schwer atmend stehen und sah mich nach meinen Kameraden um. Hoffentlich konnte ich Drusus unter ihnen erblicken. Da waren sie auch schon. Scheinbar hatten sie im Kampf neben oder hinter mir gestanden. Leider konnte ich Drusus nicht unter ihnen ausmachen. Sollten wir auf ihn warten? Aber dann entkamen uns vielleicht die Banditen. Nichts da, für ihren Angriff sollten sie bluten. Also machte ich mich zusammen mit meinen Stubenkameraden auf die Verfolgung der Flüchtenden.

    Als Lupus wieder in das Zelt zurück kam, schaute ich nicht hoch. Zwar war ich nicht mehr wütend auf ihn. Aber er konnte mir mal den Buckel runter rutschen. Also schwieg ich. Da ich mittlerweile meinen Eintopf aufgegessen hatte, beschloss ich, den Napf auszuspülen. Außerdem musste ich mich noch richtig waschen. Die Katzenwäsche von vorhin hatte nur den gröbsten Schmutz entfernt. Daher wollte ich gerade aufstehen und mir meine andere Leinentunika holen, als mich Lupus ansprach.


    Verwundert drehte ich mich um und starrte ihn an. „Wie meinst du das? Gehst du weg oder was?“, fragte ich ihn. Ich bereute sofort meine Wut auf ihn. Denn die Sorge, wieder einen Kameraden zu verlieren, stieg in mir hoch. Erst Valerian. Und jetzt auch noch Lupus?

    Plötzlich quietschte die Tür. Sie war unser kleiner Verbündeter, zeigte sie uns doch so an, dass jemand den Raum betrat. Deswegen setzte ich mich von der Pritsche auf und nahm mein Helm in die eine und einen Lappen in die andere Hand. Falls einer unserer Ausbilder auftauchen sollte, war ich somit gerade dabei, ihn zu putzen. Und tatsächlich. Der Centurio trat in die Stube. Da hatte ich ja noch mal Schwein gehabt. Ich sprang auf und ging in die Habachtstellung. Doch bevor der Stubenälteste Meldung machen konnte, brüllte der Centurio Lupus zu sich. Hatte er was angestellt? Das konnte ich mir bei Lupus nicht vorstellen.


    Die folgenden Worte klärten die Situation auf. Also ging Lupus wirklich zu den Equites. Er hatte es mir vor nicht allzu langer Zeit erzählt. Aber irgendwie hatte ich immer gehofft, dass er es sich anders überlegen würde. Doch scheinbar hatte er beim Centurio um die Versetzung gebeten. Ich wusste nichts davon, so dass das Ganze für mich überraschend kam. Als ich hörte, dass Lupus sofort aufbrechen musste, schossen mir Gedanken über Valerians Abschied durch den Kopf. Auch bei ihm geschah es von einem Augenblick zum anderen. Nun gut, Lupus würde in der IIten bleiben. Man könnte sich immer mal wieder treffen. Aber ich wusste auch, dass es nicht mehr das selbe wäre. So stand einfach nur da und schaute Lupus traurig zu, wie er seine Sachen zusammen packte.


    Als die Klinge meines Gladius auf Lupus zu sauste, dachte ich schon ich hätte ihn überrascht. Denn ich hatte mir ausgerechnet, dass er mit einem Stich erwarten würde. Waren uns doch Schläge mit dem Gladius vom Centurio strengstens verboten worden. Da aber Lupus meinen Stich vorhin so schnell und gekonnt entgangen war, hatte ich diese für mich ungewohnte Manöver gewählt, in der Hoffnung, ihn damit überraschen zu können. Doch ich sah mich getäuscht. Mit einer eleganten Seitwärtsbewegung war er meiner Attacke ausgewichen, als hätte ich mich so schnell wie eine Schnecke bewegt. Sein Schlag auf mein Schwert beschleunigten das Gladius so sehr, dass ich ihm fast hinterher fiel.


    ich wusste nicht, was ich machen sollte. Und entschied mich dafür, den Schwung nach vorne durch eine Rolle am Boden zu nutzen. Sicherlich, sehr unorthodox. Aber nicht unorthodoxer als der Kampfstil von Lupus. Und es war das beste was mir einfiel. Nach der Rolle wäre ich schnell wieder auf den Beinen. Ob ich dabei schneller als Lupus sein würde wusste ich nicht. Aber im Ringen war ich ganz gut, so dass ich mir mit der Rolle doch einige Chancen ausrechnete.

    Mann, mann, mann, dachte ich. Was hatten die Offiziere solange miteinander zu bequatschen? Erst kam der Centurio ins Contubernium gestürmt, als ginge es um Leben und Tod. Oder einer Stubenkontrolle, was dem sehr nahe kam. Und dann standen wir uns hier die Beine in den Bauch. Leise unterhielt ich mich mit meinen Kameraden, während wir warteten. Natürlich ging es um die wildesten Spekulationen, was wir hier sollten. Die mieseste war, dass wir auf Gerste gesetzt werden sollten. Obwohl ich wusste, dass Lupus selbst daraus einen leckeren Eintopf zaubern konnte, fand ich den Gedanken wenig prickelnd. Die beste war, dass wir irgendetwas umsonst bekämen würden. Aber wofür, fragte ich mich. So ging die Diskussion kurz weiter bis uns der Centurio informierte. Tatsächlich! Extrarationen! Ich wusste immer noch nicht wofür, aber mir sollte es recht sein. So beeilte ich mich, einen Platz in der Reihe zu ergattern. Woraus diese Extrarationen wohl bestehen würden? Na hoffentlich nicht aus Gerste. Fast hätte ich über diesen Gedanken lachen müssen.

    Zitat

    Original von Marcus Terentius Lupus
    Lupus legte seinem Kameraden die Hand auf die Schulter und meinte,
    Probus,...wenn zwei das Gleiche tun ist das immer noch nicht das Selbe!...glaubst du denn man läßt einem Probatus das durchgehen, was ein Veteran sich erlaubt?
    Er sah ihn ernst an...
    ...aber glaube mir, es ist eine Sache etwas in der Kaserne zu sagen und eine völlig andere im Feld oder im Einsatz,...wie jetzt hier...
    Damit ließ er es gut sein und stand auf um seinen Napf draußen zu reinigen.


    Lupus legte mir seine Hand auf meine Schulter. Als ich ihm zuhörte, wurde ich ärgerlich. Was wollte er denn noch von mir hören? Ich hatte mich doch schon bei ihm für meine unbedarften Worte entschuldigt. Sollte ich jetzt noch irgendwie zu kreuze kriechen und ihm die Füße küssen. Das würde ich ganz bestimmt nicht tun! Ich hatte doch eingesehen, dass meine Worte falsch gewesen waren.


    Ich sah ihn nicht an, sondern stopfte mir den restlichen Eintopf aus meiner Schüssel in den Mund. So kam ich nicht in die Verlegenheit, meiner Verärgerung freien Lauf zu lassen. Wer weiß, was ich dann wieder alles gesagt und verkehrt gemacht hätte! Ich wurde aus Lupus nicht schlau. Auf der einen Seite mochte ich ihn. Er war stets hilfsbereit und freundlich. Außerdem war er höchstwahrscheinlich der beste Koch in der II. Aber in solchen Augenblicken wie diesen fand ich ihn ätzend. Konnte er denn nicht mal seine Klappe halten, nachdem man ihm schon recht gegeben hatte. Nein, immer schön nachbohren. Ich wusste ja, dass er es im Grunde nicht böse meinte. Aber manchmal machte mich das echt wütend. Da erinnerte ich mich an Lupus Worte im Theorieunterricht. Das ihm sein Wissen schon häufig Mißgunst und Ablehnung eingebracht hätte. Damals hatte ich mir es nicht vorstellen können. Doch heute? Irgendwie schämte ich mich in diesem Moment ein bisschen über meine Wut auf ihn. Schweigend kaute ich weiter und starrte vor mich hin.

    Als der Optio laut über den Platz schrie, hielten die Probati in ihrem Tun inne und hörten dem Iulier zu. Nachdem er mit seinen Anweisungen geendet hatte, sahen die Probati ihn kurz unentschlossen an. Worauf sollten sie schießen, war die Frage, die über ihren Köpfen schwebte. Doch einige von ihnen entdeckten die Zielscheiben, so dass sich die angehenden Legionarii an ihr Werk machten. Nachdem sich jedem Ziel eines der Belagerungsgeräte gegenüber befand, fingen die Probati an.


    In meiner Gruppe war ich am Rad zum Spannen der Sehne. Ich wusste nicht, wie weit ich drehen sollte. Also dachte ich mir, dass ich das Ding bis zum Anschlag spannen sollte. Gesagt getan. Ein anderer legte den großen Bolzen ein. Nachdem er fertig war und einige Schritte zurückgetreten war, zog ein anderer Probati an dem Griff. Mit einem mechanischen Geräusch löste sich die Sehne aus ihrer Verankerung und spie den Bolzen unter lautem Surren mit einer mörderischen Geschwindigkeit dem Ziel entgegen. Als die Sehne die Auffangrinne traf gab es ein Geräusch, als ob man mit einer Axt gegen einen dicken Baumstamm geschlagen hatte. Gespannt starrte ich nach vorne. Zu meine Enttäuschung trafen wir nicht die Zielscheibe. Der Bolzen flog etwas zu hoch. Wie zielte man eigentlich mit dem Ding? Wir wechselten die Postionen. Nun war ich am Griff für das Auslösen des Bolzens. Ich schaute über die Führrinne auf das Ziel und korrigierte den Anstellwinkel. Danach folgte der selbe Spannprozess wie beim ersten Mal. Ich zog an dem Griff und versuchte mit dem Blick dem Bolzen zu folgen. Mit einem lauten Krachen schlug er in das obere Drittel des Zieles ein. Mit weit offenem Mund stand ich da. Nicht, weil ich das Ziel getroffen hatte. Sondern weil mich die Wucht des Aufpralles überraschte. Vor solchen Geschossen würde mich wohl kein Scutum der Welt beschützen können. Dann wechselten wir wieder die Positionen, bis wir keine Bolzen mehr hatten. Ein Glück kam keiner auf die Idee nach vorne zu rennen. Die Lektion beim Bogenschießen hatte allen gereicht. So wartete ich mit meinen Kameraden bis alle anderen Gruppen ihre Bolzen verschossen hatten.

    Meine Fresse, waren die Dinger schwer. Der Weg bis zum Campus schien mir fast endlos zu sein. Schweißgebadet und nach Luft schnappend kamen wir endlich an. Das hatte sich der Optio doch mit Absicht einfallen lassen. Der wollte uns mal bestimmt zeigen, was für Waschlappen wir wären. Aber wir hatten es geschafft. Wenn auch zähneknirschend und vor uns hinfluchend. Ich hoffte jedenfalls, dass ich nie in meinem Leben zu einer Besatzung eines Belagerungsgerätes versetzt werden würde. Natürlich waren die anderen Sachen in der Legio auf ihre Weise nicht weniger anstrengend. Aber da kam man wenigstens schneller vom Fleck oder man hatte es gemütlicher.


    Nachdem wir auf dem Campus angekommen waren, blieben die Probati an den Maschinen in ihren Gruppen stehen und warteten auf die weiteren Befehle des Optio. Hoffentlich hatte sich die ganze Schinderei gelohnt. Nicht, dass jeder mal ein Schuss abgeben sollte und das war es dann.

    So plötzlich wie der Beschuss angefangen hatte, so hörte er auch wieder auf. Ich wollte schon erleichtert ausatmen, als ich ein markerschütterndes Geschrei hörte. Selbst in der Formation hörte es sich an, als wäre ein Ungeheuer zum Leben erwacht, was uns verschlingen wollte. Vor Schreck kam es mir vor, als wäre mein Herz stehengeblieben. Da ich mich inmitten der Testudo befand, konnte ich nicht sehen, was los war. Meine Augen waren angsterfüllt weit aufgerissen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.


    Da erscholl der Befehl des Centurio zum Auflösen der Testudo, Und nun wusste ich auch, warum er immer so laut schrie. Würde er es nicht machen, hätten wir ihn kaum durch des Gebrüll hören können. Wie befohlen fingen wir an, die Testudo aufzulösen. Wo ist Drusus, schoss es mit durch den Kopf. Ich konnte ihn nicht sehen. Dafür aber die dunklen Gestalten, die sich uns mit riesigen Schritten näherten. Sie erschienen mir wie haarige Waldwesen, den dieser zu unserer Vernichtung aus sich heraus speite. Ich starrte auf eine der Gestalten, die irgendetwas in ihren Händen schwingend auf mich zu stürzte. Ich war wie erstarrt. Vor Angst hätte ich mich bepisssen können. Mein Herz raste. Meine Hände wurden eiskalt und der kalte Schweiß brach mir aus. Ich hörte nur gedämpft die Kampfgeräusche und das Gebrüll. Ich hatte nur noch Augen für dieses Tier. Mein Kopf war leer und ich schrie im Innern auf mich ein, dass ich irgendetwas tun sollte. Doch wie gebannt blieb ich ruhig stehen.


    Dann war die Gestalt bei mir und hob einen ihrer Arme. Instinktiv zog ich den Schild hoch. Krachend schlug irgendetwas auf ihn. Ich duckte mich näher an das Scutum und drückte es nach vorne. Es kam mir vor, als würde ich mir selbst dabei zuschauen. Als würde irgendjemand anderes als ich gerade diesen Kampf führen. Während ich den Schild nach vorne drückte, stach im mit dem Gladius rechts um die Deckung. Ich merkte, wie es auf Widerstand stieß und sich gleich darauf merkwürdig leicht weiterbewegte. Das Aufbrüllen meines Gegners hörte ich nicht. Wie betäubt zog ich mein Schwert wieder zurück und trat einen Schritt nach hinten. Ich ließ den Schild sinken und lukte über den Rand. Die Gestalt, die mich eben noch angegriffen hatte, war in sich zusammengesunken. Brüllend hielt sie sich ihre Seite. Ungläubig starrte ich auf sie. War ich das gewesen? Hatte ich etwa meinen ersten Gegner getötet? Bevor ich mir die Frage beantworten konnte, sah ich, wie ein weiterer Feind auf mich einstürmte.

    Wie befohlen waren wir zur Warenausgabe marschiert. Schon von weitem sah ich die Offiziere davor stehen. Der Centurio und der Optio schienen mit dem Tribun Terentius zu sprechen. Terentius? Da fiel mir wieder ein, dass mir Lupus erzählt hatte, dass sein Cousin Tribun in der II. wäre. Nachdem wir bei der Gruppe angekommen waren, stellte ich mich zu meinen Kameraden in die Reihe. Ich war wirklich gespannt wie ein Bogen, warum wir hier erscheinen sollten. Ungeduldig konnte ich es kaum erwarten, den Grund zu erfahren.

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    Original von Servius Artorius Reatinus
    ... wollte Reatinus die Männer sammeln. Erst seit Kurzem hatte er gesehen, dass er seine ganze 80 Mann starke Truppe an der Warenausgabe der Horrea zusammenscheuchen musste. Der Aufforderung des Tribunen folge leistend setzte sich Reatinus auf den Weg zu den Unterkünften und hakte ein Contubernium nach dem anderen ab. Auch Contubernium III war bald an der Reihe. Mit seinem typischen lauten Türknallen und der kräftigen, hühnenhaften Stimme ließ er die Befehle unter den Männern des Contuberniums verlauten. Diese konnten einem manchmal leid tun.


    "Alle Mann angetreten, ihr Waschlappen! Ich will euch in mindestens 5 Minuten an der Warenausgabe der Horrea sehen! Tribunus Laticlavius Terentius verlangt nach uns! Ich erwarte euch!".


    Noch nicht einmal waren die Worte im Raum verhallt, als der Centurio wieder die Tür hinter sich zuknallte und mit sicheren Schritten das nächste Contubernium aufsuchte. Obwohl dieses schon mitbekommen haben sollte, um was es ging.


    Als der Centurio in das Contubernium hineingestürmt kam, lag ich gerade auf meiner Pritsche und machte Pause von dieser ewigen Putzerei. Wenn das so weiterginge, würde mein Gladius vor meinem Kampf so dünn wie ein Rasiermesser sein. Ich sprang wie von der Tarantel gestochen hoch und wartete darauf, dass der Stubenälteste Meldung machen würde. Doch so schnell wie er hereingekommen war, so schnell war der Centurio auch wieder weg. Zur Warenausgabe sollten wir kommen? Hörte sich interessant an. Ich machte mich schnell fertig und ging zusammen mit meinen Kameraden wie befohlen zu den Horrea. Ich war neugierig, worum es gehen würde. Denn man hatte mir vorher noch nie befohlen, dorthin zu gehen.

    Kurze Zeit später waren wir bei den Horrea angekommen. Bevor ich mich fragen konnte, in welchem der vielen Horrea diese Geräte wohl stecken könnten, teilte uns der Optio mit, dass die Scorpiones im Horreum Tertium wären. Also machten sich alle Probati auf den Weg dorthin.


    Am Horreum angekommen, gingen wir hinein. Da sahen wir auch schon die Scorpiones. Wie überdimensionale Armbrüste sahen sie aus. Obwohl sie ohne Soldaten als Bedienpersonal ungefährlich waren, strahlten sie ein gewisse tödliche Eleganz aus. Mit viel Phantasie hätte man meinen können, dass sie einen angrinsen würden. Die Probati teilten sich auf die einzelnen Scorpiones auf und begannen sie aus dem Horreum zu transportieren. Meine Güte, waren die Dinger schwer. Zwar ließen sie sich schieben. Aber selbst vier Probati hatten ihre liebe Mühe damit, sie von der Stelle zu bewegen.


    Langsam aber sicher kam eine Gruppe nach der anderen mit einem der Scorpiones an das Tageslicht und schob sie in Richtung Campus. Man hörte ein Schnaufen und Stöhnen. Der Weg, der uns vorher noch so kurz und unbeschwert erschien, war nach unserer Meinung viel zu lang geworden. Ich hatte jedenfalls recht behalten. Die Dinger waren so schwer, wie sich ihr Name anhörte.

    Wie immer erschienen die Probati früh auf dem Campus. Mittlerweile hatten sie sich gut kennengelernt, so dass es am Morgen immer eine Menge zu erzählen gab. Ich unterhielt mich gerade mit einigen von ihnen darüber, was jeder von uns als erstes machen würde, wenn die Grundausbildung endlich zu Ende wäre, als der Befehl des Optio über den Platz schallte. Scheinbar hatte der Centurio ihm für heute die Ausbildung überlassen. Aber egal ob Optio oder Centurio, wie immer beeilten sich die Probati dem Befehl Folge zu leisten und traten schnell an.


    Belagerungswaffen, dachte ich. Das hörte sich interessant an. Allerdings waren die nächsten Worte des Optio ernüchternd. Wir sollten sie erst auf den Campus schleppen. Zwar kannte ich keine Belagerungsgeräte. Aber das Wort hörte sich irgendwie schwer an. Doch wie befohlen folgten die Probati dem Optio in Marschformation.

    Ich hörte den Kampflärm. Irgendwo tiefer im Wald waren unsere Späher bereits auf die Banditen gestoßen. Oder die Banditen auf sie? Ungeduldig wartete ich darauf, dass es weitergehen würde. Nichts war schlimmer, als untätig herumzustehen. Denn dann konnte man nachdenken und die Angst kroch einen wieder an.


    Plötzlich erhob sich auf der einen Seite unserer Marschkolonne ein riesen Gebrüll. Kurz danach hörte ich, wie irgendetwas gegen die Schilde der Legionarii donnerte. Ich kannte dieses Geräusch aus der Ausbildung. Steine! Schnell suchte ich hinter meinem Scutum Deckung. Keinen Augenblick zu spät! Mit einem Knall flog ein Stein gegen mein Schild. Fast gleichzeitig hörte ich ein vielfältiges Zischen. Pfeile, dachte ich erschrocken und kroch noch näher an mein Scutum. Das war nun wirklich eine böse Situation. Ich merkte, wie es kurz hintereinander mehrere Pfeile in den Schild einschlugen. Andere zischten an mir vorbei. Ich hörte, wie Legionarii aufschrien oder brüllten. Ich wusste nicht, ob sie getroffen worden waren. Zwischen all diesem Lärm hörte ich plötzlich den Befehl des Centurio, eine Testudo zu bilden. Immer noch Schutz hinter meinem Scutum suchend, fing ich mit meinen Kameraden an, die Formation zu bilden. Das war nicht so einfach, denn wir wurden dabei immer weiter beschossen. Ich merkte, wie ein Pfeil mit einem Kling gegen meine Rüstung prallte. Erschrocken starrte ich auf die vermeintliche Stelle. Doch zu meinem Erstaunen sah ich, dass der Pfeil die Lorica nicht durchschlagen hatte. Dann stand die Testudo endlich. Als die Pfeile auf die Schilde niederprasselten, hörte es sich an, als würde es hageln. Ab und zu wurde dieses Geräusch von dem Aufprall eines Steines übertönt.

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    Original von Marcus Petronius Crispus


    Ich wusste nicht, ob wir uns die Banditen nun angreifen würden, und starrte angestrengt in den dunklen Wald. Das Blut rauschte in meinen Ohren vor Anspannung. Der ganze Körper fühlte sich wie auf dem Sprung an. Ich fühlte die Angst vor dem ersten Kampf in mir hochsteigen. Doch da war auch noch etwas anderes. Es war so ähnlich wie eine trotzige Entschlossenheit, die sich den Kampf fast herbeiwünschte. Von der Meldung an den Centurio bekam ich nichts mit. Erst sein Befehl zum Vorrücken ließ mich aus meiner Starre hochschrecken. Wie befohlen setzte ich mich mit meinen Kameraden wieder in Bewegung, auf das Äußerste angespannt. Immer tiefer in den Wald hinein. Und immer näher an das Lager der Banditen.

    Während ich meinen Mund mit dem Eintopf verschloss und kaute, hörte ich den leisen Worten von Lupus zu. Bei dem Wort Insubordination bekam ich große Augen. Wo bitte war ich ungehorsam gewesen? Ich hatte bisher jeden Befehl des Optio pflichtgemäß ausgeführt und würde es auch zukünftig tun. Das stand mir wirklich nicht zu. Außerdem fragte ich mich erstaunt, ob Lupus schon jemals die alten Veteranen über die Offiziere hatte fluchen hören. Was die dabei sagten, wäre mir nicht mal im Traum eingefallen. Also alles was recht war.


    Doch der Hinweis, dass jemand unbemerkt meine Worte von draußen hätte hören können, machte mich nachdenklich. Denn Lupus hatte in dieser Hinsicht völlig recht. Und vielleicht war ich wirklich zu unbedarft mit meinen Worten gewesen. Ich wollte auch nicht, dass irgendjemand wegen diesem Leichtsinn leiden musste. Weder ich, noch ein anderer. Als mein Mund wieder leer war, antwortete ich ihm flüsternd.


    „Ist ja schon gut. Ich werde in Zukunft meinen Rand halten... Keine Sorge, Lupus. Ich war vielleicht etwas unbedarft und werde es nicht wieder tun.“, erwiderte ich kleinlaut, wobei ich wieder an die Sprüche der Veteranen denken musste. „Ich will weder dich noch sonst jemand dadurch in Gefahr bringen.“