Beiträge von Firas

    Firas wusste nicht so recht, wie er es bewerten sollte, dass der Herr Archias mit einem derartig freudvollen Ausdruck in den Augen seinen Ausführungen über das Glücksspiel folgte. Doch immerhin brachte es ihn kurz zum Überlegen, ob er dem Ganzen noch etwas hinzufügen sollte, um einen möglichst guten Eindruck von seiner eigenen Person bei ihm zu hinterlassen. Das war aber bestimmt doch nicht nötig, auch wenn er bisher nicht wirklich als Botschafter der Unterhaltungsbranche Alexandriens dienlich war. Zumindest wäre das Hütchenspiel schnell erklärt. Firas deutete wirre, kleine Konturen in der Luft an und wollte zu einer Erläuterung ansetzen. “Also, man hat da drei so kleine Hüte und einen kleinen Gegenstand....“ Weiteres war allerdings gar nicht nötig. “Wobei...warte mal...“ Ja? Der Herr Archias hatte wissen wollen, was er mit „und so“ meinte. Firas hatte inne gehalten und erwartungsvoll dreingeschaut, doch er wusste mit einem Mal selber nicht mehr, was er mit „und so“ gemeint hatte. Vielleicht dieses Brettspiel, mit diesem Gitternetz, wo es darum ging, fünf Steine in eine Reihe zu bekommen, aber damit kannte er sich absolut nicht aus. Auf jeden Fall hatte er schon einmal herausgefunden, dass es die Spiele waren, bei denen es etwas zu gewinnen gab, die den Herrn Archias interessierten. Aber er war eben ein Römer und somit war das völlig normal. Nikoláos hatte einmal gesagt, dass Glücksspiele den Charakter schwächten, und dass man sie deshalb meiden musste, wo es nur ging. Für den Griechen war das sicherlich die richtige Entscheidung gewesen, auch wenn seinerseits eindeutig Unternehmungen fehlten, die dem Charakter eventuell eine Stärkung erfahren lassen hätten.


    Wie gut, dass Firas zuvor schon erkannt hatte, dass dieses Gebiet nicht unbedingt seins war, auch wenn alles was damit zusammenhing ihn sehr interessierte. Die Ausführungen über sein zukünftiges Betätigungsfeld seitens seines neuen Herrn klangen überaus zufriedenstellend. Aufräumen. Das war schon einmal recht gut, auf jeden Fall besser als bei Gaius, wo der Begriff des „Aufräumens“ immer zwangsläufig etwas mit einer Mistgabel zu tun hatte und in den Ställen stattfand. Hier schien es definitiv keine zu geben, auch wenn Firas persönlich den Umstand schade fand, dass es wohl auch keine Pferde gab. Er vergötterte Pferde, und sogar Gaius war immer wieder erstaunt gewesen, wie sehr die Pferde auch Firas zu vergöttern schienen. Aber es war nicht zu ändern.
    Etwas überrascht war Firas dann doch, dass er als Leibwächter mitgenommen werden sollte. Bewachen stellte kein Problem dar, doch er war noch nie ein Leibwächter gewesen, und so würde sich schon herausstellen, was geschehen würde, wenn er ausgiebig gewacht, und eine Gefahr dabei entdeckt haben sollte.
    Mit einem Schulterzucken folgte er der Aufforderung, sich diesbezüglich Katander zu betrachten. So richtig eindringlich wurde sein Blick jedoch nicht, um sich nicht möglicherweise etwas mit diesem zu verscherzen, was noch nicht einmal begonnen hatte. Immerhin verdankte er es Katander, dass er hier war, wie auch immer dieser Umstand zu bewerten war. Nein, Firas lächelte stattdessen lieber. Das war eine Weisheit von seiner Mutter. Schenke der Welt ein Lächeln und vielleicht hast du Glück und sie beachtet dich dann nicht weiter.


    “Und ach, wir brauchen dringend jemanden, der kochen kann. Damit abends was auf dem Tisch steht, wenn ich heim komme.“ Firas konnte zwar ausgezeichnet gut essen, aber kochen? Gaius hatte das Katander erzählt und nur der kreisende Pleitegeier wusste warum er das getan hatte. Natürlich um ihn loszuwerden! Firas kratze sich am Kinn. Mit viel Glück konnte er Eier kochen, Fleisch auf einem Rost braten und er verstand sich auch auf deftiges Allerlei, das man in ein Brot stopfte, Soße drüber goss, nur um sich dann daran die Kiefergelenke auszuhebeln. Leibwächter klang da schon eindeutig besser, doch so recht spannend schien das Leben hier dann doch nicht zu werden, auch wenn die Aussicht auf ein nagelneues Bett recht vielversprechend klang. Nach dem Aufräumen und dem Kochen, hatte er dann gewiss viel Zeit, um dieses auch gebührend zu würdigen. Wenn dass kein Glück war!


    “Ja, das ist alles kein Problem,“ gab dann mit diesen Worten zwar eine feste, aber auch recht globale Antwort auf alles und schaute auf, als sein neuer Herr sich erhob und reckte. Auch ihn hielt es nicht mehr auf seinem Platz und er erhob sich ebenfalls. So ganz konnte er nicht glauben, dass das wirklich alles gewesen sein sollte. In ihm jedoch war schon längst der Entschluss gereift, sich redlich zu bemühen und sein Bestes zu geben. “So,“ sagte dann auch er und trat recht unschlüssig von einem Bein auf das Andere, um einen Tatendrang unter Kontrolle zu bringen, von dem er selber nicht wusste, in was er diesen einmünden lassen sollte. Schließlich patschte er die Hände zusammen, sah auf Katander, sah auf seinen neuen Herrn, und schaute sich weiter um. Sein Blick glitt über das Geländer, hinunter auf die Straße, und dann wieder am gegenüberliegenden Haus empor. “Nette Aussicht,“ sagte er mit einem beiläufig klingenden Tonfall und einem sympathie-heischenden Lächeln im Gesicht.

    Das sie ihn die ganze Zeit über beobachtet hatte war klar, doch in diesem Augenblick hatte Firas keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen. Innerlich regte er sich über sich selbst auf, aber er war bemüht, das nicht allzu deutlich an die Oberfläche dringen zu lassen. Ihr “Danke, nahm er noch im Hüpfen wahr und ließ sich dann geräuschvoll auf dem Hocker nieder, wobei er hilflos an der Naht zupfte. Es gab keinen Zweifel. Sie saß absolut fest, dank ungewohnt meisterlicher Nadelstiche. Das Nähen war ihm einfach viel zu leicht von der Hand gegangen und im Grunde wäre es auch ein Wunder gewesen, wenn da nicht irgend ein Haken bei der Sache gewesen wäre. Es war zum Haare ausraufen. “Was?“, fragte er sinnloser Weise, als Ophelia neben ihn getreten war. Ob das sein Ernst war? Firas blieb nichts weiter übrig als weiter zu zupfen und mit den Augen zu rollen. “Sicher, das war Absicht!“, schnaubte er ein wenig ungehalten und schaute kurz auf, in Ophelias Gesicht, die einige spottende Worte für ihn übrig hatte. “Ha!..Ha!...Ha!“, sprach er gedehnt, ohne das geringste Amüsement in der Stimme. “Mit Anhänglichkeit hat das nichts zu tun. Ich mag mich nur nicht von gutem Stoff trennen.“


    Ophelia lachte immer noch, doch sollte sie nur. Er konnte Spaß verstehen. War überhaupt keine Frage, und während er noch mit seinem Geschick haderte, pumpte er Luft in die Wangen, nur um diese mit einem vernehmlichen Geräusch wieder entweichen zu lassen. Dann fiel sein Blick auf eines der Messer, welche noch auf dem Tisch lagen. Kurzentschlossen griff er nach einem davon, um damit vielleicht die lästige Naht lösen zu können. Die trockenen Speisereste daran störten ein wenig und unschlüssig sah er sich um, ob es eine Möglichkeit gab, diese an irgendetwas abzuwischen. Die Toga war keine Option und auch seine Tunkia war nicht wirklich dafür gedacht. Während er noch umher schaute, ließ er geschickt das Messer zwischen seinen Finger kreisen. Er brauchte ein Tuch, doch sollte er nun wieder umher springen? Immerhin haftete die Toga noch an ihm, und bei seinem heutigen Glück würde er wahrscheinlich bei einem weiteren Stolpern mit dem Gesicht in die Pfanne stürzen. Gerade wollte er Ophelia bitten, ihm ein Tuch zu organisieren, als auch schon ein seltsam brodelndes Geräusch ertönte. Dann verwandelte sich dieses in ein Zischen und Firas' Kopf schnellte herum in Richtung Herd. “Oh Ha!“, entfuhr es ihm erschrocken, und dann erhob er sich doch. Das Gemüse im Topf schäumte und das Wasser schwappte bereits über den Rand. Erneut hatte er auf die Toga getreten und er kämpfte mit dem Stoff. “Das Essen!“, brachte er hektisch dabei hervor und deutete auf den Herd.

    In Firas Gesicht lag noch immer der gedankenverhangene Ausdruck, während er Ophelia betrachtete. Ihm entging gar nichts. Auch nicht ihr tiefes Einatmen, wobei sie abwesend wirkte und nicht zuletzt verwirrt. Er lächelte, als sie sprach. Ihre Stimme war ein sanfter Fluß des reinen Wohlklangs, was Firas jedoch nicht darüber hinweg täuschte, dass dieser recht traurigen Inhalts war. Gerne hätte er sie aufgeheitert und nun war es an ihm, schwer nach Luft zu ringen. Wieder hob er den Becher an seine Lippen und leerte ihn mit wenigen Schlucken, als der Herr Archias auf ihr Alter zu sprechen kam. Der Sklave ließ den Becher wieder sinken und hielt diesen dann unschlüssig in seiner Hand. Wollte er sie ermuntern? Ja, das musste wohl, wenn auch anscheinend nicht zum Sprechen, denn diesen Part übernahm er nun selber. Firas grinste breit, doch die Klarstellung die folgte, ließ auch in ihm erneut die Gedanken kreisen.


    Einen Grund ängstlich zu sein, hatte Ophelia wirklich nicht. Nicht bei dem Herrn Archias, der etwaige Egoprobleme mancher Leute erwähnte. Es stimmte eigentlich schon, auch wenn Firas vermutete, dass Römer grundsätzlich keine Probleme mit so etwas haben konnten, denn bei einigen von ihnen war das Ego bestimmt so groß, dass ein Drittel davon noch locker für mehr als eine Person ausgereicht hätte. Aber dieser Gedanke hatte die völlig falsche Richtung. Ein Ego gehörte per se zu den Besitztümern, von denen man zwar sehr häufig redete, die man aber an sich nicht einmal ansatzweise gerne teilte. Oder von denen man sich gänzlich trennte. So hatte Firas das noch nie betrachtet. Bei genauerem Überlegen überschlug er schnell die vielen unschönen Erlebnisse mit Gaius und Nikoláos. Gut, sie hatten nicht wahllos auf ihre Sklaven eingedroschen, vielmehr galten ihre eher verbalen cholerischen Aussetzer der Gesamtheit der Menschen die sie umgab. Grausam waren sie dabei aber höchstens zu sich selbst gewesen, indem sie eben jenes Ego mit Wein überfluteten oder es röhrend zur Schau stellten und sich dann selber im Nachhinein vermaledeiten. Auch dafür brauchten sie niemanden, der es für sie tat. Eine vertrackte Sache! Bitter! Firas nickte bestätigend.
    Die Mimik des Sklaven folgte der des Herrn Archias wie ein sichtbares Echo und fror erst ein, als die Sprache auf sein Starren kam, welches sich auf Opheilia richtete. Mit einem Schlag war sein Gesicht völlig ausdruckslos und sein Lächeln sank auf den Grund der Erkenntnis, das….es zu offensichtlich gewesen war? Firas schaute demonstrativ woanders hin, zuletzt in seinen leeren Becher, auf dessen Boden noch einige verlorene Tropfen kreisten, als der Sklave begann, ihn zwischen den Fingern hin und her zu drehen. Doch wie auch immer. Das mit dem Aufpassen klang hervorragend. Und er würde es natürlich liebend gern tun. Vor allem wegen der Sicherheit. Man wusste nie, wer sich alles auf den Straßen und Gassen herumtrieb. Strauchdiebe, Wegelagerer und andere Strolche. Am schlimmsten allerdings waren die Händler, die einem in gebrochenem Kauderwelsch für sehr wenig Geld viel versprachen und es einem immer gleich mitgeben wollten.
    Hatte Ophelia noch Fragen? Firas schaute auf. Nein, nein, nein. Angst brauchte sie wirklich nicht haben, und ja, sie alle würden viel Zeit miteinander verbringen. Vorfreude machte sich breit.


    Nachdem der Herr Archias geendet hatte, brauchte Firas noch eine Sekunde, um alles für sich zu ordnen. Schließlich konnte er doch nicht widerstehen und setzte an, um den Finger zu heben, fast so als würde er sich zu Wort melden wollen. Tatsächlich aber mündete diese Bewegung in einer altklugen Geste, die vor seiner freundlichen Miene jedoch etwas entstellt wirken musste. “Er ist nämlich nicht nur pflegeleicht, er arbeitet auch bei der Post!“, teilte Firas redselig mit. “Und wie gesagt, wenn er dort ist, dann machen wir derweil sauber und kochen und kaufen ein und dann …. machen wir noch mal sauber, und…und…kaufen ein...und...“ Die Worte purzelten einfach aus ihm heraus, während etwas in seinem Verstand ihm mitteilte, dass er, verdammt noch mal, verdammt idiotisch daher redete. Das Blödeste war: Er wiederholte sich auch noch! Schnell biss er sich auf die Unterlippe, um sich selber Einhalt zu gebieten. Dann seufzte er und sah zum Herrn Archias hinüber. Hoffentlich dachte er jetzt nicht etwas Seltsames über ihn. Viel schlimmer! Sein Blick zuckte kurz über Ophelia hinweg. Was dachte sie? “Ahm…Ich hoffe auch, dass alles in Ordnung ist!?“, brachte er dann in einer Mischung aus Frage und Feststellung an. Das war wirklich nur zu hoffen. Firas seufzte leise und schüttelte über sich selber den Kopf. Das hatte sie nun sicher nicht ermutigt.

    Ein wenig ärgerte sich Firas schon über sich selbst. Dass er auf diese Weise aufgefallen war, war sicher nicht nötig gewesen. Ein leicht entstelltes, einseitiges Grinsen zog sich über sein Gesicht, als einer seiner Mundwinkel nach oben zuckte, während sein Herr ihn nachdenklich ansah. Zu dumm. Aber sollte er zu seiner Entschuldigung hervor bringen, dass es keine bewusste Entscheidung war, dass er Ophelia – er sucht in seinen Gedanken nach einem passenden Wort - „mochte“? Immerhin war es ein „Mögen auf den ersten Blick“. “Ophelia, hm?“, sagte der Herr Archias. Firas schaute wieder weg. “Hmmm,“ seufzte er ebenfalls kaum hörbar, aber gedehnt hervor, welches dann in einem vernehmlicheren “Mmhm?“ endete, als seine Kochkünste zur Sprache kamen. Er selber fand sich hervorragend. Was er sich in kürzester Zeit alles angeeignet hatte! Und dass die Gewürze scharf waren, lag einzig und allein an den Gewürzen und nicht an ihm, auch wenn er vielleicht dann und wann die Menge mal falsch einschätzte. Der Sklave hatte eine Augenbraue gehoben, doch war dies sicher nicht der Zeitpunkt um sich zu rechtfertigen, oder überhaupt.
    Außerdem war die Aussicht auf etwas zu trinken einfach verlockend, wenn man die Hitze an diesem Ort bedachte.


    Als sein Herr an ihnen vorbei ging und auf einen der Stände zuhielt, linste der Sklave zu Ophelia hinüber. So von Nahem, musste er feststellen, mochte er sie irgendwie noch mehr. Bestimmt lag das aber an dem zweiten Blick, der den ersten einfach übertünchte. Vielleicht lag es daran, dass Firas es vorzog zu schweigen und mit noch immer auf den Rücken gelegten Händen neben der Sklavin herzugehen. Dabei überlegte er schon, ob es nicht etwas gab, was er zum Ausdruck bringen wollte, doch sollte er es besser unterlassen, selbst wenn es etwas gäbe. Man sah ihr an, dass sie nicht zu einer einfachen Plauderei aufgelegt war. Vielleicht sollte er doch, gerade nach dem vielen Unschönen, was sie bei dem Händler erlebt haben musste.
    Firas dachte noch immer nach, während sein Herr drei Becher mit Fruchtsaft orderte, an den der Sklave sich sogleich klammerte, nachdem er ihn in den Händen hielt. Woher die Griechin kam, interessierte auch ihn, wobei er nicht umhin kam, bei dem Wort „Halunke“ skeptisch drein zu blicken. Allerdings war es unwahrscheinlich, dass sein Herr sich selber meinte und so projizierte Firas das Wort dann doch auf die Person des schmierigen Händlers, bei dem sie gewesen war. Wie auch immer, die Frage war berechtigt. Dass Ophelia Griechin war hieß nicht, dass sie auch aus Griechenland kam, denn was die Volkzugehörigkeit betraf waren ihm die Römer mit ihrem Reich schon immer wie ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten vorgekommen. Dinge gab es, die man sich gar nicht vorstellen konnte, die genauso unglaublich waren, wie Ophelias Erscheinung, ihr Haar, ihre Augen, ihr Gesicht, und dann der Blick. Mit einem lächelnd- träumerischen Ausdruck ihm Gesicht nippte er an seinem Becher und wartete darauf, ihre Stimme zu hören.

    Sein Lächeln nahm etwas ölige Züge an, als sein neuer Herr ihn auf die Gepflogenheiten bei den Hahnenkämpfen ansprach. Klingen? Auf Seiten von Firas folgten Kopfbewegungen, die eine Mischung aus einem Nicken und einem Kopfschütteln darstellten. Tatsächlich hatte er von derartigen Dingen schon einmal etwas gehört, doch empfand er sie als äußerst unfair dem Geflügel gegenüber. Darüber hinaus hatte ein guter Hahn soetwas überhaupt nicht nötig. Zumindest meinte er das, aber es war im Grunde egal, denn der Herr Archias sprach schon weiter, schien darüber zu staunen, dass es tatsächlich einen Zoo gab, und dass man den Leuchtturm besichtigen konnte. Wärter hin oder her. Möglich, oder nicht. So wirklich scharf war Firas auf eine Besichtigung nicht, denn er hasste Wasser. Zumindest das Meer und alles weitere auch, bei dem man Gefahr laufen konnte den Boden unter den Füßen zu verlieren. Eine andere Sache war der Nil. Sehr suspekt! Besonders wenn man sich vor Augen hielt, was alles darin herum schwamm.
    Firas unterdrückte bei dem Gedanken ein Schaudern, lehnte sich etwas in seiner Sitzgelegenheit zurück und rollte kaum merklich die Augen. Er hatte es gleich gewusst! Er hätte nicht mit Kanobos und den dortigen Vergüngungsmöglichkeiten kommen sollen. Doch wie auch immer, nun war es zu spät und der Tempel mit all seinen Reizen schien auch nicht sonderlich Anklang zu finden. Und was er genau mit Vergnügungvierteln meinte, beinhaltete nicht unbedingt Etablissements, in denen gewisse Personen ihre Dienste anboten. Obwohl es die dort sicher auch zu hauf gab.“Mjoaaa...“, leierte Firas gedehnt, doch sein Herr bemerkte gleich selbst, dass das nichts für ihn war. Auch Katander ging es wohl nicht anders. Glücksspiel war da schon eine ganz andere Sache, wie man an dem Funkeln in Herrn Archias Augen erkennen konnte. Viel sicherer, denn dort konnte man sich in den seltensten Fällen etwas wegholen, sondern im Gegenteil war es dazu prädestiniert jede Menge da zu lassen. Auf jeden Fall wäre dies auch nach Firas Geschmack, denn er liebte das Würfeln und im Gegensatz zu seinem ehemaligen Herrn Gaius hatte er selber auch nie etwas zum Verlieren gehabt. Außerdem hatte Gaius auch immer vorgebeugt, indem er klammheimlich seine eigenen Würfel mitbrachte, die automatisch die günstigste Zahl zeigten, bis zu der Nacht, in der er aufgeflogen war. Aber das war eine ganz andere Geschichte.


    Firas überlegte kurz und sah dann entschlossen seinen neuen Herrn und auch Katander an. “Ja, Glücksspiel.“ Grüblerisch kratze er sich am Kinn. “Würfeln und so.“ Im jüdischen Viertel war man auch eine Zeit lang auf ein Spiel versessen, in dem es darum ging irgendwelche Hütchen hin und her zu schieben, wobei sich unter einem davon ein kleiner Gegenstand verbarg. Auch das fand Firas lustig, denn dabei gewann er immer, da es auf die Frage: „Unter welchem Hütchen isser jetzt?“ es nur eine richtige Antwort gab: „Unter keinem mehr.“ Allerdings musste man vorsichtig sein und nach dieser Wahrheit entweder stärker oder schneller als der Hütchenschieber sein. Firas grinste zunächst verhalten, dann etwas breiter. Er konnte wirklich nicht glauben, dass er als Entertainer zu dem Herrn Archias gekommen sein sollte. “Es gibt da sicher auch ein Spiel mit Hüten,“ sagte er dann. “Ja, Kanobos soll toll sein.“ Er klang ein wenig verträumt. Gedanken zusammen nehmen! Firas wollte nicht den Eindruck erwecken, als sei er irgendein Schwachkopf, der nie die Gedanken zusammen hatte und nur in den Tag hinein trödelte. Um dem vorzubeugen räusperte er sich geräuschvoll. “Aber“, setzte er an, “was ich schon die ganze Zeit auch fragen wollte...“, ein neuerliches unschlüssiges Handwedeln folgte. “Was soll ich denn hier so....“ Noch einmal schaute er sich um. Die Wohnung war nicht sonderlich groß und immerhin war Katander auch noch da. Der Haushalt war sicherlich zu bewältigen und von den anderen Dingen, die sein Betätigungsfeld darstellen konnten, hatte Firas keine Ahnung. Grund genug um nachzuhaken. “...machen?“ beendete er den Satz. Er hoffte, dass er weder neugierig, noch vermessen rüber kam, oder auf sonst irgendeine Weise, die nicht unbedingt das Wohlwollen seines neuen Herrn weckte. Trotzdem erschien ihm dieses gedankliche Terrain sicherer, als weitere Vermutungen über das Glücksspiel in einem Ort anzustellen, welchen er obendrein nur vom Hörensagen kannte.

    Firas steuerte mit zügigen Schritten auf die Küche zu. Ein Blick reichte schon aus, um zu wissen, dass nicht mehr sonderlich viel Wasser da war. Auch das noch! Sehnsüchtig blickte er auf den Braten, während er sich um Ophelia herum schlängelte und ein Tablett, eine Karaffe mit Wein und zwei Kelche holte. Unentschlossen kratzte er sich im Nacken. Nun gab es nur noch zwei Möglichkeiten. Entweder man goss das mit Zitronensaft versetzte Wasser hinein, zumindest den Rest, der davon noch vorhanden war, oder aber man verzichtete auf dieses zusätzliche Aroma im Wein und rannte schnell runter und holte ganz Frisches. Das bedeutete allerdings, dass der Herr Archias samt Gast noch ein wenig warten musste. Es sei denn natürlich, er würde sich beeilen. Firas zögerte nur kurz, nuschelte Unverständliches und befand sich dann auch schon mitsamt dem scheppernden Kessel und einem Eimer im Treppenhaus. Oben knallte die Tür. Hervorragend! Der Sklave beeilte sich wirklich, setzte den Kessel neben der Eingangtür ab, nur um zum Brunnen zu hechten, Wasser zu schöpfen und gleich wieder das Treppenhaus hoch zu hecheln. Oben angekommen verdünnte er den Wein ausgiebig und schlingerte in seiner Eile auf die Terrasse zu, auf der schon die Stimme seines Herrn ertönte, der etwas von provinzialen Pfirsichen und deren Verschiffung erzählte. Der Sklave trat zwischen die beiden Liegen, reichte mit einer angedeuteten Verbeugung den Wein und versuchte sich seine zuvorige Hast nicht anmerken zu lassen.

    Firas hatte zu ihr aufgeschaut, als sie ihm das Haar zerstrubbelte. So ganz wusste er nicht, was an seinem Vorschlag ekelig sein sollte, denn immerhin war es nur ein blöder Scherz gewesen. Wirklich bildlich vor Augen hatte er den Sellerie in der Toga nicht gehabt. Er lächelte etwas unbestimmt und beinahe fand er es schon schade, dass sie die Hand von seinem Kopf nahm ihn mit einem frechen Lächeln zu versehen. Doch schließlich wollte er nicht die Schuld daran haben, dass sie nicht zum Kochen kam. So beschränke er sich darauf, auf ihre Bemerkung hin nur mit den Schultern zu zucken und einige der verirrten Haarsträhnen auf seinem Kopf zu ordnen. “Essen klingt immer gut,“ sagte er grinsend und dabei war es ihm egal, um was es sich handelte. Hauptsache man konnte erkennen was es darstellen sollte und es schmeckte gut. Wählerisch war er nie gewesen.


    Mit einem Seufzen rückte er sich den Stoff noch einmal auf seinen Knien zurecht und suchte den lästigen Riss, nur um diesen dann unbeholfen mit der Nadel zu bearbeiten, die er mit spitzen Fingern hielt, immer darauf achtend sie nicht aus Versehen sich selber irgendwohin zu bohren. Seine Zunge hatte sich in den Mundwinkel geschoben und dennoch vermochte er es kaum, die mühsam erkämpfte Konzentration aufrecht zu erhalten. Der Sklave beobachtete aus den Augenwinkeln heraus jede von Ophelias Bewegungen.
    Lange dauerte es nicht und die Küche war erfüllt von verheißungsvoll duftenden Dämpfen und dem Geruch von Fleisch. Firas summte leise und zufrieden eine Melodie vor sich hin, die er sich spontan selber ausgedacht hatte und die zu seinem Leidwesen davon zeugte, dass an ihm kein großer Musiker verloren gegangen war. Als Ophelia dazu über ging, die Gewürze zusammen zu suchen, hob er seinen Blick und schaute ihr dabei zu, wobei sich wieder ein verträumter Ausdruck in sein Gesicht schlich. Genau so lange, bis sie ihn darauf ansprach, dass er seine Finger nicht festnähen sollte. “Ich doch nicht,“ sagte er mit einem belustigten Unterton und schmunzelte schräg, während die Nadel ihren Weg durch den Stoff von ganz alleine zu finden schien.


    Er hatte es gleich gesehen, dass das Regal viel zu hoch angebracht war, als dass die Sklavin es mit der Hand erreichen konnte. Sie reckte sich, doch würde sie es nicht schaffen. Das war seine Chance, ihr behilflich zu sein. “Warte,“ sagte er knapp und sprang von dem Hocker auf, nicht ohne die Toga ein wenig zur Seite zu schieben, was allerdings wenig half. Den Arm hatte er schon ausgestreckt, doch war es sein Fuß, der seinen Weg auf die zurückrutschende Stoffbahn fand, die sich so spannte und Firas den Schwung seines Aufstehens nahm. Ein ratschendes Geräusch ertönte und er versuchte die Toga zu fassen zu kriegen, die sich nicht so einfach von ihm lösen wollte und seine Beine umwallte. Mit einem lauten “Ahhh!,“ vollführte er eine hüpfende Bewegung und landete mit der Schulter an der gegenüberliegenden Wand, die ihn davon abhielt gänzlich hinzufallen. Erschrocken sah er Ophelia an, nur um dann auf den Stoff zu schauen, den er wohl an der Stelle des Risses mit seiner eigenen Tunika zusammengenäht hatte. Firas verzog den Mund und gab einen ungehaltenen Laut von sich. “So’n Mist,“ presste er grimmig hervor. Das war ihm jetzt wirklich peinlich, und mehr um davon abzulenken griff er in einer schnellen Bewegung nach oben auf das Regal, fasste nach einem der kleinen Gefäße und hielt es Ophelia vor die Nase. “Bitte,“ sagte er und hüpfte zurück zum Hocker, um sich das Malheur genauer zu betrachten.

    Gut. Sein unauffälliges Ablenkungsmanöver war vielleicht gar nicht so unauffällig. Zumindest nicht für Katander, von dem Firas aus dem Augenwinkel heraus wahrnahm, dass er mit seiner Hand vor seinem Hals herum wedelte. Der Sklave zuckte mit den Schultern und schaute noch bewusster weg als noch zuvor, auch wenn er am liebsten auf das Podest gesprungen wäre. Dann rollten sich seine Augen gen Himmel. Einhundert Sesterzen! Weniger würde es nie wieder werden, und wenn man bedachte, was diese Frau konnte! Firas schürzte die Lippen und schaute noch immer nach oben, in das wolkenfreie Blau. Die Sonne blendete ein wenig, während seine Gedanken einhundert Sesterzen, wundervolle Haare und Katanders wohlgemeinten Hinweis, sich nicht weiter in den Handel einzumischen umkreisten.
    Schließlich konnte er doch nicht anders, als auf das Geschehen um sie herum zu achten. Einige Leute waren stehen geblieben und es war nur zu hoffen, dass sie nicht womöglich schneller waren als der Herr Archias. Die Erfahrung im Handel hatte ihn schon bei Gaius gelehrt, dass während zwei noch feilschten, sich der Dritte freute, weil er einfach seinen Geldbeutel griffbereiter hatte als alle anderen zusammen. Und ehe man es sich dann versah ging das Objekt der Begierde an den gänzlich Falschen. Das durfte einfach nicht geschehen. “Ahm..“, begann der Sklave, doch es stellte sich heraus, dass er gar kein weiteres Engagement an den Tag legen musste, denn sein Herr hatte die Initiative bereits ergriffen und wollte zahlen. Mit dem Ausdruck überraschter Fassungslosigkeit im Gesicht blickte Firas von einem zum anderen und unverhohlene Zufriedenheit bemächtigte sich schließlich seiner Mimik. Gleich mitnehmen! Er strahlte über das ganze Gesicht, während sein Herr das Siegel in die tabula drückte. Und wie das möglich war!


    Dann konnte er doch nicht umhin mit einem erleichterten Seufzen seinen Blick allein an Ophelia zu heften. Katander kam an ihm vorbei und selbst sein Murmeln erschien wie Musik. “Ja, ja, ja",, bestätigte Firas begeistert alles, nickte und ging mit einigen Schritten an dem Podest entlang, bis er vor der Sklavin stand. “Hallo!“, flüsterte er ihr entgegen. Nur kurz linste er zu Caius hinüber, während man Ophelia die Fesseln löste. “Ich bin Firas!“ Der Händler drehte sich schon wieder zu ihm um. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass er zu laut gewesen war. Der Sklave schaute sofort weg, legte die Hände auf den Rücken und wippte wieder auf und ab, wobei er versuchte so gut wie gar nicht vorhanden auszusehen, indem er unbestimmt mal hierhin und mal dorthin schaute.

    Sein Herr hatte friedlich geschlummert und so war es nicht weiter verwunderlich, dass dieser ein wenig mürrisch die Unterbrechung dieser Beschäftigung aufnahm. Müdigkeit stand nun in seinem Gesicht und Verwirrung in seinen Worten. Firas konnte nicht anders, als entschuldigend drein zu schauen und mit den Schultern zu zucken. Dass der Besuch eine Überraschung war stimmte ohne Zweifel, doch der Sklave konnte ja nichts dafür. Vielleicht hätte er die Tür nicht öffnen sollen, doch das wäre seinem Herrn im Nachhinein dann auch sicher auch nicht recht gewesen. “Herbringen, Wein auch her holen, nicht nicht stark pur trinken,“ fasste er knapp zusammen und entfernte sich diensteifrig, wobei er hoffte, dass derweil die Reste im Kessel nicht antrockneten. Entschlossen nickte er dann dem Gast zu und machte eine einladende Geste in Richtung Balkon “Ihr werdet erwartet.“ Hoffentlich hatten sie noch Wasser oben.

    Nein, pusten sollte sie nicht. Firas legte den Kopf schief. Die Toga dem Herrn Archias unter die Nase reiben würde er ganz sicher nicht, und darüber, dass es bestimmt keinen Mann gab, der eine saubere Toga hatte brauchte er auch gar nicht zu diskutieren. Vielleicht war es nicht ganz so schlimm, dass man sagen konnte. „Zeig mir deine Toga, und ich sage dir, wo du warst“, aber immerhin war da ein Funken Wahres dran. Zumindest traf das für auf jeden Fall für Einen unter hundert Männern zu. Der Eine wäre dann Gaius gewesen, dessen Saum immer ein wenig Grün zierte, und den deshalb immer eine leichte Nuance von Pferdearmoma umweht hatte. Zusätzlich zu dem Kümmel. Aber letzten Endes war es seine eigene Schuld gewesen, denn niemand hatte ihn gezwungen sich nach nachts nach den Tavernenbesuchen heimlich über den Hinterhof, und somit über den Misthaufen zu schleichen.


    Darauf, dass Ophelia ihm die Zunge heraus streckte, reagierte der Sklave nicht, denn gleich darauf war er viel zu sehr mit zwei Scheiben Selleri beschäftigt gewesen. Was sagte sie da? Stumpf und dick? Allerdings! Noch bevor er irgendetwas tun konnte, war sie auch schon wieder bei ihm und hatte ihm das Gemüse aus der Hand genommen. “Nein, eigentlich brauchst du mir nicht…“ Der Selleri verschwand aus seiner Hand und Firas schaute ihm ungläubig nach, bis Ophelia daran herum nagte. “Hm,“ machte er dann und verdrehte auf ihre Bemerkung hin die Augen. So war das eben mit den Missgeschicken. Sie wären nur halb so misslich, wenn es niemanden geben würde, der darauf herum ritt. “Wenn man schon nicht damit nähen kann, dann kann man aber vielleicht das Loch damit ausstopfen,“ sagte er dann und schüttelte den Kopf, als sie ihm das Gemüse zum Abbeißen hinhielt. “Pieksen tut es dann nicht, da hast du recht, aber sicher würde es matschen.“


    Dieses Mal schaute er hin, als er nach der Nadel und dem Faden griff. “Aber es könnte funktionieren, wenn wir den Selleri einmal täglich auswechseln.“ Firas grinste frech zurück und zuckte dann kichernd zur Seite, als sie ihn piekte. Dabei rempelte er mit dem Ellenbogen gegen den Tisch, der sich dabei ein wenig verschob und verzog das Gesicht. “Ahhh,“ presste er gedehnt hervor, während er sich die schmerzende Stelle rieb. Übertrieben mühsam richtete er sich auf. “Prima,“ kam es gepresst hervor, und er räusperte sich, um das gemeine Pochen im Arm für sich damit zu übertünchen. Mit einer großen Geste wurde dann die Nadel gezückt. “So, ich fange dann mal an,“ stellte Firas fest und fügte dann scherzhaft an: “Die Selleri-Frage können wir ja später klären.“ Dabei sah er noch einmal auf den Tisch. Sein Magen knurrte. Das hatte nun auch noch gefehlt.

    “Jaaaa,“, antwortete Firas seufzend auf Katanders Frage. Darauf, dass dieser es nicht ernst damit gemeint haben könnte, kam der Sklave erst, als das Lachen ertönte. Missbilligend hob Firas eine Augenbraue und stimmte dann doch in das Lachen mit ein, als er einen kameradschaftlichen Schubs erntete. Dann war seine Konzentration wieder bei der Sklavin und ihrem Herrn, oben auf dem Podest. Firas nickte nur abwesend auf Katanders Äußerungen hin, noch immer mit einem etwas dümmlichen Grinsen. Dieses wich sofort aus seinem Gesicht, als er bemerkte, dass Ophelia ihn ansah. Aufregung machte sich breit und mit großen Augen erwiderte er ihren Blick, der sich sogleich dem ihren folgend auf Katander richtete. Irritiert blinzelte Firas, wobei sich danach seine Augen etwas verengten. Warum sah sie ihn an? Doch der Andere hatte sich bereits in Bewegung gesetzt, wieder auf Caius zu. Was war denn nun? Hatte er nicht gesagt, sie sollten abwarten? Firas pulte sich nebenbei nervös an den Fingern herum und als er hörte, dass ihr Herr fragte, was Ophelia denn kosten sollte, kniff er die Augen zusammen. Nicht viel, nicht viel, nicht viel, wiederholte der Sklave in Gedanken und dachte dabei an den Blick, den die Sklavin ihm geschenkt hatte.


    Dann riss er die Augen wieder auf. “Nuuuun,“ hatte der Händler von sich gegeben. Was auch immer Katander gesagt hatte, schmecken tat dem Händler dessen Anwesenheit nicht. Zumindest war Katander da oben, und er war hier unten. Sollte er auch? Nein, besser nicht. Firas wippte auf und ab. Hundertundfünfzig Sesterzen! Der Blick des Sklaven heftete sich auf Caius, der unentschlossen aussah. Irgendwie. Der Sklave presste die Lippen aufeinander, um nicht zu rufen, dass er sie endlich kaufen sollte. Sie war doch wunderbar! Hübsch und nett anzusehen! Und ihr Haar! Sah er denn das gar nicht? Die Hand des Händlers landete auf Ophelias Schulter und Firas pustete vernehmlich Luft aus, als diese unter der Berührung zusammenzuckte. “Hnngh,“ entfuhr es ihm gegen seinen eigenen Willen. Es wurde Zeit etwas zu unternehmen! Unentschlossen knabberte er kurz an seinem Daumennagel herum, bevor er sich doch dazu entschloss, ganz an das Podest heran zu treten. Hundertfünzig Sesterzen. Das war nicht so wenig, aber auch nicht so viel. Es war doch egal! “Pssst!“, zischte Firas leise Katander zu, um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Dann tippte er verhalten mit einem Finger in die Luft und deutete auf Ophelia, während seine Lippen stumme, aber eindringliche Worte formten, die sich alle um ihre Vorzüge rankten. Erst als der Händler aufmerksam wurde, sah Firas betont zur Seite und kratzte sich am Hals, wobei er sich hüstelnd räusperte und vorzutäuschen versuchte, dass er gar nicht dazu gehörte.

    Der amüsierte Gesichtsausdruck wich auch schon wieder. Was das sollte? Firas schaute etwas perplex auf seine Finger, die aus dem Riss hervor lugten. Dann traf sein Blick die Augen die von Ophelia, die ihn fragend ansahen. Ein erschrockenes “Was?“ konnte er gerade noch hervor bringen, als sie auch schon fortfuhr. “Bist du verrückt...“ Der Sklave lauschte mit immer größer werdenden Augen. Was hieß denn bitte völlig ruinieren? Die war doch schon kaputt und er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Herr Archias...Naja, aber sicher sein konnte man sich auch nie. Firas zog eine Augenbraue nach oben. Derartige Konsequenzen hatte er gar nicht bedacht. Immerhin war es nur ein Finger in einer ruinierten Toga. Gut, es waren drei Finger inzwischen. Außerdem befände sich die Naht eh an einer Stelle, die man mit einem rasanten Faltenwurf sicherlich hervorragend kaschieren konnte. Gaius hatte doch tatsächlich mal...


    “Au!“, quittierte er starren Blicks, den folgenden Schlag auf die Finger und blinzelte dann ungläubig, als Ophelia direkt vor ihm ungehalten dreinschaute. Das hatte er gar nicht kommen sehen. Gaius war mit einem Mal vergessen. Unbeholfen zog Firas seine Hand aus dem malträtierten Stoff und betrachtete sie sich ganz so, als wunderte er sich, dass es sie überhaupt gab. Verdammt, sie hatte ihn tätsächlich gehauen! Nachdenklich verzog er dem Mund und nickte während Ophelia sprach. “Bin immer lieb,“ brachte er dann im Mopperton hervor, grinste dann jedoch wieder, als er sich auf einen der Schemel zu bewegte. Diesen angelte er mit dem Fuß, um ihn näher zu sich zu sich zu ziehen. Geräuschvoll ließ er er sich darauf fallen und legte die Nadel und den Faden auf den Tisch neben sich. Er stutze. Wie schnell hatte sie das Gemüse klein bekommen? Noch einmal kam er nicht umhin Ophelia zu mustern. Anerkennung stahl sich für einen Sekundenbruchteil in seinen Blick, bevor er sich wieder der ausladenen Stoffbahn widmete, um sie sich auf dem Schoß zurecht zu legen. Dabei fiel ihm auf, dass diese an gewissen Rändern eine dunklere Färbung angenommen hatte. Offenbar hatte ihr Herr im wahrsten Sinne des Wortes im Vorbeigehen die halbe Via Argeus gekehrt. Anklagend hielt er Ophelia die Schmutzränder entgegen. “Putzlappen, hm?“ Er grinste breit und schüttelte den Kopf, während er ohne Hinzusehen auf dem Tisch Nadel und Faden fassen wollte, sein Ziel dabei allerdings verfehlte und stattdessen nach zwei geschnittenen Scheiben Selleri griff. Seinen Irrtum bemerkte er erst, als er diese zu sich herangezogen hatte und beäugte. “Ja...“, entfuhr es ihm in einem kurzen und knappen Laut und hastig überlegte er, ob er sie zurück legen sollte. “Die sind gut geschnitten,“ sagte er dann nach einem Räuspern und hielt sie etwas unschlüssig in der Hand.

    Firas nickte auf die Vorstellung des fremden Römers hin und lächelte freundlich. Es war nur zu hoffen, dass etwas von dem Essen übrig bleiben würde. "Magister der Socii Mercatorum Aurei war nach seiner eigenen Aufassung zwar ein merkwürdiger Grund für einen Besuch, der sich dem Sklaven nicht sofort erschloss. Doch immerhin stellte es sicher, dass der Gast keinsfalls wegen des Bratens da war. Obwohl. Firas versuchte alle weiteren Einschätzungen zu unterdrücken, denn schließlich ging es ihn so dann doch nur indiriekt etwas an.
    "Ja, der wohnt hier," antwortete Firas etwas verspätet und machte dann schnell eine einladende Handbewegung, die dem Gast bedeuten sollte, einzutreten. Sein Herr befand sich auf dem Balkon, und vielleicht wäre es besser nach ihm rufen. Oder auch nicht. Der Sklave eilte voraus und spähte nach draußen. "Herr?..." Kurz verschaffte er sich einen Überblick über die Lage von Caius auf dem Balkon. Es passte wohl. "...Ein Gast ist da. Von der Socii Mercatorum Aurei." Dann wartete er auf eine Reaktion und ließ seinen Blick zwischen beiden hin und her huschen, in der stillen Hoffnung, sich schnellstmöglich wieder dem elenden Kessel zuwenden zu dürfen, der noch immer recht dekorativ hinter der Tür stand.

    Gerade war das Essen fertig geworden und es duftete verlockend. Firas freute sich schon darauf. Mit Leib und Seele, vor allem aber mit dem Magen. Nur der Kessel war etwas lästig, der nun noch schnell im Hof ausgespült werden musste, damit sich die Reste nicht wieder festsetzten und man jede Menge Kraft und Geduld aufwenden musste, um ihn zu schrubben.
    Gerade manövrierte er sich mit der Gerätschaft an Ophelia vorbei, die damit beschäftigt war, die Speisen auf einer Platte recht ansehnlich aussehen zu lassen. Firas wollte nun keine Zeit mehr verlieren und befand sich bereits auf dem Weg zur Tür als ein forderndes Klopfen von der anderen Seite ertönte. Firas stutzte kurz. Ein Gast? Fragend warf er einen Blick zurück, doch es musste wohl so sein. Nachdenklich betrachtete er die Tür und dann den Kessel in seinen Händen. Kurzentschlossen setzte er ihn dann ab und schob ihn mit einem Fuß hinter die Tür, sodass er weder im Weg stand, noch auf den ersten Blick zu entdecken war. Dann räusperte er sich und öffnete die Tür. “Salve,“ sagte Firas artig, noch bevor er sich von irgendetwas irritieren lassen konnte. “Ihr wünscht?“

    Firas' Blick fiel dann auf das Fleisch und Ophelias Hände, die es salzten und pfefferten. Es sah einfach wunderbar aus, was sie da machte und auch das Fleisch schien sofort reizvoller zu werden. Vielleicht sollte er den Sellerie schneiden und sich nun wirklich einmal zusammenreißen. Seine Hand war bereits ausgestreckt und wollte zu einem der Messer greifen, als Ophelia sich zu ihm herum drehte. Unverrichteter Dinge zog er seine Hand wieder zurück und sah sie erwartungsfroh an. Doch sie schien unschlüssig zu sein. “Nicht?“, fragte er dann und runzelte die Stirn, während er überlegte, was es wohl bedeutete, wenn sie den Eindruck von ihm hatte, dass er bei dem Versuch das Gemüse zu Würfeln zu verarbeiten, seine eigenen Finger abschneiden würde. Er war doch kein Depp! Doch dieser Gedanke entschwand sofort als er in ihr freches Grinsen blickte. Auch er musste grinsen und zog dabei fragend eine Augenbraue nach oben. Die Toga! Die hätte er ja fast verdrängt gehabt. Richtig. Sie hatte einen Riss. Ihr Herr musste irgendwo hängen geblieben sein und hatte dann wohl in dem Versuch, sich und sein Kleidungsstück zu befreien, aus einem kleinen Loch eine mittlere Katastrophe gemacht. Zumindest für Firas, denn Nähen war nicht gerade sein Fachgebiet. Der Sklave pustete schnaubend Luft aus und verdrehte die Augen, während er sich mit einer Hand über das Gesicht wischte. Wunderbar.


    Trotz allem nickte er ihr zu. Auf ihr Zwinkern hin verzog er das Gesicht, was diesem kurz einen schelmischen Ausdruck verlieh. “Stimmt, du hast Recht.“ Der Stoff hatte definitiv ein Loch und gerne hätte er auf Katander gewartet, der diesem Problem sicher ganz schnell und geschickt Herr werden konnte, doch Firas wollte auch eben so gern vermeiden sich irgendeine Blöße zu geben. Außerdem hatte der Hinweis auf die Toga etwas Endgültiges, etwas, was er auf keinen Fall ignorieren konnte, schon gar nicht aus ihrem Mund. Noch einmal sah er sehnend auf den Sellerie, doch räusperte er sich dann. “Nähen. Ja, gar kein Problem. Ich mache das mal eben.“


    Firas wandte sich ab und steuerte auf die Toga zu, die etwas nachlässig über einer der Liegen drapiert war. Da sah man ihn auch schon, den hässlichen Riss. Nur wo waren Nadel und Faden? Während er noch suchte und kramte kam, ihm das Desaster mit Nikoláos’ Tunika in den Sinn, die, nachdem Firas mit ihr fertig gewesen war keine Stelle mehr hatte, an der noch ein linker Arm hindurch gepasst hätte. Obwohl der Grieche im ersten Moment recht drollig aussah, mit dem verwirrten Gesichtsausdruck, mit dem er aus der einarmigen Wäsche geblinzelt hatte, war was danach passierte nicht mehr ganz so nett anzuschauen gewesen. Da war Nikolaós nämlich rot angelaufen und sein Kopf hatte den Eindruck erweckt, als würde er auf seine doppelte Größe anschwellen, wie immer, wenn Aufregung im Spiel war. Und dann hatte er…. Ah, das war ja die Nadel. Auch Faden war da. Firas seufzte und griff nach der Toga, wobei er sich das Malheur noch einmal genau betrachtete, indem er den Finger durch den Riss steckte. “Schau mal, da passt schon fast eine ganze Hand durch.“ Der Sklave, der sich nun wieder an der Küchentür befand, lehnte sich gegen die Wand und wackelte mit den Fingern, die noch immer in dem Riss steckten. Dann schaute er Ophelia an und versuchte über seine Feststellung amüsiert dreinzuschauen.

    Sie lächelte. Firas hatte den Kopf schief gelegt und lauschte ihrer angenehmen Stimme. Wenn es nach ihm ging, konnte sie ruhig die ganze Zeit reden, doch Ophelia war eher der zurückhaltende Typ. Verständlich, doch dabei war gar keiner außer ihnen in der Wohnung. Einen Moment lang überlegte er, ob ihr Lob ernst gemeint war. Dann kam er zu dem Schluss, dass dies wohl so sein musste, denn er hatte nicht getrödelt, sondern nur dann und wann eine kleine Verschnaufspause eingelegt, obwohl es im Grunde nichts zum Verschnaufen gab. “War ja nur Wasser,“ sagte er dann, “das mache ich doch gern.“ Bei Lügen musste er immer schief grinsen und es war nur zu hoffen, dass sie das noch nicht mitbekommen hatte. Ophelia hatte einige Federn in den Haaren und die ein oder andere wehte noch über den Boden. Firas neigte ein wenig den Kopf und schaute auf den Eimer zu ihren Füßen. Da kamen sie also her. Vielleicht sollten sie sie aus der Küche entfernen, nicht dass man noch dagegen stieß und ... Was? Wieder horchte er auf. Sicher konnte er das Wasser in den Topf gießen. Halbvoll. Es war nur ein einziger Schritt zurück und ein kurzes Bücken, um erneut einen der Eimer zu fassen.


    Ophelia wirkte sogar noch beim Entbeinen eines Hühnchens anmutig und es erweckte den Eindruck, als ob sie das schon unzählige Male getan hatte. Firas schaute ihr mit einem Blick über die eigene Schulter dabei zu, während er den Eimer anhob und dessen Inhalt in den Kessel goss. Wieder fand sein Blick ihr Haar. Es war lang und seidig, und sicher würde er ihr zur Hand gehen, ohne Zweifel und er erwiderte verschmitzt ihr Lächeln, bis er realisierte, dass seine Füße nass wurden. “Oh!“ Erschrocken richtete er seinen Blick auf das, was eigentlich das Wesentliche hätte sein sollen. Etwas ungeschickt ließ er den Eimer sinken, nicht ohne dass dieser dabei mit einem „Klong“, gegen den Kessel stieß. Der Eimer war nun leer, der Kessel dreiviertel voll und der Rest des Nass hatte sowohl seine Füße, als auch das Holz unter dem Herd befeuchtet. Firas fluchte in Gedanken und blickte wieder über seine Schulter, wobei er entschuldigend dreinschaute und ein schräges Lächeln zustande brachte.
    “Nix passiert,“ brachte er hervor und tunkte den Eimer noch einmal in den Kessel, um das überschüssige Wasser abzuschöpfen. Entschlossen stellte er ihn dann wieder zurück und klatschte in die Hände. “So, der Kessel ist halbvoll.“ Sein Blick suchte bereits das trockene Holz, das an der Seite lagerte. Ablenkung war einfach einfach alles, besonders nach einem Missgeschick. Dämlich war es obendrein. Er kramte geschäftig das Holz hervor und tauschte das Trockene gegen das Nasse aus, bevor er sich wieder aufrichtete. “Was kann ich denn jetzt noch machen?“, fragte er, wild entschlossen, ihr tatsächlich zur Hand zu gehen. Sein Blick wanderte bereits über das Gemüse auf dem Tisch.

    Firas war dabei schnaufend die letzte Stufe zu erklimmen, als er stolperte und sich ein kleiner Schwall Wasser aus einem der großen Eimer die er trug, auf die Stufen ergoss. Kurz setzte er die Eimer ab und rieb sich murrend über die von den Henkeln malträtierten Handflächen. Er hasste Wasserschleppen, genauso wie er einkaufen nicht mochte, doch hatte sich beides an diesem Tag mal wieder nicht vermeiden lassen. Außerdem war es nicht ganz so schlimm, seit sie da war. Sie stand in der Küche, und sie kochte. Zumindest würde sie das tun, wenn er sich endlich mit dem Wasser beeilen würde. Der Sklave seufzte gedehnt. Ophelia. Allein der Name war der reinste Wohlklang. Man musste ihn nur richtig betonen und nicht so kommandoartig herausspeien wie es Gaius, sein ehemaliger, mit Pferden handelnder Besitzer es getan hatte. Ein Pony hatte auch Ophelia geheißen und auch das hatte ein unglaublich gutes Gespür für die Küche gehabt. Es mochte Zuckerplätzchen, alles was kandiert war und Meeresfrüchte. Es war zur Überraschung aller auch ungemein pfiffig gewesen, was das Auffinden von solchen Leckereien anging, selbst wenn diese hinter verschlossenen Türen lagen. Jemand kam unten durch die Haustür. Firas schreckte aus seinen Gedanken auf und verschwand schnell mit den Eimern in der Wohnung.


    Er überschlug noch einmal im Geiste, ob sie wirklich an alles gedacht hatten. Die Hühner waren da. Dieses Mal waren sie sogar schon tot, denn auf Überraschungen hatte er bereits bei deren Einkauf verzichten wollen. Darüber hinaus war für ihn nichts schlimmer, als etwas essen zu müssen, was ihn vorher noch Mitleid erregend angeblinzelt hatte. Gaius hatte ihm einmal gesagt, dass er in dieser Beziehung ein totaler Weichling sei. Danach hatte es für Firas eine Woche lang Gemüse gegeben. “Bin schon wieder dahaa!“, rief er fröhlich schon im Eingang und schloss die Tür hinter sich mit dem Fuß, die daraufhin lautstark ins Schloss fiel.
    Dann steuerte der Sklave, sein Gleichgewicht suchend, mit den Eimern auf die winzige Küche zu, und da war sie schon, Ophelia. Sie war bereits an dem kleinen Holztisch beschäftigt. Die Eimer stellte er an die Seite, richtete sich dann zu seiner vollen Größe auf, schnaufte einmal durch und stemmte die Hände in die Hüften. Dabei strahlte er über das ganze Gesicht. “So, wir haben alles,“ stellte er fest, in der stillen Hoffnung, dass sie nicht widersprechen würde. Dass er das Wasserschleppen nicht ausstehen konnte, sah man ihm überhaupt nicht mehr an. In ihrer Nähe wollte er derlei Abneigungen noch nicht einmal dezent zur Schau stellen. Am Ende würde sie noch auf falsche Gedanken kommen und meinen, er würde nicht gerne das Wasser schleppen, oder einkaufen. Das galt es unbedingt zu vermeiden. Firas Blick ruhte verträumt auf ihrem Haar. Es glänzte. Im letzten Moment unterdrückte er ein Seufzen und rührte sich wieder. “Hühner, Ingwer, Pfeffer, Sellerie, Wein. Einfach alles.“ Er hatte überhaupt keinen Plan, wie man aus dieser Zusammenstellung an Zutaten ein annähernd schmackhaftes Essen herstellen konnte. Perfekt! Jetzt mussten sie nur noch fertig werden, bevor ihr Herr und Katander vom harten Tagesgeschäft nach Hause kamen.

    Etwas verwirrt schaute Firas nun Katander nach, der nun garantiert etwas ganz Falsches dachte, so wie er dreingeschaut und gezwinkert hatte. Wen im Namen der Götter wollte er denn retten? Und vor wem? Die Sklavin? Caius? Den Händler! Richtig, oder nein, doch nicht. Vielleicht lag es an den Parthern. Der Sklave verzog das Gesicht. Konnte er sich nicht einmal zusammen nehmen? Wie konnte so eine Frau ihn nur derartig durcheinander bringen. Er kannte sie ja nicht einmal. Sein Blick blieb auf der Dunkelhaarigen liegen vor der sein Herr stand. Sie wirkte völlig abwesend, was sicher kein Wunder war, denn sie bestand eigentlich nur noch aus Haut und Knochen. Firas schauderte beim Gedanken daran, dass es diesen Menschen absolut gar nicht gut ging. Ihm selber war das immer erspart geblieben, auch wenn die vielen Drohungen von Nikoláos noch in seinem Kopf fest saßen. Und dabei ging es selten um mehr als banales frisches Gemüse und um seine eigenen Versuche Ausreden zu finden, um es nicht beschaffen zu müssen. „Wie? Du weißt nicht wo der Stand auf dem Markt ist? Es gibt Tausende davon! Sieh’ zu, dass du wenigstens einen findest, oder ich komme mit und dann kannst DU gleich da bleiben.“ Doch es waren sowieso nur leere Worte, denn die Orientierung des Griechen war nicht viel besser gewesen als die von Firas. Außerdem war Nikoláos meistens derartig weinschwanger, dass es alleine schon erst mal drei Mann gebraucht hätte, um ihn überhaupt aus den tiefen Liegekissen zu wuchten. Der Sklave schüttelte den Kopf, um die Erinnerung los zu werden.


    Ehe er sich versah, ging er dabei einige Schritte hinter dem Anderen her, der nun Caius etwas ins Ohr flüsterte. Zu gern hätte er gewusst was es war- „Sag, dass es nicht die sein soll!“, murmelte er unverständlich zu sich selbst und wiederholte es noch ein paar Mal. Seine Augen wanderten zu den anderen beiden Sklavinnen, die rechts neben der dünnen Frau standen, deren Erwerb wohl nun abgewendet war. Firas trat von einem Bein auf das andere und wagte sich noch einen Schritt näher heran. Die beiden anderen sollten es aber auch nicht sein. Auch sie waren spindeldürr und die Eine hatte verfilzte Haare, die obendrein den Anschein erweckten, als wollten sie ihr in alle Richtungen vom Kopf fliehen. Und die Andere hatte eine riesige Nase. Sowas hatte Firas überhaupt noch nicht gesehen. Obwohl deren Haare recht adrett anzuschauen waren. Ein dunkelblonder Zopf. Vielleicht war sie ja Gallierin. Firas rieb die Handflächen aneinander und war versucht etwas zu sagen. Noch einen Schritt nach vorne. Nein, lieber doch einen zurück. Wieder schaute er die Sklavin ganz links an und seufzte.


    Katander kam zurück und sah zufrieden drein. Firas blinzelte und schaute ihn an. Wo sie waren? Parther? Wie kam er denn jetzt da drauf? Ach ja, die Parther von der unbeantworteten Frage von gerade eben. Menschenfressende Kerle, die ihre Frauen zu Hause lassen, um Schlachten zu schlagen, weshalb die meisten Sklaven ihre eigenen Leute fressen und das dann der Hauptgrund war, weshalb eine Frau ihn hinter dem Herd haben wollte, um zu essen, was auf den Tisch kam. Firas nickte auf Katanders Schulterzucken hin und schaute wieder hinüber zu Caius, wobei er den letzten Gedanken in seinem Geist bewegte. Es stimmte schon, er hatte recht, und Firas eigener Vater war ja auch ein Parth… Aufregung machte sich in ihm breit, und dann die Erkenntnis, dass das was er dachte absolut keinen Sinn machte. Firas Blick ruckte zurück zu Katander. “Hä? Was? Ich meine….wie bitte, ich äh…“ Er hatte nicht aufgepasst.
    Er grinste entschuldigend und sah zu dem Händler und zu Caius, wobei er versuchte, an ihnen vorbei zu schauen. Und tatsächlich. Er hatte ihren Blick aufgefangen. Ophelia. Hatte er richtig gehört? Er wusste was es bedeutete. „Hilfe,“ oder auch „Nutzen“. Sie hatten mal ein Pferd, das so hieß. Es war recht klein und hatte einen Dickschädel, der jeder Beschreibung gespottet hätte. “Weißt du Katander,“ begann Firas ins Blaue hinein, “ich mag die da.“ Dabei strahlte er über das ganze Gesicht. Aber Katander hatte ja recht gehabt. Gekauft war sie noch nicht und es wäre wohl besser, wenn er doch einen Hehl daraus machen würde, dass sie ihn durchaus…ansprach. “Aber nicht, weil, weil….sondern eher….hast du gehört? Sie kann alles! Kunst und…“ Das mit dem Leckerbissen überhörte er einfach. “…und sie kann sprechen und….gucken kann sie auch.“ Firas hatte den Kopf schief gelegt und tat es Katander nach, indem er die Arme vor der Brust verschränkte. “Sie kann sicher hervorragend kochen,“ seufzte er leise und halb unverständlich.

    Firas grinste wissend, als Katander mit den Augen rollte und zuckte mit den Schultern. Die einwöchige Eingewöhnungsphase hatte ausgereicht, um seinen Herrn einigermaßen kennen zu lernen. Und Katander auch. Er hätte niemals vergessen abzuschließen. Also hätte Caius genauso gut des Nachts in den stockdunklen Schlafraum hineinfragen können, ob Katander wirklich sicher war, dass er das Licht ausgemacht hatte.
    Ein wenig hatte es ihn schon gewundert, dass nun unbedingt ein Koch her musste. Der Andere hatte schon ein wenig recht, wenn er es „Verschwendungswahn“ nannte. Einen finanziellen Abstieg hatte Firas bei Gaius miterleben dürfen. Ein finanzieller Aufstieg hingegen war ihm völlig neu und er war sich noch nicht sicher, wie er es einschätzen sollte. “Ich weiß nicht,“ sagte er leise. “Geschmack hin oder her. Hauptsache es ist kein Kümmel dran. Gaius hatte den immer in Massen verwendet, weil er angeblich desinfilt…desinfilzi…..gut für die Gesundheit war.“ Ihn schauderte bei dem Gedanken an den massiven Kümmelgestank, den sein ehemaliger Herr gewöhnlich wie eine Aura mit sich herum getragen hatte.


    “Was quasselt ihr denn schon wieder?“ “Nüx!“, antwortete Firas schnell und mit unschuldigem Gesichtsausdruck. Sein Herr hatte es offenbar eilig. Wer hätte ahnen können, dass dieser sich sofort auf den Weg machte, nachdem Firas die Bemerkung über einen der Stände fallen ließ? Als sich beide Augenpaare auf ihn richteten, blickte er sich suchend um und deutete dann etwas umher. “Joa, also der wäre dann geeeenau….“ Ja, wo war er denn? Ach ja, etwas weiter hinten. Gerade wollte er darauf zeigen, als aus der näheren Umgebung drohende einschüchternde Worte zu ihnen vor drangen, die Caius ablenkten. “Ah,“ sagte dieser und befand sich schon auf dem Weg. Firas ließ seine Hand unverrichteter Dinge sinken. Gut, das war zwar nicht der Stand gewesen den er meinte, aber Stand war schließlich Stand und wenn man es genau betrachtete, dann nahmen diese sich alle nicht viel. “Ich glaube er hat ihn gefunden….“ Firas seufzte. “Joa, genau das isser,“ bestätigte er dann etwas verloren klingend und trottete neben Katander her. “Vielleicht könnten wir aufpassen, dass er etwas gallisches, ich meine…meine…“ Ein wenig kam er ins Stammeln, bevor er ganz verstummte und mit offenem Mund auf ein Mädchen starrte, dass ihm soeben ins Blickfeld geraten war. Eher war es eine junge Frau, die angstvoll dreinschaute. War sie eine Gallierin? Wohl eher nicht. Eine Germanin auch nicht. Vielleicht eine Griechin? Nicht wichtig. Firas fand sie auf Anhieb sehr ansprechend. Ein wenig schmal vielleicht.
    Sie war bestimmt keine Partherin und jemand der so aussah, der konnte garantiert alles. Waschen, und nähen, und …. “Ja, kochen,“ entfuhr es ihm leise und gedankenverloren.


    Moment! Es gelang ihm nun doch, seinen Blick zu lösen und er räusperte sich verhalten. “Warum keinen Parther?“, raunte er Katander zu. Der Händler war offensichtlich hocherfreut seine Ware vorstellen zu können und Firas Aufmerksamkeit richtete sich nun doch mehr auf ihn. Kaum zu glauben, dass es nur vier von diesen Frauen geben sollte, die kochen konnten. Dabei war das doch ganz einfach. Entweder man briet etwas bis es eine dunkle Kruste hatte, oder man kochte es bis es etwas breiig war. Man konnte es auch backen, oder rösten. Dünsten ging auch. Und wenn alle Stricke reißen sollten, dann gab es jede Menge scharfe Gewürze, die einen eventuell eigentümlichen Eigengeschmack überdecken konnten, indem sie einem die Geschmacksnerven wegbrannten. Es war so leicht. Er selber hatte es sich in einer Woche beigebracht! Obwohl…“Du hast recht,“, flüsterte er zu Katander hinüber, “wir brauchen wirklich eine die kochen kann!“ Dann sah er auf Caius, bevor er wieder dem Händler lauschte.

    Der erstaunte Ausdruck im Gesicht seines Gegenübers konnte Firas nicht aus dem Konzept bringen, denn er hatte keins. Noch immer wedelte er mit er Hand in der Luft herum, obwohl seinerseits keine Worte mehr kamen, die diese Geste eventuell unterstützt hätte. Dafür lauschte er noch kurz auf den Nachhall seiner Worte in sich selbst und versuchte dabei einzuschätzen, ob sie die richtige Wirkung erzielen würden. Oder aber überhaupt irgendeine. So ganz kam er mit der Rolle als alleiniges Zentrum der Aufmerksamkeit nicht klar und brachte nur ein “Hm mh,“ hervor, um zu bestätigen, dass er tatsächlich ägyptisch sprechen konnte.


    Schließlich war er froh, dass sein neuer Herr das Wort ergriff. “Also ein syrischer Ägypter.“ Firas spiegelte etwas scheel das breite Grinsen des Hausherrn wider. So war er noch nie bezeichnet worden. Sollte man den Aussagen von Gaius und seiner eigenen Mutter Glauben schenken, so war er eher ein syrischer Parther, der mit seinem halbrömischen Besitzer und dessen griechischen Geschäftspartner im jüdischen Viertel der Stadt hatte leben müssen. Firas Freund und Leidensgenosse Jibbah war ein echter Ägypter gewesen und war es wohl noch. Wo auch immer er nun sein mochte.


    Rechnen...Pferde! Seine Augen hatten zu strahlen begonnen. Schreiben. Eher ein Problem. Firas schnappte etwas hastig nach Luft, nickte dann jedoch wieder, wobei die anfängliche Freude aus seinem Gesicht wich. Der Hausherr erging sich unterdessen wohl in Erinnerungen an die Ereignisse seines dreiundzwanzigsten Lebensjahres, welches nun schon vier Jahre zurück lag. Wahrscheinlich würde Firas sein eigenes dreiundzwanzigstes Jahr auch nicht mehr vergessen. Aber das hatte er bisher immer gedacht. Das Problem war nur, dass das Leben viel zu viele Wendungen hatte, deren Ironie immer wieder steigerbar war. Vor allem für ihn, für den Germanien nur ein ferner Ort war, den er nur vom Hörensagen kannte. Wie zum Beispiel von Gaius: „Barbaaaaaren! Alle blond! Sie tragen dort Pelze und leben auf'm Baum!“ Wo auch sonst? Gaius hatte gesagt, dass es dort so viele Bäume gab, dass man nicht einmal fünf Schritte geradeaus laufen konnte, ohne einen zu rammen. Auf jeden Fall hätte Firas das gerne selber gesehen, aber so wirklich neidisch war er nicht auf die Erfahrung.


    Während der Hausherr und Katander offenbar überrascht über seine Frage waren, was sie hier eigentlich so machten, sah Firas sich kurz verstohlen um. Insgeheim hatte er gehofft über die Gründe seiner eigenen Anwesenheit nicht länger im Trüben fischen zu müssen, und vielleicht war es hier doch nicht so unangenehm, wie er noch vor einigen Minuten gedacht hatte. Caius Aelius Archias wirkte nicht derartig verkniffen wie Gaius und kam offenbar länger ohne Wein aus, als es Nikoláos vermocht hätte. Auch das Haus erschien mit einem Mal nicht mehr so hässlich. Firas' Aufmerksamkeit kehrte jedoch sofort zurück, als sein neuer Herr den kaiserlichen Postdienst erwähnte. Sicher kannte er den. Bei den Stationen kam man immer günstig an fußlahme, aber durchaus nette Pferde, die man aufpäppeln und gewinnbringend weiterverkaufen konnte. Außerdem war war es Firas gewesen, der die mannigfachen Briefe von Gaius an seine Frau im fernen Rom dorthin bringen musste. Meistens hatte sein ehemaliger Besitzer deren Wortlaut beim Schreiben mürrisch vor sich hin gegrunzt, bevor er dann stundenlang seine größte Dummheit beklagte: Die Ehe. Dennoch. „Stationarius“ klang schon ein wenig nach einer sitzenden Tätigkeit. Aber wenn sie wenigstens abends etwas unternahmen, wie Katander sagte, dann klang es doch irgendwie...vielleicht nicht aufregend, aber immerhin.


    Dann war es an Firas überrascht drein zu schauen. Die Pyramiden waren etwas zu weit weg, um ein kleine Unternehmung am Abend darzustellen. Und ja, es war wirklich gefährlich. Überall gab es Räuber, die keine Skrupel hatten, arme Reisende um so ziemlich alles zu erleichtern und für gewöhnlich machten sie nicht einmal vor Toten und deren letzten Habseligkeiten Halt. Die Pyramiden waren da in jedem Fall in beiderlei Hinsicht reizvoll.


    “Äh...Der gedankliche Spagat zwischen Pyramiden und Pferderennen ließ Firas die Stirn runzeln, doch er fing sich schnell wieder. Was tatsächliche Vergnügungen anging hatte er selber jede Menge Aufholbedarf und wenn sich die Beiden erhofften, dass er der Richtige wäre, um ein Unterhaltungsprogramm aufzulisten, dann.....Firas zuckte mit den Schultern. Einen Versuch war es immerhin wert. “Pferderennen. Ja, die gibt es manchmal.“ Das letzte Rennen war Gaius' Ruin gewesen und er hatte daraufhin eine regelrechte Aversion gegen Purpur entwickelt. Schnell räusperte Firas sich.
    “Aber es gibt auch andere spannende Sachen. Hahnenkämpfe vielleicht. Manche lassen auch Hunde gegeneinander rennen. Oooder....ihr geht mal zum Paneion, da hat's einen Zoo, oooder zum Leuchturm. Man kann auch ins Theater oder mal nach Kanobos, da gibt es die richtigen Vergnügunsvie....“ Verdammt! Firas brach doch lieber ab. Bestimmt hatte er schon zu viel gesagt und bestimmt war Kanobos auch nicht der Ort, den man unbedingt besuchen sollte, auch wenn das „wollen“ sicher auf einem ganz anderen Blatt stand. Zumindest für ihn, wenn er ehrlich war. Egal! “Ich meine, da ist der großartige Osiristempel. Da kann man sich wunderheilen und weissagen lassen.“ Firas lächelte verträumt, während er in Gedanken schon wieder beim Vergnügungsviertel war.