Beiträge von Tiberius Aurelius Avianus

    Avianus nickte und hielt einen Moment lang inne. Die Worte aus Ursus´ Munde waren wahr, denn eine Reise nach Germanien konnte er nicht unter den gleichen Bedingungen antreten, wie eine nach Mantua. Und auch die Alpen würden sich als eine Hürde erweisen, denn die hatten nicht unbedingt den Ruf, zu dieser Jahreszeit warm zu sein. Der junge und tatengedrängte Aurelier musste wohl noch bleiben, auch wenn er sich eine andere Antwort erhofft hatte. Ein Schnippen mit den Fingern wies die Sklaven an, das Gepäck wieder hinein zu bringen und das Pferd abzusatteln.


    "Du hast recht, Titus. Dein Rat hat mich noch nie in Verruf gebracht, und auch jetzt wird es dies nicht tun. Unser Abschied wird wohl einige Tage warten müssen." Bald, dachte sich Avianus. Bald würde es für ihn losgehen. Nicht heute, aber bald.



    Zwei Tage später...


    ... war es endlich doch soweit, wenn sich nicht erneut was ändern würde. Extra hatte Avianus einen Tag lang die Märkte nach festem Schuhwerk und dicker Kleidung für die germanische Kälte abgeklappert. Es war schwierig zu finden, brauchte dieses Zeug in Italien doch niemand. Aber die abgelegensten Winkel der Märkte Roms offenbarten doch die Kleidung, die Avianus brauchte, und sie wurde sofort eingekauft. Eine dicke Toga aus Schafswolle, stärkere Calcei und Mäntel in verschiedenen Farben hatte er sich verkauft. Das Gepäck hatte er mit mehr Proviant und anderen Gegenständen für die lange Reise angepasst. "Na hoffentlich kann es dieses Mal losgehen", dachte sich der junge Tiberius und schrat einmal mehr vor die Pforte der Villa.
    Es kam ihm wie ein Déjà-Vu vor, dass alles genau gleich aussah und sich vielleicht genau gleich abspielen würde.

    Ein schwer atmender und abgehetzter Sklave erschien in eiligen Schritten vor dem Hause von Avianus´ Patronen. In den Händen, fest umklammert in eisernem Griff, hielt er eine schweres Päckchen mit zerbrechlicher Ladung und einen Brief, addressiert an Purgitius Macer. Alles gab der Botenjunge dem Diener des Hauses ab, welcher nach dem Klopfen öffnete und verabschiedete sich wieder mit einem kurzen Winken. Selbstverständlich, nachdem er über die Zerbrechlichkeit des Päckcheninhaltes informierte.


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    Spurius Purgitius Macer

    Provincia Italia
    ~~~~~
    Roma

    ~~~~~
    Casa Purgitia


    ____________________________________________


    Mein hoch verehrter Patron,



    sehr schätze ich es, dass du an mich gedacht hast und umso mehr erfreut bin ich darüber, die Gelegenheit empfangen zu haben, zu einer solch feierlichen Zeremonie zu erscheinen. Dir und deiner zukünftigen Gemahlin wünsche ich nur das Beste und den Segen der Götter - möge eine fruchtbare und glückliche Ehe aus euch beiden geformt werden.


    Leider sind es persönliche - nein, doch eher berufliche Umstände - welche es mir nicht erlauben, anwesend zu sein. Egal, wie sehr ich es doch will, wartet noch mein Tribunat auf mich und ich möchte doch nur sehr ungern das Risiko eingehen, jemanden im hohen Norden - in Germanien - zu enttäuschen. Ich hoffe, mein Patron, du hast Verständnis dafür. Doch mit leeren Händen möchte ich dich nicht lassen. Auch wenn es sich sicherlich nicht geziemt, ist es doch besser, als ein frisches Pärchen, zu dem auch mein Patron gehört, ohne ein kleines Präsent zu hinterlassen.


    Es ist eine kleine Statue der Iuno. Ich hoffe, du weißt es zu schätzen und findest einen schönen Platz für sie. Ich habe unzählige Märkte nach einem geeigneten Präsent abgeklappert.


    Mögen die Götter dich hüten, Macer! Ich werde dir aus Germanien schreiben!





    Sim-Off:

    WiSim! :)


    "Legio Secunda", murmelte Avianus dem Palastboten nach und schickte einen nebenstehenden Sklaven mit einer Handgeste ins Haus, um dem Palastboten ein Getränk zu holen, der schwer atmete.
    "Im hohen Norden also. Wo auch du warst", wandte sich Avianus an Ursus, "Was meinst du, bin ich für diese Reise vorbereitet?" Es würde also in das kalte Germanien gehen, bekannt für seine bitteren und unbarmherzigen Winter. Dort oben brauchte er wirklich dicke Kleidung. Es sei denn, er wollte erfrieren, aber er wollte wirklich noch einige Amtszeiten erleben.

    "Dann danke ich dir, Mann. Komm zur Ruhe, trink etwas"
    , der Sklave kam zurück, "Und gehe wieder deiner Wege. Ich werde mich dann vorbereiten."

    Der Sklave, der das Pferd festhielt, grüßte zurück. "Salve", sprach er demütig und zeigte zu Avianus, welcher glücklicherweise noch nicht aufgebrochen war, aber kurz davor war, dies zu tun. "Der Herr befindet sich dort. Du kommst rechtzeitig. Er wollte gleich aufbrechen." Der Mann wirkte abgehetzt und zeigte eine gestresste Panik, als hätte ihn eine Horde wütender Bullen verfolgt. Es musste die Form von wichtiger Nachricht auf den letzten Drücker sein, was auch Avianus bald vermutete.
    Er selbst wandte aufgrund der recht unverkennbaren Unterbrechung seinen Blick weg von seinem Vettern und sah den Palastboten an. Gab es etwa Neuigkeiten von oben? "Grüße... ich wollte bald los, du kommst keine Sekunde zu spät", lächelte der Aurelier und erwartete mit gespannten Blicken das Anliegen des Mannes.

    "Du hast recht Titus, ich danke dir", lächelte Avianus seinem Vettern zu und trat ihm näher, um die Umarmung gebührend zu erwidern, "Die Gedanken gehen mit mir durch. Und du kennst mich, manchmal denke ich mehr, als gut für mich ist!". Die Umarmung der Vettern lockerte sich, doch nehmen lassen wollte sich Avianus nicht, Ursus kräftig auf beide Schultern zu klopfen. Es freute ihn von ganzem Herzen, dass man ihn nicht vergessen hatte. Für Tiberius war es immerhin noch nie selbstverständlich, dass man an ihn dachte.
    "Hoffen wir, dass ich mit derselben Erfahrung zurückkehre, wie auch du einst. Ich werde euch schreiben, schließlich sollt ihr erfahren, ob ich heil angekommen bin."

    Vielleicht wollte Corvinus den Grund nicht wissen, warum es für Avianus unerträglich war. Und dieser entschied sich, zu schweigen. Es war schwer genug für Avianus, sich selbst in den Griff zu bekommen und es würde nur alles noch unerträglicher machen, wenn er hier ein Feuer entfachte. Denn was Avianus wusste, würde auch Corvinus bestürzen. Und nur die Götter wussten, wie dieser anschließend reagieren würde. Obwohl er gegangen wäre, setzte sich Avianus still hin und hörte seinem Onkel zu.
    "Die Kunst ist, sich daran zu erinnern, dass man sie nicht allein durchstehen muss."
    Avianus fragte sich, ob diese Worte ihre Richtigkeit hatten, auch wenn sie aus dem weisen Munde seines Onkels entsprangen. Denn irgendwie blieb ihm in diesem Moment nichts anderes übrig, als diese Sache allein durchzustehen. Die anderen konnten ihm helfen, doch sie wussten ja nicht, was ihn drangsalierte. Ein hässliches Gefühl, sich mit einer solchen Situation hinterm Berg zu halten. "Was, wenn man keine Wahl hat? Wenn man es alleine durchstehen muss und dazu verdammt ist, keine Stütze zu haben? Manchmal können die Götter sadistisch sein, jemanden das durchlaufen zu lassen." Hoffentlich hatte er den gläubigen Corvinus damit nicht angegriffen. Er war selbst gläubig, auch wenn er bei den blutigen Opfern nicht hinsehen konnte, weil der Anblick von Blut sein Gesicht kreidebleich färbte. Doch hier zweifelte er.
    "Nein, Onkel, das war nicht gerecht. Ob ich jung war, oder nicht. Ich konnte alles in meinem Lebensweg ablegen, jedes Kapitel schließen. Nur dies nicht", stimmte Avianus zu, "Danke, Marcus. Ich wünschte, er wäre noch da gewesen, mich bei meinen ersten Schritten in die Politik zu begleiten, wie er mir das Laufen beibrachte."


    Auf das Angebot nickte Avianus entschieden und schwieg. Er kannte seinen Vater damals in- und auswendig. Zumindest war er der felsenfesten Überzeugung.

    Tage hatte Avianus gebraucht, um den gesamten aurelischen Haushalt nach und nach von seinen Plänen mit dem senatorischen Tribunat einzuweihen. Nun war es endlich so weit, denn erst gestern erreichte ihn das Schreiben der kaiserlichen Kanzlei. Die Legio I in Mantua sollte es sein, in der Avianus sein senatorisches Tribunat absolvieren würde. Weit von zu Hause entfernt war dies nicht, und doch kam es ihm vor, als würde er eine Reise um die halbe Weltscheibe unternehmen. Es war nicht einfach, denn in den letzten Wochen waren die Gedanken um Vater eine Qual gewesen. Jetzt war es an der Zeit, sich zu erholen. Avianus musste an seine eigene Karriere denken, und wenn er zurück kam...
    "Vater... wenn ich zurück komme, geht es mit uns beiden weiter", dachte sich Avianus. Er blieb kurz vor der Ausgangstüre stehen und kramte aus einem Gepäckbeutel den metallisch glänzenden Briefbeschwerer heraus, welchen sein Vater ihm hinterlassen hatte. Es vergingen einige Sekunden, in denen er das eingearbeitete Zeichen der Justitia auf diesem betrachtete und das wertvolle Erbe schließlich wieder einpackte. Wenn er sich jetzt nicht zusammenriss und endlich losritt, würde er ankommen, wenn das Tribunat schon vorbei war.


    Avianus war mehr als bereit für eine solche Reise und zählte im Geiste die Dinge auf, die er brauchen würde und hoffentlich auch eingepackt hatte. Es gab so viel Gepäck, dass es beinahe unmöglich war, etwas nicht zu vergessen. Ihm tat schon das Pferd leid, welches ihn noch dazu tragen musste.


    Proviant war da, er würde nicht abmagern.
    Passende Kleidung hatte er. Nicht Extravagantes, aber das, was man in einer Legion eben brauchte. Dort zählte nicht Aussehen, sondern Effizienz.
    Ausrüstung? Die würde er wohl bekommen. Er hatte noch nie eine Rüstung am Leibe getragen, und er konnte sich dieses Gewicht schon vorstellen, welches er auf Dauer mit sich schleppen würde. Und ein Schwert führen? Dies konnte er nicht professionell.
    Das Pferd stand von den Sklaven gesattelt und zum reiten bereit auf dem Weg vor der Villa. Es war satt und getränkt.


    Hoffentlich waren auch die Anderen da, denn ohne Abschied wollte der junge Aurelier schließlich nicht ziehen.

    Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    [...]
    Als nächstes zog ich ein Geschenk für Avianus aus dem Präsentsack. Sein Name war ebenfalls darauf vermerkt: T-I-B-E-R-I-U-S. Es war bauchig und schwer und nur wenig größer als eine geballte Männerfaust. "Das solltest du haben, Tiberius. Es hat deinem Vater gehört. Bei dir ist es in besseren Händen als bei mir", sagte ich leise, als ich ihm das gelb eingeschlagene Päckchen reichte. Darin befand sich ein Briefbeschwerer, der auf seine Art besonders war. Es handelte sich um eine schwere Bronzekugel, auf deren Vorderseite ein ausgesprochen gut getroffenes Bildnis der Iustitia prangte. Um die Kugel herum waren folgende Worte zu lesen: alter alterius auxilio eget*. Ich lächelte schwach, als Avianus sein Geschenk auspackte.
    [...]


    *Der eine bedarf der Unterstützung durch die anderen


    Sim-Off:

    Tut mir leid, ich hab den Thread verschlafen. Werde versuchen, mich wieder hineinzufinden. ;)



    Er staunte nicht schlecht, als Avianus von Corvinus ebenfalls ein Geschenk erhielt. Es war wohl so geplant, denn hätte man diese Geschenke nach der Aktivität an den Gesprächen und Feiern verliehen, wäre der junge Aurelier wohl oder übel leer ausgegangen. An diesem Tag war er der Zuhörer. Zuhören und in Gedanken versinken, völlig unauffällig, unscheinbar und vor allem - unbemerkt. Eigentlich sollte man dies als gute Gelegenheit ansehen, Freunde und natürlich Wähler für die Zukunft zu finden. (Freunde waren Avianus wichtig, und die Wähler - es sollte im Cursus Honorum ja bergauf gehen!)
    Mit einem dankbaren Lächeln nahm Tiberius das Geschenk seines Onkels entgegen, wurde anschließend jedoch stutzig. "Von... Vater?" Ein Vermächtnis seines Vaters, welcher in Avianus jungen Jahren gestorben war. Er hätte nicht gedacht, einen solchen Gegenstand jemals in Händen zu halten. Und schwer war er auch noch! "Danke, Marcus", setzte sich Avianus mit seinem ausgesprochen schweren Saturnaliengeschenk hin und wurde schnell wieder ruhig, wie ein Kind, welchem man dafür nur eine Belohnung zusprechen musste.


    Neugierig löste der junge Tiberius die gelbe Hülle des Briefbeschwerers, eine Bronzekugel kam danach zum Vorschein. Dieses Geschenk rührte Avianus und sollte nicht an damals erinnern, nein, viel eher Kraft spenden, die schweren Zeiten seines Lebens durchzuhalten. Die Inschrift und die Abbildung des Justitia waren typisch Regulus... ja, es musste ihm gehört haben. Und Avianus war seinem Onkel für ein solch rührendes Geschenk dankbar.

    Avianus´ Worte hatten eine milde, aber dennoch ins Bild passende Gegenreaktion abgegeben seitens Corvinus abgegeben, welcher erstaunt die Stirn runzelte. Gewundert hätte es ihn nicht, wenn Corvinus der Kragen geplatzt wäre, doch dieser hatte Verständnis für sein Problem. Avianus legte die Arme ineinander, eine Geste, die mehr eine unterbewusste Schutzhaltung war und Avianus´ Unsicherheit und Trauer wiederspiegelte. Sein Jähzorn auf die Mörder seines Vaters war groß - doch hatte Corvinus als sein Bruder nicht auch das Recht, jenes zu erfahren, was er nun auch wusste?


    "Ja, mein Onkel... doch es verfolgt mich, Tag und Nacht, im Schlaf und im Wachsein. Ich kann es nicht vergessen, weil ich ständig", Avianus legte eine Pause ein, "Neues... erfahren muss... es ist wie ein Fluch, den ich nicht bannen kann... eine Wunde, die nie heilt..."
    Avianus blickte auf den glanzvoll dekorierten Dolch, dessen Spitze leicht mit Corvinus´ Blut in Berührung kam. "Es fühlt sich an, wie Messerstiche ins Herz. Aber nicht einer, der dir den Gnadenstoß gibt. Nein, tausende kleine Sticheleien, die dich quälen, bevor du verendest. Ich weiß nicht weiter, Onkel. Mein Leben bleibt stehen."
    Verlegen sah er Corvinus an, ob der Hilflosigkeit, welcher er ihn aussetzte. Das war wohl der falsche Moment.


    "Vielleicht... sollte ich gehen, Marcus."

    Dank der Gesten seines Verwandten fiel es Avianus nicht allzu schwer, sich zu öffnen. Er hatte eher zu kämpfen, während er die richtigen Worte für sein Problem fand, welches sich in normale Worte nur allzu schwer umschreiben ließ. Avianus hob seinen Körper, um gerade zu sitzen und Orestes ins Antlitz zu sehen. "Es ist wegen Vater. Du weißt doch. Er wurde damals ermordet", erzählte er leise, als würde er sich über etwas Verschwörerisches auslassen, "Ich... ich war neulich in der Stadt, mit Titus. Scheinbar hat mich meine Kandidatur etwas bekannter werden lassen und natürlich bringt man mich mit Vater in Verbindung." Avianus seufzte laut und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.


    "Ein Mann sprach mich darauf an. Und ich habe Dinge erfahren... Dinge, die mein Bild von damals so sehr verändern. Vater wurde ermordet, aber nicht wegen eines Raubmordes. Gezielt. Er hatte zuvor Mitglieder einer Verbrechergruppe verurteilt. Und wurde von anderen Mitgliedern dieser Gruppe getötet. Bei den Göttern... sie werden dafür zahlen..." Avianus machte nun plötzlich keinen Hehl aus dieser Sache und sprach den letzten Satz mit solcher Verachtung aus, dass er eine Sekunde lang schon selbst um sich bangte.

    Es herrschte Stille. Eine Stille, die Avianus nicht mochte und die höchst verdächtig war, wenn sich alle nur ansahen, und jedoch nichts sprachen. Einer der Beisitzer hatte es in dieser Stille sogar fertig gebracht, einzuschlafen wie ein Murmeltier, was sich in der Stille des Raumes durch ein grunzartiges Schnarchen bemerkbar zeigte. Als hätte das nicht schon gereicht, musste der Nebensitzer leiden, denn ein Schlafender hatte keinen ausgeprägten Gleichgewichtssinn und kippte zur Seite. Wie unangenehm, dachte sich Avianus und beobachtete den Ärmsten dabei, wie er sich den Schlafenden vom Leibe hielt.


    Er räusperte sich laut, hoffend auf eine Fortsetzung.

    Als ehemaliger Amtsträger und Vorgänger seines Verwandten Orestes war auch Tiberius anwesend, beobachtete die Zeremonie mit wehmütigen, aber auch erfreuten Blicken für seine beiden Verwandten, nachdem er sich einen guten Platz in der Menschenmenge verschaffte. Vor einem Jahr stand er zum ersten Mal dort, wo auch Orestes und Corvinus nun waren. Ein Jahr war nun verstrichen und Avianus wunderte sich insgeheim, warum dieses so schnell vorüber war. Es musste die viele Arbeit als Decemvir gewesen sein, welche einen so langsam vergessen ließ, wie viel Zeit doch schon an ihm vorbei gegangen sein muss? Ob Avianus einen solchen Effekt in seiner weiteren Laufbahn erleben würde?


    Es sollte sich herausstellen.

    Er wusste, dass es sehr wenig war, was Avianus seinem geschätzten Patronen an Informationen entlocken konnte, und genauso bemerkte er, dass dies seinen Onkel in keinster Weise beeindruckte. Der Neffe erhob sich aus seiner gekrümmten Haltung, denn er wollte in diesem Moment und später nicht aussehen wie ein ausgelaugter Senator, an dessen Rücken sich schon ein runder Buckel bildete. Stattdessen senkte sich sein Haupt, dessen Augen die Muster des Edelholztisches betrachteten, vor dem Avianus saß. Für eine krumme Körperhaltung war er wohl mit seinen jungen Jahren doch noch nicht reif genug. "So?", fragte Avianus eher überstürzt scharf, als in böser Absicht, "Hätte ich zu etwas Konkreterem die Gelegenheit gehabt, hätte ich ebenfalls mehr in Erfahrung gebracht." Es war nicht seine Natur, doch auch die Ereignisse weniger Tage wussten an seinem Geiste zu Nagen, zu kleben wie ein Geschwür und ihm Schmerzen zu versetzen, die man nicht sah, aber empfand. Sie saßen an einem seiner wundesten Stellen. Die Achillesferse seines Geistes, der diesen Moment lang abgestumpft war."Entschuldige... Onkel. Ich wollte dich nicht angreifen", sprach er knapp, bevor eine passende Reaktion seitens von Corvinus kam.


    "Ach, Marcus", erklärte Avianus bekümmert, hob seinen Blick zu Corvinus und kämpfte gegen die eigenen Tränen an, welche seine Augen schon in einem traurigen Glanz erstrahlen ließen, "Es ist wegen Vater. Die Bilder von damals... sie kommen wieder herauf."

    Ja, dass Avianus etwas beschäftigte war unverkennbar. Orestes lag richtig. Und ihn beschäftigte etwas, was viel größer war, viel wichtiger, fast schon so wichtig, dass nur er es wissen sollte. Es nahm so viele Jahre nach der Nacht so große Ausmaße an und ließ den jungen, überforderten Aurelier in einer Situation da stehen, die ihn mehr als nur überforderte. Er sah Orestes einige Sekunden unbeholfen an, wandte wieder ratlos seinen Blick und starrte haareraufend mit gesenkten Haupt auf den Boden, als würde er die Steine auf dem grauen, belegten Weg zählen, welcher sich dezent durch das Perystil schlängelte.


    "Aber Orestes...", sprach Avianus, "Wenn ich es dir erzähle, musst du mir etwas versprechen. Niemand darf es erfahren. Vor allem Corvinus nicht. Es geht... um Vater.". Es war schwer, die eigenen Tränen hinter dem Berg zu halten, so dass Avianus sich nicht erst die Mühe machte, über die kindlichen Züge dieses nicht Weitererzählens nachzugrübeln.

    Avianus merkte nicht, dass er fragend und verwundert angeblickt wurde. Es wäre ihm sogar gleich gewesen, auch wenn er selbst merkte, dass sein Gemütszustand schon einmal bessere Tage gesehen hatte. "Danke.", setzte sich Avianus und versank mit dem Kinn in seiner Handfläche, welche vom Arm, seinerseits auf dem Knie, gestützt wurde. Anschließend blickte er Corvinus in dieser Haltung ernst an und rief sich die wichtigsten Details aus dem Patronatsgespräch ins Gedächtnis.


    "Nein, das war es nicht. Es kam mir vor, als würde er vieles mit sich machen lassen, nur um nichts aus seinem Privatleben zu erzählen. Nunja...", kommentierte der Neffe und quälte sich zu einem abgemühten Lächeln. Es war das Erste an diesem Tag, und es war Nachmittag. "Ich habe in Erfahrung gebracht, dass er unverheiratet ist und zudem auch unverliebt. Er scheint offen für eine Heirat zu sein, wäre sicherlich auch keiner Patrizierin abgeneigt. Wie er zu uns Aureliern speziell steht, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.".
    Naja. Immerhin etwas, aber es schien seiner Ansicht nach nicht zu reichen. Hilflos sah der junge Aurelier seinen Onkel an, wartend auf Antwort.

    Beinahre hätte sich Avianus bei seinem Onkel ausgeschüttet, über all jene Erfahrungen und seine Gefühle, welche sein Herz noch heißer ausbrannten, als der Schmiedeofen einer Schmiede. Er entsann sich noch, weshalb er gekommen war und beschloss, den richtigen Zeitpunkt nicht zu revidieren, ihn aber zu verschieben. Er war jetzt in nicht dem richtigen Zustand, über dieses Thema zu reden. "Soll ich nach einem Sklaven rufen?", fragte er versteinert, im Grunde jedoch der Höflichkeit halber.
    "Marcus.", erklärte er, "Ich habe meinem Patronen einen Besuch abgestattet, aber nur begrenzt etwas in Erfahrung bringen können. Es war wohl besser, als ein Glücksspiel zu starten, welches am Ende in die Toga geht.". Schuldbewusst senkte Avianus den Kopf und seufzte. Da war es wieder, das eigene Versagen. Seit dem Todestag schwor er sich, nicht wieder scheitern zu müssen. Er enttäuschte sich selbst.

    Avianus ließ sich nicht ein zweites Mal hinein bitten und trat in den Raum, wo er seinen Onkel in recht abenteuerlichen Posen vorfand. Neben Corvinus lag sein Pugio mit dem rubinbesetzten Griff - ein Gegenstand mit tödlicher Schönheit und eine Art von Ding, vor denen der junge Aurelier größte Ehrfurcht verspürte. Welche Ironie des Schicksals war es doch, dass Corvinus so eben rausgefunden zu haben schien, weshalb man diesen Dingen mit Ehrfurcht begegnete.
    "Salve, Marcus.", grüßte Avianus seinen Onkel und stellte dabei fest, dass es außerordentlich gut klappte mit dem Abgewöhnen. Dem Abgewöhnen der für andere in der Familie recht unangenehmen Art von Avianus, mit dem Cognomen anzureden.
    "Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen?", fragte er bescheiden nach. Normalerweise war Avianus ein glücklicher, positiver Mensch. Doch noch immer quälten ihn die Gedanken an jene Mörder seines Vaters. Er war Corvinus´ Bruder, und doch hatte sich der Neffe nicht den nötigen Ruck gegeben, mit ihm darüber zu reden. Wie sollte Corvinus reagieren? Es war zumindest allen in der Familie bekannt und bei jeder Begegnung ersichtlich, dass Avianus sich verändert hatte. Er tickte völlig anders und lächelte nur noch aus Höflichkeit oder dort, wo er denn wirklich musste.

    "Danke, Manius.", nickte Avianus und ließ sich durch das Beisein von Orestes sogar so vertrösten, dass er noch einmal aus ganzem Herzen lächelte. Er konnte seine Probleme nicht vergessen, dazu waren sie einfach zu grauenhaft und hafteten an Avianus, als hätte man ihn mit jenen gebrandmarkt. "Die Amtsübergabe... ja, stimmt.", besann sich Tiberius, "Nun, ich habe neulich Berichte für die Todesfälle am Februar bekommen. Du solltest an sie anknüpfen, ich schaffe das in dieser Amtszeit nicht mehr. Ich müsste davor so ziemlich die meisten Erbschaften durchgearbeitet haben.".
    Doch als Avianus hörte, dass Orestes sich deswegen nicht hier hergesetzt habe, runzelte sich seine Stirn: "Sondern...?", fragte er völlig unscheinbar.

    Sich seiner schlechten Stimmung hingebend, bemerkte Avianus erst sehr spät, sogar in etwa einer halben Minute erst, dass sich ihm jemand näherte. Zunächst war es ihm egal, seiner Meinung nach hätte es Jupiter selbst sein können. Bald jedoch bemerkte er, dass es sein Verwandter Orestes war, der sich still schweigend neben ihn setzte. Sollte er vielleicht mit ihm darüber reden?
    Er wusste es nicht, doch da fiel ihm ein, dass er das mit der Amtsübergabe noch regeln musste.
    "Oh, Manius.", quälte sich Avianus zu einem Lächeln, "Es ist schön, dich nach deinem Wahlsieg so munter zu sehen.".