Man konnte es kaum glauben. Nach nur wenigen Jahren, war schon wieder der Kaiser verstorben und somit befand sich der Pontifex schon wieder in schwarz gewandet innerhalb der den Umständen entsprechenden feierlichen Prozession, die die Opfertiere zum Augustalium führte. Nach dem Tod des letzten Kaiser war er zwar nicht in Mogontiacum sondern in Clarenna gewesen, allerdings hatte er da ebenfalls das Opfer mitgestaltet. Der Ablauf hier war eigentlich fast der gleiche, nur das, aufgrund dessen, dass Mogontiacum die Provinzhauptstadt war, die Feierlichkeiten üppiger ausgestaltet waren und mehr Menschen daran teilnahmen.
Im 'Tross' liefen neben einigen Sklaven des Cultus Deorum, welche die Opfertiere führten, der LAPP, die verschiedenen Magistrate, Decuriones und die drei Pontifices Petronius Crispus, Ranius Fullo und Duccius Verus mit. Natürlich war auch Phelans Vetter Witjon als Procurator dabei, befand sich aber bei den Magistraten, während der duccische Pontifex zusammen mit seinen Amtskollegen die Prozession anführte. Die Magistrate wurden angeführt von seinem Patron Vinicius Hungaricus, dem LAPP.
Nachdem sie durch einige Straßen gezogen waren, kamen sie nun auf dem Forum an. Es hatten sich schon viele Menschen auf dem Forum und dem Tempelvorplatz des Augustaliums versammelt, die die Prozession erwarteten. Das Schritttempo war dem traurigen und würdevollen Anlass entsprechend eher langsam, weshalb die zuständigen Aedituui wie Helvetius Curio genug Zeit hatten, die letzten Vorbereitungen zu treffen, als sie den 'Tross' aus der Ferne erkennen konnten.
Je näher sie dem Augustalium kamen, desto besser konnte der Duccier erkennen, wie viele Menschen es wirklich waren, kamen doch zu der farbigen Masse endlich Umrisse hinzu. Seine Augen waren mit der Zeit irgendwie schlechter geworden. Als er die Soldaten sah, stimmte ihn das zwar sicher, allerdings war er auch nicht davon ausgegangen, dass es hier heute irgendwelche Ausschreitungen geben würde.
Unter den Menschen, aber bestimmt in den vorderen Reihen mit etwas Abstand zur einfachen Bevölkerung, würde auch die duccische Familie samt Dagmar, Dagmars Kindern, Rodrik und Naha stehen, um am öffentlichen Opfer teilzuhaben.
Auch wenn der Anlass ein weniger erfreulicher war, freute sich der Pontifex dennoch auf eine Sache, welche ihn aber zugleich auch nervös stimmte. Es würde der erste öffentlich-amtliche Auftritt seiner Tochter für den Cultus Deorum sein, den sie auch noch zusammen mit ihrem Vater vollziehen würde. Dass er diesbezüglich etwas nervös war, war als Vater durch aus nachzuvollziehen, aber er war sich sicher, dass sie ihre Aufgaben mit Bravur erfüllen würde.
Fast von selbst teilte sich die Menschenmasse und schaffte einen Gang, durch den die Prozession ziehen konnte. Bevor sie den Zug in diesen Gang führten murmelte der Germane zu seinen Amtskollegen noch ein "Dann kann es also beginnen."
Als sie den Gang passierten, herrschte bis auf die musikalische Begleitung der Flötenspieler Stille unter der Bevölkerung. Allmählich bemerkten die Tiere, welches Schicksal sie erwarten würde und gaben diverse Laute von sich, machten ansonsten aber keine größeren Anstalten auszubrechen.
Die Amts- und Würdenträger der Stadt gingen die Treppen hinauf und teilten sich allmählich mit jeder Stufe, die dazukam. Wenn man die Stufen hinauf zum Tempel blickte, sah man auf der linken Seite des bereits vorbereiteten Opferaltars die Decuriones und Magistrate inklusive des LAPPs und auf der rechten Seite die Pontifices. Der duccische Pontifex sah zum Eingang des Augustaliums hinauf und suchte den Blickkontakt mit seinem Klienten Curio. War alles bereit? Er hoffte es, war sich aber sicher, dass die Aedituui alles vorbereitet hatten. Seine Tochter konnte er nicht erkennen, vermutlich wartete sie bereits im Inneren des Tempels.
Nachdem der Helvetier ihm das Zeichen gegeben hatte, signalisierte der Duccier den Flötenspieler die Musik verstummen zu lassen und den Duumviri, dass sie mit der Eröffnungsrede bzw. der Begrüßung beginnen konnten. Die Abschlussrede würde der Legatus Augusti pro Praetore Marcus Vinicius Hungaricus halten.