Beiträge von Galeo Redivivus Tychicus

    Vom Officum des Princeps Prior war Tychicus direkt zu den Unterkünften geeilt, um möglichst bald aufbrechen zu können.
    Er legte die Wachstafel und den Geldbeutel auf die Holzkiste, die er als Nachttisch benutzte, und begann, seine Rüstung wieder abzulegen. Dabei hatte er sich vor wenigen Minuten, wie im schien, doch erst mit seiner frisch gereinigten Rüstung aufgeputzt, um bei seinem Vorgesetzten zu erscheinen.
    Doch - er sollte nun einmal im Zivil gehen, also lagerte er seine Rüstungsteile auf dem Bett und zog seine wollene, braune Toga unter dem Bett hervor. Als er sie sich übergeworfen hatte, legte er noch seinen Gürtel mit dem langen Dolch an, den er bereits aus Germania mitgebracht hatte und verstaute Tabula und Geldbeutel sicher unter den weiten Falten der Toga.
    Dann verließ er die Unterkünfte, füllte sich am Brunnen noch einen kleinen Wasserschlauch zum Mitnehmen, und verließ schließlich auch die Castra. Eine Mission wartete auf ihn.


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    Nun gut, es würde auf alle Fälle eine heikle Sache werden, aber Tychicus hatte seinen Entschluss gefasst. Die kleine Erleichterung darüber, dass er wenigstens nicht völlig unbewaffnet würde losziehen müssen, hatte ihm den letzten Stoß gegeben.


    "Gut, ich werde die Sache erledigen."
    Er griff nach dem Geldbeutel und nahm dann die Wachstafel mit den Einbruchszielen entgegen. Danach erhob der junge Mann sich von seinem Stuhl, bereit, die Herausforderung, die diese Aufgabe an ihn stellte, anzunehmen. Er würde seinen Vorgesetzten nicht enttäuschen, der sicher nicht ohne Grund ausgerechent ihn ausgewählt hatte.


    "Wann soll ich aufbrechen?"

    Tychicus, der sich auf der Kiste niedergelassen hatte, notierte sofort die Angaben der Frau, wie der Decimer es ihm gesagt hatte.
    Schnell huschte seine Hand mit dem Stylus über die Tafel, wärend der Redivivier, die abenteuerliche Geschichte Pulicias festhielt.
    Seine Augenbauen schossen, ohne dass er es unterdrücken konnte, mehrmals leicht erstaunt in die Höhe, vor allem an der Stelle, an der die Frau behauptete, die Mörder hätten "immer wieder zugestochen". Schließlich hatte ihre Untersuchung der Leiche kurz zuvor ergeben, dass sich nur zwei Stichwunden am Körper des Octaviers befanden...
    Trotzdem schrieb Tychicus alles so auf, wie Pulicia es berichtete, obwohl er Gewisse zweifel an der Wahrheit ihrer Worte hegte. Alles konnte später noch wichtig sein, und es war schließlich anzunehmen, dass die Ausführungen der Frau zumindest einen wahren Kern hatten.

    Huh, das war jetzt aber für den Anfang schon eine heikle Sache... Sich im Zivil in die Gassen der Stadt zu stürzen, mit nicht mehr bewaffnet als einem Namen, der ihm vielleicht zu seinem eigendlichen Ziel führen würde - einer offensichtlich etwas zwielichtigen Gestalt, die dem Decimer noch nicht einmal bekannt war... nun ja, wie sein Vorgesetzter es bereits ausgedrückt hatte, die Sache war knifflig.
    Noch dazu kam, dass die ganze Sache offensichtlich in mehreren Einbrüchen in verdächtige Häuser oder Wohnungen enden würde - wenigstens musste Tychicus das nicht persönlich erledigen.



    Ob er sich diese Herausforderung zumutete?
    Das schien dem Rediviver die schwierigste Frage, die der Princeps Prior ihm an diesem Morgen gestellt hatte...
    Den anscheinend gut gefüllten Geldbeutel und die Tabula rührte der junge Mann erst einmal nicht an. Bevor er diese Aufgabe zu unüberlegt anging, bereinigte er lieber erst die Unklahrheiten.
    Tychicus antwortete also erst einmal mit einer Gegenfrage, nur um sicher zu gehen.


    "Kennt ihr den Namen dieses Mannes, der für uns die Informationen beschaffen soll?
    Und heißt im Zivil, auch wirklich ohne jede Waffe? Denn... nun ja, man kann ja nie wissen, und meiner Ansicht nach ist in diesem Beutel genug Geld, um einen Überfall auf mich, gerade in bestimmten Vierteln der Stadt, beinahe zu provozieren."


    Und wer wusste schon, in welche zwielichtigen Regionen Roms er würde vordringen müssen, um diesen "Experten" ausfindig zu machen.

    "Verstanden, Princeps Prior!", erwiderte Tychicus, nachdem er den Blick erfolgreich von dem kurz sichtbar gewesenen Heft über Rennsport abgewandt hatte. Offensichtlich schien der Decimer dieses Officum nicht ausschließliech für Dinge zu nutzen, die mit dern Cohortes Urbanae zu tun hatten.
    Der Neu-Miles schaffte es allerdings, nicht allzu interessiert auf die Stelle zu schielen, wo "Rennsport in unserem Imperium", jetzt wieder durch das Dokument verdeckt, lag. Es war schließlich nicht verboten, sich in seiner Freizeit auch mit anderen Dingen als dem Militär zu beschäftigen.


    Er wunderte sich allerdings, dass die Christianer sich anscheinend tatsächlich als gefährlich erwiesen hatten. Denn unter gefährlich stellte Tychicus sich etwas anderes vor als, das, was diese Sekte seiner Meinung nach bis jetzt getan hatte, nämlich im Untergrund zu leben und die normale Bevölkerung nicht zu behelligen.
    Gefährlich, das war für den Rediviver, wenn eine solche Organisation aktiv Mitglieder anwarb, ihren Glauben öffentlich propagierte und damit die gesamte Sicherheit und Stabilität gefährdete...
    Allerdings, unterbrach er sich in Gedanken sofot selbst, wenn die Christianer so etwas getan hätten, wären sie mit Sicherheit schon früher aufgefallen und zum Schweigen gebracht worden.


    Wenn es tatsächlich stimmte, dass diese Sekte sich inzwischen zu einer wahren Untergrundorganisation ausgewachsen hatte, sollte man tatsächlich etwas unternehemen. Tychicus fragte also neugierig:
    "Habt ihr bereits Nachforschungen betrieben oder etwas in diese Richtung geplant?"

    Das war also der Kern der ganzen Fragerei! Jetzt verstand Tychicus, warum sein Vorgesetzter nach seiner Loyalität und seinen Glauben geforscht hatte. Es ging um Sekten, um Abweichung vom Glauben an die römischen Götter.
    Tychicus wusste, dass es zahlreiche Glaubengemeinschaften innerhalb der römischen Gesellschaft gab, die heidnische Götter oder Heilige verehrten, aber die meisten waren zu unbedeutend, um wirklich Ärger berieten zu können.
    Über die Christianer-Sekte glaubte der Rediviver einmal etwas gehört zu haben, aber er wunderte sich, dass man diese Sekte jetzt offensichtlich als gefährlicher als manche andere vergleichbare Gemeinschaft eingestuft hatte.


    "Ich habe gehört, dass diese Sekte ihren Ursprung irgendwo im Osten, in Syria, hat.", fasste Tychicus seine Erinnerungen jetzt zusammen, "Sie sollen einen Mann anbeten, der sich als König der Juden ausgegeben hat und deshalb zum Tode verurteilt wurde... Das ist aber auch schon so ziemlich alles, was ich weiß, Princeps Prior."


    Er meinte sich grau daran zu erinnern, dass er sich als kleiner Junge einmal brennend für diese Sekte interessiert hatte, weil die Eltern eines seiner Freunde irgendetwas mit ihr zu tun gehabt hatten. Aber nachdem Tychicus damals seine Eltern begonnen hatte, nach diesen seltsamen Leuten auszufragen, hatten sie ihm verboten, diesen Jungen wieder zu treffen, und der kleine Rediviver hatte danach schnell sein Interesse wieder verloren.

    Tychicus fühlte sich nicht wohl in diesem Zimmer.
    Es roch nach verschiedenstem Zeug, von Gemüse über feuchtem Ton bis hin zu Dingen, über die der Probatus lieber nicht zu eingehend nachdenken wollte...
    Die Kammer war mit Tychicus, Menas und dem Decimer schon fast überfüllt. Der Rediviver zwang sich ein Lächeln aufs Gesicht und versuchte, sich nicht zu genau unzusehen - wer weiß, was er entdecken würde...
    Das Lächeln wich jedoch schlagartig von seinem Gesicht, als die alte Frau ihnen etwas zu Trinken anbot.
    "Ääh...", Tychicus winkte ab und schüttelte vielleicht etwas zu energisch den Kopf, "...Nein, vielen Dank, ich habe keinen Durst."
    Wer wusste schon, wie alt diese Milch war... Außerdem sah er hier nirgendwo etwas, womit man etwas wie Milch hätte kalt halten können. Und lauwarme Milch war schon immer etwas gewesen, womit man Tychicus durch das halbe Imperium hätte jagen können.


    Der junge Mann hoffte nur, dass die Befragung hier nicht zu lange dauern würde, denn er sehnte sich jetzt schon wieder hinaus auf die Straße.

    Langsam wurde es Tychicus doch ein wenig unwohl in seiner Haut zu Mute...
    Was sollten diese Fragen? Verdächtigte man ihn der Untreue gegenüber Kaiser oder Imperium?
    Nun, er hatte sich kein Verbrechen zu schulden lassen kommen und war reinen Gewissens, also antwortete er einfach ebenso wahr und direkt wie zuvor:


    "Ich verehre den Kaiser als unseren Beschützer und Führer sowie die göttliche Seele unseres verstorbenen Kaisers genauso, wie ich unsreren alten Imperator zu dessen lebzeiten verehrte. Ich zweifele nicht an seinem guten Willen und an seiner Kraft, das römische Reich anzuführen oder an dem Willen der Götter, den er vertritt."

    Es wurde immer später und Tychicus' Freunde leerten noch einige weitere Amphoren Wein, doch der Rediviver hielt sich zurück. Er hatte sich morgen früh schließlich bei seinem Vorgesetzten zu melden, und die Angelegenheit schien zu wichtig zu sein, als dass Tychicus dann noch an den Auswirkungen eines vorabendlichen Rauschs leiden wollte.


    "Miles, Miles... warum eigen'lich nur Miles?!", fragte Pitio mit leicht verschwommen Blick, "Is' doch alles noch viel zu langweilig! Praefectus Urbi... DAS wär' die richtige Stelle für mich!"
    Calvena lachte: "Was, nur Praefect? Wie wäre es denn mit Kaiser?"
    Pitio runzelte die Stirn und kratzte sich am Kopf, als denke er ernsthaft über den Vorschlag nach, dann schüttelte er aber heftig den Kopf. "Nee, das wär glaub' ich nix für mich... Viel zu viel Verantwortung! Ein ganzes Imperium - hört euch das nur an... Lieber nur so ein kleines... Städtchen wie Roma."
    "Dann würde ich aber lieber eine Stadt wir Tarraco verwalten.", warf Tychicus ein, "Da bin ich geboren... Ich fand sie die schönste Stadt im ganzen Reich!"
    "Tarraco die schönste Stadt? Nein! Ihr ward wohl noch in Tarentium, wo ich geboren wurde...", und es folgte eine Beschreibung Regillos seiner Geburtsstadt, in den buntesten Farben und Formen natürlich.
    So ging der Abend weiter mit Diskussionen darüber, wer im schönsten Teil des Imperiums geboren wurde oder über weltbewegende Fragen, wie zum Beispiel, ob die Sonne in Hispania oder in Parthia früher aufgeht...


    Als den vier jungen Männern schließlich keine Fragen mehr einfielen, bezahlten sie die (letztendlich nicht gerade unerhebliche) Summe, die der Wirt für den Wein verlangte. Erst am nächsten Morgen wurde Tychicus wirklich klar, dass sie an diesem Abend mitnichten nur Wein getrunken hatten, sondern im Eifer des Gefechts auch über den Abend verteilt ein Mahl aus Hähnchen, Obst, Brot und verschiedenen anderen Beilagen sowie zur Nachspeise verschiedene süße Gebäcke verspeist hatten.
    Als er so die gähnende Leere in seinem Geldbeutel bemerkte, war es allerdings für den neuen Miles schon zu spät...

    Erschrocken war Tychicus bei jedem Fingerstich Afers, der seiner Brust galt, einen kleinen Schritt zurückgewichen, sodass er am Ende der Tirade seines Gegenübers bereits mehrere Schritte weiter hinten stand als vorher.
    Er war froh, dass Menas den Redeschwall Afers unterbrach, und auch, dass Sosius sich sofort für ihn einsetzte.
    Trotzdem hielt er sich, etwas überrupelt von der plötzlichen Feindseligkeit des Schreibers, ersteinmal etwas zurück, bis die Wogen von Afers Gemüt sich wieder ein wenig geglättet hatten.
    Er konnte den Mann jedoch auch verstehen... Wenn man einen Freund oder Kollegen tot im Nebenzimmer vorfand, dann war man danach normalerweise nicht die Ruhe und Besonnenheit selbst. Tychicus hoffte nur, dass der Mann sich in absehbarer Zeit wenigstens so weit beruhigen würde, dass er ihnen endlich einmal handfeste Tatsachen liefern konnte, und nicht nur das wage Gerede fortsetzte, dass er im Augenblick pflegte.
    Der Rediviver glaubte auf jeden Fall nicht, dass irgendein Mann wegen irgendeiner Verlobungsangelegenheit jemanden umbrachte, und vor allem nicht, dass die dazugehörige Frau zu diesem Zeitpunkt vor der Tür gesessen und gelesen habe!


    Tychicus kam es schließlich so vor, als habe Afer herzlich wenig Ahunng davon, was in diesem Officum wirklich vorgegangen war... Vielleicht sollte man sich tatsächlich einmal an die Personen wenden, deren Namen auf dem Pergament standen.

    Sie erreichten den Raum, in dem, was auch immer es jetzt war, geschehen war, und Tychicus beobachtete seinen Kollegen ersteinmal kurz beim Untersuchen der Leiche.
    Er war einerseits erleichtert, andererseits aber auch verwirrt über den Zustand der nun leeren Hülle Scipios, dessen Seele nun wahrscheinlich bei den Göttern war...
    Es gab weder Blut noch die Spuren eines Kampfes im Zimmer, alles würde ruhig und friedlich wirken, wäre da nicht der leblose Körper.
    er lag auf dem Bauch, leicht auf die Seite gedreht und Tychicus bemerkte, dass eine Hand auf die Brust gepresst war, dort, wo das Herz sich befand.
    Also vielleicht doch kein Mord...


    Der Redvivier wandte sich an Afer:
    "Es sieht mir auf den ersten Blick so aus, als ob dieser Mann hier einen Schock erlitten hat oder einer Herzkrankheit erlegen ist...", er wies auf die linke Hand des Toten, so in die Brust gekrallt, als hätte er sich selbst das Herz herausreißen wollen, "Weißt du, ob dieser Mann bereits vorher ein Herzleiden oder ähnliche Beeinträchtigungen hatte... vielleicht auch schwache Nerven? Und vor allem: Kannst du dir vorstellen, was in diesem Officum vor sich gegangen ist? Gab es einen Streit, war dein Kollege vorher schon stark gestresst oder so etwas?"

    Tychicus betrat nach der entsprechenden Aufforderung das Officum und blieb ersteinmal etwas verblüfft stehen.
    Er hatte bereits einige Verwaltungsgebäude von innen gesehen, nicht zuletz die Principia der Castra, aber er hatte noch nie ein Officum gesehn, dass ihn derart stark an eine (zugegeben, relativ leere)Abstellkammer erinnerte.
    An der Wand stapelte sich ein nicht kleiner Haufen Mühlsteine, die Wände wirkten alt und baufällig, das Dachgebälk war von den Jahren, die auf ihm lasteten, durchgebogen und bestimmt auch etwas morsch... Es war insgesamt nicht das, was man von einem Officum erwartete.
    Allerdings bemerkte der Rediviver im selben Augenblick, dass der Decimer sich offensichtlich Mühe gegeben hatte, den Raum wieder halbwegs in Stand zu setzten; Die Wände und der Boden waren vom gröbsten Schmutz befreit worden, es hingen keine Spinnweben von der Decke und außer dem Steinhaufen füllten einige relativ neu wirkende Möbel den Raum.
    Besonders beeindruckt war der Neu-Miles von der riesigen, detaillierten Karte von Rom.


    Er riss seinen Blick mit Gewalt von diesem Anblick los und setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch.
    Religion? War er jetzt bei den Stadtkohorten oder beim Cultus Deorum? Tychicus runzelte leicht die Stirn, verwundert über die Frage, da er etwas.. nunja, eher "militärisches" erwartet hatte...


    "Mit der Religion... Nun, ich verehre die Götter und tue das Nötigste, um ihnen das auch zu zeigen... Ich habe die Riten und Opfer durchgeführt oder Priester dazugezogen, als meine Eltern starben...
    Aber allgemein gesehen ist mir der Cultus Deorum eher fern. Ich hege nicht die Überzeugungen und den starken Glauben, den andere Menschen besitzen, ich bin eben mehr neutral."


    Er hoffte, dass der Princeps Prior mit dieser wahren Antwort zufrieden war und vor allem, dass er ihm bald sagte, was es mit dieser Frage überhaupt auf sich hatte :hmm:

    Es war ausnahmsweise einmal ein etwas freundlicherer Herbstmorgen an diesem Tag, dem Tag nach Tychicus' Beförderung zum Miles und der überraschenden Aufforderung des Decimers, nach dem Morgenappel in dessen Officum zu erscheinen.
    Der junge Mann war stolz darauf, dass er sich am vergangenen Abend in der Taverne zurückgehalten hatte und deshalb an diesem Morgen einen realtiv klaren Kopf hatte - ganz im Gegensatz zu Calvena, Regillus und Pitio, die noch ein wenig verkatert gewesen waren.


    So hatte sich Tychicus von seinen Kameraden getrennt, die sich auf den Weg zum Training auf dem Campus gemacht hatten, und war zu den Unterkünften zurückgekehrt, wo sich das äußerst provisorisch wirkende Officum des Princeps Prior befand.
    Der junge Mann grübelte immer noch darüber nach, was sein Vorgesetzter eigendlich von ihm wollte, denn irgendetwas Negatives erwartete er nicht, schließlich war er gestern noch von ihm gelobt worden...
    Natürlich mischte sich unter dieses Gefühl der Ungewissheit aber auch eine gehörige Portion Neugier, schließlich stand zu erwarten, dass Tychicus bald erfuhr, was es mit dem Zweck dieses Officums überhaupt auf sich hatte. Der Rediviver malte sich bereits in Gedanken die abenteuerlichsten Dinge aus, die ihn vielleicht dort erwarteten - von schrecklichen Folterinstrumenten bis hin zu geheimen, beschlagnamten Reichtümern oder Schätzen.


    Schließlich stand Tychicus vor der Tür und klopfte an.

    Tychicus, Calvena, Regillus und Pitio erreichten die Taverna am frühen Abend.
    Es war noch nicht sonderlich viel los, und die Stimmung ließ so früh am Abend natürlich noch zu wünschen übrig, aber die vier Ex-Probati der Cohortes Urbanae konnten sowieso nicht bis spät in die Nacht bleiben, denn morgen wartete schon wieder die Pflicht auf sie, und man erwartete mit Sicherheit keine völlig müden und verkaterten Männer in der Castra.
    Sie setzten sich an einen Tisch in der Ecke, ungestört und etwas abgesondert vom sonstigen Betrieb, und ließen sich eine große Amphore guten, sizilianischen Wein bringen.
    "Auf uns - als Milites!", stießen sie miteinander an und nahmen jeder einen großen Schluck von dem köstlichen Rebsaft.
    "Wer hätte das gedacht?", sinnierte Tychicus seelig lächelnd, "Noch vor einem Jahr hätte ich mir niemals auch nur träumen lassen, dass ich heute hier sitzte - in Roma! - und Soldat bei den Stadtkohorten bin."
    Die anderen nickten zustimmend.
    "Damals", fuhr der Rediviver fort, "Habe ich noch in diesem Kaff in Germania gehockt und nicht gewusst, wie es mit mir weitergehen soll..."
    Pitio grinste. "Ich habe bei meinen Eltern in Ravenna gewohnt. Mein Vater wollte mich unbedingt nach Roma schicken, damit ich zum Cultus Deorum gehe. Aber was soll ich denn bei den Priestern?", er winkte ab, "Die haben mich nie interessiert - also bin ich gegangen, aber sobald ich hier, außer Reichweite meines Vaters war, habe ich einfach bei den Cohortes Urbanae angeworben."
    "Und was hat dein Vater dazu gesagt?", fragte Calvena ungläubig.
    "Du hättest die Briefe lesen sollen, die er mir schickte, nachdem er von meiner Entscheidung erfahren hatte!" Pitio wedelte die Hand durch die Luft, als hätte er sich die Finger verbrannt. "Mir wurde Angst und bange um mein Leben... Aber er hat sich, den Göttern sei Dank, wieder beruhigt."
    "Jetzt hast du ihm auf jeden Fall bewiesen, dass du auch hier gut aufgehoben bist - MILES!", sagte Tychicus mit Betonung auf ihrem neu erworbenen Rang.
    "Darauf einen Schluck von diesem Trunk der Götter!... Wer bezahlt die Runde nochmal?", fragte Regillus.
    "Natürlich du!", riefen die anderen im Chor und brachen in schallendes Gelächter aus, als sie das ungläubig-überraschte Gesicht ihres Freundes sahen, der ihrem Scherz zuerst Glauben schenkte.


    -tbc-

    Nachdem der Princeps Prior sie endlich entlassen hatte, löste sich auch die Stimmung unter den frisch gebackenen Milites.
    Man lachte erleichtert, klopfte sich auf die Schultern und wandte sich, mit einem mitleidigen Blick auf die Durchgefallenen, zum Gehen.
    Tychicus und Calvena schlossen sich Regillus Und Pitio an, ihren beiden Bettnachbarn in den Unterkünften.


    "Das muss gefeiert werden!", rief Calvena überschwänglich.
    Regillus nickte zustimmend. "Aber natürlich - darauf eine Runde Wein auf mich! Ich kenne da eine tolle Taverne in der Stadt drüben..."
    Plötzlich bemerkte Tychicus, dass der Decimer ihn heranwinkte.
    Der junge Mann lächelte stolz auf das Lob, dass sein Vorgesetzter ihm zusprach.
    "Vielen Dank!"
    Und er sollte sich im Officum melden. 'Welches Officum?', fragte der Rediviver sich kurz, aber dann fiel ihm ein, dass der Princeps Prior sich ja letztens in einem der leerstehenden Räume bei den Unterkunftsbaracken eingerichtet hatte. Es gingen bereits die wildesten Gerüchte unter den Soldaten und Probati um, was den Decimer dazu veranlasst hatte, dies zu tun.


    "Jawohl, ich werde da sein, Princeps Prior Decimus.", versicherte Tychicus und überlegte, während er zu seinen Kameraden zurückkehrte fieberhaft, warum ausgerechnet ER sich morgen bei seinem Vorgesetzten melden sollte und was ihm da wohl bevorstand...
    Dann verließen die vier jungen Männer fröhlich plaudernd die Castra und Tychicus beschloss, sich an diesem Festtag nicht mehr zu sehr mit Gedanken an den morgigen Tag zu belasten.

    Froh, vom teilweise auch etwas langweiligen Wachdienst wegzukommen, aber auch mit dunklen Vorahnungen und Erinnerungen im Hinterkopf, war Tychicus seinem Kollegen und dem Mann vom Cultus Deorum gefolgt.


    Der Rediviver wusste nicht genau, was dieser Kerl überhaupt gemeint hatte mit 'Vielleicht können wir die Täter noch erwischen'. Seit der Mord anscheinend geschehen war, war inzwischen mindestens eine halbe Stunde vergangen, und wenn man gerade einen Mord begangen hatte, setzte man sich ja normalerweise nicht an Ort und Stelle zum Kaffeekränzchen zusammen, um geduldig auf die Ankunft der CU zu warten und sich festnehmen zu lassen... :hmm:


    Mit entsprechend kritisch gerunzelter Stirn wartetet Tychicus also ab, bis Sulla seine Fragen gestellt hatte, und fügte dann hinzu:


    "Bist du dir sicher, dass du die Täter kennst oder erkannt hast? Und was hat dieses Pergament damit zu tun?"

    Der Wachdienst am Tor der Castra war zwar nicht gerade die spannendste oder anspruchsvollste Aufgabe, die ein Soldat zu bewältigen hatte, aber Tychicus schätzte an ihr den Umstand, das man die meisten Neuigkeiten als Erster erfuhr.
    Am Morgen hatte es ein wenig geregnet und die Soldaten hatten mit klappernden Zähnen dagestanden, aber jetzt war es ein wenig aufgeklart und Tychicus stand, lässig gegen die Mauer gelehnt, am Tor und lauschte mit einem Schmunzeln im Gesicht den Reimspielen der anderen Milites und Probati.


    Der Rediviver horchte auf, als plötzlich ein völlig erschöpfter Mann ans Tor gestolpert kam und Sulla wild gestikulierend einige Pergamentfetzen unter die Nase hielt.
    Ein Mord sollte geschehen sein?
    Nicht schon wieder, dachte Tychicus und verzog das Gesicht. Er erinnerte sich noch lebhaft an seinen ersten Einsatz rund um das Thema Mord und Totschlag.


    Schließlich raffte er sich auf, er hatte schließlich auch gewisse Pflichten, und trat an die Seite seines Kameraden Sosius, um den weiteren Ausführungen des Ankömmlings zu lauschen.

    Eine Welle der Freude überkam Tychicus, als der Centurio ihm seine Beförderung mitteilte, und er konnte ein breites Grinsen beinahe nicht verkneifen, als er sich danach wieder einreihte.
    Minidius Calvena und der Rediviver klopften sich gegenseitig auf die Schultern und tauschten einige geflüsterte Glückwünsche und Freudesbezeugungen aus, als der Flavier sich von ihnen entfernte.


    Das war der entgültige und offizielle Beweis: Tychicus war es würdig, der Stadt Rom in den Cohortes Urbanae zu dienen.
    Monate der Ausbildung waren nicht umsonst gewesen.


    Sein Vater wäre bestimmt stolz auf ihn gewesen, dachte der junge Mann bei sich und stellte sich fest vor, dass er jetzt irgendwie, irgendwo in der Nähe war und stolz auf ihn herablächelte, wie er es früher manchmal getan hatte.


    Tychicus Gedanken drohten abzuschweifen, das merkte er, also verschaffte er sich wieder einen klaren Kopf und nahm Haltung an, obwohl er vor Freude und Erleichterung nur schwer stillstehen konnte.

    Tychicus Blick wanderte weiter.
    Nachdem Fortuna ihm bereits das Zeichen dieses Fisches gegeben hatte (das aber offensichtlich unwichtig war), erwartete der junge Mann nicht, noch weitere besondere Entdeckungen zu machen, aber das Glück meinte es offensichtlich gut mit ihm.
    Um den Wasserabfluss herum hatte sich durch den Regen, der wohl auch hier irgendwann einmal gefallen war, ein Haufen aus angespültem Dreck und Unrat gebildet, der zu grob war, um durch das Gitter in den Kanal zu gelangen und deshalb hier oben, im Rinnstein, liegengeblieben war.
    In all dem braunen, ekligen Zeug hätte Tychicus den kleinen, braunen Lederbeutel beinahe nicht gesehen, aber, wie gesagt, Fortuna meinte es an diesem Tag wirklich gut mit dem Rediviver.
    Tychicus erstarrte in seiner halb knieenden, halb kriechenden - und nebenbei bemerkt auf Dauer äußerst unbequemen - Position und streckte dann die Hand nach dem ledernen Gegenstand aus.


    Er wog ihn kurz in der Hand und schüttelte ihn. Es klirrte ein wenig.
    Daraus, dass der Beutel zusätzlich auch ein gewisses Gewicht hatte, schloss Tychicus, dass sich mindestens ein paar Münzen darin befinden mussten.
    Trotzdem - man konnte nicht vorsichtig genug sein, also zügelte er sein Neugier, ließ das Band, das den Beutel verschloss, in Ruhe, und erhob sich, um dem Decimer seine Entdeckung zu zeigen.


    "Princeps Prior Decimus!", wandter er sich schließlich an seinen Vorgesetzten,
    "Ich habe einen Beutel gefunden. Er scheint nocht nicht lange dort auf der Straße gelegen zu haben, vielleicht ist es der Geldbeutel des Octaviers."