Beiträge von Tiberius Germanicus Probus

    Ich war gerade bei meiner dritten Runde, als plötzlich mein linker Fuß umknickte. Mir entfuhr ein leiser Schrei und, nachdem ich einige Schritte gestolpert war und nur mit Mühe mich aufrecht auf den Beinen halten konnte, blieb ich stehen. Man tat das weh! Ich entlastete instinktiv den linken Fuß, ging leicht in die Hocke und strich über den Knöchel. Schön, wenn der Schmerz nachlässt, dachte ich. Vorsichtig tastete ich an der verletzten Stelle.


    Dann drehte ich mich um, denn ich wollte wissen, was der Grund für diese unschöne Sache gewesen war. Da sah ich einen ziemlich großen Stein auf dem Boden liegen. Ich hatte ihn übersehen und war scheinbar auf ihn getreten. Verdammt! Da hatte wohl jemand etwas nach der Übung der Testudo liegen lassen. Fluchend über solche Idioten, rieb ich mir meinen Knöchel.


    Ich stand wieder auf. Vorsichtig versuchte ich weiter zu laufen. Doch an ein normales Training war nicht mehr zu denken. Humpelnd und die Zähne zusammen beißend beendete ich noch die Runde. Aber da der Schmerz nicht nachließ, beschloss ich, zum Valetudinarium zu gehen. Zuerst müsste ich noch die Pila zurückbringen. Daher humpelte ich, die beiden Pila in den Händen, Richtung Contubernium.

    Tja, unverkennbar kam der Centurio auf mich zu. Also wäre ich der erste, der das Vergnügen hatte. Vielleicht war das auch besser so. Dann hatte ich es wenigstens gleich hinter mir. Im Contubernium herrschte erwartungsvolle Stille. Jeder von uns hoffte, dass der Vitisträger nicht allzu sehr am Rad drehen würde. Denn bekanntlich kehrten neue Besen besonders gut.


    Der Iulier war noch einige Schritte von mit entfernt, als ich hörte, wie Drusus eine Meldung machte. Meine Augen zuckten kurz zusammen. Erstaunt schielte ich in seine Richtung. Aber er befand sich außerhalb meines Blickfeldes. Und den Kopf zu bewegen, dass war nicht drin. Immerhin hatte man immer in Richtung des Vorgesetzten zu blicken. So sah ich den Iulier wieder an. Ich konnte mir ein Grinsen über die Meldung von Drusus gerade noch verkneifen. Nicht weil sie schlecht gewesen war. Hätte doch der Stubenälteste nur eine ähnliche Meldung gemacht, dachte ich. Sie war nur unnötig. Denn ob Drusus fertig zur Stubenkontrolle war, ging dem Centurio höchstwahrscheinlich am Allerwertesten vorbei.


    Weiter kam ich mit meinen Gedanken nicht, denn Drusus war nun an meiner Pritsche angelangt. Ich machte einen Schritt zur Seite, damit ich ihm nicht im Weg stand. Ruhig und gelassen überprüfte er meine Ausrüstung. Und natürlich entging ihm nicht meine zerrissene Tunika, die er hochhob und mir vor die Nase hielt. War ja klar, dass das was für ihn war. Das er mir so spöttisch daher kam, war mir immer noch lieber, als wenn er mich angeschrien hätte. Barbaren mit zerrissenen Tuniken zu beeindrucken, wäre doch mal was Neues, dachte ich belustigt. Auch wenn wir beide uns schon lange kannten, so war er nun Centurio. Daher stand ich stramm.


    „Centurio Iulius!“, sagte ich laut. „Diese Tunika ist mir heute auf meinem Wachdienst kaputt gegangen. Ich bin mit ihr irgendwo hängen geblieben.“ Das er an Nadel und Faden erkennen könnte, dass ich damit begonnen hatte, die Tunika zu flicken, behielt ich für mich. Erstens weil er bestimmt selbst so schlau war, darauf zu kommen. Und zweitens hätte es sich wie eine Ausrede oder eine Belehrung angehört. Beides wäre nicht gut gewesen. Angespannt wartete ich, ob sich der neue Vitisträger mit meiner Erklärung zufrieden geben würde.


    ;)

    Ich nickte der Wache zu und ging mit ernster Miene durch die Porta. Als ich mir sicher sein konnte, dass mich keiner der Legionarii vom Tor mehr sehen konnte, grinste ich breit. Denn ich hatte schon befürchtet, dass sie bemerken könnten, dass ich Wein getrunken hatte. Zwar war das ziemlich unwahrscheinlich. Hatte ich doch danach noch etwas Wasser zu mir genommen. Zudem noch einige Zeit seitdem vergangen war. Aber sicher hatte ich mir nicht sein können.


    Um so erleichterter machte ich mich auf den Weg Richtung Contubernium. Der Tag war anstrengend und lange genug gewesen. Zum Schluss sogar noch aufregend, hatte ich doch einen meiner Verwandten näher kennengelernt und war sein Klient geworden. Jedenfalls wollte ich mich so schnell wie möglich auf meiner Pritsche lang machen und schlafen. Denn der nächste Tag würde nicht weniger Arbeit als der heutige mit sich bringen.

    Wie ich es mir gedacht hatte, hatte in der Zwischenzeit die Dämmerung schon eingesetzt. Da sich aber die Casa Germanica nur einen Steinwurf vom Castellum entfernt befand, brauchte ich nicht lange, bis ich an der Porta Praetoria ankam. Ich beeilte mich auch nicht sonderlich, denn bis zur Schlafenszeit wäre ich längst im Contubernium.


    Unterwegs dachte ich über das so eben Geschehene nach. Nun war ich Klient von Sedulus! Ich wusste nicht, ob es die richtige Entscheidung gewesen war. Das würde die Zukunft zeigen. Aber ich hatte ein gutes Gefühl bei der Sache. Und das es innerhalb der Familie war, machte die Angelegenheit vielleicht für beide Seiten einfacher.


    Am Tor angekommen meldete ich mich bei der Wache.


    "Salvete!", grüßte ich die Legionarii. "Legionarius Germanicus. Ich melde mich von meinem Ausgang zurück.", sagte ich knapp und wartete darauf durch gelassen zu werden.

    Da war ich ja in Gedanken auf dem Holzweg gewesen. Also am Geld lag es. Nun, mit meinem bescheidenen Sold als Legionarius würde ich ihm da nicht weiterhelfen können. Wenn das alles aber wirklich so kostspielig war, warum fragte er nicht jemanden anderen um dessen Hilfe? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ihm diese jemand aus der Gens verweigern und ihm Geld leihen würde.


    Und welche Regio? Da konnte ich ihm zu nichts weiter raten. Ich kannte nur Mogontiacum und die Umgebung.


    „Also wenn du mich fragst, dann würde ich mich natürlich darüber freuen, wenn du dir Germania und insbesondere Mogontiacum aussuchen würdest.“, sagte ich zu ihm lächelnd und breitete die Arme aus. „Gibt es denn einen schöneren Ort auf Erden?....Na gut, das Wetter könnte vielleicht besser sein.“ Denn ich erinnerte mich an die wehmütigen Erzählungen der aus Roma stammenden Bürger, wenn sie über die dortige Sonne sprachen. „Aber ansonsten lässt es sich hier doch gut leben.“


    Da bemerkte ich, wie Sklaven damit begannen, Öllampen anzuzünden. Zwar war es noch nicht dunkel. Aber scheinbar hatte von mir unbemerkt mittlerweile die Dämmerung eingesetzt.


    „Entschuldige, Sedulus. Ich denke, ich sollte so langsam aufbrechen. Nicht, dass ich nachher noch Ärger bekomme.“, sagte ich zu ihm. „Es hat mich gefreut, dich kennen zu lernen. Und ich danke dir, dass du mich als dein Klient angenommen hast.“ Ich blickte ihn ernst an. „Falls wir uns vor deiner Abreise nach Rom nicht mehr sehen sollten, wünsche ich dir eine gute Reise. Und deiner Frau natürlich gute Besserung.“ Dann stand ich auf und reichte ihm die Hand. Nachdem wir uns voneinander verabschiedet hatten, ging ich schnell Richtung Castellum.

    In den vergangenen Tagen hatte ich jeden Abend an meiner Fechtkunst trainiert. So langsam machte ich mich dabei. Die Hiebe mit dem Gladius waren mir nicht mehr ganz so fremd. Ebenso die schnellen Positionswechsel, die man im freien Fechtkampf einnehmen musste. Es war schon was ganz anderes als der Schwertkampf in Formation. Im Gefecht war es zwar höchst unwahrscheinlich, dass ich die Techniken anwenden konnte, die ich die letzten Tage trainiert hatte. Aber es gab mir ein Gefühl der Sicherheit. Wer wusste schon, was im Kampf auf einen zukam. Da war es besser, auf alles vorbereitet zu sein.


    Ich hatte beschlossen, in der nächsten Zeit mein Wurf mit dem Pilum zu verbessern. Die Weite, die ich damit erreichte, ging in Ordnung. Aber die Kontrolle ließ noch zu wünschen übrig. Handhabung und Zielgenauigkeit, wobei das letztere in einem echten Gefecht wiederum nicht so entscheidend war.


    Auf dem Campus angekommen, steckte ich die beiden Pila mit dem Eisen bewehrten Schaftende in den Boden und begann, meine Aufwärmrunden abzuspulen. Wie schon in den letzten Tagen war der Platz fast leer, was angesichts der bevorstehenden Übung von Vorteil war.

    Ich stand vor meiner Pritsche stramm, dem Iulier zugewandt und blickte mit strenger Miene geradeaus. Dann hörte ich die Meldung des Stubenältesten. Das war eine Meldung? Klang in meinen Ohren eher nach einer allgemeinen Begrüßung. Aber der Centurio gab sich mit einem Nicken damit zufrieden. Danach unterbreitete der neuen Vitisträger uns sein Anliegen, dass wir ja schon kannten. Stubenkontrolle! Als der Iulier befahl, die Ausrüstung auf die Pritschen zu legen, stöhnte ich innerlich auf. Warum hatte der Centurio nicht eine halbe Stunde später kommen können? Dann hätte ich wenigstens meine Tunika fertig genäht. Doch es half alles nichts.


    Ich bückte mich, kramte nach und nach die Gegenstände hervor und legte sie auf meine Pritsche. Die Tunika, die ich flicken wollte, legte ich gleich oben auf den Stapel. Was soll´s, dachte ich. Der Centurio wird sie so oder so entdecken. Und wenn sie irgendwo unten liegen würde, sähe es vielleicht so aus, als hätte ich irgendetwas zu verbergen. Außerdem zeigten doch Nadel und Faden, dass ich sie hatte reparieren wollen. Danach legte ich den Gladius und den Pugio ab und auf die Pritsche. Der Rest meiner Kampfausrüstung lag in einem der seitlichen Vorräume. Als ich mich auf den Weg dorthin machte, kamen mir einige der Legionarii voll bepackt entgegen. Dort angekommen nahm ich meine Ausrüstungsgegenstände und legte sie auf die Pritsche. Scutum, Pila und Forca lehnte ich gegen die Wand. Dann nahm ich wieder vor meiner Schlafstätte Aufstellung und erwartete mit einiger Aufregung, die ich mit einem ersten Gesichtsausdruck zu überspielen versuchte, mein Schicksal in der Gestalt des Centurios.

    Zitat

    Original von Tiberius Iulius Drusus
    Drusus stieß die Tür zu der Stube mit dem Fuß auf, sodass die Tür kräftig gegen die Wand schlug.


    "Milites venite et state!", befahl er den Soldaten und wartete auf die Ausführung seines Befehls.


    Es war früh am Abend. Die meisten Milites hatten ihr Tagwerk verrichtet und waren mit den alltäglichen Arbeiten beschäftigt. Einige putzten ihre Ausrüstung, andere waren mit den Vorbereitungen für das Essen beschäftigt, wieder andere machten in der Stube etwas sauber. Eben die Dinge, zu denen man tagsüber nicht kam und die man erledigte, bevor man den immer wiederkehrenden Puls aß und es sich danach gut gehen ließ. Ich hatte an diesem Tag mein abendliches Training ausfallen lassen und war damit beschäftigt, meine Tunika zu flicken. Auf meinem Wachdienst auf der Mauer des Castellums musste ich irgendwo hängen geblieben sein, weswegen jetzt ein ziemlich großer Riss mein Kleidungsstück zierte. Da die Tunika sonst in Ordnung war und ich keine Lust hatte, mir von meinem Sold eine neue zu kaufen, hatte ich beschlossen, sie zu retten. So saß ich am Tisch mit Nadel und Faden bewaffnet und dachte daran, dass man für solche Dinge eigentlich eine Frau haben sollte. Aber leider hatte ich keine. Kurz schoss mir die Erinnerung an Caelyn durch den Kopf. Wie es ihr wohl in diesem Moment im fernen Rom ergehen würde?


    Bevor ich in Wehmut versinken konnte, hörte ich, wie die Tür aufging und jemand in den Raum gestürmt kam. Ich blickte hoch und erkannte einen Legionarius aus unserer Centurie. „Achtung, Stubenkontrolle!“, sagte er hektisch und war schon wieder verschwunden. "Scheiße!", fluchte ich leise. Das musste der Iulier sein. Zum Glück hielten die Legionarii der Centurie in solchen Dingen zusammen und warnten sich gegenseitig. Kaum war der Miles verschwunden, konnte ich im benachbarten Contubernium die Stimme des Centurios brüllen hören. Ich blickte meine anwesenden Kameraden an. Auch sie hatten die Warnung mitbekommen. Wie auf ein verabredetes Signal stürmten alle zu ihren Pritschen und versuchten noch zu retten, was zu retten war. So rannte auch ich zu meiner Schlafstätte. Und ausgerechnet heute musste diese verfluchte Tunika in Arsch gehen, dachte ich besorgt. Ich ließ Nadel und Faden dort wo sie waren und stopfte das Kleidungsstück unter die Pritsche. Während ich mich wieder aufrichtete, überlegte ich fieberhaft, ob sonst alles mit meiner Ausrüstung stimmen würde. Im großen und ganzen schon. Vielleicht hatten die Kasserolle und das Tragenetz schon bessere Tage erlebt. Aber sonst fiel mir nichts ein.


    Da hörte ich, wie die Tür gegen die Wand krachte und nur einen Moment später die Stimme des neuen Centurio. Also das Brüllen hatte er definitiv vom Schreihals gelernt. Sofort stellte ich mich vor meine Pritsche und ging in Habachtstellung. Besorgt blickte ich durch den Raum. Aber die anderen schienen mit ihren Vorbereitungen fertig zu sein. So weit man es überhaupt sein konnte. Stramm stehend wartete ich darauf, dass der Centurio endgültig das Contubernium betreten würde. Warum konnten wir nicht das fünfte sein? Dann hätten wir immer noch etwas mehr Zeit als die anderen zur Verfügung. Egal, ob der Centurio von vorne oder von hinten mit der Kontrolle beginnen würde. Doch leider war dem nicht so. Da ich nicht der Stubenälteste war, wartete ich auf dessen Meldung.

    Kaum war der Iulier als frischgebackener Centurio in unseren Reihen zurückgekehrt, da rief der Legat den Artorier zu sich. Hah! Hatte ich also richtig gelegen, dachte ich. Ich blickte in seine Richtung und sah ihm nach, während er nach vorne zum Tribunal ging. Also würde der Centurio tatsächlich der nächste PP werden. Auch wenn es sein persönlicher Verdienst war, der ihm diese Beförderung einbringen würde, fühlte ich so etwas wie Stolz auf ihn. Denn bei den alltäglichen und normalen kleinen Frotzeleien zwischen den einzelnen Centurien, bei denen es immer darum ging, wer besser wäre, wäre es ein gutes Argument, wenn man darauf hinweisen konnte, dass man in der Centurie dient, aus der der PP stammt. Grinsend malte ich mir schon aus, wie ich bei dem nächsten Wortgefecht die anderen mit der Nase darauf stülpen würde. Dabei versuchte ich, dem Geschehen dort vorne aufmerksam zu folgen.

    Als ich die Antwort von Brutus auf meine Frage hörte, grinste ich breit über mein Gesicht. Ja, dachte ich, dass mit dem Richtigstellen kann er sich wirklich sparen. Auch wenn er tausendmal die wahre Geschichte erzählen würde, so wie mir jetzt, so würde er nichts an den Gerüchten ändern können. Bei seiner Bemerkung über die Brautgesellschaft und dem Putzen und Kochen musste ich lachen.


    „Da hast du sogar höchstwahrscheinlich recht.“, anwortete ich ihm. „Wir Legionarii sind ein geschwätziges Völkchen. Und solche Geschichten sind ein gefundenes Fressen um die Eintönigkeit des Routinedienstes aufzulockern.“ Ich lachte wieder laut auf und schüttelte den Kopf. „Mach dir nichts draus, Schildzerbrecher.“, sagte ich zu Brutus. „Sei froh, dass es nicht irgendetwas peinliches war.“


    „So, jetzt muss ich aber wirklich los.“, verabschiedete ich mich von beiden. Weiter vor mich hin glucksend ging ich zu meiner Pritsche und zerrte meine Wechselklamotten unter ihr hervor. „Bis nachher!“, sagte ich und ging bester Laune aus dem Contubernium.


    Während sich der Schreihals mit dem hohen Besuch unterhielt, schufteten wir Legionarii weiter, ohne groß auf unsere Umgebung zu achten. So bekam auch ich davon nichts mit. Die Arbeit wurde mit der Zeit recht eintönig. Erde, nichts als Erde, dachte ich ärgerlich, während mir der Schweiß den Körper hinunterlief. Und Dreck! Wir sahen aus, als hätte man uns in eine Schlammgrube geschmissen und an der Sonne trocknen lassen. Durch den Schweiß blieb Erde an unseren Körpern hängen und bildete mit der Zeit eine dicke, brüchige Kruste. Na wenigstens würde so keiner einen Sonnenbrand bekommen! Na wenigstens riss ich mir keine Holzsplitter ein, wie die Legionarii, die mit dem Palisadenbau beschäftigt waren. Doch die Wurzeln im Erdreich machten unsere Arbeit auch nicht einfacher. Zum Glück stießen wir nicht auf eine Lehmschicht. Das hätte mir gerade noch gefehlt.


    Irgendwann, ich weiß nicht wie, entwickelte sich eine Art Wettkampf zwischen uns und den Milites, die die Palisaden zusammen zimmerten. Unser Ziel war es dabei, den Palisadenerbauern immer voraus zu sein, so dass diese nicht auf uns warten mussten. Das war zwar anstrengend und ein Mal hätten wir wirklich fast verloren. Doch es gelang uns, den Wall immer einige Passi vor den Zimmerern fertig zu bekommen. Der angenehme Nebeneffekt bei diesem Spiel war, dass die Zeit schneller verging. So blickten die Männer der Centurie erstaunt auf, als der Vitisträger das Antreten befahl.


    Erleichtert atmeten die Legionarii auf. Erst jetzt merkte ich, wie mir die Schultern, Arme und Handflächen von der Schufterei schmerzten. Froh und gut gelaunt, das unser Tagwerk zu Ende wäre, machten wir uns daran, unsere Ausrüstung zusammen zu packen. Angesichts der Aussicht auf ein abkühlendes und säuberndes Bad waren alle mit Feuereifer bei der Sache. Die meisten hatten schon wieder genug Kraft für einige kräftige Kommentare. Nachdem wir in Marschformation angetreten waren, gab der Centurio den Abmarschbefehl.


    Als wir an unserer Ablösung vorbeikamen, konnten sich viele Milites unserer Centurie nicht verkneifen, die frischen Legionarii zu veräppeln. „Sieh dir mal die Mädels an. Hatten scheinbar Angst sich schmutzig zu machen.“...“Ihr seht mir eher nach Probati aus.“...“Jetzt wo die Männer gehen, schicken sie die Knaben.“... Zwar ernteten wir dafür einige finstere Blicke. Aber das war uns egal. Zumal wir einen furchterregenden Anblick boten, so dreckverkrustet wir waren. Guter Laune marschierten wir weiter Richtung Lager.


    Es war dunkel, als ich mit den anderen endlich am Lager ankam. Auf dem Weg hierher hatte ich nichts weiter gesagt. Nach der Kritik von Lupus verkniff ich mir jeglichen Kommentar. Schon allein deswegen, weil der Optio anwesend war. Allerdings konnte ich es kaum abwarten, Lupus nach seiner Meinung über die Worte des Kommandeurs der Stadtwache zu fragen. Ich hatte da schon meine Bedenken, was die Loyalität dieser Männer betraf. Aber dafür waren es zwei Centurien.


    Im Lager war in der Zwischenzeit Ruhe eingekehrt. Die meisten der Milites mussten schon schlafen oder unterhielten sich in ihren Zelten. Nachdem wir an den Wachen am Eingang zum Lager vorbeigekommen waren, entließ der Optio uns beide. Langsam gingen Lupus und ich zu unserem Zelt. Dort angekommen wurden wir sofort neugierig von unseren Kameraden befragt. Ich überließ es Lupus, auf die Fragen zu antworten. Während ich mich aus meiner Lorica pellte, hörte ich stumm zu. Auch Lupus schien so seine Bedenken hinsichtlich der Stadtwache zu haben. Interessant, dachte ich, und legte meine Rüstung beiseite. Im Gegensatz zu Lupus hatte ich keinen Hunger mehr, so dass ich mich auf mein Lager sinken ließ und weiter den anderen zuhörte.

    Aufmerksam hatte ich das Gespräch zwischen den beiden verfolgt. Zwei Centurien als Verstärkung? Das war mehr, als ich es erwartet hatte. Ich nickte leicht, während sich die beiden weiter unterhielten. Nun war ich beruhigt. Zwar wusste ich nicht, was für eine Kampfmoral und Disziplin diese Truppen besitzen würden. Aber besser als nichts. Nur hinsichtlich ihrer möglichen Loyalität hatte ich noch so meine Zweifel. Doch der Optio würde die Sache schon schaukeln.


    Morgen früh würde es also losgehen, schlussfolgerte ich aus den Bemerkungen des Iuliers. Gut zu wissen! Wusste man dann doch, was auf einen zukommen könnte. Ich warf Lupus kurz einen vielsagenden Blick zu. Nachdem Drusus sich vom Stadtkommandanten verabschiedet hatte, nickte ich diesem stumm zu und verließ hinter dem Optio das Gebäude.

    Ich lachte bei Brutus Bemerkung auf.


    „Na ich hoffe doch auch, dass er Talent dazu haben wird.“, wiederholte ich seine Worte und blickte Drusus amüsiert an. „Wenn wir schon jeden Tag diese Pampe essen, dann sollte sie wenigstens einigermaßen schmecken. Ach, und etwas Abwechselung in der Geschmacksrichtung wäre auch nicht verkehrt.“, ergänzte ich den Kommentar. Allerdings hatte ich schon längst die Hoffnung aufgegeben, dass unser Contubernium einen ähnlich guten Koch wie Lupus jemals wieder besitzen würde. Fast wehmütig erinnerte ich mich an seine Gerichte.


    „Dann bis später.“, verabschiedete ich mich von den beiden, drehte mich um und ging Richtung Tür. Doch dann blieb ich stehen. Denn mir war da noch was eingefallen, was mich brennend interessierte. Ich drehte mich um und blickte Brutus eindringlich an.


    „Sag mal Brutus.... Ich habe da so was läuten hören. Du sollst auf dem Campus bei den Übungen das Scutum eines Probatus mit bloßer Faust durchschlagen haben und den Grünschnabel dann durch den Schild gezogen haben?“, fragte ich ihn lächelnd. Denn die Geschichte klang für mich zu abenteuerlich, als das etwas Wahres dran sein konnte.

    Gespannt blickte ich dem Optio hinterher, wie er zum Legaten ging. Und ebenso angestrengt wie vorhin, versuchte ich jedes Wort zu verstehen, was die beiden miteinander da vorne wechselten. Tatsächlich! Der Optio war nun Centurio! Wahnsinn! Zwar hatte ich mir so etwas schon gedacht. Aber die Tatsache der Beförderung war da schon was anderes. Mit einem breiten Grinsen verfolgte ich, wie der Legat dem Iulier die Urkunde überreichte. Ich freute mich für ihn. Soweit man sich als Legionarius für einen Vorgesetzten freuen konnte, der einen ständig durch die Gegend scheucht. Aber der ehemalige Optio war genau wie der Schreihals dabei immer fair geblieben.


    Im Gegensatz zu den Equites jubelten die Milites unserer Centurie über die Beförderung des Iuliers. Warum auch nicht? Sollten alle unseren Stolz darüber laut vernehmen können. Nachdem der frischgebackene Centurio wieder in unsere Reihen zurückgekommen war, verstummten die Jubelrufe. Erwartungsvoll wartete ich darauf, dass der Legat nun unseren allseits geschätzten Schreihals nach vorne rufen würde. Denn wer sonst sollte die Stellung des PP einnehmen? Ich konnte mir niemand anderen vorstellen.

    Ich drückte ebenfalls die Hand von Drusus und zog sie dann wieder zurück. Bei seiner Bemerkung, dass ihm bei meinem Erscheinen flau im Magen geworden war, musste ich lachen.


    „Na vielleicht lag es auch am Puls von Brutus.“, sagte ich zu ihm. „ Da fällt mir ein. Hebt mir bitte was davon auf. Ich muss erst noch in die Thermen, mich ein bisschen frisch machen.“


    „Wie gesagt, mach dir darüber keinen Kopf mehr. Und ich denke, dass es in den einzelnen Legionen vielleicht unterschiedlich geregelt wird. Von daher würde ich schon auf die Gedienten hören. Es sei denn, sie spinnen mal wieder ihr Garn und erzählen irgendwelche Märchen. Du weißt schon, was ich meine. Aus zwei Banditen wird dann ganz schnell eine ganze Meute.“, erwiderte ich grinsend. Dieser Probatus schien sich wirklich gewissenhaft auf seinen Dienst vorbereitet zu haben. Als er meinte, dass er froh wäre, in unserem Contubernium zu sein, nickte ich leicht.


    „Ja, frage uns ruhig. Wenn wir Zeit haben, werden wir dir so gut wie möglich helfen. Aber wir werden dir nicht den Arsch abwischen.“ So langsam gewöhnte ich mir die rauhe Sprache der Legionarii an. Dann wandte ich mich an Brutus.


    "Hast du Drusus soweit eingewiesen und ihm erklärt, wo seine Sachen hinkommen, worauf er zu achten hat und vor allen Dingen, dass er demnächst das Kochen übernehmen wird?", fragte ich den Probatus.

    Allein an seinem Blick konnte ich erkennen, dass ich mit meiner Vermutung richtig lag. Und so war es auch. Mit strenger Miene hörte ich dem Mann zu. Allerdings nur mit Mühe konnte ich mir ein Grinsen verkneifen. Also scheinbar kam Drusus aus einer Soldatenfamilie. Nachdem er geendet hatte, sah ich ihn ernst an.


    „So, so. Das heute am Tor war also der civis Decimus Drusus gewesen. Und nun steht der probatus Decimus vor mir. Der sich für das Benehmen des civis entschuldigen will....Mhm...“, sagte ich zögerlich und blickte nachdenklich, während ich mir mit einer Hand über das Kinn fuhr. Für einen winzigen Augenblick war ich wirklich in der Versuchung, ihm dafür irgendetwas aufzubrummen. Doch ebenso schnell verschwand der Gedanke. Dann konnte ich mich nicht mehr verstellen und lachte auf. Kopfschüttelnd reichte ich ihm die Hand.


    „Nichts für ungut, Drusus!“, sagte ich zu ihm grinsend. „Die Sache am Tor“, ich zuckte mit den Schultern. „Vergiss sie. Und vielleicht hattest du mit deinen Einwänden sogar recht.“, fuhr ich mit einem Augenzwinkern fort.


    „Und vor mir brauchst du nicht stramm stehen. Ich bin zwar Legionarius. Aber bei uns im Contubernium ist es Sitte, sich gegenseitig zu unterstützen. Und nicht, sich das Leben schwerer zu machen, als es ohne hin schon ist.“ Da hatte Drusus wirklich Glück. Denn nicht alle Legionarii sahen das genauso. Das VIIte Contubernium zum Beispiel hatte sich nach den neuesten Gerüchten einen neuen Zeitvertreib mit den Probati ausgedacht. Sie nannten es angeblich Rammbock. Der Name war Programm. Ein Probatus musste sich seinen Helm aufsetzen. Dann schnappten ihn sich vier Legionarii, hoben ihn in die Waagerechte und donnerten den Anfänger mit Schwung, den Kopf voran, gegen eine Wand. Völlig sinn frei und überflüssig.


    „Von daher reicht es völlig, wenn du mich Probus nennst. Also dann, nochmals herzlich willkommen.“, sagte ich nun freundlich zu ihm.

    Kaum hatte ich mit der Faust laut gegen die Tür gedonnert, grollte ein tiefer Donner vom Himmel auf. Mit etwas mulmigen Gefühl angesichts des scheinbar immer stärker werdenden Unwetters wartete ich darauf, dass jemand die Tür öffnen würde. Gerade in diesem Moment ging sie auf und der Centurio blickte mich an. Mir helfen, dachte ich leicht ironisch über dessen Frage. Schick mich in meine Unterkunft. Das wäre schon mal ein guter Anfang, ging es mir durch den Kopf. Doch statt dessen stand ich stramm und machte Meldung.


    Ich wollte gerade meine Meldung machen, als ich hörte, wie ein Fenster aufsprang. Hinter dem Centurio flogen mit einem Mal die Dokumente, die bisher fein säuberlich auf dem Tisch lagen, durch die Stube. Der Artorier blickte sich um und eilte nach einem kräftigen Fluch in seine Stube. Scheinbar um das Fenster wieder zu schließen. Damit ließ er mich allein vor der Tür stehen, die sofort vom Wind aufgedrückt wurde, so dass dieser nun ungehindert die auf dem Boden liegenden Papiere aufwirbeln konnte. Für einen kurzen Moment blieb ich unschlüssig stehen. Doch dann ging ich in die Unterkunft und schloss hinter mir die Tür. Dabei achtete ich darauf, nicht auf eines der Dokumente zu treten. Allerdings konnte ich es kaum verhindern, vielleicht einige mit dem von meinem Mantel tropfenden Wasser zu befeuchten. Ich blickte mich nach dem Centurio um. Dieser hatte anscheinend das Fenster wieder fest verschlossen. Hoffentlich war ich durch mein Eintreten in seine Unterkunft nicht zu weit gegangen, dachte ich.


    „Salve, Centurio Artorius!”, grüßte ich ihn aufgrund dieses kleinen Zwischenfalls erst jetzt. „Legionarius Germanicus, ich melde, dass mir soeben an der Porta Praetoria dieses Schreiben vom Legaten für dich überreicht wurde.”, antwortete ich. Ich holte das Schreiben unter meinem Mantel hervor und reichte es ihm.



    BEFEHL
    an
    Centurio Artorius Raetinus


    Die Unwetter in Mogontiacum nehmen Überhand und der Duumvir hat die Legio um ihre Hilfe gebeten.
    Du wirst diesen Einsatz leiten, rücke mit zwei Centurien nach Mogontiacum ein, sorge für Ruhe und Ordnung, vermeide Panikausbrüche der Bevölkerung und hilf den städtischen Einheiten bei deren Arbeit. Auch sollten die Tempel verstärkt bewacht werden, sowie die Regia und die Stadtverwaltung.
    Solltest du mehr Männer brauchen, so zögere sie nicht, sie aus dem Castellum anzufordern.
    Bei Unklarheiten wende dich an den Duumvir Hadrianus.



    Kaum hatte der Centurio das Abtreten befohlen, kamen die ersten meiner Kameraden auf mich zu und gratulierten mir mit leuchtenden Augen zu meiner Auszeichnung, in dem sie mir die Hände schüttelten oder mir auf die Schultern klopften. Oder beides zugleich. Ich lächelte zurück und nahm dankend ihre Glückwünsche entgegen. Doch im Gegensatz zu den anderen, die sich kurz danach laut diskutierend, was sie auf ihrem Ausgang alles so machen würden, schnell auf den Weg zu ihren Contubernia machten, ging ich langsam und nachdenklich in Richtung der Unterkünfte.


    Natürlich war ich stolz auf die Auszeichnung. Eine Phalera! Und das als Probatus! Als sie mir der Centurio übergeben hatte, hatte ich vor lauter Aufregung kein Wort raus gebracht. Ich hatte nur mit hochrotem Kopf genickt und salutiert. Das war wirklich ein Ding und ich hätte nie damit gerechnet. Aber mit dem kleinen Appell waren auch wieder die Bilder in meinem Kopf hochgekommen. Hatte ich doch die Auszeichnung für meine Verdienste auf der Mission gegen die Banditen bekommen. Und diese Erinnerungen hätte ich lieber vergessen.


    Es war nicht das Töten der bewaffneten Männer. Damit hatte ich mich schon längst abgefunden. Wer mit dem Schwert kämpfte, musste damit rechnen durch selbiges umzukommen. Nein, es waren die Szenen aus dem Lager der Räuber, die mich immer noch mitnahmen. Die erschlagenen Knaben und Frauen. Doch das schlimmste war die Kreuzigung dieses Jungen gewesen. Wie er um sein Leben gebettelt und gefleht hatte. Seine Schreie. Und dann dieses schreckliche Geräusch, als ich seine Schienbeine gebrochen hatte. Sein Jammern und Schluchzen, während er halb betäubt von dem Schmerz am Kreuz in sich zusammen gesunken war. Dies ließ mich häufig in der Nacht schweißgebadet in meiner Pritsche hochschrecken.


    Ich wusste, dass ich auf dieser Mission irgendetwas von mir verloren hatte. Es auf dem Feld des Scharmützels gelassen hatte. Ich wusste noch nicht genau, was es war. Nur, dass meine frühere Unbekümmertheit merklich geringer geworden war. Irgendetwas hatte einen Teil meines Herzens versteinern lassen, hatte mich härter gemacht. Und ich wusste nicht, ob die Auszeichnung dies aufwiegen konnte. Ich musste unwillkürlich an den alten Victor denken. Würde ich mit der Zeit so wie er werden? Langsam ging ich weiter Richtung Contubernium.

    Immer noch alles andere als gut gelaunt, lief ich so schnell wie möglich zur Unterkunft des Centurio. Ich war froh, meinen Umhang dabei zu haben. Denn ohne ihn wäre ich im Nu durchnässt gewesen. Auf den Straßen und Wegen war nichts los. Wer konnte, befand sich in seiner Stube im Trockenen. Trotz der Kapuze schlug mir der Regen ins Gesicht, so dass ich mit feucht glänzendem Gesicht bei der Unterkunft ankam. Dann würde es wenigstens so aussehen, als würde ich schwitzen, weil ich so schnell gerannt bin, dachte ich mit einem Grinsen. Dann setzte ich eine ernste Miene auf und donnerte mit der Faust gegen die Tür.