An diesem Morgen war ich etwas frischer als sonst aus dem Bett gekommen, was sich sofort in meiner gehobenen Laune widerspiegelte. Gestern hatte die Übung nicht solange gedauert, wie ich es erwartet hatte. Zum Glück, denn so hatte sich meine Schulter auch ohne einen Besuch im Valetudinarium erholen können. Jedenfalls schien der ausgiebige Thermenbesuch am gestrigen Nachmittag ihr sehr gut getan zu haben. Am heutigen Morgen hatte ich mehr Appetit als sonst und aß zu meinem Brot ein Stück Käse dazu. Auch die üblichen Frotzeleien der Stubenkameraden störten mich nicht im geringsten. Im Gegenteil.
Wie immer machte ich mich früh fertig und ging Richtung Campus. Selbst der Himmel schien heute seine freundliche Seite entdeckt zu haben. Nur wenige Wolken zeichneten sich in ihm ab und es wehte ein lauer Wind. So kam ich am Campus an und grüßte die anwesenden Probati. Auch sie schienen mir heute irgendwie ausgelassener. Aber vielleicht lag das auch nur am fortschreitenden Frühling. Jeder war froh, dass der Winter nun langsam sein endgültiges Ende fand.
Plötzlich hörte ich, wie uns der Optio aus einiger Entfernung zum Antreten rief. Verwundert sahen sich die Probati an und gingen dann schnell zu dem Platz. Er lag etwas abseits der üblichen Stelle zum morgendlichen Sammeln. Ich sah die Zielscheiben. Bogenschießen, dachte ich mit gerunzelter Stirn. Müssen wir das auch können? Ich dachte immer, dafür gäbe es Hilfstruppen. Nachdem die Probati angetreten waren, hörten sie aufmerksam dem Optio zu. Scheinbar würde er uns heute die Ausbildungslektion erteilen.
Auf Befehl rannten die Probati zu den Kisten und jeder nahm sich im Gedränge ein Bogen und einen Köcher voller Pfeile. Wenn jemand diese ergattert hatte, rannte er sofort zu einer der Zielscheiben und stellte sich in der angewiesenen Entfernung auf. Nach einigem Drängeln war ich auch soweit und suchte mir eine Position. Einige der Probati hatten mit ihrer Übung schon begonnen. Nachdem ich den Köcher auf den Boden neben mir gelegt hatte, entnahm ich ihm einen Pfeil. Ich versuchte mich an die Beschreibung des Vorganges zu erinnern. Ich hatte bisher noch nie mit Pfeil und Bogen geschossen. Das Fleisch, dass es bei mir zu Hause gegeben hatte, hatte meine Mutter immer auf dem Markt geholt, so daß mein Vater oder ich nie auf die Jagd gegangen waren. Als Jungen hatten wir lediglich uns darin geübt, Vögel mit kleinen Steinen zu beschmeißen.
Ich nahm den Bogen in die linke und den Pfeil an seinem gefiederten Ende in die rechte Hand. Vorsichtig legte ich den Pfeil auf die Bogensehne. Mit einer Bewegung nahm ich den Bogen nach oben und hielt in mit ausgestrecktem linken Arm von mir wer. Gleichzeitig zog ich mit der rechten Hand die Sehne nach hinten, bis ich mit meiner rechten Hand meine Wange berührte. Ich visierte das Ziel über den Pfeil an und hielt die Luft an. Ich spürt die enorme Spannung und zitterte leicht. Immer wieder kam die Pfeilspitze aus dem Zentrum des Zieles weg. Nach kurzer Zeit wurde die Spannung zu groß und ich ließ die Sehne los. Mein Pfeil traf gerade so die Zielscheibe am oberen rechten Rand. Verdammt, dachte ich. Das muss besser gehen.
Ich nahm mir einen neuen Pfeil und legte wieder an. Diesmal wartete ich nicht solange, bis ich die Sehne losließ. Erstaunt sah ich, dass ich diesmal wenigsten in den äußersten Ring geschossen hatte. Also den nächsten Pfeil. Auch dieser traf, wenn nicht vielbesser als der zweite. Leider hatte bei diesem Schuss die Bogensehne schmerzhaft meinen linken Unterarm getroffen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht vollführte ich einen kleinen Tanz, während ich mir den Unterarm hielt. Er tat tierisch weh. Nachdem der Schmerz nachgelassen hatte, übte ich weiter. Aber alle meine Pfeile trafen das Ziel weit vom Rand entfernt. Ich sah zwischendurch auf die Zielscheiben der anderen Probati. Auch ihnen schien es nicht viel besser als mir zu gelingen. Nur bei einer etwas weiter entfernt stehenden Scheibe sah ich viele Pfeile dicht am Zentrum stecken. Ich fragte mich, wer wohl dieser Meisterschütze wäre. Ich schoss weiter, bis mein Köcher leer war. Ich brauchte nicht lange zu warten, bis auch der letzte Probati seine Pfeile verschossen hatte.