Beiträge von Galeo Redivivus Tychicus

    Jetzt ging es also los... Und auch noch ausgerechnet gegen seinem Freund Calvena! Unter allen seinen Kameraden war der Minidier derjenige, vor dem Tychicus im Kampf am meisten Respekt hatte.
    Calvena war schon zu Anfang ihrer Ausbildung unheimlich flink und agil gewesen, sodass er Tychicus nicht selten in äußerst knifflige Lagen gebracht und nur allzu oft besiegt hatte. Jetzt war Calvena, durch das Training gestählt, nicht nur schnell, sondern auch zäh und äußerst ausdauernd.


    Während Tychicus sich ein scutum und ein gladius von den Übungswaffen schnappte, legte er sich bereits eine Taktik für den Kampf zurecht;
    Calvena war schnell und konnte einen Kampf lange durchhalten, deshalb beschloss Tychicus zu versuchen, ihn möglichst früh möglichst hart zu attackieren, um den Kampf schnell gewinnen zu können, bevor sein Nachteil gegenüber Calvena in Ausdauer zu sehr zum Tragen kam.


    Wenige Schritte voneinander entfernt gingen der Rediviver und der Minidier in Kampfstellung, das scutum vor dem Körper, den linken Fuß nach vorn, sodass das Knie den Schild von innen beinahe berührte, das rechte Bein weiter nach hinten, das gladius bereitgehalten.
    Beiden war klar, dass dies ihr Finaler Zweikampf werden würde. Der Wettbewerb, der während der Ausbildung zwischen ihnen entstanden war, würde mit diesem Kampf entschieden werden.


    Dann stürmten beide vor, und Holz krachte auf Holz, als Tychicus den ersten Schlag seines Freundes mit dem Übungsgladius abwehrte.
    Sie tänzelten umeinander herum, auf einen Fehler des anderen lauernd, auf eine Bresche in der Verteidigung des anderen.
    Tychicus fiel ein, dass er ja den Kampf schnell für sich entscheiden wollte und begann, Calvena hart zu bedrängen. Er versuchte, mit dem gladius durchzukommen, versuchte, den Minidier mit seinem scutum zu stoßen und ihn damit zu überraschen. Aber er brachte es nicht fertig, einen entscheidenden Schlag gegen seinen Gegner zu führen.
    Schließlich benutzte er einen Trick, den er beinahe noch nie in der Ausbildung angewandt hatte und den er von einem älteren Miles abgeschaut hatte:
    Er führte einen Stich mit den gladius gegen Calvena, den sein Freund natürlich parierte und Tychicus' Schwert zur Seite schlug. Der Rediviver ließ zu, dass Calvena seinen Schwertarm weit zur Seite schlagen konnte, und damit seine Deckung scheinbar weit offen stand. Als der Minidier diese Chance jedoch nutzen wollte und sein gladius blitzschnell vorstieß, um Tychicus' ungeschützte rechte Körperhälfte zu treffen, sprang Tychicus plötzlich zur Seite und riss sein scutum in die entgegengesetzte Richtung. Er traf Calvenas vorschnellenden Schwertarm in der Nähe des Handgelenks mit der vollen Wucht der Kante des schweren Holzschildes.
    Der Minidier keuchte vor Schmerz auf und das Schwert fiel aus seiner Hand. Er hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht sein Handgelenk, musterte Tychicus aber anerkennend, als dieser seine Schwertspitze triumphierend an die Kehle seines Freundes setzte und flüsterte:
    "Victoria!"


    Dann drehten die beiden Rekruten sich zu ihrem Centurio um, schweißüberströmt und schwer atmend, trotz des kalten Windes, der immer noch über den Campus fegte.

    Der Körper des Octavius Cato wurde auf eine Bahre gehoben und unter dem Befehl des Centurio abtransportiert.
    Dann waren die Probati und Milites unter dem Befehl des Princeps Prior Decimus allein.


    Tychicus begann ebenfalls mit der Suche nach Spuren.
    Es war eine leidige Arbeit, bei der man sich nur unglaublich dreckig machte, aber er wusste, wie wichtig es war, nach möglichen Spuren zu suchen.
    Sogar auf den Knien robbte der junge Mann durch den Schlamm und suchte mit den Augen jeden Winkel ab.
    Er erreichte den Straßenrand und die unter einem Eisengitter verborgene Öffnung eines Wasserabflusses, der vermutlich in die Kanalisation führte.
    Da sah er etwas.
    Es war aber leider kein Gegenstand, der etwas mit dem Mord zu tun haben schien. Es war, nur durch die günstige Sonneneinstrahlung zu erkennen, etwas, dass in die groben Steine geritzt oder gemeißelt war, die die Wände des Abflusses hielten.
    Ein Fisch. Nicht sonderlich kunstvoll gehalten, mehr eine Umrisszeichnung, aber gut zu erkennen.


    "Ein Fisch?", murmelte Tychicus ratlos. Vor allem - in einem Wasserabfluss? Die Mörder des Octaviers hatten sich doch sicherlich nicht noch die Zeit gelassen, das schwere Metallgitter anzuheben und einen Fisch in die Kanalwand zu meißeln?


    Tychicus verwarf die Entdeckung schnell wieder, denn sie hatte ganz offensichtloch nichts mit dem Mord zu tun, aber irgendetwas in seinem Unterbewusstsein veranlasste ihn, sich den Vorfall zu merken...

    Tychicus zuckte leicht zusammen und schluckte, als er aufgerufen wurde, aber er hatte sich schnell wieder im Griff. Die Wochen der Grundausbildung hatten abgehärtet, auch in dieser Hinsicht.
    Er trat ein paar Schitte vor, in Richtung seiner beiden Vorgesetzten, und nahm dann wieder Haltung an. Kurz irrte sein Blick zu Decimus Serapio, der den größten Teil ihrer Ausbildung beaufsichtigt und geleitet hatte. Tychicus wusste, er musste jetzt einerseits ehrlich dem Centurio gegenüber sein, wollte es sich jedoch auch nicht mit dem Princeps Prior verscherzen.
    Allerdings... wenn er recht übrlegte... da gab es wenig, was er an der Arbeit des Decimers zu kritisieren hatte, und dieses wenige war nicht der Rede wert.
    Er antwortete also:


    "Centurio Flavius, wir haben hauptsächlich Ausdauer und Kraft trainiert, sowie Disziplin, Zusammenarbeit und Gehorsam. Außerdem haben wir den Kampf mit scutum und gladius geübt, mit der hasta und mit dem pilum. Ich traue mir zu, alles davon mindestens durchschnittlich zu beherrschen. Schließlich haben wir in den Formalübungen das agieren der Gruppe in verschiedenen Formationen trainiert, was wir inzwischen ebenfalls gut beherrschen."

    Tychicus zupfte seine Toga zurecht, damit sie beim Laufen nicht schiefrutschte. Zu den Unterkünften ja... wie sehr würde er sich freuen, auch einmal einen Ort wieder "Zuhause" nennen zu dürfen...
    Er hätte beinahe wehmütig geseufzt, riss sich dann jedoch zusammen.
    Die Castra war jetzt sein Zuhause.


    Immer noch lächelnd wandte er sich zum Gehen.


    "Vale bene, Stella. Ich danke ebenfalls, es hat mich wirklich gefreut.
    Auf Wiedersehen!"


    Damit verließ er das Officum und trat nach einiger Zeit aus dem Gebäude der Schola hinaus ins Abendrot, dass die Straßen der Stadt durchflutete.
    Fröhlichen Mutes marschierte er zur Castra Praetoria zurück.

    Ernst musterte Tychicus das kurze Ritual des Priesters und hoffte, dass dies auch ausreichend war.
    Die Cohortes Urbanae würden ganz schön Ärger mit der Familie des Toten bekommen, wenn sie jetzt zuließen, dass etwas schief lief.
    Aber der Mann in den Kleidern eines Sacerdos Publicus wirkte wie jemand mit Erfahrung und schien sich seiner Sache sicher.


    Apropos Familie; Der Rediviver nahm den Ring des Toten von Menas entgegen und untersuchte ihn ebenfalls eingehend.
    Auch er erkannte deutlich das "O" auf dem Ring, aber das Stück war schon von der Zeit gezeichnet und viele andere Details ließen sich nicht mehr erkennen.
    Dann kam Tychicus auf die Idee, die Innenseite des Siegelringes zu untersuchen. Und siehe da...:


    "Centurio!", rief er überrascht aus, "Hier ist ein Name in die Innenseite eingraviert! Caius Octavius Cato."


    Das schien mit großer Sicherheit der Name des Mannes zu sein. Tychicus war überrascht, wie gut erhalten der Schriftzug noch war.
    Vielleicht war er erst vor kurzem, im Nachhinein hinzugfügt oder erneuert worden.

    "Ich werde darüber nachdenken, ja...", sagte Tychicus. Es überraschte ihn, dass Stella diesen Cursus als so wichtig ansah, aber vielleicht war er das ja auch.


    Er trank seinen Becher aus, warf einen vielsagenden Blick aus dem Fenster und sagte dann:
    "Stella, es tut mir wirklich leid, aber ich fürchte, ich muss schon bald gehen. Ich habe wieder einmal kein Licht dabei, und wenn ich die Castra vor Einbruch der Dunkelheit erreichen will, muss ich mich langsam auf den Weg machen.
    Es hat mich wirklich gefreut, dich zu treffen, und wir sehen uns bestimmt noch einmal wieder. Spätestens, wenn ich den Cursus Res Vulgares hier mache, schaue ich noch einmal bei dir vorbei."


    Er erhob sich und reichte der jungen Frau mit einem Lächeln den leeren Becher.

    Zitat

    Original von Furia Stella


    "Hast Du den Cursus Res Vulgares bereits absolviert? "


    Tychicus runzelte die Stirn,


    "Cursus Res Vulgares? Ist das der, den man braucht, um das Wahlrecht zu erlangen und so?"


    Er trank noch einmal an seinem Zitronenwasser. Politik, das war eines der Dinge, die ihm beim römischen Reich am entferntesten waren.
    Es interessierte ihn wenig, was dort oben, ihn den scheinbar unerreichbaren Höhen des Senats und des Kaiserpalastes vor sich ging. Solange er unbeschwert weiterleben durfte, war er mit der Politik zufrieden.


    "Ich beschäftige mich wenig mit Politik und dergleichen", fügte er also hinzu, grinste dann aber; "Aber wer weiß, wo ich jetzt einmal in Rom bin, dem Zentrum all dieser Dinge, vielleicht ändert sich das ja..."

    "FORMATION! DISZIPLIN!! GEHORSAM, Princeps Prior!!!, riefen die Probati im Chor. Auch das funktionierte inzwischen recht gut, das im Chor Herumbrüllen. Aber irgendwie gehörte es ja dazu (und sorgte immer wieder für Belustigung auf Seiten der Kameraden, wenn jemand sich versprach oder den "Einsatz" verpasste und damit beinahe alle durcheinander machte).
    Tychicus wurde in solchen Situationen immer klar, wie wichtig die Leistung des einzelnen war, selbst in einer so großen Gruppe.
    Machte auch nur ein einziger einen Fehler, litten alle darunter, und die Gruppe blieb ein Haufen, nicht des Respekts würdig.
    Machten es aber alle richtig und arbeiteten zusammen, wurde aus jeder noch so kleinen Gruppe ein respekteinflößendes Ganzes, eine starke Einheit.


    Nervös trat Tychicus jetzt in Gedanken von einem Fuß auf den anderen. In Wirklichkeit stand er natürlich starr und stramm wie eine Statue von Julius Caesar, die vor ihrer Versteinerung einen Stock verschluckt hatte:D


    Er hatte es auch schon das eine oder andere Mal mir ihrem Centurio, dem Kriegsinvaliden Flavier, zu tun gehabt, aber jetzt wurde es anscheinend wirklich ernst...

    Tychicus bemerkte, wie sehr sich Stella um ihn Sorgen machte und wie sehr sein Bericht sie schockierte. Er fülhte sich geschmeichelt, dass die junge Frau so mit ihm fühlte.


    "Naja... so schlimm ist es ist es nicht, dass ich deine Hilfe benötige.",
    er lächelte Stella zu und hoffte, dass eine eine gewisse Beruhigung aus seinem Blick sprach,
    "Was sind schon der Geschmack des Essens und des Trinkens? Sie wollen uns da ja nicht vergiften, deshalb ist das Zeug auch besonders nahrhaft und stärkend. Der geschmack ist dann nur ein dummer Nebeneffekt.
    Außerdem macht mir die Arbeit da richtig Spaß, ich habe einigermaßen freundliche Vorgesetzte und es gibt viele nette Kameraden da, mit denen ich mich gut verstehe.
    Wenn jeder den Militärdienst nach dem dort herrschenden Luxus beurteilen würde, würde Rom wahrscheinlich schon längst keine Freiwilligen mehr für seine Legionen finden!"


    Er lachte und stellte sich vor, was das römische Imperium ohne seine treuen, starken Heere wäre.
    Er war froh und stolz, einer von ihnen sein zu dürfen, obwohl die Umstände in Roma selbst nicht die besten waren.

    Die nächsten Wochen waren für Tychicus zwar anstrengend, aber er bemerkte deutlich, wie beinahe von tag zu tag seine Kraft, Kondition und Disziplin stiegen.


    Was ihm zu Beginn seiner Ausbildung noch als fürchterlich anstrengend vorgekommen war, brachte er jetzt häufig mit einem gelassenen Lächeln und wesentlich weniger Schweiß hinter sich.
    Ein Paradebeispiel für den harten Drill hier lieferte sein Freund Minidius Calvena: der junge Mann, der am Anfang noch schmächtig gewirkt hatte und dessen Stärke Flinkheit und Zähigkeit gewesen waren, hatte in den vergangen Wochen ordentlich zugelegt; Seine Arme und Beine waren deutlich muskulöser, genau wie sein Oberkörper, und Tychicus beobachtete ihn nur allzuoft, wie er in Momenten, in denen er sich unbeobachtet fühlte, stolz das Spiegelbild seines Körpers in einer Pfütze oder im Brunnenwasser betrachtete, und etwas von "Chancen bei den Weibern" murmelte.


    Jetzt waren die Probati wieder, früh am Morgen, auf dem Campus angetreten und erwarteten in Reih und Glied einen neuen Ausbildungstag.
    Das Jahr neigte sich inzwischen deutlich zum Herbst, der Himmel war heute Wolkenverhangen und immer wieder peitschten Windböen, die die Seeluft von Ostia hierherwehte, über den vom Regen verganger Tage schlammigen Campus.
    Tychicus graute es schon wieder vor dem Abend, wo er seine Rüstung von Regen- und Matschspuren würde reinigen müssen. 8o( :D)

    Tychicus lachte sarkastisch:


    "Ob das Essen gut ist? Das solltest du einen Soldaten am besten gar nicht erst fragen! Wir trinken überwiegend Wasser, das leicht mit Essig verdünnt ist, damit man nicht schmeckt, dass es schon drei Tage abgestanden ist. Dagegen ist dein Getränk hier...", er prostete Stella grinsend zu und dahm noch einen Schluck, "...ein wahrer Ambrosia der Götter!
    Das Essen ist meistens ein Einheitsbrei, der weniger das Ziel hat, ein kulinarisches Meisterwerk zu übertreffen, als einfach nahrhaft und stärkend zu sein - und genauso schmeckt er auch, nämlich... naja,... ich will in Anwesenheit einer Dame keine Schimpfwörter benutzen... Auf alle Fälle ist die Auswahl bei jedem Bettler aus der Subura wahrscheinlich vielfältiger - aber man sagt ja: Je schlechter das Essen, desto besser die Armee. Ich wünschte beinahe, es wäre andersherum.
    Was machen die Cohortes Urbanae hier in der Stadt denn so tolles? Wenn wirklich einmal jemand ihre Hilfe braucht, ist es meistens schon längst zu spät, bis jemand von uns eintrifft."


    Er erinnerte sich da an den Mordfall an einem Senator, vor wenigen Tagen - für ihn war auch jede Hilfe zu spät gekommen, die Cohortes konnten nur noch seine Leiche abtransportieren.
    Er wandte sich wieder an Stella:


    "Oder kannst du mir aus deiner Erfahrung heraus hier in der Stadt eine Situation nennnen, wo die Cohortes Urbanae wirklich helfen konnten?"

    Langsam war hier wirklich viel los - Tychicus schien es beinahe, dass die halbe CU sich schon eingefunden hatte. Er sah seinen Princeps Prior von der Grundausbildung, den vom Valetudinarium, natürlich den Centurio Flavius und zahlreiche andere Soldaten.
    Noch dazu versammelten sich immer mehr schaulustige Zivilisten, die auf Befehl von Princeps Prior Decimus jetzt zum Weitergehen aufgefordert wurden, oder zumindest auf Abstand gehalten wurden.


    Tychicus merkte, dass er dem Centurio seine Erkenntnisse genauer erklären musste und antwortete auf dessen Frage nach dem Stand des Toten:


    "Er trägt zum Beispiel den Purpurstreifen an seiner Toga, dass ist eindeutig das Merkmal eines Senators, Centurio.
    Der Ring..."
    , er bemerkte ebenfalls, dass der Tote keinen solchen trug, "...wurde vielleicht gestohlen. Wie gesagt, wenn die Täter keine Eile hatten, vom Ort des Verbrechens wegzukommen, haben sie den Ring bestimmt mitgenommen. In Stadtvierteln wie diesem ist so ein Ding sicher ein Vermögen wert."


    Auch seine Schlussfolgerung über die Liegeposition der Leiche konnte er erklären:


    "Der Mann hier hat offensichtlich einen oder mehrere Stiche in Brust und Rücken abbekommen.
    Ich gehe aber davon aus, dass der letzte Stich von vorne kam, denn aus diesem Grund ist er nach hinten umgefallen, sofern die Täter seine Position nicht verändert haben.
    Hätte er als letztes einen Stich in den Rücken bekommen, ist es meiner Meinung nach wahrscheinlicher, dass er nach vorne umgekippt wäre."


    Ihm fiel ein, dass das aber in Konflikt mit seiner anderen Vermutung stand;


    "Wenn er allerdings wirklich nach dem Mord noch geplündert wurde, halte ich es für wahrscheinlich, dass die Räuber die Leiche noch bewegt und vielleicht sogar herumgedreht haben, es ist also nicht sicher, dass die Angriffe wirklich in dieser Reihenfolge erfolgten.
    Vielleicht sollten wir seine Taschen nach wertvollen Gegenstänen durchsuchen, dass könnte helfen herauszufinden, ob der Mann ausgeraubt wurde oder nicht."

    Es war - wie das Formaltreining am vorigen Tag - hauptsächlich eine Sache strenger Disziplin und Konzentration.
    Die Probati bemühen sich sichtlich, doch trotzdem war die erste Salve von Pila noch ziemlich ungezielt, weniger als die Hälfte der Speere bohrte sich tatsächlich in das Heuballen-Ziel. Außerdem zeigte die zweite Reihe, zu der auch Tychicus gehörte, eine deutliche Hemmnis beim Werfen, da man am Anfang Angst hatte, die eigenen Kameraden in der ersten Reihe zu treffen.
    Auch das Weitergeben der Pila von der dritten in die vorderen Reihen lief noch etwas unkoordiniert ab; an etlichen Stellen in ihrer Formation fielen Speere klappernd zu Boden, anstatt weitergereicht zu werden, weil irgendjemand nicht voll bei der Sache gewesen war.


    Doch, - wie auch gestern - mit der Zeit wurden die Bewegungen routinierter, die Salven folgten immer schneller aufeinander und wurden vor allem auch gezielter, und als wieder der Schwarm von Speeren sich in die Luft erhob und tatsächlich nur vier von ihnen die Heuballen verfehlten, hätte Tychicus sich und seinen Kameraden am liebsten eigenhändig auf die Schulter geklopft.


    Warum wurden sie nicht allesamt direkt zur Legio Prima versetzt, wo man eine solche Leistung auch wirklich gebrauchen konnte? :D

    Tychicus bemerkte das leicht besorgte Gesicht der jungen Frau, als sie über ihren Onkel sprach.


    "Wenn ich deinen Onkel sehe, kann ich ihm ja einen schönen Gruß von dir ausrichten, und, dass er einmal wieder ein Lebenszeichen von sich aus der Castra dringen lassen soll.", bot er deshalb an.


    Dann sah sah Stella interessiert dabei zu, wie sie ihr "Zaubergetränk" für ihn herstellte.
    Dann nahm er den Becher mit einem dankbaren Lächeln entgegen.


    "Vielen Dank. Es riecht -" er sog den frischen Duft des Wassers ein "- irgendwie nach Zitrone!"


    Er nippte an dem Getränk und stellte fest, dass es sich tatsächlich um den Geschmack der Zitrusfrucht handelte. Der junge Mann nickte anerkennend.


    "Hmm...ja. Das schmeckt sehr erfrischend. Vor allem ist es nicht zu sauer, wie man es vielleicht vermuten könnte. Ich werde mir den Trick merken. Ist das wirklich deine eigene Erfindung?"

    Widerstrebend trat Tychicus vor, wie der Centurio es angeordnet hatte und musterte die Leiche.


    Angwidert verzog er dass Gesicht. Die Fliegen auf der Leiche summten in der heißen Luft, die den Geruch des toten Körpers nur verstärkte. Es war etwas metallisches, eindeutig das Blut, aber auch ein anderer, undefinierbarer Gestank, der den jungen Mann beinahe würgen ließ.


    Der Sergier aus dem Valetudinarium erschien, und Tychicus tat es ihm gleich und zwang sich dazu, die Leiche eingehend zu mustern.
    Der Man trug eine teure, weiße Toga mit dem roten Streifen eines Senators. Eine Wunde in der Brust zeugte davon, dass man dem Mann vermutlich ein Messer oder Schwert in die Brust gerammt hatte. Von einer solchen Waffe war aber weit und breit keine Spur.
    Die Täter waren eindeutig entkommen, noch dazu ohne besondere Hektik, denn sie hatten nichts versehentlich zurückgelassen, wie die Tatwaffe zum Beispiel.


    Tychicus fiel aber auch auf, dass Blut unter dem Rücken des toten Senators hervorgequollen war. Vielleicht war er von hinten überfallen worden...
    Der Rediviver fasste seine Gedanken zudammen:


    "Centurio, ich glaube, dass der Mann hier - offensichtlich ein Senator - mit einer Klinge getötet wurde. Er liegt zwar auf dem Rücken, aber ich vermute, dass er von hinten angegriffen wurde, und erst danach noch einen Stich in die Brust abbekommen hat.",
    Tychicus zeigte auf die Blutlache, die eindeutig unter dem Rücken des Mannes hervorkam.
    "Vielleicht haben die Täter ihn ausgeraubt und dazu auf den Rücken gedreht, aber auf jeden Fall scheint er von vorne und von hinten angegriffen worden zu sein.
    Außerdem wurden die Täter bei ihrer Tat wahrscheinlich nicht überrascht oder es gab keine anderen Gründe zur Hektik, denn ansonsten hätten sie vielleicht in der Eile etwas zurückgelassen, die Tatwaffe oder ähnliches."

    Tychicus war überrascht, dass Stella noch "Termine" hatte, aber er verstand es natürlich.


    "Dann natürlich nicht, wir wollen den Rector doch nicht sitzen lassen. Was wolltest du mir denn anbieten?"


    Stella hatte also sogar Verwandte in Tychicus' Einheit. Überrascht zog Tychicus die Augenbrauen in die Höhe;


    "Dein Onkel... ich glaube, ich habe seine Bekanntschaft noch nicht gemacht, auf jeden Fall kenne ich noch keinen Furier bei den Cohortes. Aber das hat natürlich nichts zu sagen, die Castra ist groß."


    Es war unmöglich gewesen, in der kurzen Zeit, die der Rediviver bis jetzt bei den Stadtkohorten war, auch nur einen Bruchteil der Soldaten dort kennenzulernen. Er kannte ja noch nicht einmal seine ganze eigene Centurie...

    Tychicus freute sich, dass Stella an seiner Erklärung interessiert schien und antwortete:


    "Danach? Nun, ich werde zum Miles erhoben, und dann geht die Arbeit wahrscheinlich erst richtig los. Die Cohortes Urbanae sorgen für die Sicherheit in der Stadt und dafür, dass alles in geordneten Bahnen läuft - ich werde wohl also viel in den Straßen Romas herumkommen.
    Das kann mir zum aktuellen Zeitpunkt aber nur gut tun, denn ich kenne mich noch nicht sehr gut hier aus. Die Stadt ist einfach zu groß... gar kein Vergleich zu den Provinzstädtchen in Germania oder Hispania, die ich bis jetzt kannte."


    Er grinste, "Es war ja schon beinahe ein Problem, die Schola Atheniensis zu finden!"


    Er hatte den Eindruck, dass Stella mit ihrer Arbeit nicht so zufrieden war, als sie mit resigniertem Blick ihren Schreibtisch musterte. Vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass sie einen anstrengenden Tag hinter sich hatte und jetzt einfach keine Lust mehr auf irgendeine Arbeit hatte.


    "Eine Erfrischung... wenn du für heute hier fertig bist, warum gehen wir nicht einfach 'raus in die Stadt und suchen uns dort noch irgendein Plätzchen wo wir etwas trinken können?"
    schlug der Rediviver vor.

    Erleichtert, dass Stella ihm nicht böse war, nahm Tychicus auf dem ihm angebotenen Stuhl vor dem Schreibtisch platz.


    "Oh, mir geht es gut, danke." antwortete er, "Die Ausbildung bei den Cohortes Urbanae wird zwar nicht leichter - aber den Göttern sei Dank auch nicht schwerer. Ich zweifle eigendlich nicht daran, dass ich die Grundausbildung erfolgreich abschließen werde."


    Er sah sich noch einmal in den Officum um und sagte dann:


    "Du hast ja bereits eine feste Anstellung gefunden. Was machst so Tag ein Tag aus als Curator Libris?"


    Seine Familie war zwar nicht ungebildet gewesen, aber seinen Vater (und jetzt auch ihn) hatte es immer mehr zum Militär gezogen als zu Verwaltungsarbeiten, und deshalb konnte er sich unter den verschiedenen Ämtern oft wenig vorstellen.

    Tychicus öffnete die Tür, erfreut, dass Stella noch hier war, und trat in das Officum.


    Es sah in etwa so aus, wie der Rediviver es sich vorgestellt hatte: ein hübscher Raum, nicht zu klein und nicht zu groß, und überall fanden sich Schriftrollen, Schriftrollenbehälter, Bücher und Papiere.
    Die Abendsonne schien durch ein Fenster und beleuchtete den Schreibtisch, wo Furia Stella über ihren Dokumenten saß und erwartungsvoll zur Tür sah.


    "Salve, Stella!" sagte Tychicus lächelnd, "Ich hoffe, ich störe gerade nicht?"


    Tychicus erwartete nicht, dass dies der Fall war, denn es war schließlich schon früher Abend und die junge Frau hatte mit Sicherheit schon ihrem Feierabend entgegengeblickt.
    Es war Zeit für Erklärungen, dass war dem Rediviver klar, und deshalb fügte er hinzu:


    "Verzeih mir bitte meinen überstürzten Abgang vor einigen Tagen. Ich bin leider noch lange nicht so weit, dass ich meine Vergangenheit nüchtern betrachten kann, zu viele Gefühle sind damit immer noch verknüpft. Aber ich werde versuchen, mich nicht wieder so von ihnen überwältigen zu lassen."

    Es war wieder einmal ein wunderschöner, warmer aber nicht zu heißer - Spätsommerabend und Tychicus, froh, endlich ein wenig Freizeit vom Militär genießen zu können, betrat die Räumlichkeiten der Schola Atheniensis.
    Er trug auch einmal nicht seine unbequeme Uniform, sondern eine leichte Tunika und seine (einzige) schlicht-hellbraune Toga.


    Das Officum der Curator Libris war leicht zu finden. Tychicus hoffte, dass Furia Stella sich über sein Auftauchen freuen würde, obwohl sie vor einigen Tagen unter, naja, eher angespannter Stimmung von einander Geschieden waren.
    Tychicus war auch klar, dass dies einzig und allein an ihm gelegen hatte, denn wieder einmal hatte er sich von den Gedanken an seine unschöne Vergangenheit beherrschen lassen.
    Das durfte nicht wieder vorkommen.


    Der junge Rediviver klopfte leise an die Tür.


    Hoffentlich war Stella jetzt, am frühen Abend, noch in ihrem Officum anutreffen.