Ich schnappte mir meine Furca und mein Pilum. Als ich mich auf dem Weg zum Dorfplatz machte, hörte ich hinter mir Victor rufen. „Grünschnabel! Wir haben noch eine Sache zu bereinigen!“ Ich hielt inne und drehte mich erstaunt zu ihm um. Was war denn nun schon wieder los, fragte ich mich. Victor sah mich böse an und kam auf mich zu. Cato und Helius wechselten besorgte Blicke und kamen schnell hinterher getrabt. Einige Schritte vor mir blieb Victor stehen. „So, Grünschnabel. Solange wir den Germanen da“, er zeigte verächtlich auf die Hütte von Aribert,“ befragten, habe ich nichts gesagt. Aber nun höre mir mal zu. Wenn du so was, wie vorhin, nochmal machst, bekommst du richtig Ärger mit mir. Verstanden? Dann kannst du was erleben! Kaum trocken hinter den Ohren und er meint, er könnte hier die Leitung übernehmen“
Mit besorgter Miene hatte ich Victor zugehört. Mann, ist der wütend, dachte ich. Ich wusste, dass ich in einer Schlägerei gegen Victor keine Chance hätte. Zwar war ich ihm körperlich mehr als ebenbürtig. Aber Victor hatte viel mehr Erfahrung im Kämpfen als ich und ich ahnte, dass er ein riesiges Arsenal an schmutzigen Tricks kannte. Außerdem wollte ich mich garnicht mit ihm prügeln. Aber ich konnte diese Sache aufgrund meines Stolzes nicht so stehen lassen. Als er fertig mit seiner Triade war, nickte ich und sah ihn streng unter zusammengezogenen Augenbrauen an. „Gut Victor! Ich werde es mir merken. Und du brauchst keine Angst zu haben, dass das nochmal vorkommen wird. Denn ich denke, dass ich in Zukunft keinen Wert auf deine Begleitung legen werde.“
Das hatte gesessen. Einen kurzen Augenblick war Victor verwirrt über meine freche Antwort. Doch dann sah ich, wie seine Augen vor Zorn Funken sprühten. „Was fällt dir ein?“, schrie er nach Luft schnappend. „Dir werde ich zeigen, wer hier auf wen verzichten kann.“ Er wollte sich auf mich stürzen, als Cato und Helius, die die ganze Zeit hinter Victor gestanden hatten, nach vorne schnellten und Victor festhielten. Cato sah mich zornig an. „Mach das du schnellstens hier verschwindest!“, sagte er zu mir. Beide hatten ihre liebe Not, Victor zu bändigen. Ich zuckte mit den Schultern, drehte mich um und ging zum Dorfplatz, um endlich Meldung zu machen.
Doch einige Augenblicke später hörte ich, wie sich jemand mir mit schnellen Schritten, die auf dem Schnee knirschten, näherte. In der Annahme es wäre Victor, schmiss ich Furca und Pilum von mir, und machte einen Sprung zur Seite. Kaum am Boden angekommen drehte ich mich um und duckte mich, um den vermeintlichen Angriff abzuwehren. Zu meinem Erstaunen sah ich, dass es Helius gewesen war, der mir gefolgt war. Hinter ihm sah ich, wie Cato immer noch versuchte, Victor zu beruhigen. Beide diskutierten heftig. Helius stand wie eine Salzsäule da und schaute mich verdutzt an. Scheinbar war meine Aktion für ihn überraschend gekommen. Ich atmete auf und machte mich daran, meine Sachen wieder aufzuheben.
„Ich wollte dich nicht erschrecken.“, sagte Helius zu mir. Ich zuckte mit den Schultern und schnaufte verächtlich. „Du hast mich nicht erschreckt, Helius. Ich dachte, dass du Victor wärest.“ Meine Aktion war vielleicht etwas übertrieben gewesen. Aber lieber so, als nachher mit blutender Nase im Schnee zu liegen. „Du musst wissen, Probus“ ,fing Helius von neuem an,“Victor ist ein alter Gladius. Er hat die letzten großen Kämpfe mit den Germanen erlebt. Die ganze Grausamkeit des Krieges und so. Das hat ihn hart werden lassen. Aber im Grunde ist er ganz in Ordnung. Nur etwas schwierig manchmal. Weißt du, er kann sich nicht mit all diesem neumodischen Zeug anfreunden! Diese zuvorkommende Art gegenüber den Germanen. Immer nett sein! Am liebsten würde er jeden einzelnen umbringen, aus Rache für seine gefallenen Kameraden. Und vorhin ist er in alte Zeiten zurückgefallen. Da wurde nicht gefragt oder gebeten. Früher hat man sich genommen, was man brauchte. Einfach so. Und wenn jemand dagegen war, dann hatte er Pech. Vielleicht verstehst du ihn jetzt besser und kannst ihm seinen kleinen Ausraster nachsehen.“ Fragend schaute er mich an.
„Nun, ehrlich gesagt, ist es mir egal. Und es gibt nichts zu verzeihen. Auch wenn das stimmen sollte, was du mir gerade erzählt hast, rechtfertigt es Victors Handeln in keinster Weise. Wenn du es genau wissen willst, verabscheue ich Victor für das, was er getan hat. Er hatte kein Recht dazu. Bei allem Mitgefühl für Victor aufgrund der schlimmen Sachen, die er erlebt hat, hoffe ich, dass ich nicht so wie er werde.“ Für mich war die Sache damit erledigt. Ich wollte endlich Meldung machen. So ließ ich den nachdenklich dreinblickenden Helius stehen und ging zum Dorfplatz.
Dort angekommen sah ich, dass scheinbar alles in Ordnung war. Zwar waren mehr Menschen dort versammelt, als am Anfang unserer Befragungen. Doch sie machten auf mich einen friedlichen Eindruck. Aber ich konnte Valerian unter ihnen nicht ausmachen. Wahrscheinlich war er noch mit einer Befragung beschäftigt, dachte ich mir. Da sah ich den Duplicarius, der scheinbar das Kommando übernommen hatte, und beschloss ihm das Erfahrene zu melden. Ich ging zu ihm und stellte mich ein paar Schritte entfernt neben sein Pferd.
„Salve, Duplicarius Cupidus", begann ich meine Meldung mit fester Stimmen, „Probatus Germanicus. Ich melde, dass die Befragung der Dorfbewohner erfolgreich war. Ein Dorfbewohner konnte uns eine Wegbeschreibung zum Lager der Banditen geben. Das Lager ist einen Fußmarsch in Richtung Nordosten von diesem Dorf entfernt. Wenn man von hier aus Richtung Nordosten in den Wald geht, trifft man auf einen großen, alten Baum. In seiner Nähe ist ein Fluss, dem man Richtung Nordosten folgen muss, um auf das Lager der Räuber zu stoßen. Nähere Angaben über die Stärke des Gegners , und ob es Wachen gibt, konnte er nicht machen.“ Ich blieb stehen und wartete auf weitere Befehle.