Beiträge von Tiberius Germanicus Probus

    Die Legionäre waren den Equites in Marschordnung gefolgt. Mir war bei dem Verlassen des Lagers sofort aufgefallen, dass wir in die Richtung marschierten, aus der wir erst vor kurzem gekommen waren. Sollte es etwa wieder zu Wigands Dorf gehen, hatte ich mich gefragt. Hatte ich dies erst als unsinnig abgetan, liefen wir weiter eben in jene Richtung. Und irgendwann fiel das Ass. Nein oder? Das konnte doch nicht wahr sein.


    Natürlich marschierten wir wieder dahin. Alles andere machte auch keinen Sinn, hatte doch Aribert den Weg zum Lager der Banditen von seinem Dorf aus beschrieben. Na toll, dachte ich ärgerlich. Da hätten wir auch gleich im Dorf bleiben können. Erst hinmarschieren, dann zurückmarschieren und dann wieder hinmarschieren. Die wussten doch auch nicht, was sie taten. So stampfte ich in den Reihen meiner Kameraden gen Wigands Dorf mit mürrischer Miene. Neidisch sah ich manchmal auf die Reiter. Hatten die es gut. Langsam kam in mir wieder die Angst vor meinem ersten Kampf hoch. Und je näher wir dem Dorf kamen, desto größer wurde sie.


    Als wir in Wigands Dorf ankamen, sah ich, dass einige Männer auf dem Dorfplatz standen. Da es für mich wie bei unserem ersten Besuch aussah, schien er mir im ersten Moment völlig normal. Doch dann sah ich, dass sie Waffen bei sich trugen. Erstaunt versuchte ich herauszufinden, ob sich auch etwa Aribert unter ihnen befand. Aber ich erkannte nur den alten Dorfvorsteher. Warum trugen sie jetzt Waffen, fragte ich mich. Wollen sie uns bei unserem Kampf unterstützen? Das konnte ich mir allerdings nicht vorstellen. Also warum trugen sie dann Waffen bei sich? Das Dorf erschien mir auf einem Mal weniger freundlich. Zumal ich den Eindruck hatte, des es ungewöhnlich still war. Irgendwie gefiel mir die Sache nicht.

    Noch immer etwas verlegen und doch erwartungsvoll wartete ich auf die Antwort von Sedulus. Als ich sie hörte, war ich im ersten Moment enttäuscht. Doch wie konnte ich erwarten, dass er meinen Vater kannte. Kannte ich doch seinen auch nicht. Somit verflüchtigte sich meine Enttäuschung sofort. Und sein Lächeln erschien mir freundlich und offen.


    „Es wäre mir eine Ehre dich besuchen zu dürfen.“ Ich nickte ihm zu. Zwar würde es noch einige Zeit dauern, bis ich es tun könnte. Da ich als Probatus keinen Ausgang bekam. Aber sobald ich Legionarius wäre, würde ich seinem Angebot sehr gerne nachkommen."Vale Sedulus." Ich hörte, wie er Lupus bat, ihn zu begleiten und sah ihnen hinterher, als sie beide zusammen das Contubernium verließen.

    Der Centurio hatte sie gut durch die Gegend gescheucht, so dass die Probati trotz der Kälte schwitzten. Schließlich waren sie am See angekommen. Auf seinen Befehl fingen die Probati an, sich auszukleiden, mal schnell, mal weniger schnell. Ich merkte, wie ich aufgrund der Kälte eine Gänsehaut bekam und zog mich weiter aus.Das Wetter war noch sehr frisch und es wehte ein kühler Wind, der noch vom nicht all zu fernen Winter kündete. Dann sprang ich mit einigen anderen Probati in der ersten Gruppe in den See.


    Das Wasser war eiskalt und nahm mir den Atem. Prustend kam ich an die Oberfläche und begann zu schwimmen. Ich hatte es früh von meinem Vater gelernt. Denn meine Mutter hatte immer Angst, dass ich mal in den Rhenus fallen und ertrinken könnte. Meine Fähigkeiten waren darin zwar nicht besonders gut, aber ich konnte mich ohne Probleme über Wasser halten und mich fortbewegen. Was wollte man mehr. Vorsichtig tastete ich mit dem Fuß nach dem Boden. Da ich nichts spürte, schwamm ich Richtung Ufer zurück.


    Die meisten Probati standen nun zitternd bis zur Brust im Wasser und warteten auf den nächsten Befehl des Centurio. Nur einige wenige waren noch damit beschäftigt, etwas zögerlich in den See zu gehen. Vielleicht war ihnen das Wasser zu kalt oder sie konnten nicht schwimmen. Ich wusste es nicht. Aber ich wusste, dass, sollten sie sich nicht beeilen, der Centurio seine eigene Ansicht darüber haben würde. Und die würde ihnen sicherlich nicht gefallen und verdrehte beim Anblick dieser Dummköpfe die Augen.

    Wie meistens in der letzten Zeit war das Wetter etwas unschön. Grau und dunkel dräute es am Himmel. Das drückte bei mir ein bisschen auf die Stimmung. Wie jeden Morgen standen die Probati auf dem Campus und harrten der nächsten Übung. Da diese in den letzten Tagen sich als kurzweilig herausgestellt hatten, waren die meisten Probati trotz des schlechten Wetters relativ gut gelaunt.


    Lautstark wie immer befahl der Centurio uns anzutreten. Und so schnell wie immer traten wir an. Dieser Befehl war uns mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen. Als der Centurio uns in seiner unnachahmlichen Art mitteilte, dass heute das Schwimmen auf dem Plan stehen würde, erhob sich ein leises Raunen durch die Reihen der Probati. Auch ich war nicht gerade erfreut darüber. Bei dem Wetter konnte es nur bedeuten, dass das Wasser noch arschkalt war. Das einzige, was es mir noch etwas schmackhaft machte, war, dass wir mal aus dem Lager kamen.


    Wie befohlen stellten die Probati unter mürrischem Grummeln die Marschbereitschaft her und marschierten auf Befehl los.

    Nachdem mir der Centurio gesagt hatte, meine Antwort sei richtig, setzte ich mich stolz wieder auf meinen Platz. Vielleicht war meine Antwort knapp gewesen, aber ich hatte mir nicht alles in der Form wie es der Centurio vorgetragen hatte, merken können. Daher hatte ich mir das so gemerkt. Zumal ich dachte, dass es sich so auch der letzte Vollidiot in meiner Gruppe merken könnte.


    Aufmerksam hörte ich zu, wie der Centurio die Formationen zu unterschiedlichen Phasen eines Kampfes erläuterte. So ganz verstand ich das nicht. Hatte nicht jede Centurie einen Signifer? Und einen Cornicen? Aber ich fragte lieber nicht nach. Wenn es wirklich zum Kampf kommen sollte, hatte ich bestimmt andere Sorgen. Erstaunt hörte ich, dass die erfahrensten Kämpfer in den hintersten Reihen standen. Soll das etwa bedeuten, dass wir Neuen ganz vorne standen? Diese Vorstellung fand ich ziemlich beunruhigend. Die Bemerkung des Centurio, die Offiziere ständen lieber weiter hinten, weil sie keine Selbstmordgedanken hätten, verstärkte dieses Gefühl. Tja, Offizier müsste man sein. Aber hieß das nicht, dass die Leute in der ersten Reihe kaum Überlebenschancen hatten? Ein sehr unangenehmer Gedanke, wenn ich als Neuer eben dort stehen sollte.


    Wegen dieser Gedanken hörte ich der Antwort von Fadius kaum zu. Doch als der Centurio wieder Lupus aufforderte, war ich wieder voll bei der Sache. Wieder wäre mir bei der Antwort von Lupus fast die Kinnlade runtergefallen. Nicht nur, die Ausführlichkeit beeindruckte mich. Auch das er taktische Angaben machte, die der Centurio gar nicht gesagt hatte. Der alte Streber, dachte ich schmunzelnd. Der hat sich doch bestimmt auf das hier irgendwie vorbereitet. Bei Veteranen oder sonst wem. Wenn das stimmen sollte, was Lupus gesagt hätte, musste ich ihn unbedingt nachher fragen, woher er das alles wusste.

    Zitat

    Original von Gaius Iulius Oktavianus


    " Milites, consistite! Castra collocate!! (Männer, halt! Schlagt das Lager auf!)"


    Wir waren heute wieder ziemlich weit marschiert. Unterwegs hatten wir uns sogar außerplanmäßig in einem Dorf mit Lebensmitteln versorgen müssen. Nun war ich auch zu einem jener unfreiwilligen Plünderer geworden. Etwas, was ich nie vor hatte. Doch unsere Vorräte waren fast völlig aufgebraucht gewesen. Das Versorgungslager, in welchem wir unsere Vorräte hätten auffüllens sollen, war nur noch eine rauchende Ruine gewesen. Scheinbar hatten Banditen die kleine Besatzung überwältigt und das Lager geplündert. Somit hatten wir irgendwann keine andere Wahl gehabt, als uns irgendwie selbst zu verpflegen.


    Es wurde schon dunkel, als der Optio uns befahl, das Lager aufzuschlagen. Ich schaute meine Kameraden verdutzt an. War das wirklich sein Ernst? Ich hatte in Anbetracht der fortgeschrittenen Tageszeit erwartet, dass wir in irgendeinem befestigten Ort übernachten würden. Denn wenn wir jetzt ein Lager mit allem drum und dran aufschlagen würden, wären wir erst fertig, wenn es stockduster wäre.


    Aber es war die Entscheidung des Optio und niemand von uns würde sie hinterfragen. Mit mürrischen Gesichtern machten wir uns an die Arbeit. Einige Legionäre fluchten leise vor sich hin. Ein wenig unwirsch holten wir die Schanzwerkzeuge von den Mulis und begannen, auf dem vom Optio ausgewählten Platz mit dem Graben. Währenddessen nahmen die Maultiertreiber sich die Zelte und fingen mit deren Aufbau an. Langsam, aber sicher nahm das Lager Gestalt an, während es immer dunkler wurde.

    Ich hatte vorhin auf Sedulus frage anworten. Doch Lupus kam mir zuvor. Ich wartete bis Lupus scheinbar zu Ende geredet hatte.


    "Um auf deine vorherige Frage zurückzukommen" sprach ich Sedulus an. "Mein Vater war Germanicus Disputator. Er ist leider tot." Wenn das was Sedulus sagte, stimmen würde, dann wäre er mein Cousin, wenn auch um ein paar Ecken. Wahnsinn, dachte ich erfreut.

    Der Optio brüllte zum Antreten. Die Probati beeilten sich und standen kurze Zeit später in Linie vor ihm. Ich wusste nicht, ob meine Leistung ausreichend gewesen war. Doch zu meinem Erstaunen hörte ich, dass er mit uns zufrieden war, auch wenn wir noch viel üben müssten. Nachdem er das Abtreten befohlen hatte, rannten die Probati schnell zu den Zielscheiben und zogen die Pfeile aus ihnen, stopften diese in die Köcher und rannten zu den Kisten, um Bogen und Köcher in sie zu legen.


    Danch gingen sie frohgelaunt zu ihren Unterkünften, war der Ausbildungstag doch kürzer und weniger anstrengend gewesen, als sie es befürchtet hatten. Ich beschloss, dass ich nach meiner Grundausbildung das Bogenschießen üben würde. Aber ob ich je ein guter Bogenschütze werden würde, dass stand im Himmel geschrieben.

    Mir kam es so vor, als wäre selbst der Centurio über die Antworten von Lupus überrascht. Doch um so überraschter war ich, dass er bestätigte, dass Lupus Antworten richtig waren. Gut gemacht Lupus, dachte ich und war stolz auf meinen Kameraden.


    Danach fuhr der Centurio fort und zählte die Stabsoffiziere auf, was wieder eine Weile dauerte. Mir fiel auf, dass der Centurio eigentlich eine ganz angenehme Stimme hatte, wenn er nicht gerade schrie, dass die Germanen flohen. Ich musste bei diesen Gedanken grinsen.


    Plötzlich sprach er mich an. Mein Grinsen verschwand sofort aus meinem Gesicht und ich stand mit zusammengezogenen Augenbrauen auf. Ich sah ihn an.


    "Der derzeitige Legatus Legionis der II. ist der ehrenwerte Vinicius Lucianus. Er ist der Oberbefehlshaber der Legio und was er sagt, ist für alle in der II. Gesetz. Außerdem ist der Legat Vincius Lucianus auch Statthalter der Provinz."


    Dies hielt ich für eine ausreichende Antwort. Knapp, aber verständlich.

    Als Lupus nun mit Sedulus auf mich zu kam und mich Sedulus vorstellte, sprang ich von der Pritsche auf und starrte kurz etwas verlegen zu Boden. Cursus honorum, tribunus lacticlavius. Dass nahm ja alles keine Ende.


    Da sprach mich Sedulus an. Ich blickte ihn an und wurde leicht rot im Gesicht. Ich schämte mich, nur ein einfacher Soldat zu sein und hoffte, meiner Gens dadurch keine Schande zu machen. Ich nahm seine mir entgegenstreckte Hand und sagte mit leicht belegter Stimme, während ich Sedulus nun ansah:


    "Es ist mir eine große Ehre dich kennenzulernen. Ich stamme aus der Linie Germanicus Victorinus." Mehr wollte mir im Moment nicht einfallen."

    Ich sah, wie die Offiziere ihre Besprechungen beendeten. Die Decurionen gingen zu ihren Turmae und bereiteten sich auf den Aufbruch vor. Scheinbar hatten sie alles besprochen. Na dann würde es ja gleich losgehen. Endlich wird es den Banditen an den Kragen gehen, dachte ich grimmig.


    Und tatsächlich gab der Centurio den Befehl zum Abmarsch. Wie ein Mann marschierten die Legionäre los. Es klang wie Musik in meinen Ohren. Meine Angst fing an zu schwinden. Wer könnte uns wohl aufhalten, fragte ich mich. Niemand, gab ich mir selbst die Antwort.

    Kaum hatte der letzte Probati seine Pfeile verschossen, brüllte der Optio sie an, so lautstark, dass es garnicht auffiel, dass der Centurio nicht da war. So beeilten sie sich seinem Befehl nachzukommen. Sie rannten los und zogen die Pfeile aus den Zielscheiben. Das war nicht so einfach, denn sie hatten sich tief hineingebohrt. Doch schließlich hatte jeder seinen Köcher wieder aufgefüllt, so dass sie mit der Übung wieder anfangen.


    Bei den meisten Probati klappte es besser als beim ersten Mal. Zwar traf kaum einer von ihnen die Mitte der Zielscheiben. Bis auf die wenigen Ausnahmetalente, wovon einer sich als wahrer Meisterschütze entpuppte. Doch die Leistungen vereinzelter Probati waren mehr als unzureichend. Wenigstens gehörte ich nicht zu ihnen.Zwar waren meine Pfeile noch weit von der Mitte der Scheibe entfernt. Aber wenigsten landeten die meisten nun wesentlich kontrollierter in den inneren Kreis. Scheinbar besaß ich kein Talent für einen guten Bogenschützen. Um einen Barbaren in einer anrennenden Horde zu treffen, würde es noch reichen. Würde man doch einfach hineinzielen und abziehen, in der berechtigten Hoffnung irgendwen irgendwo zu treffen. Aber einen Mann gezielt aus großer Entfernung zu treffen, dazu reichte es definitiv noch nicht. Ich merkte, dass diese Übung anstrengender war, als es mir auf dem ersten Blick erschienen war. Ich brauchte schon etwas Kraft, um den Bogen zu spannen. Und mit der Zeit merkte ich die Belastung im linken Arm und in der rechten Schulter. Doch schließlich waren alle Pfeile abgeschossen und ich sah mehr oder weniger zufrieden auf mein Ergebnis auf der Zielscheibe. Das Werfen der Pila hatte mir besser gefallen und lag mir mehr. Ich wartete wieder bis der letzte Probati seine Pfeile verschossen hatte. Mal sehen, wie zufrieden der Optio jetzt mit uns war.

    Wie immer war ich am frühen Morgen zum Exerzierplatz marschiert. Ich war etwas missmutig, denn das Wetter war auch schon mal besser gewesen. Es regnete und der Himmel versprach auf lange Sicht keine Änderung, so grau wie er war. So stampfte ich tief in meinen Mantel gehüllt zum Campus. An der Porta pr. Sinistra kamen mir einige Probati entgegen. Ich blieb verwundert stehen. „Wohin geht ihr?“ fragte ich einen von ihnen. „Ach, hör auf. Auf dem Campus ist ein kleines Schild, auf dem steht, dass wir in die Schola gehen sollen.“ Ich sah ihn verwundert an. In die Schola? Na ein Vorteil hatte das Ganze, würden wir doch im Trockenen sitzen. Aber etwas verärgert war ich schon. Denn man hätte uns das auch eher sagen können. Dann hätten wir nicht durch den Regen zum Campus gemusst. Aber was soll´s, wenigsten mussten wir nicht durch den Matsch robben. So schloss ich mich der Gruppe an und ging Richtung Schola.


    An der Schola angekommen, wunderte ich mich. Denn ich sah, dass nicht nur meine Gruppe Probati dort waren. Auch die Gruppe, in der Lupus war, hatte Platz genommen. Scheinbar wollte man das schlechtere Wetter dazu nutzen, die Ausbildung voranzutreiben. Denn ich wusste, dass Lupus Gruppe schon viel weiter vorangeschritten war. Aber mir sollte es nur Recht sein. Leider fand ich keinen freien Platz mehr neben Lupus, so dass ich zwei Reihen weiter hinten Platz nehmen musste.


    Kaum angekommen fing der Centurio mit der Beschreibung des Aufbaus einer Legion an. Ich dachte erst, er würde mit seinen Ausführungen gar nicht mehr enden. Noch nie hatte ich ihn soviele Worte auf einmal sprechen hören. Es war nicht einfach für mich, mir das Ganze zu merken. Als er Lupus fragte, hielt ich den Atem an. Würde er alle Fragen des Centurio die Antwort wissen?


    Staunend hörte ich, wie Lupus scheinbar nichts vergessen hatte und dem Centurio ausführliche Antworten gab. Gespannt wartete ich, ob das was er gesagt hatte, auch richtig war.

    Als Sedulus das Contubernium betreten hatte, hatte ich ihn nur kurz angesehen. Ein fremder Mann in einer Tunika gekleidet. Nichts besonderes, dachte ich und hatte mich wieder meinen Aufgaben gewidmet. Eigentlich hätte es mir da schon komisch vorkommen müssen, dass ein Zivilist scheinbar einfach so durch das Lager schweifen durfte. Seine Frage nach Lupus hatte ihm einer meiner Kameraden beantwortet. Doch als Lupus hereinkam und ihn mit Germanicus Sedulus ansprach, wäre ich fast von meiner Pritsche gefallen, auf der ich gesessen hatte. Hatte ich mich verhört?


    Und nun saß ich auf meiner Pritsche und starrte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Das war also einer meinerberühmten Verwandten aus einem erfolgreicheren Zweig meiner Gens. Als er etwas über den Senat und Rom erzählte, musste ich schlucken. Also waren sie wirklich hohe Tiere. Doch noch mehr verwunderte mich, dass er Lupus kannte. Und Lupus ihn. Patron hörte ich Lupus sagen. Lupus ein Klient von Sedulus? Mir schwirrte ein bisschen der Kopf von den vielen Neuigkeiten, die ich hörte.

    Erstaunt zog ich die Augenbrauen hoch, als ich Lupus erste Sätze hörte. Überheblich? Andere Reiche, die den Untergang Roms bringen sollten? Fragiles Imperium? Fast hätte ich mit dem Kopf geschüttelt. Was Lupus mir da sagte, klang für mich geradezu ungeheuerlich. Die römische Weltordnung wurde von den Göttern so gewollt, dass konnte man an seinem jahrhundertelangem Bestehen sehen. Und hatte das Opfer dies nicht bestätigt? Und welche Reiche sollten Rom gefährlich werden. Nun gut, die Germanen mupften von Zeit zu Zeit mal auf. Aber ich sah darin nichts gefährliches, blieben sie doch schön hinter dem Rhenus. Und im Norden hatten wir die Britannier besiegt. Und im Osten hatten die Legionen trotz des Todes des Kaisers die Parther besiegt. Und hatten wir nicht einen neuen Kaiser? Nein, also wirklich, ich verstand Lupus nicht. Ich schob meinen leeren Teller in die Tischmitte.


    Als er aufstand, wollte ich ihm meine Meinung sagen. Doch er fuhr fort. Als der Name Severus fiel, horchte ich auf. Ich hatte schon von dem tragischen Tod dieses Soldaten gehört. Er wurde durch einen Messerstich bei einer Kneipenschlägerei getötet. Und Valerian hatte mir auch erzählt, dass Lupus und Severus gute Freunde gewesen waren. Hatten sie doch zusammen ihre Grundausbildung angefangen. Ich verstand nun die Niedergeschlagenheit meines Kameraden. Wahrscheinlich ließ in der Tod seines Kameraden am Sinn des Ganzen zweifeln. Das mit der Vetternwirtschaft nahm ich nur am Rande wahr. Diesen Vorwurf gab es immer. Ob es nun Verwandte oder gute Freunde waren.


    Ich nickte Lupus nachdenklich zu, als er mich fragte, ob ich den Kessel reinigen würde. Ich beschloss, meine Gedanken für mich zu behalten. Und ich verstand Lupus Verhalten nun, wenn auch nur zum Teil. „Ja klar, mache ich. Und deinen Teller und so kannst du mir auch geben.“

    Ich staunte nicht schlecht. Zwei Cousains von Lupus hier im Castellum. Und das bei der Größe der römischen Armee. Das konnte doch kein Zufall sein. Erstaunt bemerkte ich die Bitterkeit in seinen Worten. Doch ich wusste nicht warum. War das Verhältnis zu seinen Cousains angespannt oder bezog es sich auf den Ort? Nachdenklich hörte ich seiner Erklärung des Satzes zu. Irgendwie hatten seine Worte auf mich etwas deprimierendes.


    „Ach soo ist das gemeint. Sei mir nicht böse, aber ich sehe das etwas anders. Doch jeder soll sein eigenes Motto haben und nach ihm leben.“ Für mich war der Satz in dieser Bedeutung irgendwie negativ, irgendwie unrömisch. Aber das wollte ich Lupus nicht auf die Nase binden, denn ich dachte, dass das vielleicht in seiner momentaten Stimmung besser war. Gierig stürzte ich mich auf meine zweite Portion des Puls.


    „Na dein Glück ...möchte ich haben. Da gibt es... diese riesige Armee... und du hast gleich ...zwei Familienangehörige hier ...im Castellum. Bis heute hatte ich ...noch niemanden hier in Mogontiacum. Erst... der Besucher von vorhin... hat mir einen weitverwandten Familienzuwachs bescherrt.“ Ich musste wieder an die merkwürdige Begegnung mit Matrinius denken. Schnell schüttelte ich die Gedanken ab. „ Nun ja. ...Das Wetter mag hier im... Vergleich zu Rom wirklich ...etwas bescheiden sein. Aber gastfreundschaftlich ...das sind wir schon. Ich weiß ja nicht, wie das in Rom ist.“ Ich wusste, dass Lupus seinen Satz so nicht gemeint haben konnte. Aber vielleicht sah er auf diese Weise die positiven Dinge.

    An diesem Morgen war ich etwas frischer als sonst aus dem Bett gekommen, was sich sofort in meiner gehobenen Laune widerspiegelte. Gestern hatte die Übung nicht solange gedauert, wie ich es erwartet hatte. Zum Glück, denn so hatte sich meine Schulter auch ohne einen Besuch im Valetudinarium erholen können. Jedenfalls schien der ausgiebige Thermenbesuch am gestrigen Nachmittag ihr sehr gut getan zu haben. Am heutigen Morgen hatte ich mehr Appetit als sonst und aß zu meinem Brot ein Stück Käse dazu. Auch die üblichen Frotzeleien der Stubenkameraden störten mich nicht im geringsten. Im Gegenteil.


    Wie immer machte ich mich früh fertig und ging Richtung Campus. Selbst der Himmel schien heute seine freundliche Seite entdeckt zu haben. Nur wenige Wolken zeichneten sich in ihm ab und es wehte ein lauer Wind. So kam ich am Campus an und grüßte die anwesenden Probati. Auch sie schienen mir heute irgendwie ausgelassener. Aber vielleicht lag das auch nur am fortschreitenden Frühling. Jeder war froh, dass der Winter nun langsam sein endgültiges Ende fand.


    Plötzlich hörte ich, wie uns der Optio aus einiger Entfernung zum Antreten rief. Verwundert sahen sich die Probati an und gingen dann schnell zu dem Platz. Er lag etwas abseits der üblichen Stelle zum morgendlichen Sammeln. Ich sah die Zielscheiben. Bogenschießen, dachte ich mit gerunzelter Stirn. Müssen wir das auch können? Ich dachte immer, dafür gäbe es Hilfstruppen. Nachdem die Probati angetreten waren, hörten sie aufmerksam dem Optio zu. Scheinbar würde er uns heute die Ausbildungslektion erteilen.


    Auf Befehl rannten die Probati zu den Kisten und jeder nahm sich im Gedränge ein Bogen und einen Köcher voller Pfeile. Wenn jemand diese ergattert hatte, rannte er sofort zu einer der Zielscheiben und stellte sich in der angewiesenen Entfernung auf. Nach einigem Drängeln war ich auch soweit und suchte mir eine Position. Einige der Probati hatten mit ihrer Übung schon begonnen. Nachdem ich den Köcher auf den Boden neben mir gelegt hatte, entnahm ich ihm einen Pfeil. Ich versuchte mich an die Beschreibung des Vorganges zu erinnern. Ich hatte bisher noch nie mit Pfeil und Bogen geschossen. Das Fleisch, dass es bei mir zu Hause gegeben hatte, hatte meine Mutter immer auf dem Markt geholt, so daß mein Vater oder ich nie auf die Jagd gegangen waren. Als Jungen hatten wir lediglich uns darin geübt, Vögel mit kleinen Steinen zu beschmeißen.


    Ich nahm den Bogen in die linke und den Pfeil an seinem gefiederten Ende in die rechte Hand. Vorsichtig legte ich den Pfeil auf die Bogensehne. Mit einer Bewegung nahm ich den Bogen nach oben und hielt in mit ausgestrecktem linken Arm von mir wer. Gleichzeitig zog ich mit der rechten Hand die Sehne nach hinten, bis ich mit meiner rechten Hand meine Wange berührte. Ich visierte das Ziel über den Pfeil an und hielt die Luft an. Ich spürt die enorme Spannung und zitterte leicht. Immer wieder kam die Pfeilspitze aus dem Zentrum des Zieles weg. Nach kurzer Zeit wurde die Spannung zu groß und ich ließ die Sehne los. Mein Pfeil traf gerade so die Zielscheibe am oberen rechten Rand. Verdammt, dachte ich. Das muss besser gehen.


    Ich nahm mir einen neuen Pfeil und legte wieder an. Diesmal wartete ich nicht solange, bis ich die Sehne losließ. Erstaunt sah ich, dass ich diesmal wenigsten in den äußersten Ring geschossen hatte. Also den nächsten Pfeil. Auch dieser traf, wenn nicht vielbesser als der zweite. Leider hatte bei diesem Schuss die Bogensehne schmerzhaft meinen linken Unterarm getroffen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht vollführte ich einen kleinen Tanz, während ich mir den Unterarm hielt. Er tat tierisch weh. Nachdem der Schmerz nachgelassen hatte, übte ich weiter. Aber alle meine Pfeile trafen das Ziel weit vom Rand entfernt. Ich sah zwischendurch auf die Zielscheiben der anderen Probati. Auch ihnen schien es nicht viel besser als mir zu gelingen. Nur bei einer etwas weiter entfernt stehenden Scheibe sah ich viele Pfeile dicht am Zentrum stecken. Ich fragte mich, wer wohl dieser Meisterschütze wäre. Ich schoss weiter, bis mein Köcher leer war. Ich brauchte nicht lange zu warten, bis auch der letzte Probati seine Pfeile verschossen hatte.

    Nachdem wir einigermaßen erfolgreich von unserem Plünderungszug zu unserem Contubernium zurückkamen, verteilte ich die klägliche Beute an die Kameraden, die mir ihre Kasserolle mitgegeben hatten. Ebenso die frisch aufgefüllten Feldflaschen. Ich setzte mich ins Zelt auf mein Strohlager und begann das inzwischen kalt gewordene Essen hinunterzuschlingen. Mein Zorn auf die Equites war inzwischen verraucht. Ich hatte gemerkt, dass dieser Vorfall mir nur als Ventil zum Abregen gedient hatte. Nun war die Angst dafür doppelt so stark wiedergekommen.

    Nachdenklich und stumm kaute ich vor mich hin. Ich hatte fast zu Ende gegessen, als ich den Centurio die Befehle zum Antreten brüllen hörte. Ich rollte genervt mit den Augen und schob mir den letzten Bissen in den Mund. Während ich kaute, ging ich schnell aus dem Zelt und machte meine Kasserolle an einem Wassereimer sauber. Das hatte ja gerade so noch hingehauen. Bei meiner Furca angelangt, verstaute ich meine Ausrüstung und nahm die Sachen mit kalten Händen auf.


    „Na dann wollen wir mal“, sagte ich leise und ging mit meinen Kameraden Richtung Lagertor. Auch sie waren still geworden. Der immer näher rückende Kampf hatte sie alle schweigsam werden lassen. Der Ernst des Kommenden hatte auch in mir den Übermut verdrängt.


    Wie befohlen stellte ich mich in die Reihen unserer Centuria. Er dauerte noch ein kleine Weile bis alle Legionäre angetreten waren. In dieser Zeit sah ich ernst und nachdenklich auf den Boden und hing meinen Gedanken nach. Da erscholl der Befehl des Centurios zum Stillstehen. Gespannt hörte ich ihm zu. Kurz flackerte der vergangene Zorn auf die Equites in mir auf, als ich die Sache mit den Informationen hörte. Doch er verging so rasch, wie er gekommen war. Jetzt war es wichtiger, dass ich mich auf das Bevorstehende konzentrierte.


    Leider konnte ich nicht verstehen, was der Centurio zu den anderen Offizieren sagte, so angestrengt ich auch lauschte. Ich zuckte mit den Schultern. Was soll´s, dachte ich. Ich werde noch früh genug erfahren, wie es nun weitergehen sollte.

    Zitat

    Original von Tiberius Iulius Drusus
    Drusus konnte es gar nicht recht fassen! Sie hatten die Germanen befragt und sogar etwas herausgefunden und dann schmückten sich diese fußlahmen Peregrini einfach mit ihren Leistungen! Unerhört sowas! Dabei hätte der Iulier den Duplicarius der Turma, welche sie begleitet und gedeckt hatte, soweit er sich noch erinnern konnte war es die zweite gewesen nicht so eingeschätzt! Tja, manchmal täuschte man sich eben in Menschen...


    "Natürlich erinnere ich mich! Dann haben diese Hunde sich also nur deswegen so beeilt, damit sie den Ruhm einheimsen können!", nahm Drusus erzünt den Faden seines Kameraden auf. "Dieses fußlahme Gesindel!" Drusus schüttelte den Kopf. Das verstand er wirklich nicht. Sie gehörten doch alle zur selben Seite. Sie mussten doch zusammenhalten!


    Ich sah Drusus an. Er sprach das aus, was ich dachte. Daher weht der Wind. Kaum , dass sie angekommen waren, haben sie den Centurionen erzählt, was siiee rausgefunden hätten. Ich wurde langsam stinkwütend. Eines der Dinge, die ich absolut nicht vertragen konnte, war, wenn sich jemand mit fremden Federn schmückte. „Und schon hieß es, gut gemacht Equites. Bravo Equites. Ist doch mal wieder typisch, sich nicht die Hände dreckig machen wollen, aber den ganzen Ruhm einstreichen. Na diese Hosenträger habe ich gefressen. Komm Drusus. Lass uns zum nächsten Zelt gehen. Ich brauche frische Luft.“ Ich stampfte zum Zeltausgang und drehte mich nochmal um. „Entschuldigt Kameraden, vielen Dank für das Essen. Und das andere konntet ihr ja nicht wissen.“ Ich drehte mich um und verließ das Zelt.


    Sim-Off:

    ich glaube, wir müssen uns beeilen ;)

    Ich sah Drusus an und nickte. „Genau, du sagst es Drusus. Während die Equites unseren Arsch deckten, haben wir uns denselbigen aufgerissen und die Bauern befragt. Wir waren es, die das rausgefunden haben!“ Bei den letzten Worten sah ich den Legionär mit wütend funkelnden Augen an. „Naja,“ sagte dieser mit einer abwehrenden Handgeste,“ ich sage doch nur, was die Spatzen von Dächern pfeifen. Vorhin kam eine Turma durch´s Tor geritten und kurz danach wurden die ersten Befehle duch die Gegend gebrüllt.“ Er zuckte mit den Schultern. Seine Kameraden hatten sich mittlerweile auch aufgesetzt und schauten uns interessiert zu.


    Ungläubig runzelte ich die Stirn. Und dann fiel die Sesterze. Ich schlug mir mit der linken Hand gegen die Stirn. „Aber natürlich. Jetzt weiß ich, was passiert ist. Drusus, kannst du dich noch daran erinnern, wie die Turma uns auf dem Weg hierher plötzlich im Galopp vorausgeritten ist?“ Es war eine rhetorische Frage, denn ich wusste, dass es Drusus auch noch wusste.“