Aurelius Orestes war anwesend und trat vor. In eine fast schon strahlend weiße toga candida gekleidet, hatte der junge Aurelier diesen Tag herbei gesehnt. Er war auf und ab gelaufen, hatte seine Rede geprobt, er war sogar einen Tag ans Meer gefahren, um die Rede gegen den Ansturm des Meeres zu üben. Und jetzt war es soweit, er sollte vortreten und tat dies. Die Augen vieler Senatoren waren auf ihn gerichtet, nicht von allen natürlich und es war auch keine besondere Atmosphäre zu spüren, jedenfalls objektiv nicht, subjektiv dagegen, wohnte diesem Anfang des ehrenvollen Weges ein Zauber inne.
Manius Aurelius Orestes schaute nur kurz in das Rund der Senatoren und suchte sich dann einen Redepunkt etwa zwischen der dritten und vierten Reihe, atmete ruhig, aber tief ein (kontrollierte noch einmal die Schultern nicht zu sehr zu erheben) und sprach dann mit ruhiger, aber deutlicher (und deswegen tragender) Stimme:
"Senatoren! Es ist für einen jungen Römer, wie ich es bin, ein ehrenvoller Moment, in diesen Hallen das erste Mal das Wort erheben zu dürfen. Dies kann ich an diesem Tag mit Dankbarkeit und voller Einsatzbereitschaft tun.
Der hochverehrte Consul Aelius hat schon zum Zwecke meines Hierseins die nötigen Anmerkungen gegeben, so dass ich nur diese bestätigen kann, wenn ich sage: Ja, ich kandidiere für einen Platz unter den Zwanzigmännern. Wenn ich dies schon an dieser Stelle präzisieren darf - und um der Frage, die Ihr, ehrenwerte Senatoren Roms, gewiss zu stellen nicht lange warten würdet, vorzugreifen -, will ich innerhalb dieser Gruppe, so Eure Wahl auf mich fällt, als Decemvir litibus iudicandis den ersten Schritt auf dem cursus gehen.
Doch warum, fragt Ihr Euch, sollen wir diesen jungen Aurelier wählen, und nicht einen Spross aus einem anderen wahrscheinlich ähnlich geehrten römischen Haus? Was hat er vorzuweisen? Senatoren, ich bin jung an Jahren und meine Erfahrungen sind nicht herausragend. Nach den Jahren der Ausbildung kam ich vor einiger Zeit in die urbs, um mich meiner Pflicht gemäß in den Dienst Roms zu stellen. Ein erster Schritt sollte dazu der Dienst an den Göttern sein, so dass ich in bescheidener und einfacher Weise meinen Dienst als sacerdos publicus und in den Reihen der palatinischen Salier aufnahm. Im Tempel des größten und besten Iuppiter auf dem Kapitol brachte ich die geschuldeten und freiwilligen Opfer der Römer dar, immer mit dem Blick auf das Wohl unserer Heimat. Ich wurde dabei - trotz meiner kurzen Dienstzeit - mit der Ausbildung eines Discipulus betreut, der inzwischen in den germanischen Weiten den römischen Göttern zu ihrem Recht verhilft.
Doch, ist in mir der Wunsch entbrannt das, was Rom und die Götter mir geschenkt haben, in noch vollkommener Weise, zurückzugeben - auf dem cursus honorum.
So stehe ich vor Euch, Spross einer edlen Familie, der durch seinen Großvater Aurelius Crassus, sich den senatorischen Ordo vererbt bekommen hat, der zwar den Göttern dient, aber ansonsten nicht viel vorzuweisen hat, außer seiner Leidenschaft für Rom und seiner Einsatzbereitschaft - und bitte Euch um Euer Vertrauen."
Ihm waren nicht mehr alle Figuren, die er unterbringen wollte, in den Sinn gekommen, und doch hatte er das Gefühl mit seiner ersten Rede in der Curia Iulia zufrieden sein zu können, als er diese beendete und sich nun den Fragen der Senatoren stellen musste.