Beiträge von Tiberius Aurelius Avianus

    Auch Avianus war heute zu den Gladiatorenspielen erschienen. So ähnlich wie bei seinem Patronen, war es immer notwendiger, dass sich Avianus der Öffentlichkeit zeigte, dass sein Gesicht bekannt wurde, sein Name allen etwas sagte. Er fing an bei einem der spannendsten Spektakel, die man seiner Ansicht nach neben den Wagenrennen in dieser Stadt bewundern konnte, den Gladiatorenspielen. Es waren zweifelsohne beeindruckende Schauspiele, diese Kämpfe auf Leben und Tod, die Avianus gerne als Zuschauer mitverfolgte. Mehr noch als das war es für ihn bedeutend, da niemand weniger als sein Onkel Corvinus diese Spiele austragen ließ.
    Als er ankam jedoch, fing gerade der erste Kampf an, der naturgemäß weniger spektakulär war. Im Grunde fand er nur die späteren Kämpfe wirklich interessant, wo die älteren, erfahreneren Gladiatoren teilnahmen, die spannende Kämpfe insznierten und die Zuschauer regelrecht in Ekstase versetzten. Die jungen Gladiatoren starben oft in der Arena und verließen sie nur selten bei lebendigem Leibe. Nicht oft kam es vor, dass ein Gladiator sein erstes Dutzend an Kämpfen überlebte und sich wirklich einen Namen machen konnte und zu einem Zuschauerliebling wurde. Doch erst recht wurde es interessant, die Zuschauerlieblinge bei ihren Kämpfen anzufeuern, mitufiebern, ob sie es auch dieses Mal schaffen würden.


    Diese beiden hier schienen noch ein wenig zimperlich zu sein, wie sie sich gegenseitig belauerten, nur auf den ersten Schritt des Anderen wartend. Der Aurelier hatte eher die Vorstellung, dass wirkliche Profis sofort offensiv gegeneinander vorgehen würde. Doch so umkreisten sie sich, hielten das Publikum abgesehen von einigen Schreien, die durch die Arena drangen ruhig. Avianus hatte einen Platz in Beschlag genommen und hatte außer einigen Sklaven leider niemanden dabei, mit welchem er über die Kämpfe hätte reden können.

    Rastlos war Avianus geworden, manchmal erzürnt über alles, manchmal enttäuscht, manchmal war er sogar beides, so dass er nicht zuordnen konnte, welches der Gefühle in ihm stärker war. War es vielleicht ein ganz anderes Gefühl, dass nicht viele Menschen kannten? Wenige verloren schon in ihrer Jugend den Vater aus irgendeinem Grund. Einige kannten ihn gar nicht, doch sie hatten mit dem Verlust nicht zu kämpfen, denn letzten Endes hatten sie nie einen. Für Avianus war dies anders, denn er hatte immer zu jemanden heraufgeblickt. Dieser Jemand war nun tut und er wüsste nicht, an wen er sich nun wenden konnte, wenn er etwas hatte. Natürlich konnte er irgendjemanden aus der Familie ansprechen, doch er wusste, was die anderen nicht wissen durften: Die Namen der Mörder. Es war einzig und allein Avianus' Bestimmung, über sie zu richten.
    Avianus spürte die Hand seines Onkels sanft auf dem Unterarm. Eine Geste, die er ungewohnt war, so dass Avianus seinen Onkel zunächst verduzt ansah. Und ermutigt hatte er ihn, weiterzumachen. Noch war es nicht vorbei... noch lange nicht. "Ich hoffe, dass er stolz auf mich ist, denn nichts Anderes wollte ich. Und ich weiß nicht wann, Marcus... doch die Mörder werden zahlen. Das schwöre ich, so wie ich hier sitze", sprach er ernst.

    Avianus hatte den Ausführungen seines Patronen letztlich nur zuzustimmen. Am Ende musste er wissen, welchen Weg er zur Realisierung seiner Aufgabe einschlug. "Wenn ich dabei irgendwie helfen kann, so lasse es mich wissen", bot Avianus auch weiterhin seine Unterstützung an. Dass diese Informationen nur über brieflichem Wege zu erlangen waren, war für den Purgitier schade, von dem der Aurelier wusste, dass er kein leidenschaftlicher Briefeschreiber war. Doch irgendein Opfer musste man eingehen...

    Angesichts dessen, dass Avianus über diese Dinge nicht gerne redete, weil jedes Wort wie ein Felsbrocken auf seinem geschüttelten Herzen lag, musste er sich überlegen, ob er das Angebot von Narcissa in Kauf nehmen wollte. Er hob den Kopf und sah seiner Verwandten ins Gesicht, während man die Gedankenzüge seiner selbst, die im Hintergrund herrschten, nachvollziehen konnte.
    Er wollte sich einer Person anvertrauen. Sein Herz ausschütten, jemanden haben, zu dem er gehen konnte. Sich erleichtern, wie die Aurelierin sagte. So betrachtet war es keine schlechte Idee, dass Narcissa sich anbot. Vielleicht, ja, einen Funken Hoffnung hatte er, dass es helfen würde. Die Pein seiner Seele zu lindern, war etwas, was ihm nun so nah schien. "Ja, du hast recht", nickte Avianus, "Lass uns irgendwo hinsitzen." Avianus saß sich auf eine umliegende Bank und bot Narcissa neben sich einen Platz an. "Also, es ist wegen Vater", wollte Avianus beginnen, wurde jedoch überraschend von einer Sklavin unterbrochen, die unangekündigt um die Ecke kam. "Salve", sagte Avianus kurz und knapp.

    "Vermutlich aber, gibt es in Rom noch ehemalige Statthalter, die etwas berichten könnten", kam Avianus spontan auf die Idee, "Sie könnten Informationen geben, wie der Stand in ihren letzten Amtstagen war. Man könnte sie in Rom persönlich aufsuchen, wenn man Rang und Namen hat und dann mit ihnen reden. Das erspart die Briefeschreiberei." Avianus rieb sich nachdenklich das Kinn. "Andererseits wirst du wohl die zeitfressende Briefeschreiberei in Kauf nehmen müssen. Man muss ja nicht zwingend die Statthalter anschreiben, denn ich denke, dass andere Magistrate auch Auskunft geben können, wenn sie erfahren, dass du einen Auftrag des Senates hast. Es wäre wohl unklug, sie dir zu verwehren."

    Sim-Off:

    Sorry für die späte Antwort ;)


    Wenn Avianus immer selbstsicher war, hatte dies auch seine Gründe - entweder man hatte dies von ihm erwartet oder aber er musste es sein, weil es für ihn selbst erforderlich war. Von Grund auf war Avianus selbstsicher, doch diese Sicherheit wurde gestört, als er vor Jahren seinen Vater verlor. "Ja, der bin ich", antwortete die Gestalt oder auch Avianus. Er kannte Narcissa schon seit einer Weile, obwohl sie sich nicht oft in Rom gesehen hatten. Und weil er sie kannte, wusste er ganz genau, dass er die Verwandte nicht einfach hätte wegschicken können. Sie wäre nie gegangen, ohne Avianus' Sorgen auf dem Grund zu gehen. Manchmal war das gut, wenn man mit jemanden reden wollte. Aber manchmal wollte man auch etwas Ruhe. Doch Avianus entschied, dass es nicht schlecht wäre, mit Narcissa darüber zu reden.
    "Im Grunde kann mir niemand helfen", sprach er, "Es sind nur alte Erinnerungen, die wieder aufkommen."

    Was sollte Avianus jetzt noch sagen... natürlich hatte sein Onkel letzten Endes doch Recht mit seinen Worten. Natürlich war die Politik ein Spiel, in dem es darum ging, den besten Eindruck zu machen, die meisten Freunde zu haben... doch es war nicht einfach. Es fiel Avianus zusehends schwerer, je weiter er kam, desto souveräner musste er wirken. Doch es wurde immer schwerer, die Gekränktheit zu verbergen, die der noch junge Aurelier immer wieder empfand. Er erwiderte die Blicke von Corvinus, seiner jedoch war ein wenig mit Ratlosigkeit versehen.
    "Es geht mir nicht um die Erwartungen, Marcus. Ich habe gelernt, mit ihnen zu wachsen. Es ist nur schwer... ich hatte noch nie jemanden, mit dem ich den Tod von Vater richtig verarbeiten konnte. Deshalb quält mich das auch heute, verstehst du? Ich wünsche ihn mir zurück - und doch weiß ich, dass er nun in Elysium ist und ich ihm nicht folgen kann. Zu gern würde ich beenden, was er angefangen hat." Es ruhen zu lassen war etwas, was er nicht wollte. Er konnte erst ruhen, wenn die Mörder nach römischer Art bestraft wurden. Oder bestenfalls selbst tot waren...

    Avianus nickte... sicherlich war die Acta nicht Schuld an alledem, dennoch war es für ihn unvorstellbar, dass sie wirklich an alle Informationen in den tiefsten Riegen der Politik herankam. Es war für Politiker und Magistrate nicht immer klug, alle Informationen preiszugeben. Einige Dinge behielt man dann doch lieber für sich...
    "Wie auch immer, ich schätze, die Spekulationen bringen uns nicht weiter. Das ernüchternde Ergebnis ist, dass ich dich enttäuscht habe, was ich nicht gerne tue."

    Avianus atmete von dem spannenden Moment auf, die gefühlte ewig lange Warterei vor den entscheidenden Worten. Gebannt sah er zum Haruspex, der das Opfer mit prüfenden Blicken besah, den Atem anhaltend. Jede Sekunde dehnte sich zu einer halben Ewigkeit... in der Stille hörte Avianus sein Herz in der Brust klopfen. All diese Anspannung, bis zu dem erlösenden Moment, als der Mann endlich verkündete: Litatio! Das Opfer war rein, wurde angenommen von den Göttern!


    Zum Abspann der Geschehenisse konnten sie bewundern, wie der Rex Sacrorum fluchtartig das Comitium verließ. Avianus musste sich wundern - dass ein älterer Mensch überhaupt so schnell war! Doch wenn es darauf ankam, so dachte er, nahm man sich die Kraft einfach irgendwoher. Denn hier musste der Mann schnell sein, diesen Ort zu verlassen, wo er normalerweise nicht hingehörte. Bald schon sah man den Alten nicht mehr, der nicht nur das Comitium, sondern auch das Forum verließ. Unter dem Jubel der Bevölkerung. Doch für die Salier war es nun auch an der Zeit, abzuziehen.
    "Sehr gut", fand Avianus, "Heute haben wir unsere Pflicht erfüllt und die römische Tradition ausgelebt. Nun ist es an der Zeit, dass wir nach Hause gehen und uns ausruhen, es war ein anstrengender Tag. Vale bene!"

    Avianus nickte und zeigte sich durch die Umstände eher ernüchtert. Nicht, weil er dem gewachsen war, befürwortete Corvinus sein Streben. Nicht, weil er fähig wäre. Ihm war scheints egal, ob aus Avianus ein guter oder ein schlechter Senator würde. Machtpolitische Gründe hatte er also, die Aufnahme zu befürworten, doch konnte man es ihm verübeln? "Eigentlich... habe ich das", flüsterte Avianus und sah der Flamme in der Lampe seines Onkels zu, wie sie friedlich vor sich her flackerte. Sie spendete ein kleines, aber warmes Licht. Sein Blick wandte sich zu seinem Onkel.
    "In der Öffentlichkeit zeigen... das sollte ich, für wahr. Andererseits war dies der Fehler, den dein Bruder, mein Vater gemacht hat. Er ist nun tot, weil er sich der Öffentlichkeit gezeigt hat, Marcus. Und ich suche immer noch nach den Mördern", sprach Avianus mit deutlicher Bedrücktheit in der Stimme. Wieder einmal plagten ihn Erinnerungen, alte Wunden, die ihn nicht mehr plagen dürften. Er hatte immer gehofft, die Karriere würde ihm Gelegenheit geben, die Wunden endgültig verheilen zu lassen, die klaffenden Wunden, die immer aufgeschlagen wurden. Anfangs konnte er die Erinnerungen vertreiben, doch je weiter er im Leben kam, desto öfter kamen sie, desto mehr erwiesen sie sich zu einer Qual, die seine geplagte Seele malträtierte.



    *Edit: Habe nur den falschen Farbcode angepasst. :D

    Einerseits konnte man Avianus nicht vorwerfen, es nicht wirklich versucht zu haben. Andererseits hatte er sich dessen schuldig gemacht, mit leeren Händen zu kommen. Ein weiteres Mal konnte er seinem Patronen nicht helfen, die Schuld begleichen, die er hatte. Und er fühlte sich schlecht mit dem Gedanke, ein Ärgernis im besonderen Ausmaß!


    Wie das sein konnte, dies war eine gute Frage, die nicht einmal Avianus beantworten konnte. Er zuckte nur mit den Schultern, aber eine Theorie hatte er. "Scheinbar ist nicht einmal das im Aufgabenbereich der Acta Diurna. Oder womöglich war es im Interesse der Verwaltungen, dass sie zum Personalmangel nicht allzu viel nach außen dringen lassen. Der Plebs würde wohl denken, dass die Verwaltung unfähig ist, Posten neu zu besetzen. Diese Neuigkeit verbreitet sich in den Händen der Acta schnell... rein politisch gar nicht dumm, dass nicht einmal sie Bescheid weiß."

    Avianus wurde vom Diener seiner Patronen in dessen Arbeitszimmer gebracht und sogleich von Macer empfangen. Dieser saß, wie Avianus ihn immer so begegnete, an seinem Arbeitsplatz, immer beschäftigt, immer etwas zu tun. "Salve, Macer", grüßte Avianus und nahm mit einem dankenden Nicken Platz, "Ich komme mit eher ernüchternden Neuigkeiten. Ich habe mit Corvinus geredet, was die Inqiusitio betrifft... leider jedoch waren die Informationen dazu mager. Um nicht zu sagen, ich konnte auch durch ihn nichts in Erfahrung bringen." Was ein Jammer war - aber etwas, woran man nichts ändern konnte, auch wenn man wollte.

    Aus den Gedanken gerissen und etwas benommen fühlte sich Avianus eher gestört, als Narcissa ihm näher kam. Er hegte keine Antipathien für seine Verwandte, nein, im Gegenteil. Eher aus Verschlossenheit wich Avianus zurück, als die Aurelierin ihn begrüßte, ihn herausriss aus seinen Gedanken und ihm näher kam, zu nahe. Beinahe sprunghaft vollführte er einen Satz nach hinten. Er seufzte, als er in einer helleren Ecke stehen blieb und signalisierte Narcissa unweigerlich mit der Hand, ihn in Ruhe zu lassen.
    Ob alles in Ordnung sei... ja, das war eine gute Frage. Eigentlich war Avianus in Ordnung, zumindest nach körperlicher Hinsicht betrachtet. "Narcissa?", echote er, "Ähm... ach. Alles in Ordnung. Wirklich." Er versuchte es zumindest, ehrlich zu wirken, man hätte ihm also keine Vorwürfe machen können, dass er es sich zu leicht mache. Doch seine Augen sprachen anders, verrieten ihn auf das Übelste, denn sie drückten aus, dass Avianus etwas beschäftigte. Müde Augen waren es, die Narcissa ansahen, in einem unsicheren, allem überdrüssig scheinenden Gesicht, das einem unweigerlich den Eindruck vermitteln musste, dass es dem jungen Aurelier alles Andere als "In Ordnung" ging. Seine Augen waren etwas errötet, denn er hatte schlecht geschlafen. Ein leichter, blauer Rand lag unter seinen Augen und ein stoppeliger Dreitagebart lag ihm auf dem Gesicht. Wäre wohl kein Wunder gewesen, wenn sich Narcissa nun Gedanken macht... Avianus hätte das wohl selbst getan, würde er sich im Spiegel betrachten.
    "Kann ich dir helfen? Irgendwie?"

    Während die Helfer ihre Vorbereitungen zur Tötung des Stieres trafen, ergriff eine gespenstische Stille den Platz. Mit würdiger Mine, in den Momenten, vor der Flucht, beobachtete der Opferkönig, gespannt, gefasst und mit einer Ruhe im Gesicht. Die Opferhelfer schlossen bald ab und sahen den Rex fragend an. In diesem Moment wartete jeder auf die finalen Worte. Die Worte, die alles besiegelten und den Moment der Entscheidung herbeiführen sollten.
    "Age", hieß es, und die Opferhelfer legten Hand an, den Stier zu opfern... gebannt sahen auch die Salier zu. Würden die Götter über die Opfergaben erfreut sein? Wie wären die Vorzeichen?

    Nicht den Tod sollte man fürchten,
    sondern dass man nie beginnen wird,
    zu leben.

    - Marcus Aurelius



    Die Zeichen des Winters verschwanden jeden Tag immer mehr, die Kälte wich einer warmen Brise, welcher dieserzeit über Rom strich. Der Himmel war blau, frei von dunklen, erdrückenden Wolken. Avianus jedoch hatte heute keinen Grund, hinaus zu gehen, das seit langem wiedergekehrte, gute Wetter zu genießen. Dafür war er heute zu nachdenklich. Sein Leben nahm eine Wendung... er wollte in den Senat, und er hatte viele Unterstützer, doch darum ging es ihm in diesem Moment nicht. Er spazierte gedankenlos im Atrium, lustwandelte eher, dachte über Dinge nach, die ihn schon seit seiner Jugend quälten. Er suchte jemanden. Diesen speziellen Jemand. Den man suchte. Aber man fand ihn nicht. Es beschäftigte ihn schon seit Langem, doch nie fand er die Lösung für seine ungeklärten Fragen. Wütend war er, zornig auf andere Leute. Leute, die er nicht einmal kannte, über die er jedoch Anhaltspunkte hatte, von denen er nur wusste, dass sie seinen Vater damals getötet haben. Und er war zornig. Sehr sogar.
    Über seine Unfähigkeit, jemanden zu finden, den er finden musste. Doch was sollte er tun, wenn er diesen speziellen Jemand gefunden hatte, diesen Mörder? Würde er ihn ermorden? Vielleicht wollte er nur die Antwort auf eine Warum-Frage. Avianus blieb stehen und seufzte, strich sich mit der Hand durch die Haare. Er sollte sie sich wieder schneiden lassen. Wie eine von diesen dunklen Gestalten in der Subura lehnte er sich an die Wand in einer dunklen Ecke, stand ruhig da, mit seiner Mischung aus Trauer, Wut und Ratlosigkeit.


    Sim-Off:

    So... ist nicht als Alleinspielthread angelegt. Freue mich echt, wenn sich jemand dazugesellt. :)

    Schnell wurde ihm auch schon die Türe geöffnet. "Salve", grüßte Avianus trocken und eher obligatorisch, "Ja. Hat Senator Purgitius gerade Zeit?" Da der Torhüter umgehend einen Besuch bei seinem Herren vorschlug, konnte sich die Fragte danach, ob Macer Zeit hätte, auch eher als Formsache entpuppen.

    Es war nur einen Tag nach dem Gespräch mit Onkel Corvinus, als Avianus erneut die Casa Purgitia beschritt und seinen Patronen mit weniger Freude über ernüchternde Fakten unterrichten musste - nämlich, dass es seitens der Acta keine Informationen gab. Nichts - absolut nichts!
    Avianus musste wirklich grübeln, was er seinem Patronen sagen wollte. Schon im Gedanken hatte er den unzufriedenen Gesichtsausdruck des Purgitiers im Sinn und wenn dem auch wirklich so sein würde, man könnte es ihm nicht verübeln.


    Schweren Herzens erreichte Avianus die Porta der Casa Purgitia und klopfte drei Mal kräftig an.

    Avianus runzelte ungläubig die Stirn, so dass sich zwei Schluchten daraus ergaben, umgeben von einigen kleineren Falten. Er hatte jetzt mit vielen Reaktionen gerechnet. Misstrauen, Missfallen, Missbilligung oder andere Dinge, die man mit einem "Miss-" beginnen konnte. Stattdessen jedoch antwortete Corvinus mit einem überraschend widerstandslosen Antwort. Ein "Selbstverständlich". War das selbstverständlich für den Onkel, der immer meinte, Avianus ließe sich zu wenig Zeit? Was war wohl aus dem richtigen Corvinus geworden, wo war er, musste der Neffe sich fragen?


    "Selbstverständlich", echote er, "Ist das alles?" Die gefaltete Stirn wurde ein wenig glatter. "Ich hatte mit mehr... Bedenken gerechnet. Du warst immer derjenige, der meine Entscheidungen als zu schnell empfand, ich solle mir mehr Zeit zum lernen nehmen."

    Nichts war ihnen zu monoton. Keiner Anstrengung waren sie nicht gewachsen. Sie tanzten, gaben sich der Prozession hin, einige voller Lust, manche mit gewandelten Sinnen. Doch sie taten, was sie tun mussten, schwangen stilvoll, elegant, auch archaisch ihre Speere, ihre Bewegungen flossen Rythmisch mit ihrem Gesang zusammen. Jeder, welcher der Zeremonie beiwohnte, verstummte, um den maskulinen, kriegerisch klingenden Gesängen zu lauschen. Worte, die alt waren, nie jedoch in Vergessenheit gerieten, erschallten, selbst wenn sie niemand mehr so richtig verstand.
    Die Salier erfüllten ihre Pflicht, so auch die anderen, die an der Prozession beteiligt waren. Während sie sich immer weiter den auf Dauer erschöpfenden Tänzen hingaben, erfüllte auch der Rex Sacrorum, was sein Auftrag war. Mit lauten Worten und mit Aspergill weihte er den Schauplatz der kultischen Handlung ein.


    Plötzlich, nach einer Weile und beinahe zeitgleich kam die Prozession zum stehen. Der Rex Sacrorum nahm den ihm gebührenden Platz ein, um das Opfertier zu weihen und auch die Salier verstummten in diesem Augenblick mit ihren Gesängen. Man hörte sogar den Wind in den Ohren rauschen. Gebannt lauschte Avianus den Worten des Opferkönigs, während sein strapazierter Arm endlich einen Moment der Ruhe fand. Es reichte schon, dass er nicht viel in Bewegung war, damit er ausruhen konnte. Nun war schon bald der Stier zum Opfer geweiht - und er war bereit, den Göttern als Opfer dargebracht zu werden. Der spannendste Moment stand bevor...

    Avianus nickte ein wenig enttäuscht, er hatte sich zwar für seinen Patronen brauchbare Informationen erhofft, konnte jedoch nichts mehr für ihn machen. Es hätte ja sein können, dass die Acta einige Dinge aus den anderen Provinzen in Erfahrung gebracht hatte. Informationen vielleicht, die selbst beim Senat noch nicht durchgedrungen sind? Er hatte sie Acta wie ein Informationsnetzwerk vorgestellt. "Er hat mir nicht gesagt, an wen er sich gewandt hat", schüttelte Avianus den Kopf. Es war schade, dass auch hier die Unterstützung des jungen Aureliers für seinen Patronen ausblieb.
    "Dennoch, ich danke dir, Onkel. Und eine Frage hätte ich noch", er sah Marcus ernst an, "Unterstützt du es, wenn ich einen Senatssitz anstrebe?"