Beiträge von Tiberius Aurelius Avianus


    Aus dem Inneren des Raumes, Avianus war gerade mit ein wenig Papierkrieg beschäftigt, ertönte ein kräftiges "Herein!" und der Aurelier brach seine Arbeit ab, hoffend auf einen guten Vorwand um Pause zu machen. Leider schoss der Decurio sofort los und Avianus seufzte innerlich, dass es wohl nur eine kurze Pause sein sollte.


    "Salve, Decurio", grüßte der Aurelier und hörte Primus bis zum Ende zu. Das mit dem Ausgang sollte wohl kein Problem werden, weshalb er nur mit einem "In Ordnung" antwortete. Anschließend nahm er eine unbeschriftete Wachstafel unter seinem Tisch hervor und gab ihr das, was ihr fehlte - einige Worte, die den Ausgang des Terentiers besiegelten. Doch bevor er anfing, zu schreiben, musste er etwas nachhaken. "Ein Tag ist allerdings viel... ich hoffe, du kannst das auch schneller abwickeln, denn normalerweise ist eine Freistellung für private Geschäfte hart an der Grenze... wenn überhaupt."
    Avianus dachte, Primus wäre kein Ritter... weshalb es ihn wunderte, weshalb er einen Betrieb überhaupt halten durfte, denn das Gesetz sagte für Angehörige des Exercitus etwas völlig Gegenteiliges. Aber er sprach seinen Offizier lieber nicht darauf an.



    Ausgang



    Dem Decurio Gaius Terentius Primus wird mit diesem Schreiben eine eintägige Freistellung genehmigt. Sollte der Decurio innerhalb von 24 Stunden nicht wieder im Dienst sein, kann das mit Konsequenzen geahndet werden.



    Gez.


    Tiberius Aurelius Avianus



    Zitat

    Original von Gaius Terentius Primus
    Der letzte Satz des Tribuns ließ Primus innehalten. Warum nicht? Sollte der Aurelier sein Glück versuchen.
    " Wann möchtest du die Befragung durchführen?"
    Er selber glaubte zwar nicht, daß man irgendetwas anderes als das schon Bekannte aus den Männer herausholen würde, aber wollte auch gleichzeitig nichts unversucht lassen um die Angelegenheit aufzuklären.



    "So früh wie möglich", meinte der Aurelier knapp und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, denn irgendwie stresste ihn diese Angelegenheit. Und er hatte gedacht, sein Vigintivirat sei stressig gewesen! Letzendlich fragte er nach einem Moment der Ruhe nach: "Gibt es noch etwas zu bereden?"

    "In Ordnung", nickte Avianus bedächtig und fing an, mit den Fingern auf seinen Tisch zu tippeln. Dies tat er immer, wenn Entscheidungszwang auf Stress traf. Der Legat wollte mehr Informationen, und Avianus war unglücklicherweise der, der in dieser Truppe gerade stand. Und der diese Informationen beschaffen musste.
    "Decurio. Vielleicht kann ich sie auch zur Vernunft bringen. Bring mich zu ihnen." Avianus hatte nach seinem ersten Gefecht vor nichts mehr Angst... er hatte gelernt, sich zu wehren.

    Avianus wollte im Grunde ja nicht die gefallenen Barbaren bestatten... immerhin waren da ja noch gute Equites gefallen, welche sich eine gute Bestattung verdient hatten. Aber Avianus konnte nicht hellsehen und wusste von der Irritation seines Decurios nicht bescheid.
    "Das ist natürlich eine große Entscheidung, die der Vexillarius trifft. Er soll es sich gut überlegen, und wenn er sicher ist, dass er eine Truppenversetzung möchte, sollte er persönlich kommen. Wenn er zur XXII. möchte, muss das der Legat wissen", entgegnete Avianus ruhig. Noch ein guter Mann, der sie verließ.
    "Wie auch immer", sagte er, "Bereite die Bestattung unserer Gefallenen vor - und sage mir Bescheid, wann sie stattfindet, damit ich beiwohnen kann. Außerdem will ich, dass ihr die männlichen Gefangenen zum Reden bringt. Und wenn sie nicht reden wollen..."
    Avianus verstummte. Denn jeder wusste, man mit Leuten machte, die Informationen hatten und sie nicht hergeben wollten.

    Zitat

    Original von Marcus Vinicius Hungaricus
    45? rief der Legat erstaunt aus. Tribun, das ist kein Überfall mehr, das ist ja schon fast eine Kriegserklärung! Ein Überfall... Ein Überfall wären vielleicht 20 Leute oder so gewesen. Und wieso greifen 45 Barbaren unsere Leute an? Und dann auch noch soweit weg vom Limes. Geh dem nach, Tribun! Ich will wissen, wer diese Barbaren sind und was sie wollten.


    Soweit zum Thema: in Germania ist alles ruhig.


    Und man soll die Toten ordentlich bestatten.



    Sim-Off:

    Sorry für die lange Absenz, bin wieder da! ;)



    Dieser Bericht zumindest schien dem Legaten zu gefallen, der ein Faible für Details hatte. Avianus sollte es recht sein, der bestätigend nickte. "Sehr wohl, Legatus. Ich werde jemanden anweisen, sich um die Toten zu kümmern und Nachforschungen anstellen und anstellen lassen. Gibt es noch etwas?" Eine rein obligatorische Frage vor dem wegtreten.

    Sim-Off:

    So... dass ich so lange nicht gepostet habe lag nur daran, dass ich nicht da war. Jetzt bin ich aber zurück! ;)



    Avianus senkte ein wenig den Kopf, denn auch heute noch irritierte ihn diese Begebenheit. Ein Angriff, Tote, Leid, und das zu welchem Zweck? Hätte er es gewusst, hätte er keinen Patrouillenritt durchführen lassen. Aber nun mussten sie nach vorne schauen, aber auch den Toten gedenken. "Und kümmert euch auch um die Toten. Lasst sie ordentlich bestatten, wenn sie schon einen tragischen Tod sterben mussten", sprach der aurelische Tribun und horchte auf, als der Terentier noch ein Anliegen hatte.


    "Ja, Decurio?"

    Natürlich war es entgegen aller Moral, unschuldige Frauen und Kinder zu töten, und das wusste der Aurelier. Nein, selbst Männer starben, war dies irgendwie sinnlos. Doch es geschah, und das viel zu oft. Avianus nickte auf den Bericht des Decurios und ließ die Sache so stehen.


    "In Ordnung", entgegnete er knapp, "Dann kümmert euch weiterhin gut um sie. Wir werden sie früher oder später ohnehin freilassen müssen. Doch wenn man ihnen Informationen über diesen unsererseits unprovozierten Angriff abgewinnen könnte, wäre es begrüßenswert. Der Legat war über die Umstände genauso wenig begeistert, wie ich." Avianus war kein grausamer Mensch, denn vor langer Zeit wurden ihm selbst Grausamkeiten angetan. Er wollte diese Menschen im Grunde so schnell wie möglich freilassen.

    Zitat

    Original von Marcus Vinicius Hungaricus
    [...]


    Also gut Tribun. Offensichtlich hast du noch nie einen ordentlichen Bericht abgeben müssen, also merk dir das hier für die Zukunft: Alles der Reihe nach erklären. Mit wievielen Leuten hast du wo die Patrouille machen wollen, wo genau kam es dann zum Scharmützel, wieviele haben euch überfallen, wer waren diese Barbaren, was genau ist passiert, welche Befehle hast du gegeben, wieviele Tote und Verwundete sowohl von uns als auch von den anderen, wer hat sich zuletzt zurückgezogen. Und kein Detail auslassen.


    Und jetzt noch einmal.


    Ah, nun wurden sie also konkreter und Avianus wusste endlich, worüber er zu berichten hatte. Er verstand es nicht, denn das Wesentliche hatte er im Grunde gesagt: Sie wurden angegriffen. Es gab Verletzte, Tote und Gefangene. Jemand wollte sie umbringen. Es schien Avianus ein wenig unsinnig, auf Details einzugehen, die im Grunde niemanden etwas nutzten, aber eventuell würde er es noch herausfinden. Denn das Letzte, was man sagen konnte, war es, dass Avianus nicht schnell im Lernen wäre.
    Also fing er an, das Geschehen stumpf zu schildern. Stumpf nicht, weil es von Avianus so gedacht war - nein, viel eher, weil solche Berichtformen ein wenig Stumpfheit an sich hatten. Seine Meinung wollte er nicht sagen, er befolgte lieber die Befehle und nickte zerknirscht.


    "Wir waren zwei berittene Turmae in Sollstärke zu insgesamt 64 Mann. Wir befanden uns auf einen Patrouillenritt in Richtung Süden, wir hielten auf Borbetomagus zu. Es waren etwa 400 Fuß vom Castellum entfernt, als wir ein Waldstück im Land betraten - in diesem Waldstück stellte man uns einen Hinterhalt. Durch die Tatsache, dass es ein Hinterhalt war, lässt sich schließen, dass es etwas mehr oder weniger Organisiertes war. Es waren ganz bestimmt keine Trittbrettfahrer, denn zu einem Hinterhalt gehört ein genaues Ziel. Im Schutze des Waldes griffen uns circa 45 Barbaren an." Hätte Avianus sie identifiziert oder den Bericht des Decurios Terentius ein wenig früher erhalten, hätte er jetzt mit Sicherheit sagen können, dass diese Leute Chauken waren. Und dass sie nicht nur gefangene Krieger hatten, sondern Frauen und Kinder ebenfalls mitgenommen hatten.
    "Nach dem ersten gewalttätigen Kontakt befahl ich den Gegenangriff und das Scharmützel begann. Letzten Endes fielen 43 der Angreifer, 2 von ihnen wurden verletzt und gefangen genommen. Auf eigener Seite schreiben wir 10 Tote, 8 Verletzte, 2 Schwerverletzte, die sich bereit im Valetudinarium befinden. Nähere Nachforschungen folgen noch... wir werden die Gefangenen Barbaren verhören."


    Avianus hatte ausgeredet.

    Der Decurio ließ sich nach dem "Herein!" des Aureliers nicht zwei Mal bitten, trat hinein und salutierte vor Avianus. Im krassen Gegensatz zum Decurio war Avianus von den Geschehenissen letztlich strapaziert, was man ihm ansah. Und doch hatte es auf ihn eine abhärtende Wirkung. Wenigstens konnte man jetzt nicht mehr sagen, dass das kleine Senatorensöhnchen noch keinen umgebracht hatte. Zwar fielen ihm nicht so viele Barbaren zum Opfer wie dem Decurio, aber er konnte sich wehren. Und er hatte überlebt.


    "Salve", erwiderte er nur knapp und nahm nickend den Bericht entgegen. Als er ihn überflog, sprangen ihm sofort die gefangenen Frauen und Kinder ins Auge. "Halte mich über diesen... Klärungsbedarf... auf dem Laufenden. Du schreibst, ihr hättet Weibsvolk und Kinder eingesammelt. Wie, warum, weshalb, was macht ihr in diesem Moment mit ihnen?"

    Avianus runzelte die Stirn. Was sollte er denn noch dazu sagen? Interessierten Hungaricus die Verluste? Was los war, das hatte er dem Legaten doch so nüchtern geschildert, wie möglich. Wahrscheinlich wollte der Vorgesetzte Zahlen hören.
    "Sieben Tote, zwei Vermisste in der Truppe. Der Rest ist unverletzt oder erholt sich wieder von seinen Verletzungen. Die Angreifer waren entweder Räuber oder Barbaren, dem Schein nach. Einige der Angreifer haben überlebt, wir werden wohl früher oder später mehr Informationen aus ihnen quetschen können. Es sind nicht viele, 2 oder 3 Mann, aber im Angesicht des Carcers werden sie wohl ihre Zunge lockern."

    Es war schwer, die Lage detailgenau zu schildern, denn Avianus musste sich zuweilen zur Wehr setzen und alles ging so schnell, so unglaublich schnell, dass nur die schrecklichsten Bilder von diesem Kampf sich tatsächlich in sein Hirn eingebrannt haben. Und sie brannten schrecklich!
    "Es war verrückt", begann Avianus, "Sie haben versucht, uns in einem Hinterhalt aufzulauern. In einem Wald flogen plötzlich Pfeile. Dann sprangen Wilde aus dem Unterholz und hinter den Bäumen hervor und griffen uns an. Sie waren bewaffnet, Äxte, Langschwerter... die Waffen der Barbaren. Und wie solche sahen sie auch aus. Als keine Pfeile mehr flogen, ging alles in den Nahkampf, was sie hatten. Es war ein heilloses Gemetzel. Wir waren nur bereit, weil unsere Vorhut verdächtige Gestalten im Wald gesehen hatte und darüber berichtete. Einige gute Männer ließen heute ihr Leben." Mit Bedauern nahm Avianus diese Tatsache wahr.
    "Wir wissen noch nicht die Hintergründe. Vielleicht weiß einer meiner Offiziere inzwischen mehr, ich habe die anderen Turmae da gelassen, die Verletzten, unsere Toten und eventuelle Gefangene zu versorgen."

    Zitat

    Original von Marcus Vinicius Hungaricus
    Der Wachposten blickte den Tribun etwas skeptisch an, nickte aber nur und ging kurz hinein. Nach wenigen Augenblicken kam der Posten wieder heraus und sagte zum Tribun: "Der Legat lässt bitten."


    Man lies Avianus nicht warten und zwei Mal bitten lassen wollte er sich ebenso nicht, weshalb er dem Mann zum Dank höflich zunickte und dann die Schreibstube des Legaten betrat. Er salutierte. "Ich hoffe, dass ich nicht ungelegen komme. Salve, Legat", sprach Avianus und blieb mitten im Raum stehen. "Ich komme kurz aus einer Patrouille mit zwei meiner Turmae. Wir bekamen unerwarteten Besuch, wurden in ein Gefecht verwickelt." Dass Avianus nicht begeistert war, hörte man aus seinem besorgten Unterton heraus.

    Sehr schnell hatte sich der junge Aurelier in seinem Domus das Blut mit warmen Wasser vom Gesicht gewaschen und ließ sich mit der Hilfe einiger Sklaven wieder aufpäppeln, denn der Kampf hatte sichtliche Spuren hinterlassen. Als der Aurelier durch die Principia zum Officium des Legaten schritt, sah er dennoch nicht aus, wie immer. Nein, wie sollte er auch normal aussehen - er sah nur aus, wie ein Mann, der gerade zum ersten Mal einen Menschen erschlagen hatte.
    Genau diesen Eindruck hinterließ er ebenfalls, als er nach dem Klopfen den Vorraum des Schreibers vom Legaten betrat. Sie hatten Verluste davongetragen und Avianus war der, welcher er verantworten musste. Gute Männer waren gestorben, eher sinnlos, denn er wusste ja nicht genau, weshalb sie angegriffen wurden. Er wusste nur, dass es verrückt war. Mehr oder weniger ruhig sagte er dem Mann vor sich, was er wollte.


    "Salve... ich bin der Tribunus Laticlavius Aurelius Avianus... und ich brauche den Legaten. Es ist dringend und kann nicht warten."

    "Nein", erwiderte Avianus knapp und sah die besorgten Gesichter der Männer im Umfeld, "Wir sind siegreich aus dem Kampf hervorgegangen, wir hatten einige Verluste und Verletzte. Die zwei Turmae müssten jeden Moment mit den Verletzten ankommen, macht euch bereit. Ich bin hier, um Meldung zu machen. Ich muss weiter, ihr verzeiht..."
    Somit gab der Patrizier seinem Ross das Zeichen, die Via Praetoria entlang zu traben. Zunächst musste er für ein ordentliches Erscheinungsbild sorgen.

    Er war nicht mehr blass und in sein Gesicht kam langsam wieder Farbe. Doch auch rote Farbe vom Blut eines erschlagenen Barbaren prangte an Avianus´ Gesicht und er konnte noch immer nicht wirklich fassen, dass diese Lebensmüden tatsächlich zwei bewaffnete Turmae angegriffen hatten. Die Blutspritzer an Avianus´ Wange zeigten, dass es ein heftiger Kampf war und der Gallopp, in dem er zum Castellum ritt, war auch aus weiter Ferne nicht übersehbar. Vor der Porta brachte er Aiolos zum Stehen.


    "Tribun Aurelius... und Patrouille wurde gestört." So wie er aussah, war es wohl eindeutig. "Ich gehe den Legaten sprechen." Selbstverständlich musste er halbwegs ordentlich vor seinen Vorgesetzten treten und wird sich in seinem Hause noch einmal aufbrezeln müssen...

    Da sich Avianus immer noch auf dem Weg befand, war es für ihn im Grunde unnötig, abzusitzen. Im Gegenteil, weg von dem Pferd hätte er ja sonst einen entscheidenden Vorteil eingebüßt, hätte ihn noch einer dieser Lebensmüden angegriffen. Ihn hatte niemand angegriffen, denn nachdem sich herumgesprochen hatte, dass der Tribun keinesfalls ohne Fähigkeiten war, vermied man ihn fast schon - denn vorher hatte man ihn wohl unterschätzt.
    Avianus hatte getötet. Er war kreidebleich, als sich der Kampf dem Ende näherte und glücklich, dass dieser unfreiwillig gefährliche Patrouilleritt nun ein vorzeitiges Ende fand. Als der letzte Barbar sterbend am Boden lag, saß Avianus endlich ab, um zwischen den Leichen von Freund als auch von Feind nach dem Decurio zu suchen. Der Anblick sorgte dafür, dass selbst den Berufssoldaten sich der Magen umdrehte, geschweige denn Avianus selbst. Dem "Senatorensöhnchen", wie sie ihn nannten, der jedoch auch Blut an Händen und Gesicht trug.


    Avianus steckte seine Spatha zurück, als der Terentier auftrat. Sein Hand zitterte ein klein wenig unter der Aufregung, doch er spannte sie an, um sie ruhig zu halten. Ob er wohlauf sei, fragte er. "Zumindest gehts mir besser, als dem da", sagte er düster und zeigte auf den Barbaren, welcher an dem Senatorensöhnchen gescheitert war.
    "Kümmert euch um unsere Verletzten und Toten", bestätigte Avianus, "Doch was wollt ihr mit den Barbaren? Diese Männer wollten uns allesamt umbringen. Ihre Verletzten haben keinen Wert für uns." Worte, über die Avianus selbst staunte, denn er hätte nie von sich gedacht, so etwas jemals selbst zu sagen.


    "Ich werde zurück ins Castellum reiten, dem Legaten diesen Zwischenfall melden." Avianus änderte seine Meinung über die Verletzten. "Nehmt die verletzten Barbaren mit. Vielleicht haben sie doch Wert."
    Mit diesen Worten stieg der Aurelier auf Aoilos und ritt gen Castellum.

    Kaum hatte der junge Aurelier seine Spatha gezogen, schon fand er sich inmitten eines Kampfes wieder. Laute Schreie echoten durch den Wald und schienen sogar die Bäume erzittern zu lassen. Die Pfeile wurden nicht mehr abgeschossen. Alles, was hier und jetzt anwesend war, ging in den blutigen Nahkampf über. Avianus wurde kreidebleich, doch er war tapfer. Sein Vater würde sich im Grabe herumdrehen, würde er Avianus verängstigt sehen, einen Feigling, der ist nicht wagte, dem Feind ins Antlitz zu sehen. Er war umgeben von zwei Barbaren, welche um ihn kreisten. Und Avianus sah ihnen in die Augen, und er sah mehr Dummheit als Können. Sie lachten ihn aus und spotteten durch ihre Bärte in unverständlichen Lauten, gehüllt in fremder Sprache. Zu überlegen, was dies für Leute waren und ob sie lebensmüde waren, dazu hatte Avianus keine Zeit. Der Erste setzte zum Angriff an und das Adrenalin in seinem Körper half dem Aurelier, blitzartig abzuwehren. Der Zweite griff an, als Avianus mit der Pharma abwehrte... Avianus parierte mit der Spatha. Sich hier abwechselnd angreifen zu lassen, würde ihn auslaugen und wäre sein Ende. Avianus hatte beim Decurio gelernt, was zu tun war: Er brach durch und löste die Umzingelung, sein Herz raste und er müsste jetzt zum Gegenschlag ansetzen. Aiolos blieb so ruhig, wie ein Legionspferd unter solchen Umständen bleiben konnte. Für das Umfeld blieb nicht viel Zeit - es war genauso blutig und dass so viele Räuber, Barbaren und sonstiger Abschaum zueinander gefunden hatten, musste an ein großes Unheil grenzen.


    Wenn Avianus Wut brauchte, dachte er an den Anblick seines toten Vaters und dass er die Mörder vor sich hätte. Das tat er jetzt und ein Mal mehr half es. Er wandte Aiolos und stürmte im Gallopp auf die Räuber zu. Es waren Sekundenbruchteile und Avianus´ gesamter Zorn schien sich in Form dieses einen Hiebes mit der Spatha über einen der Räuber zu entladen. Das improvisierte Schild des Hühnen zerbarst unter der Wucht des Hiebes und der Mann wurde einige Meter zurückgeworfen. Avianus verlor unter der Erschütterung des Schlages beinahe seinen eigenen Halt. "Bastard", schrie Avianus für einen Patrizier unschickliche Worte. Der Kamerad sah eine große Chance auf ihn zukommen, holte mit großer Wucht aus, um seine barbarische Axt in Avianus´ Seite zu schlagen, doch dieser vergaß ihn nicht und regierte ebenso auf die Attacke. Mit großer Wucht schlug die Axt in Avianus´ Pharma ein und er selbst schien die Erschütterung zu spüren. Nun musste der Aurelier um sein Schild kämpfen, doch da die Axt feststeckte, war es nur so lange wertvoll, wie er die Chance hatte, den Barbaren zu entwaffnen. Sie zogen beide ächzend nach ihrer Seite. Die Axt hatte sich im Schild verkeilt. Und Avianus wusste, dass er das Duell nicht alleine gewinnen würde, doch hatte Avianus die Kraft von Mensch und Pferd, diese war einem einzelnen Menschen überlegen. Er zog kräftig an dem Schild, im selben Moment, als er Aiolos den Befehl gab, nach Vorne zu ziehen. Der Plan ging auf und der Barbar verlor seinen Halt, stand ohne Waffe da. Avianus ließ Aiolos wenden. Ein Hieb. Der Feind blockte mit dem Schild. Ein zweiter Hieb. Auch das Schild zersplitterte und hinterließ bei dem Mann eine blutige, rot gefärbte Hand. Der dritte Hieb, aufgeladen mit Avianus´ Rage. Die Spatha steckte im Nacken des Mannes, welcher schmerzvoll aufstöhnte, etwas erkannte, und das umso korrekter: Es war für ihn vorbei. Avianus zog die Spatha mit starkem Druck hinaus. Blut rannte aus der Wunde, als hätte man den Mann ausgepresst. Ein Knacksen unterstrich die Schrecklichkeit der Verletzung. Ein Streich gegen die Gurgel beendete das Leid. Der leblose Körper sackte zusammen. Avianus´ Gesicht wurde mit Blutzspritzern durchzogen und der andere Barbar schien das Weite gesucht zu haben.

    Avianus folgte Primus auf den Übungsplatz der Equites, und so wie es sich für einen Kavalleristen gehörte, nicht zu Fuß, sondern auf dem Rücken seines Pferdes. Dieses war zwar nur ausgeliehen, aber ein beeindruckendes Tier. Aiolos und Avianus würden wohl gut miteinander auskommen. Ersterer machte keine Mucken und der Mensch auf ihm so oder so nicht.
    Vor seinem Augen bot sich ein Labyrinth aus Übungsstrecken und Hinderniswegen, und der junge Aurelier musste zunächst realisieren, dass er es nun war, der diesen Parcours überwinden musste. Das möchst unversehrt. Hoffentlich.
    Als der Decurio auf die Barbarenansammlung, selbstverständlich keine Echte, sondern aus Übungspuppen, zeigte, fielen Avianus die Bilder des Auftrittes ein, den der Terentier abgelegt hatte. Ruhig blieb Avianus auf seinem Ross sitzen und er gab eine Antwort von sich, die er in einer solchen Gelassenheit selbst nicht von sich erwartet hätte.


    "Na gut... soll ich anfangen?"

    Die Reiterei befand sich momentan im Ausnahmezustand. Die Decuriones und Duplicarii brüllten ihre Befehle umher und wiesen die Männer an, vorsichtig zu sein. Sie waren an einer für Angreifer günstigen Stelle. Der dunkle Wald war in der Nähe und es schien durch den bewölkten Himmel keine Sonne, die den Wald hätte erhellen können. Eine martialische Stimmung herrschte und obwohl noch nichts sicher war, vertraute Avianus so sehr auf die Eingebung der Vorhut, dass sein Adrenalingehalt in die Höhe schoss. Wenn sie angegriffen werden würden - was sollte Avianus tun? Er hatte geübt. Doch er war kein Profi. Und getötet hatte er auch noch nicht.

    "Wenn es Renegaten sind, versuchen sie immer zuerst die Offiziere zu töten"
    , hörte Avianus den Decurio sagen.
    "Dann pass auf dich auf, Decurio", erwiderte Avianus nickend. Sie preschten sogleich zur Vorhut und Avianus sah nach rechts in den Wald, während die Offiziere ihre Besprechungen durchführten. Er hörte nur zu und wandte seinen Kopf nach links, als er ein Knacksen im Unterholz vernahm. Hatten die anderen es gehört? Oder war es Einbildung, ein Produkt seines aufgeregten Gemütes? Sie ritten weiter, geradewegs und unerschütterlich in den Wald. Nur Avianus war ein wenig besorgt, und es machte ihn umso vorsichtiger.
    Als sie durch den Wald ritten, einen flachen Hügel links neben der Truppe entlang des Weges umritten, wurde im Hintergrund ein Bogen gespannt. Und ein zweiter. Lang wurde die Sehne von der Gestalt in der Dunkelheit gespannt. Sie ließ los und schickte den Pfeil auf eine lange Reise zwischen Baum und Busch und der Pfeil schlug vor dem Tribunen ein, verfehlte Aiolos nur knapp. Ein zweiter Pfeil flog und tref die Pharma des Tribunen. Die Pfeilspitze ragte am anderen Ende heraus, Avianus jedoch war unversehrt und war aufgestachelt, so sehr, dass man ihn nicht wieder erkannte. Wilde, große Männer sprangen hinter den Bäumen hervor, waren bewaffnet mit Äxten, Langschwertern, einigen Speeren. Ihr letzte Rasur musste Jahre zurückgelegen haben.


    "ANGRIFF!!!"


    Aiolos schien es zu spüren und trabte auf der Stelle herum. Tapfer zog Avianus seine Spatha. Egal, was kommen würde. Er würde sich wehren.

    Dass sein Pferd zwar schön, aber für den Legionsdienst untauglich war, hätte sich Avianus denken können. Zum Glück hatte Primus ein Tier, welches er ihm zur Verfügung stellen wollte. Und es war nicht nur Irgendeines, sondern ein gleich so prächtiges Pferd! "Aiolos. Ein schönes Pferd, welches du hast", kommentierte Avianus.
    Erst zurückhaltend sah sich Avianus das Pferd und die umliegenden Männer näher an, dann wurde Aiolos ihm näher geführt. Avianus streichelte lächelnd die Wange des Pferdes und ließ sich still stehend beschnuppern. Anschließend nahm er die Zügel entgegen und die Bindung zwischen Kavallerist und Pferd schien besiegelt. Der Aurelier tätschelte Aiolos den Hals und antwortete Primus:


    "Hoffentlich wird es nicht nötig sein, dass er mir in den Tod folgt. Es wäre doch eine Schande, oder nicht?"