Beiträge von Aelia Caenis

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    Original von Aurelia Laevina
    "Nein!", sagte ich entschieden. "Nein, ich bin noch nicht verlobt. Ich möchte auch nicht unbedingt so bald heiraten um ehrlich zu sein. Dafür bin ich noch viel zu jung." Was würde Corvinus wohl davon halten? Wie dachte er hierüber? Ich wusste es nicht, aber die Gefahr war gross, dass dies ein Streitthema sein würde in der näheren Zukunft.
    Ich dachte nur sehr kurz über die Frage nach. "Er muss lieb sein. Und stark und am besten gut aussehen. Und er sollte nicht zu alt sein. Aber auch nicht zu unerfahren - also im Leben meine ich. Und natürlich müsste es ein Patrizier sein. Was denkst du denn? Wen willst Du einmal heiraten?" Ich konnte ja nicht ahnen, dass die Aelia schon eine Heirat hinter sich hatte, so alt war sie schliesslich noch nicht.


    "Ich war bereits einmal verheiratet," sagt die Aelierin mit stiller Würde und lächelt für einen kurzen Moment, andeutend, dass die Zeit der Trauer vorüber ist und sie keinerlei Beileidsbekundungen mehr benötigt. "Diese Ehe hat mir gezeigt, dass es sicherlich angenehm ist, einen gutaussehenden und starken Gemahl zu haben, aber doch all diese Vorzüge nutzlos sind, wenn nicht auch der Charakter dementsprechend ausgestaltet ist. Ein zuverlässiger, kluger Mann kann oftmals eine mangelnde Gestalt mehr als wettmachen." Natürlich muss die Aurelierin als Jungfrau noch andere Vorstellungen haben, dass sie sich einen gutaussehenden Mann wünscht, einen, der sie liebt - das sind die Träume einer Frau, die noch nicht die bittere Realität kennengelernt hat. Liebe ist ein wundervolles Geschenk, aber nicht die Grundvoraussetzung für das Gelingen einer Ehe.
    "Aber ich hoffe für Dich, dass Du einst einen Mann heiraten wirst, der all jene Vorzüge besitzt, die Du Dir ersehnst, und dass er imstande ist, Dich mit Glück und Zufriedenheit zu erfüllen." Sie wendet den Blick nach vorn, wo eben die Feierlichkeiten einen weiteren Punkt erreichen, die Opferzeremonie beginnt, und Caenis verstummt, aus Respekt vor der heiligen Handlung. Nichts soll das künftige Glück ihrer Verwandten trüben.

    "Du schmeichelst mir, Quarto," spricht sie bedächtig, aber doch mit einem vagen Lächeln auf den Lippen, welches verrät, dass sie seine Worte nicht nur als Schmeichelei, sondern als ernstgemeintes Kompliment auffasst und zu schätzen weiß. "Ich bin mir sicher, dass jeder Mann, den Du mir nennen wirst, von ausgezeichnetem Charakter sein wird und es wert ist, sich eine Verbindung zu überlegen. Letzten Endes ist es eine wichtige Verbindung, die mit Bedacht und Überlegung geknüpft werden muss." Dass sie nicht begierig ist, schnell neu zu heiraten, sagt sie ihm nicht, vielleicht kann er es sich denken, vielleicht auch nicht. Wichtiger ist ihr im Augenblick, ihre Familie in Rom kennenzulernen, sich dort eine Zeitlang zu akklimatisieren, bevor sie eine neuerliche, schwierige Entscheidung wie die einer Ehe treffen muss.
    "Sage mir, was tut man derzeit in Rom, was sollte man getan haben, um sich ein Bild dieser Stadt machen zu können? Ich kann sie nur mit den Augen eines Kindes betrachten, und damals barg sie viele Wunder, die heute vergangen sind."

    Seine Worte über die unvermeidliche Verknüpfung zwischen Ehe und dem Zeugen von Kindern treffen sie, seltsam genug, dass es sie überhaupt trifft, war der Gedanke an Kinder doch bisher einer, den sie weit weg geschoben hat, wenn sie ihn überhaupt betrachtet hatte. Die Ehe mit jenem ungeliebten Mann, der sie nur gekauft hatte, um sie seiner Sammlung erlesener Geschöpfe hinzuzufügen, war wenig dazu angetan gewesen, Nachkommen zu wünschen. Er hätte es nur als eine Bestätigung seiner Männlichkeit gesehen, noch einmal ein Kind gezeugt zu haben, und diesen Triumph hat sie ihm nie gegönnt.
    "Ich stimme Dir zu, dass die Ehe zumindest die Aussicht auf Kinder bergen sollte, nicht zuletzt, um die Traditionen fortzuführen, in denen wir selbst aufgezogen wurden. Aber ich kann Dir nicht darin zustimmen, dass man keinem Kind das Leben verwehren sollte. Denn die Götter allein wissen, welcher Weg einem Menschen bestimmt ist, und haben einen guten Grund, ein Leben zu nehmen. Vielleicht gebäre man einen künftigen dictator? Einen Kaisermörder? Oder einen Menschen, der wegen einer alten Krankheit in seinem Leben nur Leid zu erwarten hätte? Schwächliche Kinder sterben früh, das ist wahr, aber ich denke doch, dass dahinter oft ein guter Grund steckt, so schmerzlich einen ein solcher Verlust auch ankommen mag." Die meisten Frauen würden ihre Aussagen als herzlos werten, aber Caenis fühlt sich nicht herzlos, als sie dies spricht, hat sie doch oft genug erlebt, wie Mütter über ewig kränkelnden Kindern verzweifeln, und schließlich gebrochen enden, wenn das Leid ein Ende findet.


    Seine Worte zu den Saturnalien - und eventuellen anderen Gelegenheiten - quittiert sie mit einem leichten Neigen des Kopfes, und ebenso einem vagen Lächeln. Sie weiss zwar keinen solchen Anlass, aber es wird sich sicher etwas finden. Die Aelier sind angesehen in Rom, und gesellschaftliche Ereignisse dürfte es zur Genüge geben, bei denen man sich begegnen kann. Seine Ansichten zu den Vestalinnen allerdings kann man nur als antiquiert benennen und ihre Miene zeigt diese Ansicht durchaus, die Brauen ziehen sich kurz zweifelnd auf der Stirn zusammen, sie selbst schüttelt leicht den Kopf dabei.
    "Auch Vestalinnen ist es gegeben, Freundschaften zu pflegen, sie sind vielmehr ein geachteter Gast in den Häusern ihrer einstigen Familien und gerne gesehen, wohin immer sie gehen. Ist es für einen Mann so schwer zu ermessen, dass einer Frau viel an ihrer Unabhängigkeit liegen kann, mehr als an dem Leben mit einem Gemahl oder der eigenen Familie? Gibt es nicht auch für Männer Momente, in denen sie sich wünschen, weniger gebunden zu sein durch Tradition, Ehre und Familie? Ich kann mir nicht vorstellen, dass jeder Mann glücklich mit seinem Dasein durch die Welt schreitet und weder nach links noch nach rechts blickt. So viele Einschränkungen eine Vestalin sich auch auferlegen muss, besitzt sie doch eine grundlegende Freiheit - die, nicht als Ware zum Wohl ihrer Familie verschachert zu werden."


    Sie spricht direkte Worte, wahrscheinlich direktere als jede Frau in Rom es derzeit tut oder wagt, aber sie hat sich die Freiheit, so sprechen zu können, auch über lange Jahre erworben und nun sind ihr die Schranken, die für römische matronae gelten, einerlei. Ebenso einerlei kann ihr sein, mit wem sie sich im Moment zeigt, denn sie spekuliert nicht auf eine baldige Vermählung - wenn, würde sie das am liebsten weit wegschieben, noch einige Jahre allein verbingen, mit den Dingen, die sie interessieren, mit Menschen, die es ihrer Ansicht nach wert sind.
    "Nun, vielleicht findest Du nach Deiner Amtszeit die Muße, mir die Umgebung etwas zu zeigen, aber es wird nicht eilig sein. Ich weiss gut, wieviel Zeit ein solches Amt beanspruchen kann, wenn man seine Aufgaben ernst nimmt. Ich werde versuchen herauszufinden, wo man hier in der Umgebung gut jagen kann, und dann können wir über das Ziel immernoch entscheiden." Es war ein vernünftiger Vorschlag, wenngleich zweifelsohne leidenschaftslos, die logische Entscheidung nach einem einmal gefassten Entschluss. "Deine Kleidung werde ich Dir ersetzen, wenn Du mir die Rechnung dafür zukommen lässt." Das Thema war eigentlich schon vorübergestrichen, aber sie hat es nicht vergessen.

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    Original von Aurelia Laevina
    Caenis stellte eine Frage, zu der ich nur die Schultern zuckte und dann mit dem Kopf schüttelte. Dann schloss ich mich der Frage an und schaute Corvinus gespannt an. Wie lange kannte er Aelia wohl schon? Oder überhaupt? Vielleicht waren sie ja nur eingeladen, weil sie Teil der Oberschicht waren und Aurelier.


    Nachdem Aurelius Corvinus eher zu jenen zu gehören scheint, die bei Hochzeiten weniger nach Konversation suchen, wendet sich die Aelierin wieder an Aurelia Laevina, um ihre eigenen, langsam mehr und mehr flatternden Nerven zu beruhigen und sich mit einem Gespräch davon abzulenken, noch mehr Wein zu trinken.
    "Du wirst sicher auch in absehbarer Zeit einem Gemahl versprochen werden, wenn Du es nicht schon wurdest. Wie müsste denn ein Mann beschaffen sein, dass er Dir gefiele?" Es ist zugegebenermaßen auch eine neugierige Frage, aber es interessiert sie tatsächlich; nach ihrer eigenen, enttäuschend verlaufenen früheren Ehe findet sie die Vorstellungen anderer Frauen vom idealen Ehemann durchaus spannend, zumal sie sich oft von dem unterscheiden, was sie sich selbst auswählen würde. Aber das macht die Thematik umso spannender.

    "Vielleicht liegt es auch daran, dass ich wenig Wert darauf gelegt habe, Kinder zu bekommen, die ohne ihren Vater aufwachsen würden," gibt sie zu bedenken, der Klang der Stimme so leidenschaftslos und kühl wie fast während des gesamten Gesprächs, als würden die gewechselten Worte nicht von ihr, sondern von irgend jemand anderem handeln, den sie beide nicht kannten. "Ab einem gewissen Alter des Ehemanns muss man sich sehr wohl überlegen, ob sich dieses Risiko wirklich lohnt einzugehen, denn mehr als ein Arzt hat mir versichert, dass díe Lebenskraft eines alten Mannes zu schwach sei, um einen gesunden Nachkommen zu zeugen. Umso mehr wäre es schrecklich, würde ein Sohn ohne das Vorbild seines Vaters aufwachsen müssen, wie wir es in unseren Traditionen für so wichtig und unumgänglich halten. Eine Familie zu gründen sollte heutzutage nicht alleine nur auf einen Zufall zurückgeführt werden, man sollte sich vorher im Klaren sein, ob es Sinn macht, und wieviel Sinn es macht, Kinder aufzuziehen." Mit einer ruhigen Geste streicht sie sich das Haar zurück, den Aurelier dabei im Blick behaltend, ob er ihre klare Meinung akzeptieren konnte. Die wenigsten Männer konnten nachempfinden, welches Risiko dabei lag, wenn eine Frau schwanger wurde, wie hoch die Gefahr war, das Kind zu verlieren oder selbst im Kindbett zu sterben - vielleicht machten sich Männer darüber weniger Gedanken, Frauen dafür umso mehr.


    "Es gibt bestimmt in der nächsten Zeit die ein oder andere Gelegenheit, bei der es uns unauffällig möglich sein wird, passende Kandidatinnen zu beobachten - leider ist die Meditrinalia schon vorüber, aber spätestens zu den Saturnalia hast Du die besten Möglichkeiten, unauffällig herauszufinden, ob eine Frau, die Dich interessiert, auch zu Dir passt. Ohne die Grenzen des Standes erkennt man am anderen sicherlich ungehinderter Makel und Vorzüge," spricht sie weiter, als hätte das Gespräch mit Aelius Quarto niemals stattgefunden, in dem er erwähnt hatte, dass er von Aurelius Ursus' Heiratsplänen weiß und ihn für einen geeigneten Mann hält. Schon an jenem Tag hat sie nicht ausgeschlossen, sich mit dem Aurelier zu treffen, allerdings ist ihr Kennenlernen nun deutlich anders verlaufen als vermutet, ihr Verwandter hätte es wahrscheinlich nicht gut geheißen, dass sie mit dem Bogen unterwegs ist, und noch weniger, dass der Aurelier dabei verletzt wurde. Immerhin scheint die Sympathie gerechtfertigt, die ihr Verwandter dem Aurelier entgegenbringt, er handelt und spricht überlegt, und wirkt nicht wie einer jener Männer, die dauernd vor allem damit zu tun haben, vor anderen besser und klüger zu wirken, als sie es eigentlich sind. Es wird in Zukunft sicherlich interessant bleiben, sich mit ihm über verschiedenartigste Themen auszutauschen, selbst wenn sie der Tatsache, dass sie beide Material auf dem römischen Heiratsmarkt darstellen, sehr distanziert gegenüber steht.


    "Ein junges Mädchen weiss sicher noch nicht, welchen Verzicht ihr das Leben als Vestalin in der Zukunft abverlangen wird," antwortet sie nach einer kleinen Weile überlegend. "Aber ein Mädchen ist genauso fähig, an einer solchen Aufgabe zu wachsen und zu reifen, denke ich, und so wird es für sie irgendwann leichter werden, mit jenen Einschränkungen zu leben. Eine Ehefrau und Mutter zu werden, bedeutet schließlich nicht, keinen Einschränkungen zu unterliegen, vielmehr erscheinen mir jene, die es dann zu beachten und zu bedenken gilt, als weitaus schwerwiegender denn die Pflichten einer Vestalin." Gerade, wenn eine Ehefrau den Haushalt für einen dauernd im Krieg oder in der Politik abwesenden Mann führte und gleichzeitig noch darum bedacht zu sein hatte, dass die Kinder gut aufwuchsen und der gesellschaftliche Stand der Familie sich nicht verschlechterte, mochten die Zwänge und Pflichten über den Kopf dieser Frau hinauswachsen. Ihr Blick bleibt auf dem Aurelier liegen, nachdem der Pfeil sein Ziel gefunden hat, und für einen Augenblick lang wirkt er verstimmt. Hat er erwartet, dass sie mit fliegenden Fahnen nun in seine Arme stürzen wird, nur weil er männlichen Geschlechts, attraktiv, unverheiratet und aus gutem Hause ist? Der Gedanke amüsiert sie, aber sie versucht es zu verbergen, es wäre nicht höflich, würde er den Eindruck gewinnen, dass sie über ihn lachte.


    "Ich werde nicht schnell zornig." Dies ist ihr einziger Kommentar zu seinem Scherz, aber nun lächelt sie doch wieder, die Mundwinkel nur leicht erhoben, während sie sich einen neuen Pfeil geben lässt. "Wir werden einander sicher bald wieder begegnen, nicht zuletzt, weil Du sicher im domus Aeliana ein und aus gehst, in der Zusammenarbeit mit meinem Verwandten." Ein Onkel direktermaßen war Quarto nicht, aber es war doch einfacher, die komplizierten verwandtschaftlichen Verhältnisse der Aelier auf diese einfache Bezeichnung zu reduzieren. Dieses Problem hatten so gut wie alle römischen gentes, irgendwann wucherten die einzelnen Familienzweige zu wild vor sich hin. "Aber wenn Du es willst, kannst Du mich gerne einmal zu einer Jagd begleiten. Aegyptus war reich an Vögeln, die man im Schilf ausmachen musste, ein wenig Abwechslung wird mir sicher guttun, Italia soll so manches interessantes Wild bereithalten."

    "Ich wäre Dir sehr dankbar für Deine Unterstützung, wenn es soweit ist, dennoch denke ich, dass es nicht schaden kann, sich frühzeitig mögliche Kandidaten anzusehen und auf ihre Eignung hin zu betrachten. Der politische Vorteil für die gens muss dabei stets gewahrt bleiben, und das politische Verhalten eines Mannes sagt nur langfristig wirklich etwas über seinen Wert aus," sagt Aelia Caenis nachdenklich, bevor sie nach dem Becher greift und einen kleinen Schluck ihres Weines zu sich nimmt. Im Grunde waren Hochzeiten nichts anderes als politische Verbindungen, bei denen man den größtmöglichen Profit herauszuarbeiten versuchte, und wenn sie denn irgendwann demnächst wieder würde heiraten müssen, um der gens zu dienen, wie es einer Frau zukam, dann sollte es eine möglichst vorteilhafte Partie sein. Sie hat sich einmal schon mit einem Mann begnügen müssen, der wenig geeignet gewesen ist, ein zweites Mal wird sie dieser Praxis sicherlich nicht zustimmen, es war ihr Leben, über das mit einer Ehe bestimmt wurde, nicht das von Quarto oder irgendeines anderen Verwandten, der vielleicht auch noch Interesse anmeldete, wenn es um eine passende Verheiratung ging. Quartos Antwort beweist jedenfalls, dass er ähnliche Ansichten hat wie sie selbst, und dass er ihr in dieser Angelegenheit sicher ein guter Verbündeter sein wird.


    "Was die Verheiratung an sich angeht, habe ich keine Eile, solche wichtigen Themen sollten mit Vorsicht und Bedacht angegangen werden, zu unangenehm sind die gesellschaftlichen Konsequenzen, wenn man sich überstürzt in die falsche Richtung wendet." Der Name, den ihr ihr Verwandter nennt, sagt ihr nichts - hätte sie in diesem Augenblick geahnt, dass sie den Genannten wenige Tage später mit einem Pfeilschuss kennenlernen würde, hätte sie wohl über die Aberwitzigkeit der Zufälle des Lebens gelacht - und so nickt sie nur zur Beschreibung des Quaestors. Ein wohl junger Magistrat aus gutem Haus, so eine Biographie bringen viele mit, und noch sieht sie nicht, wieso er besonders geeignet sein soll, vielleicht einmal von dem Punkt abgesehen, dass ihr Verwandter ihn zu mögen scheint.
    "Glaube nicht, dass ich die gens Aurelia generell ablehne, ich sehe nur noch keinen Grund, sie in jene Familien einzureihen, die eine wahrhaft stolze und alte Geschichte ihr eigen nennen können. Das hindert mich aber nicht daran, diesen Aurelier einmal unverbindlich kennenzulernen, wenn Du das arrangieren kannst, will ich mich dem nicht verschließen."

    Die so prompte (und deutlich sein Missfallen ausdrückende) Antwort lässt die junge Aelierin leicht ihre Augenbrauen empor heben. Die Flavier also - sicher, es gab da einige Schauergeschichten von ihrer Mutter, aber diese war eine stete Quelle sehr vieler verschiedener Geschichten gewesen, die selbst aber wenig Platz in ihrem Lebensalltag gefunden hatten, nicht zuletzt, weil sie wenig jemals mit den römischen Patrizierfamilien zutun gehabt hat.
    "Ich bin erstaunt, dass diese Familie eine solche Machtbasis zu haben scheint, gerade seitdem der letzte ihrer Kaiser so verdammt wurde. Man sollte doch meinen, dass sie versucht hätten, sich bedeckter zu halten, um nicht mehr aufzufallen, weil sich die Menschen doch stets an solche Ereignisse zu erinnern scheinen und vielleicht Vergangenes mit Gegenwärtigem verbinden würden. Doch begreife ich Deine Aufregung bezüglich der Aurelier nicht. Sind sie nicht auch Emprkömmlinge, eine Familie, die noch nicht lange zu den noblen Familien gehören und derzeitig allenfalls einen Senator stellen können? Wären es die Claudier, würdest Du Dich zurecht wundern, aber bei einer Familie, die noch nicht lange zu den Patriziern zählt, wundert es mich nicht, dass mit aller Macht versucht wird, sich dem älteren Blut zu verbinden."


    Wahrscheinlich war der besagte Flavier reich oder in irgendeiner Weise wichtig, man konnte die Entscheidungen von Eltern bei der Erlaubnis zur Hochzeit nicht immer unbedingt nachvollziehen. Selbst ihre eigenen Eltern hatte sie damals nicht verstanden, noch weniger, warum es ausgerechnet ihr Gemahl hatte sein müssen. Langsam pickt sie sich mit spitzen Fingern ein Stück Fleisch vom Teller und verspeist es nachdenklich, bevor sie dann sanft den Kopf schüttelt.
    "Ich werde Deine Worte im Gedächtnis wahren, Quarto, und den Flaviern aus dem Weg gehen, wenn es nötig werden sollte. Bei dem allgemeinen Durcheinander des Heiratsmarktes halte ich es auch für unwahrscheinlich, dass irgendwann ein Flavier vor dieser Tür stehen wird, weil er meine Hand für sich begehrt." Wobei der Gedanke durchaus etwas amüsantes hat - wahrscheinlich wird es in Rom eher seltener passieren, dass Aelius Quarto einen Flavier mit Hunden durch die Stadt hetzte, weil er so etwas impertinentes wagte.
    "Gegebenenfalls werde ich in hoffentlich ferner Zukunft deswegen Deinen Rat benötigen, denn ich nehme doch stark an, dass es jene Pflicht irgendwann wieder zu erfüllen gilt für mich."

    Sollte man nicht selbst entscheiden dürfen, ab wann man einen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit zulässt, dass der Charakter durch zufällige Begegnungen auch negatives erfährt? Möchtest Du zigmal einen Überfall ausspielen müssen, nur weil ein paar Spieler 'zufällig' in deinen Threads entsprechendes schreiben?
    Manchmal hat man eben eine gewisse Vorstellung, welche Art Begegnung man sich für die nächste Zeit mit einem Charakter wünscht, und da halte ich es für legitim, einen Thread zu 'reservieren'. Klar ist eine zufällige Begegnung, wenn man denn in die blaue Luft hinen einen Thread eröffnet, auch eine nette Sache. Aber sie hört dann auf, Spaß zu machen, wenn man selbst eine ganz andere Vorstellung von RP hat als beispielsweise der zufällige Mitspieler X.


    Wenn ich selbst gerne lange Texte schreibe, und sich jemand dazupostet, der mir auf eine umfassende Stimmungs- und Situationsbeschreibung stets mit 5 Zeilen wörtlicher Rede antwortet, verliere ich selbst sehr schnell den Spaß. Und Spaß sollte es beiden Seiten machen, sonst zwingt man sich irgendwann zum posten und aus dem Spiel wird irgend etwas sehr nerviges. Natürlich kann man sich dann auch innerhalb kürzester Zeit wegposten, aber das ist eigentlich nicht Sinn und Zweck der Sache, wenn man einen Thread eröffnet. Hat man in der Vergangenheit mehr als einmal sehr viel Zeit in gerade solche Threads investiert, wird man irgendwann vorsichtig und sucht sich die Mitspieler selbst aus anstatt duldsam zu hoffen und zu harren, dass sich jemand meldet, mit dem man kann. Man kann sich durchaus dem eigenen ähnliche Rollenspielauffassung wünschen und trotzdem keinen auctorialen Roman posten.

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    Original von Aurelia Laevina
    Weil ich es wissen wollte, stellte ich eine vielleicht leicht unangebrachte Frage. Aber was sollte man machen, wenn man etwas wissen wollte, ausser fragen? Immerhin senkte ich meine Stimme etwas.
    "Ist er ein guter Bräutigam?" Ob die Braut wohl auch noch länger so ein glückliches Lächeln auf ihren Lippen tragen könnte?


    Die Frage überrascht Caenis, und für einen Moment lang ist dies ihrer Mimik auch anzusehen. Will Laevina andeuten, sie hätte bereits persönliche Erfahrungen intimerer Natur mit dem Bräutigam genossen, um dies beurteilen zu können? Oder ist es einfach nur die reine Neugierde darauf, wie ein solcher Mann wohl als Mensch sein kann? Zu Laevinas Gunsten nimmt die Aelierin zweiteres an und antwortet, nicht minder leise, auf diese Frage: "Ich kenne meinen künftigen Verwandten leider noch nicht sehr lange, da ich erst vor wenigen Tagen aus Aegyptus zurückgekehrt bin. Doch gemessen an ihrem glücklichen Lächeln und der Art, wie sie ihn liebevoll betrachtet und er das bei ihr ebenso tut, würde ich zu behaupten wagen, dass er ein guter Bräutigam sein muss, denn er vermag das wichtigste von allem zu tun: Er macht sie glücklich." Der Aurelier verschaffte sich ein Getränk, und Caenis beschießt, es ihm gleichzutun, ein wenig Wein wird die Panik in ihrem Inneren vielleicht zu dämpfen wissen. Eine ihre schlanke Gestalt Lügen strafende herrische Geste später bietet der Sklave sein Tablett mit Weinpokalen zuerst auch Laevina, dann Caenis dar, die sich einen der Becher herunternimmt, aber nur einen kleinen Schluck der dunkelroten Flüssigkeit nippt, wie es Frauen nun einmal in der Öffentlichkeit zukam. Wildes heruntertrinken konnten sich nur Männer bei Hochzeiten erlauben.


    Warum nur ist es immer so stickig, wenn viele Menschen zusammen kommen? Wieder scheint sich die Kehle der Aelierin zuzuschnüren, und dabei ist noch nicht einmal das Opfer im Gange, noch immer stehen Gäste mit Geschenken vor dem Brautpaar, noch immer wird gratuliert. Soll dies denn kein Ende nehmen? Bei ihrer eigenen Hochzeit von vor einigen Jahren waren es deutlich weniger Gratulanten, aber damals war auch noch kein Aelier Kaiser. So unauffällig wie möglich wischt sie sich mit dem Handrücken über die Stirn, damit die winzigen Schweißtröpfchen, die ihre Angst dort hat entstehen lassen, niemandem auffallen sollen; doch hilft es nur wenig, und besser geht es ihr dadurch auch nicht. "Seid ihr denn mit dem Brautpaar bekannt?" fragt sie die beiden Aurelier, um sich abzulenken, und zwingt sich ein Lächeln auf die Lippen, lässt den Blick über die Gäste wandern, alles nur, um die Gedanken in ruhigere Bahnen zu zwingen und die Panik zu bezähmen. Solange sie sich noch ablenken kann, so lange kann sie es auch aushalten.

    Vielleicht versteht sie seine Worte besser, als er das selbst zu glauben vermag. Was er über das tägliche Training zu berichten weiß, kann sie nur zu gut verstehen, ergeht es ihr doch nicht anders, wenn sie den Bogen spannt und sich ganz allein auf die Flugbahn des Pfeils konzentriert. Trifft er sein Ziel, erfüllt sie stets die Zufriedenheit, das Richtige getan zu haben, mit der richtigen Bewegung, der richtigen Konzentration. Und in solchen Momenten ist sie auch ganz alleine mit allen ihren Gedanken, ohne Störung, ohne irgend jemanden, der etwas von ihr verlangen oder erwarten könnte. Mit jedem Pfeil flüchten auch ihre Sorgen und die Stunden der Schwermut, die sie ohne Beschäftigung so leicht einholen könnten.
    "Du bist nun quaestor, das bedeutet, es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis Du vom Senat in die Liste jener aufgenommen werden dürftest, die für eine Mitgliedschaft in Frage kommen. Gewiss wird Dich Dein Weg dorthin führen, wenn Du Dein politisches Wirken mit ebensolcher Disziplin verfolgst wie Dein Training, für welches Dein Körper Zeugnis ablegt." Ob diese Worte nun ein Kompliment sind oder nur die Feststellung einer offensichtlichen Tatsache, bleibt offen, und ihrer Miene, nicht einmal ihrem Blick, ist dies in jenem Moment anzusehen. Schmeichelhafter jedenfalls ist zweifelsohne die erste der beiden Möglichkeiten.


    "Ich denke nicht, dass ich auf diesem besagten Markt ein begehrtes Objekt wäre," entgegnet sie nach einer kurzen Pause, in der sie über seine Worte nachgedacht hat. "Zum einen habe ich keine Kinder, und bin weit über das Alter hinaus, in dem eine Römerin ihre ersten Kinder haben sollte, um der gesellschaftlichen Norm zu entsprechen. Wäre ich ein hoffnungsvoller Vater, würde mich das misstrauisch machen, ob die angebotene Ware denn auch fruchtbar genug ist, um in die eigene Familie einzuheiraten. Zum anderen bin ich nicht allzu nahe mit dem Kaiser verwandt, und das dürfte auch die Gelegenheit mindern, den Kaiser selbst zufällig bei irgendwelchen Familienfesten zu treffen - wieder kein besonderer Pluspunkt. Und zuletzt, der Mangel an weiblicher Bescheidenheit und Demut, was für viele Väter ebenso ein wichtiges Argument ist, damit ihre Söhne zuhause nicht eventuell doch irgendwann eine zänkische Xanthippe warten haben müssen. Als römischer Vater würde ich mir eher anderswo eine passende Braut suchen, außer ich wäre ziemlich schlecht finanziell gestellt, eine vermögende Frau ist natürlich immer ein Vorteil, solange sie nicht allzu viel von Finanzverwaltung versteht." Ein ironisches Lächeln umspielt bei diesen trockenen Worten ihre Lippen, dann schüttelt sie den Kopf und macht eine wegwerfende Geste.


    "Du siehst, Du musst an vieles denken, wenn Du Dir eine geeignete Frau suchen willst; vielleicht kann ich Dir helfen, unter den Kandidatinnen, die Du sicher bereits im Auge hast, eine Frau auszusuchen, die passend wäre, wenn man vom Charakter selbst absieht, den Du sicherlich besser einschätzen können wirst, da ich Deinen genauen Geschmack nicht kenne. Eine Ehestiftung unterscheidet sich letztlich kaum von einem Einkauf bei einem sehr guten Händler, man muss das Angebot kritisch vergleichen, sonst wird einem allzu leicht Ramsch angedreht." So über die Ehe zu lästern macht ihr unerwartet viel Spaß, und anscheinend ging es ihm ebenso, sonst hätte sich das Thema nicht so lange gehalten. Beim Thema der vestalischen Jungfrauen wird sie jedoch schnell wieder ernst. "Warum sollte sich ein junges Mädchen nicht auch eine verantwortungsvolle Aufgabe wünschen? Für eine Frau gibt es im Leben wenig mehr als zu heiraten, kann man ihr dann verdenken, dass sie eine Tätigkeit ausüben möchte, die sie von der Bestimmung ihrer Väter, Brüder oder Ehemänner unabhängig macht? Zudem, man ist nur auf dreißig Jahre eine vestalische Jungfrau, danach steht einem doch frei, zu tun, was man möchte - es gibt einige, die nach dem Ablauf ihrer Amtszeit noch heiraten und glücklich damit sind."


    Sie blickt für einige Momente lang auf seinen Arm, die verbundene Wunde, bevor sie in die Hände klatscht und sich wieder den Bogen samt einem neuen Pfeil reichen lässt, dann tritt sie auf jene Stelle zurück, auf der sie zuvor schon einen Pfeil abgefeuert hat, legt den Pfeil auf der Sehne ein und spannt den Bogen mit einer so ruhigen Hand, dass ihre Übung darin offensichtlich wird. "Wenn dieser Mann mir begegnen sollte, werde ich es wissen, so klar, wie ein Pfeil die Bahn durch den Himmel beschreibt." Still verharrt sie, ohne dass ihr Arm zittert, und in einem leisen Sirren entlässt sie den Pfeil von der Sehne, der kurz darauf nahe der Mitte auf der Zielscheibe einschlägt.

    Sein Verhalten bisher hatte sie ahnen lassen, dass er nicht als unbekannter und unwissender Mann auf dem politischen Parkett wird leben müssen - bisher hat er zwar einige neugierige Fragen gestellt, doch auch genug Sensibilität besessen, jene Themen nicht weiter zu verfolgen, bei denen sie sich unwohl fühlt. Ob sie sich doch irgendwie verraten hat? Einer direkten Schuld ist sie sich nicht bewusst, kann sie sich doch auch im Gespräch schlecht im Spiegel betrachten, so schreibt sie Ursus' Reaktion auf den Ausdruck ihrer Augen kurzerhand einer vorhandenen Sensibilität und Aufmerksamkeit zu, die andere Männer weit weniger besitzen.
    "Nun, es liegt ganz bei Dir, ob Du Roms Frauenwelt auch künftig zu neugierigen Blicken herausfordern willst oder lieber mitleidiges Seufzen provizierst, sobald man einen dicken Bauch samt zugehöriger toga und Senatorenring erblickt," sagt die Aelierin mit sanftem Spott in der Stimme. So viele haben sich gehen lassen, sobald sie den Weg in den Senat gemacht hatten, dass es seltsam erscheint, wenn es wenige nicht tun. Doch wirkt er trainiert genug, um diesem Laster nicht zu schnell zu verfallen, dessen ist sie sich sicher. Hat sich ein Mensch erst einmal an eine Routine gewöhnt, so wird er sie selten allzu schnell wieder los, ob im guten oder schlechten.


    "Es erstaunt mich, dass der Heiratsmarkt in Rom so unentspannt sein soll, doch ich nehme an, wenn man etwas ganz bestimmtes sucht, ist es nie leicht, es schnell zu finden. Das Fehlen eines Vaters, der das Aussuchen für Dich übernimmt, muss doch kein Nachteil sein, zumindest wirst Du so eher eine Frau entdecken können, die Dir passend erscheint. Der Geschmack von Vätern und Söhnen muss nicht übereinstimmen, oftmals geht er so sehr auseinander, dass man niemals zufrieden sein kann mit dem, was einem bestimmt wurde," spricht sie überlegend und lässt ihren Blick dann wieder auf ihrem Gesprächspartner ruhen. Seltsam, dass sie hier Gedanken austauschen, als wären sie schon lange befreundet. Aber vielleicht liegt es gerade daran, dass er fremd ist, dass es für sie nicht schwer ist, ihrer Zunge zumindest nicht alle Zügel anzulegen, die man von einer Frau gemeinhin erwartet. Nach vielen Jahren ohne einen passenden Gesprächspartner ist es ein Sehnen gewesen, das kaum erfüllt werden konnte und sich nun auf so leichte Weise anbietet.
    "Solche Ehen dürften selten sein. Wahrscheinlich auch, weil heute vieles von der Liebe abhängig gemacht wird, allen Traditionen zum Trotz, oder sich ein Teil der Beziehung mit dem abfindet, was ist, meistens die Frau. Irgendwann muss man sich immer die Frage stellen, ob der beständige Kampf lohnt oder nicht."


    Als langweile sie das Thema, blickt sie auf und an ihm vorbei. Eine findige Freundin hätte nun wohl versucht, sie und den Aurelier zu verkuppeln, aber nach derlei stand ihr nicht der Sinn. Ginge es nach ihr, würde sie nicht mehr heiraten, aber sie wusste auch, wie wenig diese Option wahrscheinlich war, irgendwann würde sich zum Vorteil der Familie sicherlich der nächste Mann finden, der die entsprechenden Verbindungen oder den entsprechenden Reichtum zu besitzen versprach. "Das Leben, das ich mir gewünscht hätte, werde ich niemals führen können - als vestalische Jungfrau tauge ich leider nicht mehr allzu viel." Kurz hebt sich ein Mundwinkel, um den Scherz anzudeuten, aber die Worte entsprechen doch einer gewissen Wunschvorstellung, die sie als Mädchen gehegt hat. "Ich überlege, in den cultus deorum zu gehen, aber genaue Pläne habe ich nicht gemacht. Einer Frau bleibt wenig mehr als die Aussicht auf eine neue Ehe, wenn die erste erst vorüber ist, traurigerweise. Und ich wüsste nicht, wie ein Mann beschaffen sein müsste, mit dem ich mir solches gut vorstellen könnte."

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    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    Ich war beiseite getreten, um den anderen Gäste auch Gelegenheit zu bieten, dem Paar zu gratulieren. Eine wahre Flut an Geladenen schien durch das atrium zu wabern, beinahe musste man acht geben, wohin man trat, um niemandem über die Füße zu laufen. Bisweilen passierte es allerdings doch, und gerade jetzt war ein solcher Moment. Hastig machte ich einen Schritt zur Seite weg und wandte mich dann um. "Verzeihung", entgegnete ich der hübschen Dame (Caenis). "Das war kene Absicht. Ich fühle mich fast wie in einem Bienenschwarm. Die beiden haben recht viele Gäste eingeladen." Und alles, was Rang und Namen hatte, schien anwesend, den Kaiser bisher ausgenommen. "Darf ich dir meine Großcousine vorstellen? Aurelia Laevina, und ich bin Marcus Aurelius Corvinus."


    Es ist voll geworden, und das innerhalb kürzester Zeit, so schnell, dass es Aelia Caenis den Atem raubt. Nie war es ihr angenehm gewesen, sich inmitten einer großen Menschenmenge zu befinden, und es würde ihr wohl auch nie angenehm sein, sodass sie ganz zufrieden damit ist, niemanden außer ihren Verwandten zu kennen - denn es enthebt sie der Pflicht, Konversation zu betreiben, lässt ihr die Möglichkeit, die Nervosität herunterzukämpfen, die sie stets befällt, wenn sie sich in einer großen Menge an Fremder befindet. Früher war es schlimmer gewesen, doch auch heute hat sie das Gefühl noch immer, flüchten zu müssen, irgendwo hin, wo die Luft frischer ist und sich nicht so drückend auf ihre Brust legt, weil sie schon von zuviel Wärme geschwängert ist. Ein jäher Schmerz auf ihrem schmalen rechten Fuß reißt ihre Gedanken wieder in die Gegenwart zurück, und entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, einige scharfe Worte folgen zu lassen, bleibt sie auch bei der Entschuldigung des Mannes stumm, viel zu verwirrt, antworten zu können.


    Er stellt sich und seine Begleiterin vor, und der Name 'Aurelius' löst die Blockade ihrer Zunge wieder - innerhalb kürzester Zeit scheint sie die halbe gens Aurelia in Rom kennen zu lernen, und jedes Mal durch einen Zufall. "Es ist nichts geschehen," sagt sie schließlich, natürlich zu spät, um wirklich höflich zu sein, aber immerhin, sie hat die aufsteigende Panik einigermaßen bezähmt. "Es freut mich, euch beide kennenzulernen, Aurelius Corvinus, Aurelia Laevina." Noch eine Verlegenheitspause. "Ich bin Aelia Caenis, eine entfernte Verwandte der Braut." Wieder eine Pause. Was soll sie ihm nun sagen, worüber spricht man mit völlig Fremden auf einer Hochzeit? "Ich hoffe, ihr verbringt heute einen angenehmen Tag auf diesem Fest meiner Verwandten - wirken die beiden nicht sehr glücklich? Einer jeden Braut ist ein solch glückliches Lächeln zu wünschen." Hohle Phrasen. Wahrscheinlich klingt es, als wolle sie sich nicht mit den beiden unterhalten, aber so ist es nicht - vielmehr kehrt die Furcht vor der Masse zurück, lässt sie innerlich Qualen leiden, die den Raum enger und enger machen und ihr das Gefühl vermitteln, nicht mehr fliehen zu können.

    Als er von seiner Familie mit so offensichtlicher Zuneigung spricht, lächelt sie leicht vor sich hin. Sie kann sich ihren Verwandten als pater familias gut vorstellen, der das Wohl der Seinen stets im Blick behielt, ohne ungerecht oder allzu bestimmend zu werden. Für einen Moment lang wünscht sie sich, ihr Gemahl hätte ähnliche Eigenschaften aufzuweisen gehabt, aber man kann die Vergangenheit, die Dinge, die einst geschehen sind, eben nicht ändern und muss den Blick in die Zukunft richten.
    "Es mag den Göttern gefallen haben, Dich Deinen Weg meistern zu sehen, um Dir dann in den Jahren des Reifens all jene Ernte zuteil werden zu lassen, die ein junger Mann oftmals nicht recht zu schätzen weiß," gibt sie mit sanfter Stimme zu bedenken und das Lächeln bleibt bestehen. "Ich hoffe, ich kann Deine Familie bald kennenlernen, wenn sich Deine Frau und Dein Sohn denn hier in Rom aufhalten sollten. Die letzten Jahre habe ich leider zu weit entfernt von der Verwandtschaft verbracht, und in solchen Augenblicken dauert mich dieser Umstand." Bestimmt ist seine Frau eine wahrhaftige matrona, der Sohn ein gut erzogener, intelligenter Racker, alles in allem eine Familie, wie man sie jungen Mädchen immer als die Erfüllung ihres Lebens als Ehefrau und Mutter ausmalte.


    Die Worte über den Kaiser sind erfreulich, und doch gibt es da eine Erinnerung, die leise an Caenis' Gedanken zu klopfen beginnt, sich zu Wort zu melden versucht, doch noch unterdrückt sie diese gekonnt. "Das klingt, als sei alles so verlaufen, wie man es sich nur wünschen könnte. Valerianus war früher ein ruhiger Mann, ich nehme an, er ist es auch heute noch - ich kann mich an ihn kaum erinnern, wahrscheinlich habe ich ihn nur ein oder zweimal bei irgendeinem Fest gesehen. Und heute ist der Kaiser, es ist faszinierend, wie sich manche Dinge doch mit den Jahren entwickeln, nicht wahr?" Das war durchaus ihr Ernst. Als Junge hatte Valerianus sicherlich nie vermutet, einmal Kaiser zu werden, aber wem die Götter diesen Weg bestimmten, der hatte es auch verdient. "Dann muss er seine Neigung zu Krankheiten überwunden haben, wie mir scheint, den Thron hält man nicht mit dauernden Besuchen von Ärzten, um bei diesen zu bleiben. Meine Mutter sagte einst, er sei vielleicht keine gute Wahl als Adoptivsohn, müsste man doch stets darum fürchten, dass er krank werden könne - aber diese Sorgen sind glücklicherweise unbegründet gewesen." Sie macht eine kurze Pause, dann runzelt sie nachdenklich die Stirn. "Haben wir in Rom Feinde, von denen Du weißt? Es wäre mir lieb, auch darüber informiert zu sein, zur Sicherheit."

    Die Saturnalienwette lässt die Aelierin kurz schmunzeln, die Mundwinkel zucken verräterisch, aber die Miene verrät sonst nicht, wie sie diese Wette sonst einschätzt. Zumindest zu albern scheint sie dies nicht zu finden, denn dann hätte sie wohl laut heraus gelacht – in der Stimme schwingt zumindest mildes Amüsement mit, als sie auf seine Worte reagiert.
    „Für Deine Wette sehe ich zwei Möglichkeiten in der Zukunft, Aurelius Ursus. Entweder Du wirst sehr schnell in den Senat aufgenommen, und behältst bis dahin Deine Gestalt, die sicherlich von Leibesübungen und morgendlichem Laufen herstammen dürfte. Das wäre natürlich ein sehr sicherer Gewinn Deiner Wette. Die andere Möglichkeit wäre, dass sich Deine Erhebung so lange heraus zögert, bis Du alt und dick geworden bist, dann allerdings dürfte sich der Wetteinsatz dann sehr erhöht haben, und Dich vielleicht ruinieren. In Deinem Interesse also wünsche ich Dir Ersteres.“ Die Saturnalien. Als Kind hatte sie diese Feiertage geliebt, inzwischen waren sie ihr verhasst, hatte ihr Mann doch immer darauf bestanden, dass sie die Sklaven während dieser Zeit bediente, die er sich unter dem Jahr als Liebesgespielen gekauft hatte. Es war eine stetige Erniedrigung gewesen, die mitleidigen Blicke ertragen zu müssen, und ein Echo dieser Tage spiegelt sich für einen Moment lang auch in ihren Augen wieder, bis sie sich wieder im Griff hat.


    „Du bist Patrizier, da sollte die Auffindung einer geeigneten Ehefrau doch nicht zu schwer sein,“ bemüht sie sich um einen leichten, lockeren Plauderton. „Wenn nicht die Tochter einer anderen Patrizierfamilie, so wird es sich sicherlich unter den angesehenen Plebejerfamilien der nobilitas für so manchen pater familias als lohnend erweisen, auf diese Weise in eine alte Familie einzuheiraten? Ich kann mir kaum vorstellen, dass Du nicht jetzt schon so manches verlockende Angebot bekommen hast, zudem Du als Magistrat den Willen beweist, für Deinen Stand etwas zu tun.“ Zudem, er ist jung und durchaus attraktiv, das sind zudem noch Argumente, die besonders bei Müttern unverheirateter Töchter auf viel Gegenliebe stoßen, junge Männer zeugen zumeist starke Söhne und machen römische Matronen zu begeisterten Großmüttern.
    Dass er sich Gedanken um den seltsamen Anstrich ihrer beider Unterhaltung zu machen scheint, läßt sie dann doch sichtbar lächeln, ein Anflug von Spott noch immer im Funkeln der Augen.
    „Ist die Ehe an sich nicht ein sehr wichtiges, fast ein übermäßig bestimmendes Thema, selbst wenn es nicht immer vordergründig zutage tritt? So manche politische Entscheidung wird durch Verbindungen zwischen einzelnen Familien beeinflusst, so vieles wird durch eine Ehe verändert. War nicht die Gemeinschaft zwischen Marcus Antonius und Cleopatra eine besondere Ehe, selbst wenn sie für Rom stets als verfemt und erschreckend galt? Ist nicht die Frau eines Feldherrn nicht oft auch ein Zünglein an der Waage seiner Entscheidungen? Wenn man es so betrachtet, beeinflussen Ehen einen großen Teil unseres täglichen Lebens, und sich diesem Thema gänzlich zu verschließen, nur weil man aus einigen unschuldigen Worten etwas ungehöriges konstruieren könnte, scheint mir doch viel des vorhandenen Potentials zu vergeuden.“


    Dass er wieder nach ihrer Ehe fragt, scheint wohl eine Angewohnheit zu sein – Neugierde scheint ein Teil seines Lebens zu sein, aber natürlich ist ein unverheirateter Mann auch besonders für dieses Thema zu haben, schließlich gehört die angemessene Ehefrau für einen Politiker auch zum Rezept des Erfolgs. „Meine eigene Ehe?“ Die Aelierin machte eine kleine Pause und legte den Kopf etwas schief. „Der Altersunterschied hat vieles schwierig gemacht; mein Gemahl hatte natürlich andere Ansichten und Erwartungen an eine Ehe als ich sie mit mir brachte, das ist wohl natürlich, wenn gute fünfzig Jahre zwischen zwei Ehepartnern liegen. Für ihn wäre eine duldsame, fügsame Frau ohne große eigene Interessen wahrscheinlich die bessere Wahl gewesen als ich, und unsere Verbindung war nicht ... ideal." So neutral ihre Stimme auch klingt, die dunkler werdenden Augen verraten, dass hinter den bewusst sachlich gewählten Formulierungen mehr stecken muss als das, was sie ihm bisher gesagt hat – es macht aber auch deutlich, dass sie ihm darüber nicht mehr sagen würde. „Deine Vorstellungen von einer Ehe klingen sehr vernünftig, Aurelius Ursus, und ich wünsche Dir, dass Du eine passende Gemahlin findest. Hätte ich hier eine Freundin, die passen würde, würde ich Dir ihren Namen nennen, doch ich war zu lange von Rom entfernt.“

    Sie registriert die Bewegungen seiner Finger, folgt den Händen mit ihrem Blick, als er sich selbst betastet und dabei etwas mehr die Konturen seines Körpers offenbart. Dabei ist ihr Interesse anscheinend weniger weiblicher Natur – viele Frauen hätten jetzt wohl versucht, den ein oder anderen Einblick mehr zu gewinnen, aber das tut sie nicht – sondern ihr Blick hat das rationale, sachliche Interesse eines Kunstkenners, der eine neue Statue eines unbekannten Künstlers einzuschätzen versucht. Offensichtlich tut dieser Patrizier etwas für seine Figur, wenngleich er von der übermäßigen Muskulatur jener Männer verschont wurde, die nichts anderes tun als zu trainieren; ein Anblick, der stets den Vergleich zu einem sich bewegenden Berg Fleisch herausfordert und selten wirklich angenehm zu nennen ist.
    „Vielleicht ist dies ein Ausblick auf eine mögliche Zukunft, die all jenen droht, die sich irgendwann beginnen gehen zu lassen,“ sagt sie bedacht und kommentiert seine Bemerkung mit der Wette nur durch das leichte Heben einer Augenbraue. „Du hast um Deinen körperlichen Zustand gewettet? Warum?“ Es scheint eine so unsinnige Wette zu sein, dass es schon wieder wahr sein kann, Männer wetteten schließlich wegen der unsinnigsten Dinge, nur um einen gewissen Kitzel zu verspüren. Ob sie dieser Gedanke indes amüsiert, verrät ihr Blick nicht.


    Zumindest scheint er ein ernsthafter Mann zu sein, der sich Gedanken um die Welt zu machen scheint, und sei es nur die Welt im Kleinen, im Haushalt, in der Familie. Bestimmt ist er bereits versprochen und hat sich entsprechend vorbereitet, oder er steht kurz davor, sich eine Frau zu wählen.


    „Es kommt wohl ganz darauf an, was man sich von einer Ehe erwartet, wie man damit umgeht. Die wenigsten der nobilitas wählen ihre Ehepartner selbst, wie Du es sagtest, und daraus kann viel Unglück entstehen. Wenn sich ein Ehepartner nur mit dem Prestige der Familie des anderen schmücken will oder versucht, die Vorzüge eines eingeheirateten Vermögens oder Titels zu genießen, sehe ich wenig Aussicht darauf, dass die beiden Menschen, um die es eigentlich gehen sollte, miteinander zufrieden sein werden, da sie nichts sonst verbindet als ein gesellschaftlicher oder finanzieller Wert. Geht beides verloren, und das kann nun einmal geschehen, bleibt einem solchen Paar nichts mehr übrig. Natürlich sollte man immer versuchen, dem Ehepartner das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten, aber es gibt denke ich auch einen Unterschied zwischen gutem Willen und vollkommener Selbstaufgabe, wie es viele Männer versuchen, ihren jungen und oft unerfahrenen Frauen einzureden.“ Ihre Bilanz des Ehelebens ist sicherlich nicht positiv, und seine allzu persönliche Frage lässt nun auch die zweite Augenbraue auf ihrer Stirn empor wandern. Es erscheint ihr reichlich dreist, dass er sie nach ihrer eigenen Ehe fragt, zudem, weil sie sich erst wenige Momente wirklich kannten. „Was meine eigene Ehe angeht, werte ich diese als wertvolle Lebenserfahrung, die mir viele Dinge auf eine neue Weise beleuchtet hat.“


    Er scheint neugierig zu sein, und für einen Mann zeigt er recht viel Interesse an ihrem Leben und ihren Erfahrungen – dass sie das erstaunt, versucht sie ihn nicht merken zu lassen, so gut es eben geht. „Ich habe vor meiner Ehe in der Nähe von Rom gelebt, bin auf dem Landgut meiner Eltern aufgewachsen; was mich leider nicht wirklich viel hat von Rom sehen lassen, denn meine Mutter war sehr darauf bedacht, mich vor den entsetzlichen Zuständen der capitalis zu bewahren, wie sie immer sagte.“ Für einen Moment scheint sie die Stimme ihrer Mutter noch einmal zu hören – die vielen Sorgen, die seltsamen Geschichten über das wilde und erschreckende Leben in der Stadt, das so faszinierend klang. „Vielleicht kennst Du meinen Bruder, Aelius Callidus?“

    Leicht hebt sich eine Braue auf ihrer hohen Stirn, dann gilt ihm ein etwas nachdenklicherer Blick. "Zu viele nur vom Sehen, ebenso wie man es wohl bei Senatoren hält. Viele patrizische Familien bleiben gerne unter sich, und ich habe es in den letzten Jahren nicht anders gehalten. Aber würdest Du gerne schlaffes, fettiges Fleisch essen? Einen solchen Hirschbraten würde wohl jeder zurückgehen lassen, der noch bei Sinnen ist." Was er zu jener Zeit nach der Jagd sagte, ließ sie fast ein bisschen bitter schmunzeln. Offensichtlich war er nie verheiratet gewesen, sonst hätte er jenes nicht so leichthin ausgesprochen. "Der Reiz der Jagd ist doch bei den meisten Zusammenschlüssen unserer Gesellschaft nicht einmal vorhanden, wenn die Eltern die Zukunft der Kinder bestimmen. Eine Ehe - wenn wir bei dem Sinnbild des Erlebens nach der Jagd und Beziehungen bleiben wollen - ist selten die Anstrengungen wert, die man investieren muss, um sie aufrecht zu erhalten, wenn der Ehepartner dem eigenen Geschmack nicht entspricht; und sage nicht, ich würde dies zu negativ sehen, dafür habe ich zu viele Beschwerden von Frauen gehört, die ebenso wie ich früh vermählt wurden. Ich will nicht sagen, dass es nicht auch möglich sei, glücklich dabei zu werden, doch scheint mir eher das Gegenteil der Regel zu entsprechen." Es ist ein hartes Fazit, aber sie klingt sachlich genug dabei, dass man ihr nicht ohne weiteres ein zu emotionales Herangehen an die Thematik unterstellen kann.


    "Welchen Sinn sollte es haben, würde ich meine Waffe gegen die eigene Familie richten?" gibt sie trocken zurück und schüttelt sacht den Kopf. "Nun, da Du kein Prätorianer bist, würde ich sagen, habe ich Glück gehabt, nicht verhaftet zu werden - wobei es schon ein sehr pflichtbewußter Prätorianer sein müsste, der um diese Zeit durch einen Park streunt, immer in der Hoffnung, Feinde des Imperiums dabei aufzustöbern." Der Gedanke ist durchaus amüsant, man könnte sie verfolgen, weil man an ihrer Integrität zweifeln würde - aber es ist dann doch zu unwahrscheinlich, um wahr zu sein. Vor allem, wozu? Niemand bei klarem Verstand biss in die Hand, die einen fütterte.
    "Achaia habe ich zu Beginn meiner Ehe bereist, aber das ist schon eine gute Weile her - ich wurde früh vermählt, konnte also die gesellschaftlichen Vorteile, die junge Frauen hier bei der Wahl einer passenden Partie haben, nicht auskosten - wahrscheinlich sind wir uns deswegen nie begegnet. In meiner Familie wurde viel Wert darauf gelegt, den Traditionen entsprechend zu leben." Was auch bedeutet, dass Frauen das Haus am besten gar nicht verließen, schon gar nicht unverheiratete Frauen. "Hat Dir Achaia gefallen? Im Vergleich zu Aegyptus erschien es mir oft als sehr gesetzt, und gleichzeitig zu leichtlebig, als hätte man dort verlernt, Dinge ernsthaft anzugehen."

    Das Thema mit dem Pfeil war offensichtlich abgehakt - zumindest schien er dies bei sich beruhen zu lassen wollen, was für Caenis einem Eingeständnis einer Mitschuld sehr nahe kam. Männer waren eben so, das hatte sie nicht nur bei ihrem verstorbenen Gemahl feststellen müssen. Bevor sie einen eigenen Fehler zugaben, war zu allererst der Rest der Welt schuld daran, dass es nicht so gelaufen war wie gedacht, und erst, wenn sie den Beweisen nicht mehr ausweichen konnten, waren sie bereit, eventuell in Betracht zu ziehen, nicht unschuldig zu sein. Aber es war wohl auch besser, diesen Streit ruhen zu lassen, denn einig werden würden sie sich nicht, für ihn würde kaum zählen, dass sie immer vorsichtig war, und für sie zählt sein Bild von ihr, das einer umher schießenden Träumerin recht nahe zu kommen schien, nicht unbedingt.
    "Nun, es ist eine Sache, sie zu schießen, eine andere, sie zu essen. Betrachtet man die meisten Patrizier genau, so scheinen sie mir eher für die Jagd zu taugen denn als Braten - zudem, ist die Jagd vorüber, hat man die Beute erlegt, so verliert alles seinen Reiz. Man möchte es mit Ovids Grundsatz, dass der Versuch, einen Menschen des anderen Geschlechtes für sich zu gewinnen, stets aufregender ist als der darauf hin folgende Alltag, der einem abverlangt, sich Schwierigkeiten zu stellen und Kompromisse einzugehen, ja, sich sogar für den anderen aus Liebe zu erniedrigen."


    Als er erwähnt, dass man sie vor ihm auch nicht gewarnt hätte, muss sie dann doch kurz schmunzeln. "Hättest Du die Rüstung eines Prätorianers getragen, hätte einer der Sklaven am Eingang des Parks den Weg hierher gemacht - und sei es nur, um zu sehen, wie die Prätorianer mich wegen des Bogens verhaften. Ansonsten sollten es die Sesterzen, die ich ihnen für eine Warnung in Aussicht gestellt habe, auch tun." Kurz hebt sie die Schultern, als sei es ihr im Endeffekt ziemlich gleich, ob sie nun eine Strafe erhalten hätte oder nicht, generell scheint sie durch die Drohung mit den Prätorianern nicht besonders beeindruckt zu sein.
    "Selbst wenn es geschehen wäre, ich hätte mich vielleicht noch auf einen schwankenden Gemütszustand wegen meiner Trauer herausgeredet oder etwas ähnliches, wer traut denn einer Frau schon umstürzlerische Aktivitäten oder Kaiserhass ernsthaft zu?" Es klang spöttisch, und ihre Augen funkelten bei den Worten merklich. Vielleicht war der Gedanke an eine Auseinandersetzung für sie aufregend?


    "Gefährliche Kriechtiere gibt es in Aegyptus genug, man kauft sich keinen Sklaven, der nicht fähig wäre, ein solches Tier zu töten. Zwar sind viele Villen und Gärten vollständig gepflastert, um es solchem Getier unmöglich zu machen, sich anzusiedeln und anzuschleichen, aber ein Feind könnte mit einer Schlange zu leicht zuviel Unheil anrichten, sodass man immer vorsichtig sein muss. Rom selbst - ich bin mir nicht sicher. Bisher wirkt es eher überlaufen und überladen als einladend auf mich. Hast Du hier stets gelebt?"

    Nachdem sie das Brautpaar beglückwünscht hat und ein warmer, freundlicher Händedruck getauscht sind, beschließt sie mit den Worten: "Ich hätte nicht gedacht, dass meine Rückkehr nach Rom gleich mit dem Glück beginnen würde, bei einer Hochzeit anwesend sein zu können - und so ist es an mir, euch für diesen Tag zu danken. Bestimmt finden wir später noch Gelegenheit für einige Worte." Denn neue Gäste sind herein gekommen, und auch jenen muss die Gelegenheit offenbart werden, mit dem Brautpaar zu sprechen, so tritt die Aelierin zur Seite und stellt sich neben Aelius Quarto, um die Eintretenden zu betrachten. Einer ist prächtiger als die andere, und es besteht kein Zweifel daran, dass es die gens Aelia geschafft hat, den Sprung von der oberen Mitte nach oben zu vollenden. Senatoren, der praefectus praetorio (zumindest Crassus' Name war ihr von der ein oder anderen Acta-Ausgabe ein Begriff) - eine illustre Gästeschar würde Vespa und ihrem Gemahl die Aufwartung machen, kein Vergleich zu der leisen und vergleichsweise unspektakulären Hochzeit, die sie einst mit ihrem verstorbenen Gemahl verbunden hat.


    Aber sie neidet Vespa ihren besonderen Tag nicht, dafür wirkt sie zu glücklich, zu verliebt, ebenso der Bräutigam. Wenn ein junges Paar gute Wünsche verdient hat, dann wohl jene beiden. Schweigend, ein vages Lächeln auf den Lippen, beobachtet sie das Defilée der Gäste und versucht, sich zu jedem der Anwesenden den dazu passenden Namen zu merken, viele der Herren scheinen verheiratet zu sein, hängt doch fast an jedem Arm eine Dame, wobei es ihr seltsam erscheint, wieviele dieser Menschen eine manus-Ehe zu führen scheinen. Oder Brüder mit ihren Schwestern? Onkel mit ihren Nichten? Sie konnte es nicht sagen, waren diese Menschen doch vor allem Fremde für sie.
    "Wird Deine Frau heute auch noch erscheinen?" wispert sie leise in Quartos Richtung. Ein bisschen mehr aelische Präsenz konnte kein Fehler sein.

    Sie blickt ihm noch immer aufmerksam und leicht lächelnd entgegen, aber in ihrem Inneren breitet sich eine gewisse Form der Kälte aus, die sie schaudern lässt. Höchstwahrscheinlich sind seine Worte aufrichtig gemeint, aber sie kann sie weder teilen noch vermisst sie den Mann in irgendeiner Form, der ihr die letzten Jahre zur Qual hat werden lassen. Dennoch, als gelte es noch immer, nach außen hin den Schein zu wahren, spricht sie in leichtem Ton: "Es ist ähnlich überraschend geschehen, wie mich die Entscheidung meiner Eltern einst überrascht hat, ich müsse heiraten - es blieb wenig Zeit, darüber nachzusinnen, und ich musste mich ganz der Verwaltung seines Nachlasses widmen, das ließ mir nicht diese trägen Momente, die andere nach einem Verlust wohl durchleben. Wie Du es sagst: Das Leben geht weiter, es muss weitergehen, und wenn man viele Güter zu überblicken hat, gibt es auch viele, die von den Entscheidungen direkt abhängen, die man trifft, so bleibt wenig Zeit für Trauer."
    Die Frage nach Kindern trifft sie unvermittelt, und fast hätte sie geantwortet, wie sie zu diesem Thema empfindet: Glücklicherweise nicht! Aber es gilt noch immer, die ihr zugedachte Rolle zu spielen, sie gänzlich zu verkörpern. "Es war uns nicht vergönnt, Kinder zu haben, die Ärzte sagten mir stets, es läge an dem großen Altersunterschied, denn wohl hat er mit der ein oder anderen Sklavin einst Nachkommen gezeugt. So denke ich, werden mir die Götter Kinder erst zugedenken, wenn ich wieder heirate, wie es Sitte ist, zum Vorteil der Familie." Sie macht sich wenig Illusionen über Liebesheiraten, denn sobald die Liebe verloren geht, ist eine solche Ehe auch nicht mehr als eine, die von den Eltern geschlossen wurde, meist sogar mit mehr Hass zwischen den Eheleuten. "Ich habe gehört, Du hättest geheiratet, ihr hättet auch Kinder, ist das richtig?"

    Der dunkelhäutige Hühne bleibt in der unmittelbaren Nähe der beiden Römer stehen, offensichtlich genießt er das Vertrauen seiner Herrin unbegrenzt, oder aber er ist ein Leibwächter dieser schlanken, jungen Frau - ganz genau kann man dies nicht sagen, obwohl sein trainierter, muskulöser Leib wohl beide Möglichkeiten ohne Schwierigkeiten zuließe.
    "Vielleicht hast Du Dich so leise bewegt, dass Du nicht zu hören warst?" stellt sie trocken in den Raum, und im Inneren beschleicht sie durchaus der Gedanke, dass dieser Mann vielleicht auch einfach nur zu sehr in seinen Überlegungen gefangen war, als dass er bemerkt hätte, wie schräg von der Seite er den freien Platz betreten hatte. Aber es ist im Grunde für die Aelierin des Streites nicht wert, sie ist sich sicher, dass sie ihn nicht sehen konnte, bevor er in ihren Pfeil gelaufen ist, und er würde wohl stets auf seiner Meinung beharren, wie es oft die Angewohnheit von Männern zu sein scheint. "Zumindest wird mich nun der eine oder andere überrascht ansehen, wenn ich zugebe, dass ich anstatt von Wild Patrizier jage," führt sie seinen Scherz in einem so lockerleichten Ton fort, als würden sie sich schon lange kennen - oder amüsiert sie sich etwa über ihn, den Patrizier? Es ist ihrer Miene nicht abzulesen, als sie behutsam den zerrissenen und blutigen Stoff seiner Kleidung beiseite zieht, um mit einen vom Wein getränkten Stück Stoff die Wunde zu reinigen zu beginnen. Sie geht dabei überlegt zu Werke, drückt nicht zuviel darauf herum und scheint bestrebt, gründlich zu arbeiten.


    "Was die Prätorianer angeht - ich wäre rechtzeitig gewarnt worden," sagt sie gelassen und, ungeachtet eventueller Schmerz- oder Unmutslaute, beginnt, seine Wunde fachgerecht zu verbinden, ohne irgendwelche Salben oder ähnlich unangenehm stinkendes Zeug darauf zu verschmieren, wohl hat sie dergleichen entweder nicht bei sich oder legt keinen Wert darauf. "Letztendlich bin ich keine Feindin des Imperiums, nur eine Frau, die es schätzt, sich üben zu können." Dass er überrascht klingt, bei einer Frau eine solche Freizeitbeschäftigung zu sehen, wundert sie nicht - die edlen Damen Roms verbrachten ihre Zeit wohl eher beim Einkaufen, lesen oder Schmuck anprobieren - aber sie hebt nur leicht die Schultern, ein vages Lächeln andeutend, das ihr Gesicht prompt deutlich lebendiger wirken lässt. "In Aegyptus ist es von Vorteil, sich gegen Ungeziefer aller Art zur Wehr setzen zu können. Sobald es in einer Gegend zuviele Kriechtiere mit giftigen Stacheln gibt, sollte man sich angewöhnen, eine Methode der Selbstverteidigung zu beherrschen, bei der man nicht darauf angewiesen ist, dauernd von Sklaven begleitet zu werden. Der Bogen hat den Vorteil, dass er unauffällig ist, einen Kurzbogen kannst Du fast überall hin mitführen, und auch für Frauen nutzbar." Mit fortschreitender Übung nutzte man natürlich auch Waffen, die etwas mehr Kraft erforderten, aber sie selbst hatte als Einsteigerin den Bogen stets als praktisch empfunden.