Beiträge von Firas

    Es war ja nicht so, dass er sich aufgedrängt hatte, doch im Grunde war es ja so gewesen. Frau Seiana hatte die Stadt kennen lernen wollen und das war nun einmal ein Wunsch, der sofort sein Ego angesprochen hatte. Er war der richtige Mann dafür! Seine eigene Begeisterung jedoch schien in den beiden Damen nicht unbedingt ihr Gegenüber zu finden und so blinzelte er rasch, wobei er sich bemühte in seinem Kopf neue Worte zu formieren. Das Gedränge in den Straßen nahm mehr und mehr zu, doch das war kein Wunder zu dieser Tageszeit. Firas wusste, dass nicht nur rechtschaffene Menschen unterwegs waren, sondern auch allerlei zwielichtiges Gesocks, wie damals Nikolaós schon immer gesagt hatte. Dennoch verstand er nicht ganz, warum Frau Seiana ihre Leibwächterin mitgenommen hatte.


    Wenn er ehrlich war, schüchterte es ihn ein, denn er war in einem Männerhaushalt aufgewachsen, in dem es nicht viel mehr gegeben hatte als Gaius und Nikolaós. Trotzdem, oder gerade deswegen hatte auch immer ein besonderer Geist deren Haus beherrscht, der – zugegebener Maßen - nicht selten dem Wein entsprungen war. Nikolaós war es auch gewesen, der ihm vieles über die Stadt berichtet hatte, während Firas ihm bei dem Sortieren der Flugblätter half, die Gaius geschäftsmäßig immer als „seine Buchhaltung“ bezeichnet hatte. Sofern man bei einer solchen Unterrichtseinheit in der Lage gewesen war, die mannigfachen Schimpfwörter von dem eigentlichen Inhalt zu trennen, so konnte man doch eine Menge interessanter Dinge lernen.


    Die Erinnerungen gingen so schnell wie sie gekommen waren. “Wo sollen wir denn als ersten hin?“ Beide Damen schenkten sich ein Lächeln und schon war ihre Aufmerksamkeit wieder bei ihm. Firas grinste unsicher und zog dabei einen Mundwinkel nach oben, was halbseitig eine strahlend weiße Zahnreihe entblößte. So ganz konnte er Lanassa noch nicht einschätzen, doch das würde sich schon geben. Auf jeden Fall schien sie keine Haare auf den Zähnen zu haben. Zwar war ihm eine Frau mit verborgenen Kampfkünsten suspekt, besonders wenn sie so aussah wie jene vor ihm, doch war eine Frau mit verborgenen Kampfkünsten ihm doch lieber als eine Frau mit Haaren auf den Zähnen UND verborgenen Kampfkünsten.


    “Ja!“, brachte er dann hervor und patschte unternehmungslustig die Hände zusammen. Firas verfügte zwar über einen grob gemeißelten Plan, doch fehlte diesem eindeutig noch der Feinschliff. “Ich denke, wir sehen und zuerst das Paneion an. Das ist ein aufgeschütterter Hügelturm mit nem Park drumrum. Von oben kann man auf die Stadt gucken und unten dann die Blumen und so genießen. Da hats auch Tiere!“ Firas überlegte kurz, ehe er anfügte: “...und so!“
    Der Sklave entschloss sich dann doch dazu, eine Antwort - oder noch schlimmer: Fragen! - gar nicht erst abzuwarten und schritt weiter die Meson Pedion entlang. Gut, aus ihm würde wohl nie ein bedeutender Rhetoriker werden, doch wer konnte es ihm schon verdenken. Da wo er herkam konnte jemand wie er überhaupt froh sein unbeschadet das Sprechen und dergleichen erlernt zu haben, ohne jedem elenden Wort ein handfestes Schimpfwort anzuhängen. Aber was sollte es schon. Die Pferde in den Ställen des Gaius hatten ihm dies immer nachgesehen, dass er seine Worte nicht immer mit Bedacht wählte, ebenso wie die gerupften Hühner in den Töpfen des Herrn Archias.
    Dennoch hielt Firas es in dieser Situation schon irgendwie als erforderlich, denn immerhin hatte er sich hier zum Reiseführer aufgeschwungen und der Kundschaft musste man etwas bieten.


    “Pan....das ist so ein..“, setzte er innehaltend seine Bemühungen fort, wobei er mit den Armen wedelte, “...Gott...den die Hirten verehren und er ist eine Mischung aus einem menschlichen Oberkörper und dem Unterleib von einem Ziegenbock.“ Firas musste insgeheim lächeln, denn die mitschwingende Vorstellung einer solchen Kreatur erinnerte ihn an Gaius. Nicht vom Aussehen her, sondern vielmehr durch dessen Art der Fortbewegung. “Nun denn....“ sagte er weiter. Frau Seiana wusste das sicher und so richtete er seine folgenden Worte mit einem schulmeisterlichen Unterton an Lanassa. “Er ist recht fröhlich, also auch für Wollust und dergleichen und er sorgt bei Dionysos mit für Fruchtbarkeit und Ekstase...also...was damit so zu tun hat...“ Der Sklave schaute kurz irritiert drein und kam zu dem Entschluss für die folgenden Erläuterungen doch einen anderen Adressaten zu wählen. Er wandte sich wieder Frau Seiana zu. “Er bläst für ihn auch die Flöte und er hat selber nen krummen Stab...uuuuund....!“


    Fast war der Sklave froh, dass er in diesem Moment von einem vorbei eilenden Fremden übel angerempelt wurde. Dieser grunzte etwas wie: “Weg da!“ und entschwand sogleich aus seinem Gesichtsfeld.
    “Tjaaaaa....“, überspielte Firas diese Begebenheit. “Pan ist auch bekannt dafür, dass er paaaanischen Schrecken verbreitet, wenn er in seiner Mittagsruhe gestört wird.“ Ganz wie der Herr Archias, fügte er in Gedanken hinzu und grinste ein wenig vor sich hin.
    “Da geht’s lang!“, sagte er in der fröhlichen Manier eines Fremdenführers, bevor er sich umdrehe und sich und den folgenden Damen den Weg durch die Menge bahnte.

    Firas war in seinem Element, während er mit raumgreifenden Schritten immer ein wenig vor Frau Seiana herlief, nur um sich dann wieder ein wenig zu besinnen, anzuhalten und zu warten, bis sie aufgeholt hatte. Freundestrahlend deutete er mal hierhin und mal dorthin. “Dies ist meine Stadt!“, erläuterte er grinsend und machte eine ausholende Handbewegung, fast so, als wäre er höchst selbst es gewesen, der sie mit den eigenen Händen auf der Kalksteinerhebung errichtet hätte. Es war eine wunderbare Gelegenheit, den Alltag fahren zu lassen und obendrein war die Nase auf diese Art mal von einer Luft umweht, die nichts mit den gebratenen „Köstlichkeiten“ aus der wohnungseigenen Küche zu tun hatte mit denen der Herr Archias versorgt sein wollte. Innerlich jubilierte er, denn es war schon eine Frage der Ehre, dass auf diesem Ausflug er es sein sollte, der der Dame die Stadt zeigen durfte. Immerhin hatte er hier die entscheidenden Jahre seines Daseins verbracht: nämlich alle!
    Firas lächelte Frau Seiana entgegen und sogar der Stress war vergessen. Schließlich hatte er an diesem Tag alles etwas früher erledigen müssen und auch schneller als gewöhnlich, doch entgegen seiner Art hatte er dieses Mal nicht innerlich herumgemurrt.


    “Also, wenn wir hier jetzt weiter gehen, dann kommen wir an die große Straße, die Meson Pedion und von da dann auf die Via Argeus. Die kommt dann von rechts oder links, je nachdem wie man drauf kommt. Und wenn man Ausdauer hat, dann kommt man von einem Ende der Stadt ans andere!“ Ein bestätigendes Nicken folgte den schnell hervor gebrachten Worten, das hastig darüber hinweg täuschen sollte, dass er eher sinnlos daher faselte, als wirklich etwas Produktives von sich zu bringen. Es dauerte einen Moment, in dem er blinzelnd in die Sonne schaute und dann die Hand vor die Augen hob. Er sollte sich wirklich dringend sortieren, doch es würde schon kommen. Der Trick dabei war, dass man einfach nur so schnell sprechen durfte, wie der Verstand voraus planen konnte! Firas zog tief Luft ein und seufzte zufrieden, bevor er fragend zu Frau Seiana schaute. Es würde noch so viel geben, was er ihr erzählen konnte und er würde es mit Freude tun, denn noch nie waren seine Dienste als Stadtführer in Anspruch genommen worden. Böse Zungen würden behaupten, dass dies durchaus seinen Grund hatte, doch diese waren in diesem Moment fern und allerhöchstens ein fernes Flüstern hinter seiner Stirn, das er verdrängte, indem er diese flüchtig runzelte. Wie oft war er schon auf einer Besichtigungstour durch diese Stadt gewesen? Noch nie, was erstaunlich war, wenn man bedachte wie alt er schon war. Vorfreude machte sich breit und endete in einem Kribbeln in seinen Händen. Gerne hätte er sofort alles erzählt, was er wusste, doch er musste sich beherrschen.

    Er war also der Letzte? Firas grinste ölig und ihm lag die Bemerkung auf den Lippen, dass er ja wohl unmöglich der Letzte sein könne, wenn zwei weitere Kandidaten noch in den Kissen lagen und herumturtelten. Den Blick auf Katander und Elena gerichtet, schmunzelte er vor sich hin, jedoch nicht ohne den Anflug einer leichten Eifersucht. Aber Einkaufen war durchaus etwas Schönes! Schließlich lachte er auf Ophelias Bemerkung hin. “Wie immer brauchen die Männer am längsten.“ Wie frech! Er kicherte. “Ophelia,“ begann er dann gespielt belehrend. “Wenn Männer zum Einkauf genötigt werden, braucht sich die Frau nicht zu wundern, dass sie immer drei Schritte hinterher sind!“ Er griente sie breit an. “Das kommt aber wegen der vielen Sachen, die auf ihren Schultern lasten und die sie der werten Dame hinterher tragen dürfen!“ Dabei griff er nach einem Kamm und fuhr sich damit ein wenig nachlässig durchs Haar. “Sieh es so. Ich bereite mich hier nur gründlich auf diese Rolle vor!“


    Seufzend nahm er zur Kenntnis, dass Ophelia kichernd in den Flur lief und verkündete, dass sie nun bald soweit waren. Nun beeilte er sich doch um hinterher zu kommen, jedoch nicht ohne den beiden Zurückbleibenden einen neidvollen Blick zuzuwerfen. “Es kann ja nicht jeder das Haus hüten, nech?“ Ein Grinsen und ein Augenrollen folgte und dann war er auch schon im Flur. “Ich hätte auch nie angenommen, dass Katander freiwillig das Bett verlässt,“ frotzelte er. “Der ist in manchen Situationen nämlich noch viel schwächer als ich.“ Dann räusperte er sich und schaute erwartungsvoll drein, während er mit dem Gedanken spielte, Ophelia den Arm um die Schultern zu legen. Stadtbummel. Klang gar nicht so schlecht. Nur kurz streifte sein Arm Ophelia und als er ihre Schulter berührte, ließ er ihn schnell wieder sinken, tat so, als ob er ihr nur ein wenig Staub vom Gewand tätscheln wollte. Die Herrin würde dabei sein, also keine gelöste Stimmung und kein Anschluss an das Herumgealbere. Firas seufzte und lächelte wehmütig der Frau Seiana entgegen. Bestimmt gäbe es andere Gelegenheiten, die er dann garantiert beim Schopfe packen würde.

    Nach einem schönen Traum fiel im das bewusste Denken immer besonders schwer, doch als sein Blick auf Elena und Katander traf reifte die Wirklichkeit um ihn herum, wie eine bittere Frucht. Ja, er musste wirklich aufstehen, um einkaufen zu gehen. Was er sah zeigte ihm auch deutlich, dass die beiden anderen weitaus mehr Glück hatten als er, auch wenn sie wohl schon länger wach waren. Zu mehr Erkenntnissen konnte er nicht gelangen, denn Ophelia hatte nach dem Zipfel seiner Decke gegriffen, den er nur halbherzig verteidigte und seine Bemühungen ganz einstellte, als er ihren warmen Körper auf dem seinen spürte. Der Druck auf seine Brust verstärkte sich, als sie zur Gänze auf ihm lag, doch es war angenehm und der Wunsch, einfach daheim bleiben zu können wurde übermächtig.


    “Du musst aufstehen. Aber du musst nicht einkaufen.“ Seine Hand verfing sich in einer von Ophelias Haarsträhnen. Sie war ganz weich und fühlte sich seidig an und glatt. Der Sklave schmunzelte verträumt und blinzelte Ophelia an. Es war so schön, dass sie ihm so nah war, doch er verkniff sich einen Kommentar. “Aber du musst mitkommen.“ Was? Ach ja, das Einkaufen. Ein abgrundtiefer Seufzer entwand sich ihm. Fast hätte er es einfach wieder vergessen, genauso wie die Anwesenheit von Katander und Elena. “Der Herr Archias schickt uns zusammen mit der Herrin Seiana raus auf den Mercatus. Er gab mir eine Menge Geld, damit wir uns einen schönen Tag machen, das sollten wir nutzen, meinst du nicht auch.“ Noch ein Seufzen. Dieses Mal noch lauter und sehnlicher. Es gab einfach Dinge, die auch ohne Geld glücklich machten und einem weitaus mehr boten als der Mercatus. Aber das war wohl eine rein persönliche Empfindung, dieser Wunsch einfach hier liegen zu bleiben. Warum nur er? Katander und Elena sollten nicht mit? “Komm schon...raus aus dem Bett mit dir!“


    Firas kicherte wieder leise, als Ophelia ihre Hand unter die Decke gleiten ließ, um ihn an der Seite zu kitzeln. Er regte sich unter ihr und ihr Gewicht stellte kein Hindernis dar. Es war verlockend, wenn sie sich so gab und es reizte ihn, einfach mit ihr herum zu scherzen. “Du machst es mir aber wirklich nicht einfach, Ophelia,“, lachte er und keuchte gespielt, als würde er mit ihrem Gewicht eine zu große Last tragen. Mit einem Ruck richtete er sich auf, alle anderen Wünsche vergessend und zog sie dabei mit sich, sodass sie in seinen Armen hing. “Ich meine, wenn du so auf mir liegst. Du weißt doch, wie schwach ich manchmal bin.“ Er entblößte eine Reihe weißer Zähne, als er ihr Grinsen ebenso frech erwiderte. Erst dann entsann er sich, dass die beiden anderen ihnen zu schauten. Es fiel ihm immer schwer, über seinen Schatten zu springen, was Ophelia anbelangte. Aber große Menschen hatten eben einen großen Schatten. Seine Augenbrauen hoben sich kurz und er runzelte über seine eigenen, ungewollt zweideutigen Gedanken die Stirn. Dann lachte er darüber. Gut, dass er das nicht auszusprechen brauchte.


    “Gehen wir auf den Mercatus.“ Er nickte Ophelia zu und hob sie gänzlich in Höhe, sodass sie auf ihren Füßen zum Stehen kam, während er sogleich die Decke abschüttelte, die sich gleich mit erhoben hatte. Dann gähnte er und richtete seinen Blick neidvoll auf Katander und Elena. “Ist Frau Seiana schon so weit?“, versuchte er ablenkend anzubringen, als er nach seiner Tunkia griff und sie überstreifte und zwanghaft an etwas anderes dachte. Nein, er wollte sich gar nicht vorstellen, wie die beiden ihre Freiheiten an diesem Tag genossen. Aber einkaufen mit Ophelia und Frau Seiana und jeder Menge Geld war sicher auch nicht zu verachten. Langsam dämmerte sogar ein wenig die Vorfreude in ihm, doch zuerst brauchte er wohl einen Kamm, wie er feststellte, als er auf seine Stirn schielte, in der ihm einige inzwischen recht lang geratene, verquere Strähnen hingen.

    Firas schaute sich ein wenig um und suchte nach einem Besen. Als er ihn erspäht hatte, begann er halbherzig das Reisigbund über den Boden zu kratzen. Es war wirklich die falsche Gelegenheit, um Spekulationen anzustellen. Auch wenn Ophelia sagte, dass er sich nicht entschuldigen musste, so war im dennoch danach. Aber es war schon richtig, dass sie sich beide den Löwenanteil an Entschuldigungen wohl besser für den Herrn Archias aufheben sollten. Im Geiste sah er schon dessen hochroten Kopf und die geschwollene Ader am Hals. Bald würde er vor ihnen stehen, herumbrüllen und dann soetwas wie fassunglos sein, bei schnell einsetzender Schnappatmung. Doch vielleicht irrte der Sklave sich auch und nichts dergleichen würde geschehen. In einer anderen Vorstellung war der Herr Archias ruhig und vernünftig. So vernünftig wie er es halt zustande brachte. Firas seufzte.


    Zumindest war es gut, dass Ophelias Verletzungen an den Händen nicht mehr so schlimm waren, auch wenn er ihrem beruhigen Tonfall nicht wirklich glauben konnte. Sein Blick wanderte wie von selbst zu Ophelia hinüber. Noch immer wollte er sich lieber davon ablenken, wie es in der Culina aussah: Chaotisch, schrecklich, unhygienisch und einfach nur schlimm. Bestimmt würde der Herr Archias am meisten unter der Tatsache leiden, dass es nichts, aber auch absolut gar nichts zum Essen gab. Er runzelte die Stirn. “Ich weiß nicht, ob er einem neuen Anstrich zustimmen würde. Bestimmt sollten wir ihn überhaupt ersteinmal irgendwie „stimmen“. Wir bräuchten ein tolles Abendessen, um ihn abzulenken.“ Er redete nur Blödsinn und schaute wieder auf den Besen, den er stetig sein Werk verrichten ließ. Ein trauriger Haufen Essensreste friste nun sein Dasein zu seinen Füßen. Ihm selber war der Appetit gehörig vergangen, und das kam nicht sehr oft vor.

    Endlich! Er ist auf dem Gipfel angekommen. Nur dummerweise ist es hier oben ganz schön kalt. Zugiger Wind pfeift und rüttelt an seinem Umhang, den er sich um die Schultern schlingt. Doch für derartige Empfindungen hat er gar keine Zeit, sondern er sieht sich lieber um. Dennoch nagt die Kälte unablässig und er schnappt hastig nach Luft. Dünne, fahle, nach nichts als Schnee riechende Luft, doch er ist sich gewiss der Erste zu sein! Nach so langen Mühen hat er es endlich geschafft. In der Ferne blitzen Lichter und ein lautes Jubeln ertönt in den Lüften. Seine Hand umschließt den Wimpel, den er in der Hand hält. Er ist an einem rauen Stecken befestigt, dessen unteres Ende angespitzt ist. Ganz allein hat er es geschafft und er hört schon, wie die Menschheit ihn feiert. Bereits jetzt...nur noch wenige Schritte. Den Stecken hat er bereits in die Höhe gerissen. Firas! Der Erste auf diesem Gipfel. Sterne funkeln und auf einmal erscheint ihm alles heller als noch zuvor. Nur noch ein Schritt...klitzeklein...einen winzigen Schritt und eine Kraftanstregung und dann wäre es besiegelt. Einkaufen Ein wenig irritiert zögert er einen Moment. Herr Archias Nein! Niemand da. Nur noch einen Schritt. Seine Zunge wandert in seinen Mundwinkel und er grunzt zufrieden und stellt fest, dass es gar nicht mehr so kalt ist. Er schläft ja wieder fester als ihr alle zusammen... Um so besser. Er reckt den Stab in die Höhe. Firas! Firas der Held! Der Luftzug kitzelt. Ein wundervoller Traum. Firas zuckt und kichert. Hihi Der Stab...er ist weg...


    “Aufstehen , Langschläfer, du kommst jetzt mit mir!“ “Was?“, brüllte er in den Raum hinein, den er blinzelnd, sich windend und gleichzeitig kichernd gar nicht so schnell erfassen konnte. “Ohh...ophh...eee..liii...aaaa“ lachte er hervor, auch wenn sein ernster Unterton dieses Lachen Lügen strafte. Es war der Tag, an dem er wunderbar hätte ausschlafen können. Kurz blitzte noch einmal der Traum in ihm auf. So oft hatte er davon geträumt, doch war er nie wirklich auf den Gipfel gelangt. Firas schnaufte und blinzelte und schon war das Bild auch schon wieder verschwunden, als wäre es nie da gewesen. Musste ein blöder Traum gewesen sein. Vor sich hin maulend strafte er Ophelia mit einem müden Blick und wollte sich die leichte Decke wieder über den Kopf ziehen. “Ich mag nicht aufstehen.“ Entfernt dämmerte ihm irgend etwas. Einkaufen. Irgendwo zwischen Schlafen und Wachen war das Wort aufgetaucht. “Und ich mag nicht einkaufen,“ nölte er halblaut ins flache Kissen. Dann musste er wieder tragen und schleppen, das kannte man ja. Obwohl.... Egal. Er seufzte. “Was willst du denn einkaufen?“ Es hatte keinen Sinn mehr. Für einen wohligen Schlummer war er nun zu wach und er wandte seinen Blick Ophelia zu, wobei er auch Elena und Katander endlich wahr nahm und ein wenig dümmlich angrinste, wie immer, wenn er mal wieder völlig woanders gewesen war.

    Gut, die Idee mit dem Eroberungszug war gar nicht so schlecht. Zumindest half es ein wenig, die innere Moral zu stärken. Firas rang theatralisch nach Luft, als Ophelia den abwesenden Katander erwähnte. Für den war das hier sicher wieder ein gefundenes Fressen für eine Predigt, auf die dann allgemeines Aufziehen folgte, welches man dann etappenweise immer wieder auf einem Tablett serviert bekam, wann immer mal etwas nicht so wollte, wie es eigentlich sollte. In diesem Haushalt hieß das dann: Mehrmals täglich. Firas rollte mit den Augen. “Wir werden niemanden mit Federn schmücken,“ sagte er bestimmt und nickte dann, nur um wieder zu grinsen. “Weil wir nämlich keine Gefangenen machen werden! Weißt du, die Gefahren, die von solchen Menschen ausgehen sind einfach zu....mannigfaltig!“ Er machte eine pathetische Geste. Gaius, sein ehemaliger Herr hatte dieses Wort ganz oft benutzt, denn er meinte, dass es besonders gebildet klang. Möglichkeiten waren immer mannigfaltig, auch Resultate. Die hatten auch immer....


    Ja, sie hatte ja recht. Sie mussten einfach aufräumen, auch wenn doch lieber noch ein wenig philosophiert hätte. “Entschuldige Ophelia,“ sagte er dann und erhob sich. Wie hatte er nur ihre Verbände vergessen können? Vielleicht wegen der fernen Träume von der hühnchen- und gemüsegestützten Chaostheorie. Langsam erhob er sich und zog die Sklavin dabei vorsichtig mit sich. “Ich hoffe mal, dass er länger arbeiten muss.“ Er klang schon ein wenig gequält, doch die Hoffnung starb für gewöhnlich zuletzt und wenn Herr Archias heute nicht länger arbeitete, dann bestimmt morgen. Immerhin musste er ja das Geld für eine neue Toga...


    Nein! Keine Gedanken mehr daran! Firas ging zum Tisch und tunkte ein Stück Stoff ins Wasser. Er hatte keine Ahnung von Verbänden, doch es würde sicher kühlen. Etwas unsicher hielt er den Stoff Ophelia entgegen, um ihn ihr auf die Hände zu legen. “Ich hoffe, es tut nicht mehr weh,“ gab er dann nachdenklich von sich. “Also, ich meine nicht allzu sehr.“ Bestimmt würde es weh tun und gerne hätte sie einfach umarmt, anstatt hier gleich den Besen zu schwingen. Nur wenn der Herr Archias sie dann so vorfinden würde, dann wären sie garantiert bald an die Front verkauft. Als Köder für irgendwelche - garantiert Federn tragenden - Barbaren mit Steinäxten. Ein wenig wedelte er auffordernd mit dem Tuch. “Ich werde kehren und wischen,“ beeilte er sich dann ablenkend zu sagen und versuchte sich dann doch an einem Lächeln.

    Firas genoss es einfach nur einen Moment. Die Ruhe zwischen dem Chaos tat einfach nur gut. Irgendwie hatte es so im Nachhinein auch etwas Erheiterndes. Es war wirklich schön sie in den Armen zu halten, und ob er wollte oder nicht, begannen seine Gedanken leicht abzuschweifen. Ganz weit weg von dieser Situation. Genau so müsste es sein. Irgendwo draußen, unter einem Baum. Einer Palme vielleicht. Ein wenig Wein und sanftes Licht. Er musste nur die Augen zu machen. “Velleicht sollten wir uns bei der Legion melden. Die perfekte, lebendige Waffe. Die Zerstörung auf zwei Beinen.“ Ophelias Worte wehten seine Gedanken davon. Ihr Lachen kalng ehrlich und er stimmte nur zu gerne mit ein.


    Sie hatte ihren Kopf an seine Schulter gelegt. Es war schon ein merkwürdiges Bild, wenn er sie sich beide in Rüstungen vorstellte. “Die Idee ist gar nicht mal so schlecht!“, ließ er verlauten. “Wir werden ein Land erobern und dann gibt es einen Triumphzug.“ Ein wenig klang er schon verträumt, auch wenn er seine Worte keinesfalls ernst meinte. “Wir werden auf einem vergoldeten Wagen fahren und Katander wird den Lorbeerkranz halten.“ Warum erinnerten ihn die Lorbeeren wieder an die Küche? Es war zum Verrückt werden. Nicht mal in der eigenen Vorstellungswelt gab es ein Entkommen aus dieser Misere. Firas seufzte leise und zwang sich einfach, diese Idee weiter zu spinnen. “Wir werden uns in der Legion auf etwas spezialisieren müssen. Vielleicht sollten wir zusätzlich zu unserer heimtückischen Sellerie-Taktik noch mit Brandpfeilen schießen.“ Er nickte bestimmt und grinste Ophelia an.

    Das allgemeine Verlangen nach Licht stand greifbar im Raum. Firas krabbelte noch immer tapfer vorwärts, dem verunglückten, jammernden Herrn entgegen. Die Meinung der Frau Seiana mochte er nicht einfach so unbedarft teilen. Sicher würde der Herr Archias noch eine Weile leben, doch im Moment lag er irgendwo im Treppenhaus. Allein und hilflos. Schließlich musste man schnell handeln. Dass die Lampen leer waren, war bedauerlich, um nicht zu sagen sehr ärgerlich. Doch Katander konnte ja wirklich mal was vergessen, vor allem weil er in letzter Zeit sowieso immer nur Elena im Kopf hatte. Was zählte da schon Licht. Auch dass sie alle übereinander gepurzelt waren, war der Rettung des Herrn nicht sonderlich zuträglich. Aber so langsam sollten sie wirklich etwas unternehmen. Firas Hand ertastete etwas, von dem er meinte, es wäre die Türschwelle und er gab ein triumphierendes Glucksen von sich.


    Auf Ophelias Idee hin, hielt er inne. Es war wirklich eine gute Idee, sich ersteinmal zu sammeln. Doch er war nun schon so weit gekommen. “Ich bin schon an der Tür!“, gab er etwas maulig von sich. “...dann, wenn wir da sind, können wir vorsichtig Stufe für Stufe runtergehen und nach dem Herrn sehen.“ Firas nickte und verzog den Mund. “Ich glaube, ohne Lampen wird es schwer, im Treppenhaus überhaupt etwas zu sehen.“ Herr Archias war zwar nicht unbdingt etwas, was man übersah, aber immerhin konnte man den Schmerzenslauten folgen, um so die Spur aufzunehmen. Firas lauschte auf das plötzliche Schweigen im Treppenhaus. Trotz allem rappelte er sich auf, um wieder auf seinen Beinen zu stehen und in einer nachlässigen Geste streckte er eine Hand aus, um sich anfassen zu lassen, während er in die Finsternis vor ihm starrte. “Also, ich hab Elena,“ tönte es von Katander. “War ja klar!“, rutschte es Firas vernehmlich heraus und räusperte sich dann, als wäre es ein reiner Zufall gewesen. Die Worte waren einfach da. Na und? “Ophelia?“, fragte er dann und ruderte mit der ausgestreckten Hand. “Herr Aaaarchias! Wir kommen gleich!“ Dieser sollte wenigstens wissen, dass sie sich reichlich bemühten. Wahrscheinlich wussten es nun auch alle anderen Hausbewohner. Doch das war ja nun wirklich egal!

    Firas hoffte, sie würde sich beruhigen. Auf jeden Fall tat ihre Nähe gut und er zog Ophelia noch ein wenig näher an sich. Vielleicht war es das heldeshafteste, was er in dieser Situation noch tun konnte. Die Schuld einfach auf sich zu nehmen und zu schauen was passierte. Das Schluchzen erklang in der Küche und er fühlte sich elend und matt. Wie dumm musste man sein? Es sah aus wie nach einer Schlacht. Genauso musste es im Zirkus Maximus aussehen, nach den Tierkämpfen. Sicher waren sie beide Schuld. Ophelia hatte recht, doch immerhin hatten sie sich und sie waren sich nah, und das war gut. Das beste an der ganzen Situation. Heute war wirklich nicht ihr Tag und es wäre tatsächlich besser, wenn sie ihn aus dem Kalender strichen und nie mehr an ihn dachten. Es sei denn, der Herr Archias würde ihr Gedächtnis sein, doch zum Glück vergaß der auch immer so viel. “Hörst du?“ Was? Was sollte er hören? Er war völlig in Gedanken gewesen.


    Ophelias Gesicht war von Tränen gezeichnet. “Es, es tut mir leid, aber ich konnte eben einfach nicht mehr. Der Sklave schüttelte den Kopf. “Muss es nicht,“ sagte er. Ihm ging es ja genauso, nur er konnte eben nicht weinen. Mit einer sachten Bewegung strich er ihr über die Wange. “War meine Schuld....dieses Mal wirklich.“ Firas grinste schief und seufzte dann. Noch einmal sah er sich in der Küche um. Das alles hatte schon etwas seltsames. Jetzt, wo er es noch einmal betrachtete, lachte er leise und glucksend. Dieses Mal klang es sogar amüsiert. Dann schaute er Ophelia wieder an. “Ich glaube, gemeinsam könnten wir ganze Landstriche verwüsten!“ Es klang fast so wie ein Kompliment und er grinste erneut, nur um dann über sich selber den Kopf zu schütteln. Er saß auf dem Boden, mit Ophelia in seinen Armen. So nah waren sie sich noch nie gewesen. Irgendwo war es schön. Bizarr, aber schön.

    “Falscher Eimer? Besen? Ich erstehe dich nicht.“ Ophelia klang erstaunt und der Sklave meinte etwas Klägliches in ihrem Blick entdecken zu können mit dem sie ihn nun musterte. Er folgte ihrem Blick an sich hinunter und tatsächlich klebten noch einige Restfedern an ihm. Opheila wurde blass und nun sah man erst recht, wie schlecht es ihr mit diesen ganzen Geschehnissen ging. Hatte nicht einmal nachschauen können, was er sich gegriffen hatte? Doch für Vorwürfe blieb keine Zeit und auch Ophelia war weit davon entfernt, ihm Vorhaltungen zu machen. Dafür fehlte im Moment einfach die Kraft. Sie stand einfach und zog sich in eine Ecke zurück, in der sie zusammen sank und weinte. Firas stand noch einen Augenblick unschlüssig an Ort und Stelle, doch dann ging er auf sie zu, und hockte sich neben sie. Es war doch egal, wie es hier aussah. Das ganze war ein Unfall und hatte niemals in ihrer Absicht gelegen. Das hätte jedem passieren können! Kurz rümpfte er die Nase und runzelte die Stirn. Gut, vielleicht nicht jedem, aber zumindest jedem der in dieser Wohnung lebte. Sie waren einfach manchmal anders und .... dachten selten nach.


    “Hör mal, Opheila,“ sagte er leise und zog sie in seine Arme. “Ich werde einfach sagen, dass es allein meine Schuld und du rein gar nichts damit zu tun hast.“ Seufzend dachte er an die Federn im Treppenhaus. Das war nun wirklich bitter. Aber es war nichts was lange blieb, wenn man es denn weg kehrte und außer einem kleinen Ärgernis war es rein gar nichts. Die Mieter über ihnen schütteten immer ihren Nachtopf morgens auf die Straße, und eine Unachtsamkeit mit diesem Utensil war weitaus ärgerlicher für Unbeteiligte, als ein Eimer watteweicher Federn im Treppenhaus. “Es tut mir Leid, wegen der Federn, aber ich habe....nicht...hingesehen,“ sagte er dann und hielt Ophelia noch immer fest. “Vielleicht bin ich einfach manchmal, ab und zu und überhaupt ein...“ Firas legte den Kopf schief und dachte kurz nach. “Trottel!?“, stellte der dann in den Raum und schaute auf das Chaos in der Küche. Er war eben einfach für Hausarbeit nicht geboren und an Tagen wie diesen vermisste er die Pferde die eine weitaus robustere Wohnstatt hatten, als es die Küche des Herrn Archias der Fall war. Er seufzte wieder.

    Ja, der Herr Archias war auf sie angewiesen. Denn wer würde kochen und nähen und all die Dinge erledigen, die sonst einfach liegen bleiben würden. So wie das arme Hühnchen auf dem Boden. “Danke Firas, mach das. Ich werde sie so lange mit dem vorhandenen Wasser etwas kühlen.“ Firas nickte bekräftigend. “Ja, erst kühlen und dann verbinden!“ Endlich ein Plan! Entschlossen hielt er sogleich den zweiten Eimer, der neben dem Tisch stand auch noch in den Händen und stürzte in Richtung Tür. Es tat gut, sich zu bewegen und er stürmte die Treppen hinunter immer gleich zwei Stufen auf einmal nehmend. Haustür, Hof, Brunnen, Wasser schöpfen, abfüllen, Eimer nehmen, umdrehen. Einfache Handlungen, bei denen jedoch sein Herz raste. Das kam von dem hastigen Rennen, oder auch durch die Erkenntnis, dass mit dem zweiten Eimer etwas nicht stimmte. An seinem inneren Rand klebten Federn. Firas wurde schlecht und er verzog seine Miene zu einer Grimasse der reinsten Qual, während ihm ein fiepender Laut entwich. Der Federeimer! Er hatte den Federeimer erwischt! “Aaaarrrgh,“ schnarrte er und überlegte einen Moment, ob er nicht einfach in den Brunnen springen sollte, um diesem glorreichen Tag ein Ende zu setzen. Aber Nein! Die Hoffnung stirbt zuletzt.



    Oh ja. Nur kurz schaute er auf, an der Hauswand empor, an der an einer bestimmten Stelle, dunkele Schwaden gen Himmel trieben. Firas legte den Kopf schief. Soooo schlimm sah es von hier draußen auch schon nicht mehr aus. Es folgte ein tiefes Ringen nach Atem. Ruhig Blut! Nur ruhig. Alles würde sich von alleine regeln, wenn man nur einen kühlen Kopf behielt. Oder eine kühle Hand. Er musste wieder rauf und watete durch die Federn, die nun im Treppenhaus verteilt lagen und von seinem sanften Luftzog emporgetrieben wurden, nur um dann wieder gen Boden zu sacken. “Verdammt...noch....mal...“, knirschte Firas und umklammerte den Eimer. Es würde schon nichts passieren, denn Ophelia hatte Recht, und er selber auch! Der Herr Archias brauchte sie einfach. Und wenn es nur um des Quentchens....des Unverständnisses, ...Ärgernisses, ...alltäglichen häuslichen Unbills war, das ungelogen jung erhielt.
    Firas erschien wieder in der Küchentür und präsentierte Ophelia ein schiefes, verlegenes Grinsen. “Ich habe Wasser,“ stellte er als nüchterne Aussage in den Raum, bevor er den Eimer neben dem Tisch absetzte. “Den falschen Eimer habe ich unten gelassen.“ Er seufzte. “Ich glaube, ich brauche einen Besen!“

    Was hatte Katander gesagt? Dass er alle aufwecken würde? Irgendwie schien es Firas, als wären ohnehin schon auf den Beinen und sie alle waren in unmittelbarer Nähe. Nur wo? Der Sklave blinzelte immer wieder in das Dunkel. Elena war da, und auch Ophelia. Katander auch und Frau Seiana. Etwas unbeholfen tastete Firas an der Wand entlang. Er war im Flur. Oder doch noch nicht? Seine Schritten wurden vorsichtig, ganz so als würde er über Eis laufen. “Firas, kannst du bitte mal für Licht sorgen?“ Nein, das war gerade schlecht, denn war noch viel zu sehr mit seiner Orientierung beschäftigt. “Wo seid ihr denn?“, brachte er hervor und hielt inne, um zu lauschen. “Ophelia?“ Firas reckte den Kopf vor, als würde es dabei helfen, seine Sinne zu unterstützen. Sie redeten doch? Wo waren sie nur? Während die einen noch den Rahmen der Eingangstür ertasteten, hörten die anderen das Rumoren der erwachten Haushalts. Die Augen sahen gar nichts und die Gedanken waren beim Herrn Archias, der mit sehr großer Sicherheit irgendwo im Treppenhaus aufgeschlagen sein musste. Wahrscheinlich unten auf dem Treppenabsatz. Genau das musste geschehen sein! Es war logisch, auch wenn ansonsten jegliche Logik immer mal wieder in diesem Haushalt versagte.


    “Ich kann aber kein Licht machen,“ stellte Firas nüchtern fest und fixierte ein imaginäres Gegenüber, genau dort, wo er Katander vermutete. Irgendjemand war gefallen. Es war ganz genau zu hören und allmählich ballte sich die Spannung in dem Sklaven. Unangenehm und irgendwie gehetzt. Sie mussten doch endlich mal was tun! Sie brauchten Licht! ....Verdammt wo ist denn...“ Ja, ganz genau. Firas löste sich von der Wand und steuerte in eine Richtung, die ihn seiner Meinung nach nun endgültig au den Flur bringen würde. Nur seltsam, dass er ständig gegen Dinge lief, die er nicht mit dem Treppenhaus assoziierte. Etwas lief hier verdammt schief! “Wer zum Kuckuck hatte heute Lampendienst?“ Katander! “Na, du!“, plärrte Firas und strahlte dennoch erfreut. Nicht wegen der Worte, sondern weil er endlich wusste, wo sich Katander befand. Ein Jammerlaut ertönte und es stellte sich heraus, wie nah er Katander schon gekommen war.
    Firas wurde übel angerempelt, nachdem der Andere ihm beinahe auf den Fuß gesprungen war. “Huuuh!“, schrie Firas, der seinen sicheren Stand nicht wieder fand und über einen weichen Körper am Boden fiel. Elena? Ophelia? Frau Seiana? Egal! Er rollte sich zusammen, sodass er nicht darauf zu liegen kam und mit einem Scheppern, dem ein kreischender Schmerz an der Schläfe folgte, die gegen eine Kante gestoßen war, landete er auf dem Boden, neben einem der niedrigen Tische. “Auuuuu!“, quakte er wehleidig und tastete nach dem, was neben ihm war, wobei er sich mit der anderen Hand den Kopf hielt. Es musste Opheila sein, denn er hatte sie genau hier vermutet. Er erfühlte einen Haarschopf. “Ophe....li...“ Nein! Irrtum. Es musste Frau Seiana sein. Rasch zog er seine Hand zurück. “Entschuldigung!“, nuschelte er, bevor er sich mühsam versuchte aufzurappeln. “Wir müssen Herrn Archias finden!“, gab er kläglich von sich und bemühte sich weiter auf allen Vieren, dem Ausgang wieder näher zu kommen.

    Eigene Ehre hin oder her. Es gab keine Situation, die prädestinierter war um wahnsinnig zu werden. Wenn man es genau betrachtete, war es schon wahsinniger als wahnsinnig und es würde sich auch nicht mehr lohnen, auch nur einen weiteren Gedanken zu investieren, der einfach nur....wahnsinnig war. Firas nickte sich selbst zu und begann ein wenig sinnlos mit der Toga den Boden zu wischen. Der Sklave rang nach Atem und stoppte sich selbst bei diesem Unterfangen. “Ich bin völlig ruhig!“, stellte er nüchtern fest und richtete sich auf. Erstaunlich, was ausweglose Situationen bewirken konnten.
    Ophelia brauchte Wasser für ihre Hände. Ein Blick genügte, um ihm klar zu machen, dass das nun ersteinmal das Wichtigste war. Firas erhob sich gänzlich und ging zu dem leeren Wassereimer hinüber. Ein kleiner Rest war noch darinnen und es würde nichts weiter übrig bleiben, als hinunter zum Brunnen zu gehen und neues zu holen. Dennoch fischte er eine Schale vom Regal und goss das wenige, was sich noch Inhalt nennen durfte dort hinein. “Erstmal für den Anfang,“ sagte er leise und entschuldigend. “Vielleicht sollten wir deine Hände verbinden?“
    Mit diesen anderen, umsorgenderen Gedanken, die sich um Ophelias Hände drehten, wurde auch er allmählich ruhiger. Nein, sie hatte recht. Man würde sie wohl nicht umbringen, doch würde er auch nicht unbedingt Zentrum eines gepflegten Ausrastens des Herrn Archias werden wollen.


    "Du hast recht. Wir werden ihm alles sagen und uns entschuldigen. Und...er kann uns gar nicht umbringen, weil...weil...weil....“ Nun musste er doch ein wenig angestrengt nachdenken. “Wir sind einfach zu wichtig, als dass...“ Eine Hand vollführte unterstützende Bewegungen beim Nachdenken. “Also. Er braucht uns einfach viel zu sehr.“ Im Stillen beschloss er die Frage nach dem „Wofür“ unbeantwortet zu lassen. Es brachte eh nichts. Firas schwang den Eimer und rang sich ein Lächeln ab. “Ich werde Wasser für deine Hände holen und dann machen wir da eine Salbe drauf!“ Er klang entschlossen. Schließlich musste hier irgendetwas unternommen werden. Schon allein um sich selber abzulenken.

    Firas schlummerte selig. Böse Träume waren ihm fremd, zumindest in der letzten Zeit. Dann und wann ließ er einen einsamen Schnarchlaut vernehmen und grunzte schmatzend, ob der Dinge, die er vor seinem geistigen Auge sah. Sie waren durchaus angenehm und lecker, denn nicht selten träumte er vom Essen. Dennoch störte etwas seine Ruhe und während er noch in einen Zustand hinüberglitt, den man als „halbwach“ bezeichnen konnte, war es auch schon vorbei mit dem schönen Traum. Blinzelnd öffnete er seine Augen. War da was? Er hatte doch was gehört! Leicht war sein Schlaf ganz gewiss nicht, doch die Geräusche die er hörte waren laut genug, um zu erwachen.
    Es währte nicht lang und er richtete sich von seinem Lager auf und stierte in die Dunkelheit. Einbrecher! Das war sein erste Gedanke und er überschlug schon die Möglichkeiten, die er nun hatte. Liegen bleiben und weiter lauschen, aufstehen und nachsehen, oder einfach durch lautes Rufen die Anderen wecken. Allen voran den Herrn Archias, der es sich auf der Liege im Hauptraum versuchte gemütlich zu machen, seit Frau Seiana da war.


    Der Herr Archias! Na sicher, das war ganz eindeutig seine Stimme gewesen! Der Sklave täuschte sich nicht, als er das Fluchen vernahm. Es war stockdunkel, was ihn schließlich davon abhielt, sich doch zu erheben. Wahrscheinlich musste sein Herr eh nur austreten und das war eine Sache, wofür er Firas nun ganz gewiss nicht brauchte. Firas ließ sich wieder auf sein Lager zurücksinken und schmatzte noch einmal, als könne allein dieser Laut den Schlaf erneut herbei rufen. Aus dem Hauptraum drangen derweil weitere Laute zu ihm hervor, doch es blieb ja nichts weiter übrig als zu warten, bis der Herr Archias sich gesammelt hatte und die Tür fand. Ein leises Scheppern ertönte und Firas lauschte weiter in die Dunkelheit. Warum nahm er sich keine Öllampe? Nein. Das war kein Schein von einer dieser kleinen Flammen und es war sicher, dass sein Herr keine gefunden hatte. Oder doch? Firas seufzte verhalten. Er sollte ihm vielleicht doch helfen, dann käme er gewiss eher wieder zum Schlafen. Und sich den Herrn weiter alleine im Hauptraum orientierungslos herumtasten zu lassen, würde nur bedeuten, dass es am Morgen mehr zum Aufräumen gab. So wie er ihn kannte.


    Aber es war eh zu spät, wie immer, wenn Firas hin und hergerissen war. Hatten die Anderen nichts gehört? Ein Schrei und lautes Poltern ertönte, und ließ den Sklaven aufspringen. Verdammt! Herr Archias war wohl schon bis ins Treppenhaus vorgedrungen und Schrei und Poltern zeugte davon, dass er....“KATANDAAAAA!!!???“, plärrte Firas alarmiert und tat einen Satz nach vorn, genau auf den Ort zu, an dem er die Tür vermutete. Warum war es nur so fürchterlich dunkel? Sein Fuß verfing sich an etwas Weichem und gerade konnte er sich noch abfangen, um nicht bäuchlings auf den Boden, oder eben auf das Irgendwas zu stürzen. Doch das geschah nicht. Die Tür fand er auch nicht.“Herr ARCHIAAAAAS!“, brüllte er dann hinterher. Alles was vor ihm war, bestand aus...Wand. “Lampe!“, brachte er dann hervor, während er noch tastete. In seinem Kopf entstanden furchtbare Bilder, die alle den Herrn Archias beinhalteten, der irgendwo, irgendwie im Treppenhaus lag. Da war der Durchgang und Firas schwankte eilig in den Hauptraum, die Arme weit und tastend nach Vorne gesteckt. Es polterte wieder und etwas ging klirrend zu Boden. Egal! “Herr Archias????“, fragte er lautstark und schwer besorgt ins Dunkel hinein.

    “Firas, mach langsam!“ Langsam? Wie bitte sollte er langsam machen? Das Chaos musste weg! Panik kroch seinen Rücken hoch und legte sich mit einem unangenehmen Klammergriff um seinen Hals. “Langsam,“ nuschelte er vor sich hin und er widerstand dem Drang, den Kopf zu schütteln. Es sah aus, wie nach einer Schlacht, oder einem Gemetzel in irgendeiner Arena. Und bestimmt ging es weiter, wenn der Herr Archias nach Hause kam. “Ohhhhoo,“ klagte Firas laut und starrte hilflos auf die Pfanne und das schwarze Hühnchen flambé mit seinen angebrannten Schenkeln. Es roch holzig und versengt. Noch immer kniete er auf dem Boden und wand mit rollenden Augen den Blick zu Ophelia, die über Sinn und Unsinn weiterer Räumungsmaßnahmen philosophierte. Nein, er hatte noch nie eine solche Sauerei sauber gemacht, aber er würde es tun!


    Wie zur Bestätigung seiner Gedanken rutschte näher an den Tisch und fummelte ein Tuch von dessen Arbeitsfläche herunter. Das Schneidebrett rutschte nach und gab beim Herunterfallen einen seltsam ironischen Laut von sich. Firas schaute betreten auf die Wand, an der eine einsame Scheibe Sellerie klebte. “Er wird uns den Kopf abreißen und aus dem Fenster werfen,“ lauteten Ophelias Worte, bevor sie sich gegen den Tisch lehnte und ein trockenes Lachen folgte. Firas seufzte ergeben und erhob sich. “Das nenne ich einen Trost, dass nur das Hühnchen verletzt wurde, aber nicht, dass ich noch wegen Körperverletzung angeklagt werde.“


    Der Sklave stimmte in das Kichern mit ein, doch Ophelias Sorge war durchaus berechtigt. Sein Blick fiel auf die Toga, während in seinem Kopf die aberwitzigsten Bilder aufblitzten. Sie könnten alles einwickeln und...aus dem Fenster werfen! Dann wäre die Toga weg, aber ihr Kopf wäre eventuell noch da. Sie könnten ein paar Eimer Wasser in die Küche tragen, Boden und Wände fluten und schrubben und es Großputz, oder dergleichen nennen Sie könnten auch ein paar Sachen packen und einfach weglaufen. Dann wäre ihr Kopf sicher auch noch eine Weile da, aber definitiv dann nicht mehr, wenn sie dabei scheitern würden. Sie könnten einfach ein bisschen aufräumen und es alles nur halb so schlimm erscheinen lassen. Ein klein wenig nur. Sie könnten aber auch Essen besorgen, und dann...brilliant! Firas` Gesicht erstrahlte mit einem Schlag, unter einer Idee, die ihn spontan befallen hatte. “Pass auf!“ Er hob den Zeigefinger und deutete damit widersinniger Weise zur Decke. “Du packst ein paar Sachen ein. Irgendwas Essbares. Hol was von dem Händler an der Straße, egal! Und dann fängst du den Herrn Archias und Katander ab. Sagst wir machen ein Picknick! Ich räume schnell auf und komme dann nach und versuche die Toga ein wenig sauber zu machen. Ich warte bis der Rauch abgezogen ist und dann....“ Seine Worte überschlugen sich, doch dann war die Idee zu Ende und etwas in ihm sagte, dass was er von sich gab Schwachsinn war .


    Firas erfreute Körperhaltung fiel wie von selbst in sich zusammen. Umständlich klaubte er die Toga vom Boden auf und presste sie an sich. “Das wars!“, stellte er dann nüchtern fest und grinste dabei schief. Er wollte ganz und gar nicht mehr in seiner Haut stecken. “Hilfst du mir trotzdem beim Wischen?“ Firas hatte vor sich hin genuschelt. Er würde einfach sagen, dass es seine Schuld war und Ophelia damit absolut nichts zu tun hatte! Ja, das würde er. Das machte seine Lage zwar nicht besser, aber ungemein ehrenvoller.

    “Bei allen existierenden Göttern...“, hatte Ophelia hervor gebracht. Firas konnte einen Moment lang gar nichts sagen, denn der Moment war dazu angetan, ihm gänzlich die Sprache zu verschlagen. Er war noch voll von seiner eigenen Hast, mit der er versucht hatte zu handeln. Irgendetwas hatte schließlich unternommen werden müssen, um es nicht schlimmer zu machen, als es ohnehin schon war. Die Sklavin wirkte wie erstarrt und auch er selber konnte nicht anders, als auf die Pfanne zu starren, die unter den Tisch geschlittert, und dort zum Liegen gekommen war. “Wenn unsere Köpfe nicht rollen, dann weiß ich auch nicht.“ Firas hustete unentschlossen und rieb sich mit einem Zipfel der Toga an den Augen, die unter dem beißenden Rauch zu tränen begonnen hatten.
    Noch immer qualmte die Pfanne, und ihr Inhalt lag auf dem Sellerie, welcher sich seinerseits auf dem Fußboden befand. Der Sklave ließ die Toga sinken, die sofort begierig die Flüssigkeit auf dem Boden aufsog. Oh ja. Selbst die Götter würden in diesem Augenblick nicht mehr helfen können. Es sei denn, diese würden dazu beitragen, sowohl ihn selbst, als auch Ophelia aus ihrer Starre zu hebeln, um sauber zu machen. Es war recht spät, doch der Schreck saß noch viel zu tief. “Was?“, fragte Firas hastig, nachdem er zwar Ophelias Frage gehört, innhaltlich aber nicht erfasst hatte. Dann dämmerte es ihm doch. “Meine Hände sind in Ordnung.“ Es klang ein wenig abwesend, aber dennoch konnte man unschwer den jammernden Anhauch darin heraushören.


    Die Hände waren wirklich in Ordnung, und wenn sie nicht schnellstmöglich die Küche aufräumten, von irgendwo her Essen organisierten, den Rauch aus der Wohnung bekamen, die Toga in den Originalzustand zurück versetzten und seine eigene Tunika flickten, geschweige denn Ophelias leichte Verbrennungen kurierten, dann wären seine Hände wohl das Letzte, worüber er sich Gedanken machen müsste. Im Geiste stellte er bereits einen Plan auf, was zuerst und was zuletzt zu tun sei. Dabei richtete er seinen Blick auf Ophelia und winkte in einer resignierenden Geste ab. Dann holte er sehr tief Luft. “Aufräumen!“, sagte er und untermalte die kurze Stille danach mit einem gedehnten, abgrundtiefen Seufzer und dann mit einem Kopfschütteln. Die Toga entglitt ihm und landete nun voll und ganz in der Suppe. “Wenn wir Glück haben, und der Rauch abzieht, ohne dass die Leute auf der Straße denken dass es brennt, dann...“ Er hob die Schultern und ließ sie sogleich wieder sinken, “...besteht vielleicht die Chance, dass wir eventuell den Abend noch erleben...könnten.“ Etwas schwerfällig bückte er sich dann und hob die Toga wieder auf, die zu Glück nur ein wenig triefte und ging hinüber, um sich unter den Tisch zu bücken und die Pfanne und ein Stück verkohltes Fleisch zu angeln. “Aber wir sollten es positiv sehen. Außer dem Hühnchen wurde keiner ernsthaft verletzt!“ Wieder gab er einen klagenden Laut von sich. Noch nicht!“ Hoffentlich machte der Herr Archias Überstunden, oder hatte sich irgendwo in ein anregendes Gespräch vertieft, oder war noch einkaufen, oder....was auch immer. Doch wie er ihn kannte, standen die Chancen dafür recht schlecht. Zumindest was die Überstunden anging.

    Firas kämpfte auf eine Neues gegen der Stoff an, der ihm ab der Hüfte abwärts jegliche Bewegungsfreiheit nahm. So war er auch recht hilflos am Herumnesteln, während Opheila sich eilig mit einem Tuch bewaffnete und der überkochenden Masse auf dem Herd Einhalt gebieten wollte. Er sah noch ihren entschlossenen Versuch, den Topf in Sicherheit zu bringen und wollte gerade etwas Warnendes rufen, als es auch schon zu spät war. Sie verbrannte sich an dem heißen Dampf und sie ließ den Topf fallen, sodass sich der Inhalt über den Fußboden ergoss. Firas konnte nicht anders, als diesem mit offenem Mund dabei zu zu schauen. Schließlich riss er sich doch von dem Anblick los und hüpfte ungalant vorwärts.
    “Vorsichtig!“, rief er dabei noch und versuchte den Stoff der Toga an sich zu raffen, um nicht der Länge nach auch noch in dem Chaos auf dem Fußboden zu landen. Der Untergrund war glitschig und der Sellerie lag überall herum, gemeinsam mit dem anderen Gemüse. Das Fleisch brannte an und Rauch erfüllte die Luft. Firas hustete und kämpfte sich in Richtung Essen, zumindest dem Teil, der noch bedrohlich auf dem Herd verschmorte. Sie hatte recht mit ihren Worten. Er musste etwas tun. “Ja, ja,“ stammelte er hastig vor sich hin, doch große Schritte wollten ihm so nicht gelingen. Fett spritze über den Rand der Pfanne. Soetwas hatte er schon einmal gesehen und Feuer in Kombination mit einer derartigen Substanz konnte ganz übel enden. “Fass das nicht an! Vielleicht brennt es ja!“, brachte er hervor, als er sah, wie Ophelia ihre Hand nach der Pfanne ausstreckte. Nicht dass sie sich noch mehr verbrannte.


    Im selben Moment, in dem er noch sprach, rutschte er auf dem Fußboden weg und die Toga riss mit einem unangenehmen Geräusch endgültig, als er auf einen ihrer losen Zipfel trat, beim Versuch sich abzufangen. Vielleicht war es ein glücklicher Umstand, dass sie sich dabei auch von seiner Tunkia löste. Merkwürdig fühlte es sich an, doch war der Moment um Nachzusehen, ob seinem Kleidungsstück etwas passiert war ,der gänzlich Falsche. “Ahhhh...,“ entfuhr es Firas, und obwohl es nur ein gedehnter Laut war, konnte man dennoch den ausgesprochenen Fluch der darauf mitschwang deutlich heraus hören. Firas griff, mit Togarest-behandschuhten Händen sogleich beherzt nach der Pfanne und riss sie vom Herd, nur um sie quer durch die halbe culina zu schleudern. “Au!“, klagte er lauthals. Der Stoff hielt wirklich nichts ab. Nun hatte das Fett erst recht gespritzt.

    Firas hatte ein Liedchen vor sich hin gesummt, doch dann ließ er den Putzlappen sinken, mit dem er gerade eine der Liegen auf der Terrasse bearbeitet hatte. Hatte es geklopft? Besuch um diese frühe Tageszeit war selten und er war ganz allein in der Wohnung. Ophelia war beim Obsthändler, der sich etwas weiter die Straße runter befand. Auch die anderen waren ausgeflogen und der Herr Archias war bei seiner Arbeit. Firas runzelte die Stirn und schwenkte den Lappen hin und her, während er noch die Tür öffnete. Dann stutzte er. Tatsächlich hatte er sich nicht verhört. “Salve?“, brachte er dann fragend hervor und musterte den Mann, der dort stand. Firas hatte ihn noch nie gesehen und vielleicht sollte er gleich reinen Wein einschenken. “Der Herr ist nicht da. Der ist bei der Arbeit, im Cursus Publicus,“ sagte er und fügte noch an: “Das ist die Postannahme auf der Agora.“

    Firas hatte gerade eine der großen Schalen vom Herd gefischt, immer darauf bedacht, sich nicht zu verbrennen. Der Inhalt war heiß. Sehr heiß. Mit offenem Mund und mit gequältem Gesichtsausdruck bemühte er sich das Essen ohne größere Verluste auf beiden Seiten in Richtung Tisch zu manövrieren. Ophelia war bereits dabei, geräuschvoll einige Teller hervor zu kramen. Mit einem erleichterten Keuchen setzte er die Schale ab und schüttelte die Hände aus. Trotz der Lappen, die er sich darum gebunden hatte, brannte es, doch versprach der Geruch des Essens eine reichhaltige Entschädigung. Und nicht nur das. Auch der Anblick war hervorragend, selbst wenn es nur Reste waren, die zusammengebacken, mit Gewürzen versehen und mit geriebenen Käse überschüttet worden waren. Für sie vier würde es allemal reichen. Nur kurz blickte er auf, als er meinte gehört zu haben, dass jemand die Wohnung betrat. Sicher der Herr Archias. Etwas war allerdings anders, doch schob er diese Empfindung auf den angeregten Hunger. Im letzten Moment unterdrückte er den Drang, ein fröhliches Liedchen vor sich hin zu pfeifen und ging Ophelia zur Hand, indem er ihr vor Vorfreude strahlend die Kelle entgegen reckte, mit der sie für gewöhnlich die Speisen auftat.


    “Heja, öh, sagt mal...“ Er hatte den Archias gar nicht gesehen, so sehr war er auf sein Tun fixiert gewesen. “Ist Katander noch nicht wieder da?“ Firas fuhr herum und lächelte zur Begrüßung, bevor er sich auf das Stichwort „Katander“ hin in der Küche umsah und die Schultern zuckte. Offensichtlich wohl nicht. Zumindest nicht hier. Aber wo war er dann? Firas ließ die Kelle sinken, als der Hausherr verkündete, dass Besuch da war. Hatte seine Empfindung ihn also doch nicht getäuscht. Sein Blick glitt in einem Sekundenbruchteil zu ihrer Mahlzeit hinunter und sofort wieder zurück. Er hätte doch etwas sagen können, dann hätten sie nicht allerlei Zusammengewürfeltes gekocht, sondern etwas mit mehr...Stil. Firas begegnete nun dem bedeutungsschweren Blick des Herrn Archias. Seiana. Die Gedanken überschlugen sich kurz, bevor sich seine Augen weiteten. Seiana! “Hier? Ich meine jetzt?...Ich meine....“, entfuhr es dem Sklaven. Es war egal, was er meinte, es war eh zu spät und sie war da und ja, das war wohl durchaus wichtig! Firas nickte die ganze Zeit über, während er versuchte das Gehörte zu verdauen. Nett sein stellte an sich keine besondere Herausforderung dar. Nur das Wort „perfekt“ machte ihm ein wenig Sorge, denn es war bisher nie die Maxime ihres Handelns gewesen. Die wichtigste Sache an der Perfektion war Ruhe. Firas atmete tief durch und stoppte seine Finger, die nervös die Kelle betastet hatten. “Ja, natürlich. Das wird schon alles...wir kriegen das alles ganz sicher hin!“ Er versuchte trotz der plötzlichen Verunsicherung sehr selbstsicher zu wirken. “Wir brauchen Wein!“, fiel es ihm dann spontan ein und er sah sich gehetzt um.