Beiträge von Manius Aurelius Orestes

    Die Decimerin war anscheinend ein helles Köpfchen, bei der wahrscheinlich nur wenige Theoriestunden reichen würden, während der Duccier wohl schon an die anstehende praktische Prüfung dachte, aber wer wollte es ihm verdenken - den schließlich wäre in Germania sicherlich schon alles weiß, während in Roma der Regen eingezogen hatte. "Du hast recht die Form der Tempel hängt an den Vorlieben der Gottheiten. Dennoch lässt sich ein gewisser Trend feststellen. Fruchtbarkeitsgottheiten und Göttinnen bevorzugen zumeist runde Tempel, Staats- oder Kriegsgottheiten und männliche Götter quaderförmige und Himmelsgottheiten kugelförmige. Mehr im griechischen Einflussbereich finden wir für die Erd- und Unterweltgottheiten auch unterirdische Tempel. Auch wenn es da Ausnahmen gibt, muss ich die Grundlage dieser Tendenz - nämlich die Körperlichkeit von Mann und Frau wohl nicht weiter erklären."

    "Sehr gut, Flava!", sagte Orestes anerkennend, "Was das Abreißen eines Tempels betrifft, müssen einige Schritte eingehalten werden. Das Gebäude und der Boden sind ja mit dem von Flava so gut beschriebenen Procedere zum 'sacrum' geworden, also etwas vereinfacht gesagt zum Eigentum der Gottheit. Also muss es wieder entsakralisiert werden. Dem Gott muss ein mindestens ebenso gutes stück Land gegeben werden, und ein mindestens so prächtiger Tempel muss gebaut werden. Die Auswahl eines solchen Bauortes ist natürlich auch unter Auspizien zu machen. Erst wenn das geschehen ist kann man daran denken den Tempel durch die entsprechenden Riten zu profanieren. Noch weitere Fragen dazu?"

    Der Sprachfehler des Flaviers, von dem er nur hatte munkeln hören, dass es noch vor kurzem viel schlimmer gewesen war, erschreckte ihn nicht mehr. Im Gegenteil, er war verwundert, dass die verschluckten Buchstaben nurmehr einen geringen Anteil ausmachten. "Ich habe mein Bestes gegeben, das - wie ich bekennen muss - nicht besonders viel war aber vielleicht, so die Götter es wollen, ausreichend, da SIE ja auch in der Lage sind den Rest zu ergänzen."


    Dann erschien auch sein Schüler, "Salve, discipule! Nun gilt es!", sagte er zu ihm, "Sollen wir noch auf jemanden warten, oder können wir beginnen?"

    Orestes wollte gerade seinen Mund öffnen, um mit sehr gezielten Worten die Frage des Senators Macer zu beantworten, indem er einen mittleren Weg vorgeschlagen hätte, damit zugleich Offenheit aber auch Treue zu den Traditionen zu zeigen, als der ältere Tiberier, bei dem schon beobachtet worden war, dass der gute Wein sich schon in einem beträchtlichen Maße dem natürlichen Ziel (getrunken zu werden nämlich) zugewandt hatte, lallend antwortete, so dass es nicht an Orestes war, die kurze Stille der peinlichen Berührtheit zu beenden. Also wartete er ab und schwieg.

    Tag und Ort waren vom Pontifex Flavius Gracchus bestimmt worden für die Opferprüfung, das erste öffentliche Opfer seines ersten Schülers. Orestes konnte es sich natürlich nicht nehmen lassen die nicht nur für seinen Schüler Duccius Verus sondern auch für den Lehrer besonderen Moment mitzuerleben - und eine gewisse Aufregung hätte er nicht verleugnen können, auch wenn diese auf dem Weg zu Tempel der Iuno von ihm abgefallen war - durch der kühlen Luft november-dunklen Hauch.


    Er war ein Mann der Sonne und des Lichts, so dass diese trübe Stimmung ihn schnell umfassen und zu seinen eigenen Gedanken bringen konnte, die wiederum von der jungen Frau, die mit ihrem kleinen Säugling ein Opfer an der Lactariasäule brachte, vertrieben wurden. Im gleichen Moment sah er Flavius Gracchus, den er bei der Cena im Hause der Tiberier getroffen und daher schnell auf der Treppe des Tempels ausmachen konnte, wenngleich er damals nicht viel mit gesprochen hatte. "Salve, Pontifex Flavius Gracchus. Ich freue mich, dass Du es so kurzfristig einrichten konntest, die Prüfung abzunehmen."

    Die Nachfrage zeigte von einer gewissen Vorbildung der Decimerin, deshalb nickte Orestes als er antwortete. "Zwei Aspekte, die mir wichtig sind hast Du schon genannt, Tempel und das Haus. Gibt es noch weitere, Orte - gibt es auch Gottheiten, denen in der Natur geopfert wird?"


    Das war der erste Teil auf den er hinauswollte, den zweiten hängte er gleich an: "Und dann ein weiteres - was muss alles passieren, damit ein Tempel an einem Ort gebaut werden kann, und was muss passieren, wenn ein Tempel abgerissen werden soll? Die dritte und letzte Frage, was könnt ihr mir über das Verhältnis von Bauart des Tempels und Verehrung der Gottheit sagen."

    Wenn Orestes sich nicht - nach dem beinahe Patzer beim Auftreten Arvinias - sehr genau konzentriert hätte, wäre ihm bei diesem so unscheinbar daher kommenden Themenwechsel, der für Orestes doch mehr als nur ein einfaches Geplänkel, da er ja zumindest so etwas wie ein Auftakt zu einer möglicherweise entscheidenden Unterredung und somit vielmehr ein kairos als einfach nur dahinfließende Zeit war, darstellen mochte, wohl die Dattel aus dem Mund gefallen, so allerdings biss er genüsslich in sie hinein, um allerhöchstens durch die durch das Abbeißen verursachte kurze ja fast schon kunsthafte Pause anzudeuten, dass die Worte, die nun sogleich das Geflecht seiner Zähne verlassen würden, vielmehr waren als eine einfache Antwort, sondern der langsame, noch zaghafte Beginn einer zurückhaltenden - eben vornehmen - aber doch, so wagte er wenigstens zu hoffen, am Ende erfolgreichen Werbung um Gunst und Zustimmung, wobei ersteres ihm wenigstens in Bezug auf Arvinia sicherer schien als letzteres, in den Augen der Tiberier, so dass er ohne den Blick zu Arvinia zu wenden sagte:


    "Nein, werter Tiberius. Es ist mir bisher nicht vergönnt gewesen, dass sich Aspirationen und Ambitionen in einer glücklichen Weise verbunden haben. Denn sowohl das eine, also die eigenen Wünsche und Hoffnungen, als auch das andere, das Wohl der Familie und der Karriere, müssen bei einer solchen Entscheidung mitbedacht und in Einklang gebracht werden. Aber, auch wenn ich noch nicht reich an Jahren oder Erfahrungen bin, scheint es mir an der Zeit - gemäß den Sitten der Älteren - nicht mehr allzu lange mit dieser Frage zu warten."

    Es war nach dem herbstlichen Ausflug und nach der Cena im Haus der Tiberier. Einer dieser dunklen, langen Herbstabende. Einer dieser Abende an denen der Raum auch durch die Öllampen und Kerzen nicht richtig erleuchtet wurde. Einer dieser Abende an denen der kleine Ofen in der Ecke des Cubiculum seinen Dienst verrichtete ohne dabei die genügende Wärme im Raum zu verbreiten. Orestes fröstelte es.


    Er saß auf seiner Kline und die neblig-herbstliche Stimmung begann von ihm Besitz zu ergreifen. Wieder fröstelte es ihn, war es wirklich kühl in seinem Raum oder begann ein Fieber von ihm Besitz zu ergreifen? Er wusste es nicht. Schon lange hatte er Arvinia nicht mehr gesehen und auch die Arbeit im Tempel gab ihm in diesen Tagen nicht die Erfüllung, die sie sonst zu tun pflegte. Noch merkte man nichts davon, aber ein Teil seiner Heiterkeit hatte sich in den letzten Tage verflüchtigt. War er einfach wieder erwachsener geworden, oder nagte etwas an seiner Seele? Oder war das Nagen doch nur das, eines sich langsam, versteckt heranschleichenden Fiebers, das ihn in diesen kühlen Herbsttagen erwischen wollte.


    Er dachte nach, nein er grübelte vielmehr. Auch Corvinus, seit dem Gespräch über Arvinia und der Cena bei den TIberiern war er ihm aus dem Weg gegangen, war merkwürdig verstimmt. Es hatte noch nicht einmal ein Anstoßen auf seine Mitgliedschaft im Senat und die Quaestur von Titus gegeben. Vielleicht sollte er Rom verlassen, wie er es schon einmal tat, wie er Alexandria verlassen hatte. Einfach gehen.Und doch war dies immer nur die Flucht vor ihm selbst gewesen.

    Orestes hielt sich derweil zurück, aß und trank in Maßen und lauschte den Gesprächen, die sich von politischen Themen in der großen Runde zu einzelnen kleinen Themen privaterer Natur gewandelt hatten. In Bezug auf die junge hübsche Dame, die durchaus seine Aufmerksamkeit verdient hätte, ist nur zu sagen, dass sie -vielleicht zum Glück für ihn- ziemlich aus seinem Blickfeld gerückt war, als sie sich an die Seite der Purgitierin gesetzt hatte. So erfreuten Orestes nun hauptsächlich die Datteln.

    So recht wohl fühlte sich Orestes auf den ersten Metern noch nicht auf dem Pferd, das ihm zur Verfügung gestellt worden war. Auf einem Kamel (das letzte Reittier auf dem er gesessen war) ritt es sich einfach anders. Mit jedem Schritt gewöhnte er sich wieder etwas mehr, so dass seine Zuversicht stieg diesen Ausflug ohne größere Verletzungen zu überstehen.


    Er war vorne mit Avianus und Ursus geritten, die Gruppe die sie begleiten würden sah er mit Freude. Es war zwar sicher in Latium in diesen Jahren, aber man wusste ja nie. Der Vorschlag des Anführers der Jäger gefiel Orestes, so dass er zustimmend nickte. Er schaute sich um und sah, dass Nuala bei Caelyn war. Dann war ja alles in Ordnung. Zu Ursus gewandt: "Die Hunde sehen ja aus, als ob sie sich schon so richtig auf eine kleine Jagd freuen, oder?"

    Richtig, Verus. Ich meine den Tempel der Mars und der Venus. Interessant ist der Name, den Du ihm gibst. Pantheon. Auch wenn ich diesen Namen noch nicht gehört habe, würde er durchaus passen. Die runde Form des Tempels kann nämlich durchaus als Zeichen der Vollkommenheit gedeutet werden, zumal wir eigentlich nicht nur einen Rund-Tempel haben sondern einen Kugel-Tempel.". Damit war er bei dem Thema, zu dem er mit den beiden heute noch kommen wollte, bevor er Flava für ihren ersten Tag entließ und die letzte Sonderstunde mit Verus über die Interpretatio Romana anschließen wollte.


    "An welchen Orten verehren wir Römer die Götter und opfern ihnen, wie sind die Orte beschaffen und was bedeutet dies für den jeweiligen Kult?"

    Orestes wusste einfach nicht wie er reagieren sollte, auf ein Pläuschchen mit Laevina hatte er jedenfalls keine große Lust, daher war es wie eine Erlösung als das Soffchen kam und verkündete, dass man das Zimmer neben Laevina für Severa hergerichtet hätte. "Das ist ja großartig. Laevina, vielleicht möchtest Du ja Deine Cousine in ihr neues Reich bringen? Ich würde mich dann zurückziehen und Euch allein lassen, ihr werdet Euch sicherlich einiges zu erzählen haben.", dabei lächelte er süßlich und stand auf nickte Nuala zu und ging eine Verabschiedung andeutend in sein Cubiculum.

    Orestes hörte sich erst die Aussagen seiner beiden Schüler an, bevor er lächelnd die Stirn runzelte. "Du hast ja eigentlich Recht, Flava. Nur ist der Dianatempel auf dem Aventin - im Gegensatz zu den meisten anderen Aedes die dieser ehrwürdigen Gottheit geweiht sidn, leider gar nicht rund. Ihr seid auch in der falschen Gegend. Ich bezog mich auf den Minerva Tempel in der Saepta Iulia." Ganz augenscheinlich gefiel Orestes dieses kleine Ratespiel, denn es hatte ihm ja schon gezeigt, dass die Decima noch nicht im wichtigsten Diana-Tempel hier in Roma gewesen ist, aber immerhin in der Theorie schon einiges wusste. "Aber - Naulochos, war tatsächlich der Ort der Seeschlacht."

    Orestes betrachte lange und ruhig, die Ergebnisse seiner Schüler und nickte dabei mehrfach zufrieden. "Bene, das ist im großen und ganzen in Ordnung." Er untertrieb. Er war von der Leistung der Decimerin positiv überrascht und auch der Duccier hatte die Erwartungen erfüllt. "Eine Frage habe ich zum Thema Götter noch an Euch: Nicht weit entfernt vom Minervatempel hier in Roma steht ein großer runder Tempel, wem ist er geweiht und warum?" Wenn die beiden mit offenen Augen durch Rom gelaufen waren, wäre der erste Teil nicht schwierig und beim zweiten Teil würde er sehen, wie gut sie sich wirklich schon auskannten. Also schaute er sie erwartungsfroh an.



    Sim-Off:

    Denkt nur daran in welchem Jahr wir uns befinden... :D

    Er hörte den beiden aufmerksam zu, wie sie sich vorstellten. Der Duccier bemerkte treffend, dass eine Ausbildung bald beendet wäre, während die Decimerin gerade anfing. Das stellte ihn vor eine pädagogische Herausforderung, da kam ihm wenigstens für heute eine Idee. "Wir haben gerade das Opfer besprochen, das werden wir dann nach dem Oktoberpferd wiederholen, wo Verus mithelfen wird und Du hauptsächlich zuschauen, Flava. Jetzt wollte ich eigentlich Verus ein paar Götter abfragen, die er lernen sollte. Machen wir es aber anders." Er nahm zwei Tafeln und gab beiden jeweils eine. "Notiert bitte die Namen von Zehn Göttern, die Euch gerade in den Sinn kommen, untereinander an den linken Rand. Danach tauscht die Tafeln aus un der andere schreibt jeweils alles auf, was ihm oder ihr zu diesem Gott oder dieser Göttin einfällt. Flava, Du darfst dazu gerne auf dieser Schriftrolle nachschauen. Verus, Du natürlich nicht, da es ja schließlich Deine Hausaufgabe war sie zu lernen." Er legte vor Flava die Schriftrolle mit den Beschreibungen der Götter hin, die auch schon Verus in der wohl vorletzten Stunde zu Lesen bekommen hatte.

    Wie es Orestes schon fast vemutet hatte, trat die neue Schülerin ein - Decima Flava. Sie wirkte für ein junge Frau sehr ruhig - er hätte etwa smehr Nervosität erwartet, aber vielleicht verbarg sie diese auch nur. Immerhin sprach sie ihn als Aurelius Orestes an, was wenigstens schon einmal für sie sprach - auch wenn es nicht weiter schwer war, nicht den Duccier für einen Aurelier zu halten :D .


    "Ah, Decima Flava. Salve. Nein, Du kommst nicht ungelegen. Darf ich Dir Duccius Verus vorstellen, er ist Dein Mitstreiter und Con-Discipulus. Komm doch näher und setz Dich." Orestes deutete auf den Stuhl, der neben dem des Germanen stand. "Vielleicht unterbrechen wir den normalen Fortgang des Unterrichts - und stellen uns erst einmal gegenseitig vor.", sagte er und fuhr fast sofort fort, Meinen Namen kennst Du ja schon. Ich bin Priester des Iuppiter, und als solcher auch Ausbilder. Ich bin eigentlich auch noch nicht so lange Sacerdos, aber immerhin kann ich mich glücklich schätzen schon vieles gesehen zu haben. Vor meiner Zeit als Sacerdos hier habe ich einige Zeit mit Studien in Alexandrien verbracht. Er schaute beide an, er war gespannt, wer als nächstes antworten würde.

    Orestes hatte sich einmal zu Wort gemeldet und seine Meinung war - ohne dass es ihm einsichtig war warum, nicht besonders gewürdigt worden. So verfolgte er die nächsten Beiträge aufmerksam und als es sich doch wieder in Richtung einer Frist neigte, war ihm klar, dass sein Vorschlag nicht ohne jeglichen Sinn gewesen war. Er selbst achtete im weiteren Verlauf bewusst darauf nicht auf Arvinia zu achten, sondern war mit voller Aufmerksamkeit, entweder beim Essen, oder beim wirtschaftspolitischen Gespräch. Insbesondere die Erbschaftsfragen sollte er sich merken, vielleicht würde ihn ja bald ein Vigintivirat erwarten.