Beiträge von Tiberius Aurelius Avianus

    Ah, Gewalt durch Hunger, dachte sich Avianus und schüttelte ebenso den Kopf. Zum Glück war er bei solchen Kampfhandlungen nicht dabei gewesen, denn es war sicher schrecklich, was beide Seiten dort erlebt haben. Brutale Kämpfe geschahen hier in dieser Ecke des Imperiums sicher oft, denn die Barbaren gaben sich sicher nicht damit zufrieden, dass dieses Land den Besitzer wechselte... Zivilisation hineingebracht wurde...


    "In Ordnung", sprach Avianus, "Dann werden wir sporadische Präsenz zeigen. Übermorgen bei Sonnenaufgang."


    Avianus sah den Decuriones in die Augen. "Wenn es nichts mehr gibt, dann lasst euch eure Zeit nicht mehr nehmen."



    Als der ritterliche Stabskollege mit seinem Anliegen rausrückte, war nun Avianus dran zu schildern, weswegen er hier war. Er trat einen Schritt nach vorne und tat dies sogleich:
    "Praefectus. Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung", sprach der Aurelier kurz stellvertretend für beide Tribuni, "Ich bin hier, um eventuell anstehende Aufgaben für die Reiterei einzuholen."

    Avianus lebte im fernen Italien und bekam nicht alles mit, was in Mogontiacum vor sich ging. Ehrlich gestanden kümmerten ihn die Geschehnisse in Germanien wenig, denn er lebte eigentlich weit weg davon und hatte es nie und nimmer als Möglichkeit betrachtet, doch einmal hier zu sein. "Eine Revolte? Welches Ausmaß? Das muss bedeuten, dass es um die Kaisertreue der Provinz nicht so rosig steht. In Italien würde sowas nicht passieren." Wenn er es nicht wusste, hinterfragte er schlicht.


    "Sicher", grinste Avianus und war sich bewusst, dass ein wenig Selbstverteidigung nie schaden konnte.

    Geduldig erwartete der Aurelier ein Signal aus dem Inneren und feuchtete sich die Lippen an, als eine ihm unbekannte Person auf gleichem Kurs ihn von der Seite ansprach. Interessiert wandte sich der Blick des Aureliers in die Richtung, aus der die Stimme kam. Ein durchtrainierter Mann, aber von der Aufmachung her ein Stabsoffizier, stand vor ihm. Ritterlicher Tribun, ganz sicher, mutmaßte Avianus und ließ sich dies bestätigen, als der Octavier sich vorstellte.


    "Salve, Tribunus", lächelte er, "Ja, ich suche den neuen Praefectus auf. Ich bin Tiberius Aurelius Avianus, Tribunus Laticlavius. Es ist mir eine Freude, Octavius".
    Kaum endete der Aurelier, schon wurden sie vom Lagerkommandanten hineingerufen. Die Rufe ähnelten jenen des Vorgängers, dachte sich Avianus.


    "Ich würde sagen, wir gehen rein, nicht", fragte Avianus rhetorisch und schrat sogleich durch die Türe.
    "Salve, Praefectus Iulius!", grüßte er sporadisch, etwas geübter als die letzten Tage und ließ dem Ritter den Vortritt...

    Der alte Praefectus Castrorum, den Avianus nur begrenzt vom Sehen her kannte, zog wieder seines Weges und gab seinen Posten an seinen Nachfolger, Drusus ab. Für den jungen Avianus war das kein Unterschied, kannte er den Artorier doch nur von einer groben Einweisung heraus und hatte danach größtenteils selbstständig zu arbeiten gehabt. Trotzdem war Avianus gespannt, wer dieses Mal vor dem Schreibtisch hinter Papierbergen sitzend schreiben würde. Er hatte Drusus auf dem letzten Appell schon einmal gesehen, doch auch seine Art kannte er nicht.


    Vor dem Officium des frisch ernannten Lagerkommandeurs klopfte der Aurelier drei Mal lautstark an und zupfte sich die Uniform zurecht. Sicherlich warteten schon neue Aufgaben auf den senatorischen Tribun, denn ihm sollte es ja nie beschieden werden, Langeweile zu verspühren...

    200 Meilen, 16 Stunden, mit dem Risiko, sich auf Kämpfe gegen marodierende Barbaren und Plünderer einzulassen, Verluste zu erleiden und strapaziert und blutgetränkt heimzukehren. Klasse, hätte ein Vollblutsoldat vielleicht gesagt. "Das war wohl keine gute Idee", sagte stattdessen Avianus, "Ich will die Truppe hier nicht als Einer verlassen, der sie in völliges Chaos gebracht hat. Ich hätte den Ritt überstanden, aber unnötige Risiken sind auch nicht mein Interesse. Bleiben wir dann bei Borbetomagnus."


    Auf die Bemerkung hinsichtig der Gefechtsdisziplin lächelte der Aurelier milde. "Mein Vater hat mit Sicherheit keinen undiziplinierten Barbaren großgezogen. Doch ein Schwert führen... nein, das kann ich nicht wirklich." Avianus' Gesicht wurde ernst und er näherte sich dem Decurio, um ihm zuzuflüstern: "Aber ich will es lernen. Was meinst du, Decurio?"

    Der müde Torwächter (er hatte letzte Nacht schlecht geschlafen) grüßte den Duccier mit einem unspannenden "Salve" und hörte bei der Schilderung des Zivilisten nur bei dem zu, was wirklich wesentlich war: Marcus Duccius Rufus, Duccia Vera, Freya, Aushang, Praefectus Castrorum, Versorgung. Na gut, das müsste ja erstmal reichen, dachte sich der Torwächter und war sich sicher, dass er den frischgebackenen Praefecten sprechen wollte.


    "Also den Praefecten findest du, wenn du Glück hast, in seinem Officium in der Principia. Einfach die Straße da vorne entlang. Waffen haste ja keine dabei, denke ich", sprach der Mann gelangweilt vom alltäglichen Dienst und durchsuchte den Duccier grob nach besagten Waffen. "Muss leider sein. Routine." Bei der Begleiterin hielten sie sich zurück, auch wenn es wohl ein grober Fehler war. Die Duccier würden sicher nicht auf die Idee kommen, Mätzchen zu machen. ;)

    Als der Praefect mit seiner kurzen, aber durchdachten Rede endete, stand Avianus immer noch auf dem Tribunal und musste feststellen, dass seine Beine ihn dafür hassten, untätig herumzustehen. Denn sie machten keinen Hehl daraus, dies Avianus spüren zu lassen und schmerzten so allmählich. Dabei war das Ende des Appells noch lange nicht in Sicht.


    Als der Praefectus Castrorum zu den Männern des Stabes zurücktrat, nickte Avianus ihm kurz zu und hörte den Legaten schon nach dem nächsten Mann rufen. Dieses Mal würde ein Centurio hinaufkommen. Würde dieser Iulius Drusus die Nachfolge des Artoriers einnehmen, fragte sich Avianus und vergaß seine Beinschmerzen dabei.

    Im Trainingszustand mochte ja eine Truppe wie die Leibgarde des Kaisers sein. Aber hätte Avianus Gedanken lesen können, wäre er sich sicher gewesen, dass er geantwortet hätte mit: Diesen Zustand muss man auch halten. Auf die Ausführungen des Decurios nickte der Aurelier und nahm anschließend doch Platz, grübelnd. "Nun, was das Futter anbelangt, verlasse ich mich einfach auf euch", wandte Avianus ein, "Und ja, die Patrouille werde ich begleiten. Wie wäre es mit einem Ritt gen Norden?" Nungut, im Norden waren sie nach Avianus´ Geschmack schon mehr als genug, aber es gab sicherlich einiges zu sehen und vor allem zu überprüfen. Borbetomagus wäre eine Möglichkeit gewesen. Doch die Legion ist nicht weit davon, es gäbe wohl kaum Besonderheiten zu entdecken und auch die Strecke war wohl ein wenig kurz für eine Mischung aus Übungsmarsch und Patrouille.

    Auch Avianus hatte sich mit dem Stab auf dem Tribunal eingefunden und verfolgte die Rede und die Formalitäten mit. Ein beeindruckendes Schauspiel, wenn sich eine ganze Legion hier versammelte. Als die Offiziere sprachen, welche im Rang allesamt über Avianus standen, verstummte die Menge schlagartig und lauschte den Worten. Eine Parallele, die Avianus in seiner eigenen Karriere vergeblich suchte. Er hatte schon einmal vor Menschen auf dem Forum in Rom geredet, und diese Leute waren weniger still ist die gedrillten Legionäre hier. Doch an Monumentalität fehlte es der Zeremonie nicht und kam sogar sehr nah an die Reden in Rom heran... zumindest erkannte Avianus kaum einen Unterschied in der Zahl der Personen.

    Die Stärkemeldung der Turmae schriftlich zu erhalten, erstaunte Avianus aufs Ganze, weshalb seine Augenbrauen unkontrolliert in die Höhe schnellten. Schnell waren die Jungs von der Reiterei, und jetzt entdeckte er sogar die mentalen oder geistlichen Qualitäten der Decuriones... konnten die etwa...? Quatsch! Aberglaube, vielleicht haben sie sich nur gut vorbereitet! Avianus überflog die Berichte schnell im Stehen.


    "Das klingt nach sauberer Arbeit", kommentierte Avianus. Die Pferde schienen wirklich nicht im eigenen Mist zu versinken. "Decurio Terentius", sprach Avianus den Redenden an, "Sollte der Vorrat nur noch für fünf Tage reichen, bauftrage ich dich mit der Aufstockung derer. Wie viel fressen die Legionspferde täglich? Besorge uns so viel, wie du für die nächsten Wochen für nötig hälst. Darüber hinaus könnte den Pferden ein kleiner Ausritt nicht schaden, und ihren Reitern ein kleiner Übungsritt. Wir wollen die Truppe ja tauglich halten. Was haltet ihr von einer Patrouillie in der Nähe des Limes?"

    Wer da hereintrat, waren nicht normale Soldaten, merkte Avianus grinsend, sondern Männer mit der Statur eines Mars. Sowas konnte er zumindest denken, denn diese vier Decuriones schienen auf Disziplin viel zu halten. Eine Eigenschaft, die Avianus schon einmal gefiel.


    "Salve, Decuriones!", grüßte Avianus zurück, "Nun, ich will eure und meine Zeit nicht besonders verschwenden." Der Aurelier holte eine Schriftrolle aus seinem Tisch und begann, im Stehen zu schreiben. "Kommandant: Tiberius Aurelius Avianus". Darunter sollten die Decuriones und der Zustand ihrer Truppe stehen.
    "Es ist schon einmal eine Freude, das Kommando über eine so schnelle Truppe erhalten zu haben. Ihr hört richtig, in meiner Amtszeit werde ich der Kommandant der Reiterei sein", erklärte Avianus die Lage, "Zunächst würde mich der Zustand und die Mannstärke eurer Truppen interessieren. Und danach, ob ihr irgendwelche Arbeiten am laufen habt oder ob es etwas gibt, was unserer Arbeit bedarf."

    Das Officium war bezogen, die persönlichen vier Wände ebenfalls und so neigte sich ein aufregender erster Tag in der germanischen Legion dem Ende zu. Arbeit gab es bis jetzt noch nicht und die Sklaven hatten alles fest im Griff. Sollen sie in Ruhe arbeiten, hatte sich Avianus gesagt und entschied sich, das große Lager mit so vielen Menschen darin zu erkunden, denn noch kannte er nicht jeden Winkel davon. Und es war bedenklich, wenn ein Tribun sein Lager nicht vollständig kannte. Der junge Aurelier hatte sich fest vorgenommen, die Fußstapfen seines Vetters Ursus und davor seines Onkels Corvinus nicht zu verschandeln. Das hätten sie doch nicht verdient.


    Während Avianus in entspanntem, ruhigen Gang durch den nördlichen Teil der Via Preatoria lief und dabei den Komplex aus vielen verschiedenen Gebäuden mit verschiedenem Sinn und Zweck bewunderte, dachte er über sein Leben nach. Er sah zu sich hinab, prächtig gehüllt in einer Rüstung und dachte darüber nach, wie sein Vater den jungen Avianus jetzt wohl erlebt hätte. Sein Vater, der nun tot war. Und Avianus spekulierte, wenn er schon an seinen Vater dachte, darüber, ob er hier an der Legion noch die Kunst, ein Schwert effektiv zu führen, erlernen sollte. Denn obwohl er Stabsoffizier war, wäre er wohl genauso leichte Beute für einen geübten Kämpfer. Das musste er sich eingestehen. Und vielleicht würde es nie schaden, wenn man sich wehren konnte und Avianus würde dies müssen, wenn er die Mörder seines Vaters nach seiner Rückkehr suchen wollte. Sein Leben spielte sich imaginär vor ihm ab und es waren düstere Erinnerungen, die größtenteils vorkamen. Doch auch Schöne Erinnerungen, die sein verstorbener Vater Avianus mitgegeben hatte, um noch an den dunkelsten Erinnerungen ein Fünkchen Licht zu haben. Regulus hatte öfter Angst, bei Avianus versagt zu haben und so manches Gespräch zwischen Mutter und ihm hatte er selbst, zwar frech und heimlich, als kleiner Junge mitgelauscht und war sich immer sicher, dass sein Vater sich umsonst so verrückt machte. Aber diese Eigenschaft hatte Avianus geerbt.
    Inmitten des geschäftigen Lageralltags und regem Verkehr auf der Via, blieb Avianus stehen und warf prüfende Blicke auf sein Umfeld. Ein mit Maultier bespannter Karren zog unbehelligt an ihm vorbei und Avianus begutachtete mit Argus-Augen die Ladung des Transports. Schien in Ordnung zu sein. Der Aurelier machte kehrt, als er die Porta Decumana zu erreichen drohte und hielt sich südwärts, um wieder in Richtung der Porta Principalis Sinistra abzubiegen und sich an den Kampffertigkeiten der Legionäre zu ergötzen. Mit Schwert und Schild zu kämpfen und dann noch zu siegen musste eine Kunst sein. Eine, die Avianus nur zu gern erlernen würde...

    Gerade hatte Avianus sein letztes Einrichtungsstück, eine kleine Jupiterstatue auf seinem Tisch zur Verzierung abgestellt und schon hörte er ein kräftiges Klopfen von außen. Die Reiterei war eine schnelle Truppe, und diese Meinung festigte sich, denn anderen Besuch außer den Decuriones erwartete der Aurelier momentan nicht.


    "Herein", übte Avianus auch seine Stimme, um später laute Befehle rufen zu können.

    "Den Praefecten werde ich sicher noch zu Gesicht bekommen", erwiderte der junge Aurelier und spannte seine Haltung an. Dieses Mal sogar ein wenig besser als beim ersten Mal. Mit einem Klopfen auf die Brust, so salutierten die Soldaten, verabschiedete sich Avianus: "Vale, Legatus!" Somit verließ Avianus das Officium des Oberkommandierenden...



    Sim-Off:

    Den hat Avianus in dem Fall schon getroffen, damit ich nicht mich selbst spielen muss... ;)

    Das hörte sich nach nicht allzu viel Arbeit an. Da Avianus schon sehr viel Zeit und Mühen in Abarbeitung von Erbschaften investiert hatte, würde sich das Kommando über eine unbeschäftigte Reiterei wohl nicht als Zuckerschlecken, aber immerhin tragbar entpuppen. "Nun gut", sprach der Aurelier und erhob sich, "Ich danke dir für deine Einweisung, Legatus. Mit deiner Erlaubnis werde ich mich auf den Weg machen, mein Officium und das Haus zu beziehen."

    Während die Sklaven den Auftrag hatten, sich bis zu Avianus´ Rückkehr die privaten vier Wände unter die Lupe zu nehmen, wollte der junge Aurelier es sich nicht nehmen lassen, sein Officium und so etwas wie unerschlossene Felder selbst zu begutachten. Er war neugierig und auch etwas aufgeregt, während er mit seinem Schreibzeug, einigen Papyrusrollen und Habseligkeiten durch die Gänge der Principia zu seinem Officium marschierte. Als er vor dem mit solch Vorfreude erwarteten Raum ankam und den Schlüssel durch das Schloss schob, pochte sein Herz noch schneller, als würde es noch einmal einen Gang höher fahren.
    Doch weshalb war der Aurelier überhaupt so aufgeregt? Zum einen wohl wegen der Tatsache, dass er nun sein erstes Officium extra für die Arbeit zur Verfügung gestellt bekam. Er kannte so etwas nur von seinem verblichenen Vater. Sein Vigintivirat über hatte er größtenteils in der Villa Aurelia gearbeitet.


    *Klack!*, machte das Schloss und Avianus schob die Tür beiseite, um einzutreten. An einer Wand stellte er das Gepäck ab und sah sich interessiert im Raum um. Er stellte fest, in der Villa Aurelia war die Einrichtung doch ein Stück edler, der Schreibtisch reicher verziert, das Türschloss klackte leiser. Und doch lächelte Avianus die ganze Zeit über, während er sich die Einrichtung genau einsah. Immerhin war das nun sein Tribunat lang seine eigene Schreibstube, extra für seine Arbeit eingerichtet! Und nachdem er alles eingerichtet hätte, würde er hier liebend gerne Zeit verbringen und sogar areiten.