Beiträge von Iunia Axilla

    Einen Moment lang hatte sich Axilla noch gefreut, dass ihre Worte so flüssig und durchdacht gewesen waren, aber dennoch fand Vala rasch eine Schwachstelle. Wobei, im Grunde war es ja keine, sondern genau das, was Axilla gesagt hatte. Nur mit einer irgendwie anders gelagerten Betonung. Dass er das als Kriegsgrund anführte brachte Axilla wiederum kurz ins Straucheln. Sie gehörte nicht zu der sich scheinbar ausbreitenden 'Lasst uns alle Freunde sein'-Fraktion, sie wusste um die Notwendigkeit von Kriegen und würde da nie daran zweifeln, dass diese Kriege des Imperiums gerechtfertigt waren. Da brachte sie Valas Einwurf in einen kleinen Gewissenskonflikt.
    “Ja, aber das kommt ja auf den Standpunkt drauf an. Sicher, für andere Völker sind Römer Barbaren. Für die Griechen sind wir sogar mit die größten Barbaren überhaupt.“ Axilla wusste, wovon sie redete. In Alexandria kam man nicht umhin, zu bemerken, wie die Griechen von ihren römischen Beschützern mitunter dachten. “Aber hier sind wir in Rom. Und wenn die Stärke der römischen Kultur nur eine leere Worthülle wäre, wie könnte das Imperium dann so groß sein? Wie könnte Rom dann die, die im Krieg als Barbaren bezeichnet werden, besiegen?“
    Das war vielleicht kein Argument, aber zumindest ein guter Einwand. Und in Axilla regte sich doch ein klein wenig der Stolz, wenn Vala schon die Legionen, wenngleich indirekt, ins Spiel brachte.


    Dass er aber so unbekümmert war, was das Räuberdasein anging, das konnte Axilla dann doch nicht ganz begreifen. Er sagte das so, als wäre das nichts weiter als ein Spaß, den man sich in der Jugend mal erlaubt hatte. Als würde das jeder machen. Die Pflastersteine wurden also plötzlich wieder uninteressant, als Axilla leicht fragend zu ihm hochschaute. “Und du hast gar keine Angst, dass du dafür bestraft wirst?“ Gut, die Chance dafür war sehr gering, aber dennoch.
    Seine anderen Worte hingegen erinnerten in der Tat ein wenig an ihre Diskussion über die Ehre. Und es war nicht leicht, darauf eine passende Antwort zu finden. “Und dennoch unterliegen die Götter auch dem Spruch der Parzen und damit einem Gesetz. Im reinen Chaos kann nichts existieren. Es muss auch immer eine Ordnung geben.“ Und das aus Axillas Mund! Das war schon beinahe ein Paradoxon.

    Gerade kam Axilla von einem etwas weitreichenderen Spaziergang zurück. Aber warum auch sollte sie daheim rumsitzen und Däumchen drehen? Da ging sie lieber raus und taperte durch die Stadt, da hatten wenigstens ihre Beine eine Beschäftigung. Außerdem konnte sie beim Laufen schon immer am besten nachdenken, wenngleich sie hier in Rom leider nicht rennen konnte, wie ihr eigentlich der Sinn stand, sondern nur möglichst damenhaft schreiten.
    Als sie dann allerdings wieder zurückkam und die Tür zu ihrem Schlafzimmer öffnete, glaubte sie, dass sie wohl doch noch irgendwo in ihren Gedanken hängen musste. Sie sah Archias da stehen, das Schwert wild von sich gerecht, in die Rüstung ihres Vaters gequetscht wie eine Wurst in die Pelle. Sie machte die Tür nochmal von außen zu. Kurz schüttelte sie den Kopf und atmete einmal durch. Das musste sie eben geträumt haben. Die Tür öffnete sich wieder, aber noch immer dasselbe Bild.
    Verdammt, sie träumte nicht. “Was bei Mars machst du da?“ war das erste, was Axilla einfiel. Zu sagen, dass die Rüstung zu klein für ihn war, wäre schmeichelhaft gewesen. Es war ein Wunder, dass die Lederbänder das alles so zusammenhielten. Bitte, lasst die Rüstung nicht kaputtgehen..., schoss Axilla durch den Kopf, als sie fast schon ängstlich näher kam. Die ganze Situation war so grotesk, dass sie beinahe zum Lachen war. Und wäre es irgendeine Rüstung gewesen und nicht die ihres Vaters, Axilla hätte wohl schallend losgelacht. Aber es war eben nicht irgendeine Rüstung, sondern das einzige Stück Erinnerung, das sie an ihren Vater hatte, und das sie an ihren Sohn, so sie mal einen hatte, weitergeben wollte. Das war kein Spielzeug, und für sie sah es so aus, als würde Archias die Rüstung als genau das benutzen.

    Erheiternd? Er fand sie erheiternd? Klang irgendwie nüchtern. Axilla lächelte Sermo zu und fragte sich, was er damit meinte. Wollte er sie auf den Arm nehmen? Oder fand er sie so, dass man sie nur auslachen konnte? Sie blickte kurz skeptisch und taxierend in sein Gesicht, freilich so, dass er es nicht unbedingt mitbekam. Er sah eigentlich nicht gemein aus. Bestimmt meinte er es ja auch nur nett. Auch wenn Axilla das Kompliment nach wie vor ein bisschen seltsam fand. Sie hätte ja zumindest gedacht, dass er sagte, er fände sie hübsch. Natürlich spielte da auch noch das Missverständnis von vorhin mit rein, dass er eben Geld wollte und eben keine körperlichen Gefälligkeiten. Vielleicht fand er sie ja wirklich nicht hübsch? Ein bisschen gekränkt war Axilla schon bei diesem Gedanken, aber nicht genug, um sich das wirklich anmerken zu lassen. Höchstens dadurch, dass sie nicht weiter plapperte, wie sie es sonst tat, wenn sie ausgelassen oder nervös war.


    Sie setzten sich und Sermo nahm ihre Glückwünsche entgegen. Als er sie dann beglückwünschte, kam zum Glück gleich darauf eine Bedienung, so dass Axilla nicht sofort reagieren musste. So zu tun, als wäre das politisches Kalkül gewesen, kam ihr vor wie lügen. Aber in diesem Fall war eine Lüge eben besser und verständlicher als die Wahrheit. Für die hätte sie wohl bestenfalls Spott, schlimmstenfalls Verachtung bekommen. Und das wollte Axilla nicht.
    “Habt ihr auch Saft?“ fragte Axilla die Bedienung, woraufhin sie einen beinahe schon vorwurfsvollen Blick kassierte. Axilla lächelte sehr entschuldigend. “Gut, dann Wein, aber mit sehr viel Wasser. Und einen Teller von dem, was die Küche heute empfiehlt.“ Irgendein Stück Fleisch oder ein Eintopf würde bestimmt irgendwo brutzeln, und im Grunde war Axilla nicht hungrig. Von daher brauchte sie keine besondere Bestellung.


    Nachdem die Bestellung dann auch Sermos Wunsch aufgenommen hatte und wieder gegangen war – und Axilla damit viel Zeit hatte, sich auf ihre kleine Notlüge vorzubereiten – lächelte die Iunia ihr Gegenüber gewinnend an.
    “Ich danke dir. Wenngleich ich glaube, dass wir Rom etwas enttäuscht haben, es nicht groß anzukündigen und zu feiern. Aber wir fanden es besser, eher schnell zu heiraten.“ Axilla lächelte Sermo fast ein wenig verschlagen zu, musste dabei aber höllisch aufpassen, nicht zu sehr ins Grinsen abzudriften. Eigentlich war sie bei weitem nicht so durchtrieben, wie sie sich gerade gab. Aber bei diesem einen Punkt musste sie sich so geben. Vor allem, wenn sie gleich Geld sparen wollte, sollte Sermo nicht glauben, er könne sie ausnehmen.
    “Und ich würde mich sicher freuen, nochmal spazieren zu gehen. Den Viminal hab ich noch immer nicht so wirklich erkundet.“ Axilla wechselte schnell das Thema in unverfänglichere Gefilde und lächelte nun auch weitaus ehrlicher. Daran, dass ihr Mann da etwas dagegen haben könnte, dachte sie noch nicht einmal. Wieso auch? War ja nur ein Spaziergang. Und Sermo fand sie ja noch nicht einmal hübsch!

    Germanien? Urplötzlich musste Axilla an Duccius Rufus denken und sie hoffte nur, dass dieser ungebildete Schnösel ihrem Freund nicht auch solche Nettigkeiten angedeihen ließ wie den Iuniern. Wobei die Provinz ja groß war und nicht nur aus Mogontiacum bestand und sie keine Ahnung hatte, ob die zwei sich überhaupt je auch nur ansatzweise sehen würden.
    “Aha. Und trotzdem bleibt der Rector der Schola?“ Auch das war etwas, was niemandem im Museion eingefallen wäre: Jemanden, der nicht in Alexandria lebte, zum Epistates zu machen. Aber gut, sie hatte keine Ahnung davon, wie die Schola funktionierte. Wenn man die auch von irgendwo anders leiten konnte... das widerstrebte zwar ihrer Vorstellung von Unmittelbarkeit zwischen Aufgabe und Erfüllungsort, aber gut. Die würden schon wissen, was sie taten. Wobei... wenn sie von jemandem geleitet wurden, der die Iunii als 'nicht wichtig' bezeichnete... Axilla dachte lieber nicht weiter darüber nach.


    Das andere war durchaus schwerwiegender. “Wie? Du reist doch nicht auch nach Germania, oder doch?“ Irgendwie verstand Axilla jetzt den Zusammenhang nicht. Warum sollte ihr Sklave nach Germania gehen, wenn sie ihn Serrana, die ja hier war, ausleihen würde? War doch wurscht, ob Avarus nach Germania gehen würde, oder schon dort war oder wie auch immer? Oder auch sonstwer aus der Familie? Axilla verstand den Einwand wirklich so ganz und gar nicht.

    Wie sie schon geahnt hatte, klärte Vala sie nicht auf. Sie gingen also langsam und gemütlich am Tiber entlang, weg vom Hafen und mehr zur Stadt hin. Axilla dachte sich nichts dabei. Wieso auch? Vala schien sie nicht mehr fressen zu wollen wie ein Wolf ein vorwitziges Kaninchen, das ihm unbedacht auf der Nase herumgehüpft war. Zwar war das doch sehr philosophische Gespräch schon recht merkwürdig für Axilla, aber wenn er nicht wütend war, was ihr das Thema gleich.


    “Nun, hier sind wir in Rom, also hier ist der Barbar, der sich hier nicht auskennt. Ovid beklagte sich, er gelte als Barbar, als er in Tomis war. Barbarus hic ego sum, quia non intelligor ulli. Von daher, solange wir hier sind, ist der Barbar, der sich hier nicht einfinden kann.“ Axilla war richtig stolz auf sich. Bestimmt wäre sogar Nikolaos stolz auf sie gewesen, wenn er gehört hätte, wie sie die Logik einmal schlüssig anwendete und in ein sprachlich einigermaßen greifbares Argument formte. “Und ich würde sagen, dass der gebildeter ist, der einsieht, dass er in der anderen Welt viel zu lernen hat. Kennst du die Apologie des Sokrates zufällig?“ Axilla war sich gerade nicht sicher, ob die nicht auch Teil des Buches waren, das sie ihm geschenkt hatte. Sie hatte so viele Bücher gelesen, dass sie schon gar nicht mehr auch nur ansatzweise wusste, was denn wo drin stand. Und sie plauderte auch schon gleich weiter, weil sie so im Schwung war und den Gedanken nicht am Ende noch verlieren wollte. Ich scheine also um dieses wenige doch weiser zu sein als er, daß ich, was ich nicht weiß, auch nicht glaube zu wissen , rezitierte sie in perfektem Attisch, ehe sie ertappt zu Vala blickte. Vielleicht verstand er sie ja grade nicht, also wiederholte sie es hastig in ihrer Muttersprache. “Tut mir leid, ich wollte nicht angeben. Und ich denke, das kann hier auch gelten. Solange man nicht meint, es besser zu wissen als der andere, kann das eigene Verhalten gar nicht so ungebildet sein. Zumindest nicht nur...“
    Jetzt hatte sie doch den Faden verloren. Das passierte schonmal, wenn man vor lauter Bildung, die man wiederzugeben versuchte, vergaß, was man hatte sagen wollen und was die Frage war.


    Dann aber riss sie Valas Ehrlichkeit aus der Überlegung, was sie hatte sagen wollen. “Du... du warst ein Räuber?“ Diese beiden Worte flüsterte sie und kam dabei nahe an Vala heran, damit auch niemand anderes mithören konnte. Zwar hatte er eben nicht geflüstert, aber dennoch war das etwas, das Axilla nicht laut sagen mochte. Sie sah Vala nochmal an und hatte ein Chaos an Gefühlen einen Moment in sich. Sie konnte ihn nicht als Gesetzesbrecher sehen, als Schurke, als Schuft. Sie konnte nicht schlecht von ihm denken. Er war in ihrem Kopf ein Soldat, ein tapferer Streiter, ein Kämpfer... doch kein Dieb und Räuber! Das ging irgendwie nicht miteinander überein. Doch seine Erklärung von Hunger relativierte es auch wieder, zumindest für Axilla. Sie hatte noch nie Hunger gelitten. Ihr Leben war sicher nie leicht gewesen, aber wirklich Hunger hatte sie nie kennenlernen müssen. Aber sie konnte sich vorstellen, dass man dann viele Dinge tat, auf die man nicht stolz war, nur um am Leben zu bleiben. Der Überlebensinstinkt war etwas mächtiges und starkes. Und Axilla hatte einen unerschöpflichen Vorrat an Mitgefühl, wenn sie wollte. Bei Vala wollte sie.
    Ihr Blick verriet sie wohl auch, denn er beherbergte keinen Vorwurf, noch nicht einmal Abscheu. Allerdings konnte sie die Neugier wie auch das Mitgefühl wohl nicht ganz verbergen, und sie war sich sehr sicher, dass Vala beides nicht gebrauchen konnte. Daher wanderte ihr Blick sehr schnell und sehr starr zum Boden. “Aber... Gesetze geben allem Ordnung. Vielleicht geht es manchmal nicht anders, als sie zu brechen. Und Manchmal muss man vielleicht nur mit genug Nachdruck den Rechtsbruch durchsetzen. Wie Iulius Caesar, als er den Rubicon mit seinen Legionen überschritt.“ Und weswegen sich Marcus Iunius Brutus von ihm abgewandt hatte, weil das nicht rechtens war. Nunja, je nachdem, welcher Version der Geschichte man glauben schenken mochte. “Dennoch ist es kultivierter, wenn man sie befolgt. Denn ohne Gesetze wäre alles Barbarei.“ Axilla wusste, dass dieses Argument sehr schwammig und wohl auch schwach war. Aber sie war grade eher mit der ausgiebigen Betrachtung der Pflastersteine beschäftigt.

    Axilla fühlte sich ein wenig in der Zeit zurückversetzt. Gerade fühlte sie sich, als wäre sie wieder 7 Jahre alt und ihr Hauslehrer würde sie dafür tadeln, dass sie zusammenhanglos daherredete und einfach wild drauflos plapperte, anstatt ihren Kopf aus einem anderem Grund zu benutzen, als dem, damit die Palla nicht direkt auf den Schultern lag. Und dabei war Vala gerademal wie alt? Sie sah kurz zu ihm hoch, mühte sich, nicht an seinen grauen Augen hängen zu bleiben und überlegte. Vielleicht war er drei oder vier Jahre älter als sie. Höchstens 5. Er war sicher noch keine 25. Wobei Axilla sich schwer tat, das bei Nicht-Römern richtig einzuschätzen, noch dazu, wenn sie so groß waren wie Vala. Sie reichte ihm ja grademal bis zur Brust.


    “Haben wir? fragte sie noch verwirrt einmal nach, als Vala meinte, sie hätten etwas vor. Sie wusste von nichts, aber sie hatte ja nichtmal gewusst, dass sie heute Vala treffen würde. Und er hatte definitiv nichts davon gesagt, dass er sie da und da hinbringen wollte. Allerdings schien er auch nicht wirklich gewillt, sie aufzuklären, sondern er wollte jetzt eine logische Argumentation, während sie langsam losgingen.


    Es war ja nicht so, als wäre Axilla zu dumm, vernünftig zu argumentieren. Sie nahm sich nur meistens nicht die Zeit, über ihre Worte nachzudenken, bevor sie ihren Mund verließen. Und wenn sie dann in Schwierigkeiten steckte, fing sie an zu zaudern und zu stottern, weil sie sich ihrer eigenen Unzulänglichkeit dann nur zu sehr bewusst war.
    Anders war das, wenn sie wütend war. Da schien ihr Geist mit atemberaubender Geschwindigkeit zu funktionieren und jede noch so kleine Lücke in der Verteidigung des anderen zu finden. Nur war sie im Moment nicht sauer. Nein gerade fühlte sie sich etwas verwirrt und vielleicht ein klein wenig in ihrem Stolz gekränkt. Sie wollte doch nicht, dass Vala sie für bescheuert hielt! Oder dass er es nötig fand, sie zu erziehen, wie man das mit einem Kind machte. Sie war eine Frau! Eine mehr oder minder erfolgreiche Frau, aber auf jeden Fall eine erwachsene Frau. Und sie wollte von Vala auch als Frau wahrgenommen werden, und nicht als... Hundewelpe!
    So sammelte sie jetzt ihre Gedanken und atmete noch einmal durch. Gut, er wollte Argumente? Sollte er bekommen. “Für die Griechen ist schon jeder ein Barbar, der kein griechisch spricht.“ Kurz sah sie zu ihm auf und ihr lag bereits die frage auf der Zunge, wie es mit seinem Griechisch denn bestellt war. Und im gleichen Zuge, ob ihm das Buch, das sie ihm geschenkt hatte, gefallen hatte. Aber sie verkniff es sich jetzt, sonst waren alle ihre Bemühungen, vernunftbegabt zu wirken, gleich nach dem zweiten Satz dahin. “Ich seh das etwas differenzierter.“ Hah, gutes Wort! Klang nichtmehr ganz so stammelig. “Ein Barbaros ist jemand, der nicht nach Sitte und Gesetz handelt. Jemand, der keine Bildung hat und auch nicht gewillt ist, sie sich anzueignen. Jemand, der starr in seiner Vorstellung ist, alles Wissenswerte bereits gelernt zu haben.“ Wobei nach dieser Definition vermutlich die Hälfte aller Gelehrten im Grunde Barbaren wären. “Ein Barbar hat keinen Sinn für die Künste, wie Theater, oder Musik. Ein Barbar kennt nur zerstören, vornehmlich von den großen Errungenschaften der Zivilisation.“ Axilla überlegte, ob ihr noch etwas einfiel von dem, was ihr beigebracht wurde, wie die Barbaren denn so waren und weshalb Rom ihnen überlegen war. “Und ein Barbar kennt keine Disziplin. Er kann sich nicht zurückhalten zum Wohle des größeren Ganzen.“ Sie glaubte, nichts vergessen zu haben, aber irgendwie hatte sie jetzt schon das Gefühl, dass es Vala nicht genügen würde. Sie fühlte sich ein wenig an die Diskussion darüber, was Ehre war, erinnert. Da hatte ihm auch kein Argument gereicht.

    Mit einem scheinbar untrüglichen Talent hatte Axilla es – schon wieder – geschafft, Vala ärgerlich zu machen. Sie hatte – schon wieder – schneller geredet, als gut für sie war und er schaute sie – schon wieder – an, als wollte er sie gleich auffressen. Und dabei hatte sie es doch gar nicht so gemeint!
    Einen Moment lang wünschte sich Axilla ihren Sklaven wieder zurück, als ob sie sich hinter ihm verstecken hätte können. Aber vermutlich hätte das auch nichts genützt, wenn gefühlte 50 Hafenarbeiter um sie herum Vala auch nicht davon abhielten, sie so durchdringend anzuschauen. Axilla rieb etwas nervös mit ihrer rechten Hand über ihren linken Handrücken. “Ich meinte doch, dass ich dich nicht für barbarisch halte...“ Allerdings schien das nicht wirklich einen Unterschied zu machen. Sollte sie denn jetzt wirklich erklären, was Barbarei war?
    Axilla sah etwas ausweichend zu Boden. “Barbaren sind... grausam und ungehobelt, und ungebildet, und sie wollen all das zerstören, was edel und gut und kultiviert ist. Und sie wollen nicht lernen und... Aber du bist ja gar nicht so! Du bist freundlich und klug, und tapfer und ehrenvoll... auch wenn du das Wort nicht so gern magst... und...“ Axilla hasste es, wenn sie ins Stottern geriet, aber auch jetzt stockte ihre Stimme. Was wollte er denn von ihr hören? Sie kam sich gerade selbst so furchtbar ungebildet vor...
    “Wollen... wollen wir nicht einfach ein wenig spazieren gehen?“

    Germanicus Avarus... Kurz musste Axilla überlegen, ob sie den Namen schonmal irgendwo gehört hatte. Als es dann klingelte, einfuhr ihr ein gequältes Stöhnen. “Der Rector der Schola?“ Sie sah kurz zu Serrana auf. Das war doch wirklich nicht zu fassen, wie jemand auf diesem Posten einen so ungebildeten Mist von sich geben konnte. Sie kannte zwar nicht jeden im Museion, aber sie war sich sicher, dass das in Alexandria nicht passiert wäre. Und dabei waren das dort Griechen und nichtmal Römer! “Das einzige, was zählt, sind Namen. Wenn dein Mann irgendwannmal für sein Konsulat kandidieren sollte und dabei nicht anführt, mit einer Iunia verheiratet zu sein, dann wäre er schon extrem dumm. Ich hoffe mal, dass er genug Weitsicht hat, das auch zu sehen.“ Noch immer stöhnte sie angesichts so viel sturer Dummheit. Momentane Taten...ja, die brachten kurz Ruhm, manche sogar länger. Aber es gab nur weniges, was Jahrhunderte überdauerte. “Dann hoff ich mal, dass er seine Meinung wenigstens jetzt revidiert hat.“
    Oh tempora, o mores...


    Dass Serrana da gleich auf ihr Angebot mit dem Sklaven eingehen wollte, war da auch keine große Ablenkung. “Er spricht zumindest Koine und Attisch.“ Und seit ihrer Zeit in Alexandria wusste Axilla auch, wie groß da der unterschied zwischen den einzelnen griechischen Dialekten doch sein konnte. Vor allem, da sie ursprünglich bei ihrer Ankunft nur das veraltete ionisch der östlichen Provinzen gesprochen hatte. Und inzwischen beherrschte sie neben dem Koine und dem Attisch auch zumindest vom Hören den vierten, griechischen Dialekt, das Dorisch. Daneben noch ein paar Brocken Demotisch, Persisch, Jüdisch... alles, was eben in Alexandria so gesprochen worden war, wenngleich es bei den vielen Sprachen des Fremdenmarktes meist nicht mehr als 'ja'. 'nein' oder einige unflätige Bezeichnungen hinausging. Nur dass sie damit hier in Rom scheinbar überhaupt gar nichts anfangen konnte.
    “Wie, was Archias dazu sagt?“ Eigentlich hatte Axilla ihn nichtmal gefragt. Wozu auch? Er hatte gesagt, er hatte den Sklaven für sie gekauft. Wenn sie ihn dann weiterverlieh, wenn sie ihn nicht brauchte, war das doch nichts, wo sie erst sein Einverständnis brauchte? Zumindest nicht nach Axillas Verständnis der Sachlage. “Was soll er schon dazu sagen? Wir machen das einfach. Oder musst du da Sedulus erst um Erlaubnis bitten?“ Für Axilla, die eigentlich Zeit ihres Lebens eigenständige Entscheidungen zu treffen gelernt hatte, war die Vorstellung, erst eine Erlaubnis einzuholen, geradezu befremdlich. Zumindest, was solche Dinge anging.

    Richtig, er bräuchte es nicht. Axillas Blick glitt kurz über seinen Oberkörper, ehe sie ihn schüchtern anlächelte. “Stimmt. Du kannst ja selber kämpfen.“ Ihr Tonfall dabei klang fast ein wenig sehnsüchtig, und gleichzeitig ein wenig traurig. Sie erinnerte sich noch an die vielen Narben, die seinen Körper zierten. Und daran, wie sie einfach unvermittelt darauf zu sprechen gekommen war und ihn damit sehr wütend gemacht hatte. Auch wenn sie das alles andere als schlimm fand, aber Vala empfand es wohl irgendwie als schlimm. Zumindest war es das, was sie aus dieser Begegnung damals gelernt hatte, und weswegen sie das Thema nicht weiter vertiefte.


    Als er meinte, ihre Hochzeit sei ein Verlust für die anderen, wurde Axilla dann wirklich eine Winzigkeit rot. Es tat gut, so etwas einmal zu hören. Normalerweise waren Komplimente an sie eher anders. Es sagte schon immer mal jemand, dass sie schön sei, oder dass ihr ihr Kleid heute besonders gut stehe. Wie wundervoll ihr Haar sei, wie bezaubernd ihr Lächeln. Solche kleinen Oberflächlichkeiten eben. Aber da wusste Axilla, dass es eigentlich nur Freundlichkeit war.
    Nun, das war es hier wahrscheinlich auch, dennoch war es etwas anderes, das so zu hören. “Ach, ich weiß nicht, ob die Junggesellenwelt wirklich so trauert.“ Ja, es war das Fischen nach einem weiteren Kompliment, aber es war Axilla egal, ob Vala das durchschaute. Sie wollte ja eigentlich nicht, dass er ihr schmeichelte. Aber sie wollte, dass er ihr schmeichelte. Naja, ein wenig. Sie wusste es selber nicht so genau.


    Zum Glück war das Thema mit dem Griechen etwas einfacher und lenkte ab. Wobei Axilla ihren Gesprächspartner bei der Erwähnung seiner Flausen schon einmal kurz angrinsen musste. Sie kannte seine Flausen ja nicht, aber bestimmt waren das sehr charmante.
    “Das hat mein Hauslehrer, als ich klein war, auch versucht. Mit fast denselben Worten, übrigens. Muss wohl eine griechische Eigenart sein. Wobei ich gar nicht weiß, was dein Lehrer damit meint. Ich finde dich ganz und gar nicht barbarisch.“
    Der letzte Satz war vielleicht ein wenig zuviel gewesen, und ihres eigenen Fauxpas bewusst räusperte sich Axilla kurz mit gesenktem Blick. Zum Glück rettete sie da Levi vor weiterer Peinlichkeit.
    “Domina? Domina?!“ Er suchte sie in der Menge und als er sie entdeckt und Axilla ihm zugewunken hatte, kämpfte er sich einen Weg durch die Hafenarbeiter zu ihr und ihrem Gegenüber. Unschlüssig blieb der junge Sklave stehen und wusste nicht so recht, wie er reagieren sollte. “Domina, anscheinend gibt es dieses Lagerhaus hier nicht...“ fing er schließlich unschlüssig an, immer wieder einen Seitenblick auf Vala werfend.
    “Schon gut, Levi. Es hat sich schon geklärt.“ Axilla sah kurz zwischen ihrem Sklaven und Vala hin und her. Dann fasste sie einen schnellen Entschluss. “Wenn du willst, kannst du dir ein paar Stunden frei nehmen. Du kannst doch auf dich aufpassen, oder?“
    Levi war überrascht, sagte aber zu Freizeit auch nicht nein. “Sicher, Domina.... Soll ich dann nach Hause gehen...?“
    “Nein, nein, das nicht. Ähm, wir treffen uns... zur Hora duodecima?“ Ein kurzer, um Bestätigung blickender Blick an Vala folgte, “...vor der Hauptstraße zum Palatin. Oder... noch eine Querstraße weiter, du weißt schon, an dem Haus mit der gemalten Jagdszene an der Wand. Wenn Levi allein zum Palast zurückging, dann würde sie noch Ärger bekommen.
    Levi nickte kurz, sah noch einmal kurz fragend drein und bedankte sich dann artig, ehe er sich daran machte, seine gerade erhaltene Freizeit für die nächsten paar Stunden zu verbringen.


    Axilla war froh um die kleine Ablenkung und wandte sich dann wieder Vala zu. Jetzt konnten sie auch losspazieren, wenn er denn wollte. “So... wo waren wir?“ Sie lächelte ihn möglichst unschuldig an und hoffte, er hatte ihren kleinen Lapsus eben vergessen.

    Nachdem Serrana gesagt hatte, was der Onkel ihres Gemahls bezüglich des Wertes der Iunia von sich gegeben hatte, starrte Axilla einen Moment nur ungläubig auf ihre Cousine. Sie schaute und schaute, ließ die Frage nach dem Getränk unter den Tisch fallen und die Antwort wegen des Griechen über sich hinwegplätschern. Erst als Serrana geendet hatte und sie so unschuldig ansah, erholte Axilla sich von ihrem Schock. “Er hat was?“ brauste sie auf. Es gab nicht vieles, womit man Axilla wirklich wütend bekam, aber die Ehre ihrer Familie gehörte definitiv dazu. Und hätte sie gewusst, was Sedulus Onkel über die Iunii gesagt hätte, sie hätte diese Hochzeit verhindert. Und wenn sie ihn zur Not hätte erschlagen müssen für diese Frechheit! “Weiß dieser homo novus überhaupt, wovon er redet? Du nicht gut genug für ihn?!“ Axilla war fassungslos. So fassungslos, dass sie noch nicht einmal bemerkte, dass man sie vielleicht auch außerhalb der Zweisamkeit ihres Gespräches noch gut hören konnte. Eben im Haus jenes hominis novi, wie sie eben gesagt hatte. Dennoch sprudelte es weiter aus Axilla hervor. “Seine Vorfahren waren verdammte Kaufleute die irgendwannmal das Recht erlangt haben, einen Gensnamen zu führen. Wir können unsere Linie über 600 Jahre zurückverfolgen, bis hin zu den Etruskischen Königen! Unser Vorfahr hat die Republik gegründet! Unser Vorfahr war erster Konsul Roms! Und unsere Familie hat sehr, sehr viele Konsulen danach gestellt!“ Was fiel diesem vorwitzigen Schnösel ein, das als 'nicht gut genug' zu bezeichnen? Nur weil gerade die Iunii nicht unbedingt auf ihrem Höhepunkt waren und nicht mehrere Senatoren in Rom vorzuweisen hatten, hieß das nicht, dass sie unwichtig seien! Ein Iunius konnte nie unwichtig sein! “Nicht gut genug.... ich fass es nicht....“ Das war wirklich ein starkes Stück, und darauf brauchte Axilla erstmal einen Schluck.
    Dem armen Sklaven, der immernoch dastand und ihren Ausbruch miterlebt hatte, winkte sie kurz, er solle ihr etwas verdünnten Wein geben. Normalerweise trank sie den ja nicht, weil er ihr zu Kopf stieg, allerdings hatte sie grade das Gefühl, einen Schluck wirklich vertragen zu können.


    Sie schnaufte nochmal durch, noch immer etwas fassungslos, und kam dann auf das Thema mit dem Sklaven zurück. “Achja, der Sklave. Ja, er macht sich wohl ganz gut. Aber eigentlich brauch ich ihn ja nicht wirklich, und bei seiner Bildung wäre es fast schon Verschwendung, ihn in der Palastbibliothek versauern zu lassen. Eigentlich hatte ich mir gedacht, also, wenn er noch benötigt wird, dass ich ihn ausleihen könnte. Dann haben alle was davon.“ Auch wenn Axilla im Moment Sedulus lieber den Kopf gewaschen hätte als ihm einen Gefallen zu tun. Naja, vielleicht gab der Sklave den Germanici bei Gelegenheit nochmal einen Auffrischungskurs in Geschichte. Axilla nahm noch einen Schluck. Sie war noch immer fassungslos.


    Sim-Off:

    Winzigen Verleser ausgebessert *g*

    “In erster Linie ist es lästig. Ich meine... würdest du dich von fünf Kerlen beschützen lassen wollen, von denen du vielleicht grade mal den Namen weißt und die dafür bezahlt werden? Wer sagt denn, dass die nicht jemand anderes bezahlt, um eben mal kurz was anderes zu machen?“ Diese Leibwächter, so schmeichelhaft sie auch immer gemeint sein mochten, war etwas, das Axilla wirklich nicht ausstehen konnte. Das war, als würde Archias sie überwachen lassen, weil er ihr nicht traute. Aber verdammtnocheins, dann sollte er sie selber beschützen und lernen, wie man das tat. Nicht sich auf seine Unfähigkeit auf diesem Gebiet herausreden und jemanden bezahlen. Das war... das war einfach nicht richtig. Es fühlte sich nicht richtig an. Zwar war Axilla nicht so dämlich, nach Leanders Tod so unbekümmert wie zuvor weiterzuleben, allerdings hieß das nicht, dass sie sich in ihrer Freiheit einschränken ließ.


    Dass Vala sie nach wie vor nur mit ihrem Gensnamen ansprach, störte Axilla ein wenig. Sie war schon lange dazu übergegangen, ihn nur beim Cognomen zu nennen, wie es Freunde taten, und er hätte gleiches Recht bei ihr auch gerne in Anspruch nehmen können. Ja, im Grunde wollte sie ja, dass sie beiden vertrauter miteinander redeten. Aber er blieb irgendwie immer sachlich und auf Abstand. Sie wollte gerade eben dies einwenden und ihn bitten, sie doch endlich beim Cognomen zu nennen, als er dann auf ihre etwas zweideutig gewählten Worte zu sprechen kam. Und anfing, sie zu mustern. Ganz langsam.
    Als er wieder bei ihren Augen angekommen war, merkte Axilla, dass sie ein wenig rot wurde. Und dass ihr keine freche Erwiderung einfallen wollte, die originell und spritzig klang.
    Und dass sie ihm einfach nur in die Augen schaute...


    Sie blinzelte kurz und wandte sich mit einem ertappten Lächeln dem Weg zu. “Wenn du so weiter redest, könnte ich noch auf den Gedanken kommen, du willst mich verführen. Obwohl du weißt, dass ich eine verheiratete Frau bin.“ Es dauerte einen kurzen Moment, in dem sie sich sammelte, ehe sie wieder zu ihm sah. Das war nur ein Scherz und eine Neckerei, er wollte sie nur aufziehen für ihre Worte.
    Daher wechselte sie auch sofort das Thema, wie sie es eigentlich immer tat, wenn sie über das momentane Thema gar nicht nachdenken wollte. “Und was machst du derzeit? Studierst du noch bei diesem Griechen?“ Das Thema lag nahe, immerhin hatten sie sich nur dank dieses Griechen kennengelernt, eben hier am Hafen.

    Wenn das Essen in der Casa Iunia besser geschmeckt hatte als das hier, wollte Axilla das hier lieber nicht kosten. Vielleicht war ihr Gaumen durch die Zeit in Alexandria einfach verwöhnt und würzigeres Essen gewohnt, aber sie hatte hier in Rom noch nichts gefunden, was sie als so wirklich, wirklich gut empfunden hätte. So lächelte sie nur leicht als Ausflucht, um nicht antworten zu müssen und legte die Hände in den Schoß. Sie musste darauf achten, nicht nervös damit herumzuspielen, aber ein wenig rieben ihre Hände doch aneinander.
    “Ja, der Palast ist... groß und sehr schön und nobel... richtig herrschaftlich eben.“ eigentlich sollte Axilla stolz ohne Ende sein, dass sie dort nun wohnen durfte. Dort, wo der Kaiser wohnte, und seine Familie! Naja, zumindest fast, in einem Nebengebäude eben. Aber dennoch! Das war so ziemlich die prestigeträchtigste Verbindung, die Axilla überhaupt hätte eingehen können. Die Iunier waren so mit dem Kaiserhaus verbunden! Da konnte sie nicht jammern und unglücklich sein. Da war es egal, ob sie sich unter der ständigen Beobachtung von lauter fremden Dienern nicht wohl fühlte, ob sie sich eingesperrt und gefangen fühlte und ob sie Angst hatte, die Erwartungen an sie auch erfüllen zu können. Da zählte nicht, dass sie Archias aus anderen Gründen geheiratet hatte. Da zählte einzig und allein, was von ihre erwartet wurde. Auch wenn sie das zeitweise zu erdrücken und unter sich begraben schien.
    “Ich muss mich noch ein wenig an das alles gewöhnen und an die vielen fremden Diener. Und an die Prätorianer. Aber... es ist wirklich sehr herrschaftlich dort.“


    Ihre Hände begannen wieder mehr Aktivität zu entwickeln. Axilla war nicht so gut darin, über Belanglosigkeiten zu plaudern und so zu tun, als gefiele ihr das wirklich. So sehr sie sich auch bemühte, lange würde sie diese Maskerade nicht aufrecht erhalten können. Daher wollte sie lieber gleich mit dem Vorwand, der sie hierher geführt hatte, anfangen, ehe sie zu dem wirklich ernsten Thema kommen wollte.
    “Nun, also, wieso ich eigentlich hier bin, ist der Sklave. Also, ich meine, der, den Archias ersteigert hat. Den, auf den ihr auch geboten habt. Der Grieche.“ Axilla hoffte, Serrana wusste, wovon sie sprach. Immerhin war das jetzt auch schon wieder über eine Woche her. Vielleicht hatten sie ja inzwischen einen anderen Sklaven gekauft. Axilla hatte ja keine Ahnung, womit der Senator sich so seine Zeit vertrieb. Vielleicht ja mit Streifzügen über den Sklavenmarkt? “Ich... ähm, wollte fragen, ob es denn einen bestimmten Grund gibt, warum ihr ihn kaufen wolltet...?“

    Gut, sie bat sie herein. Axilla war ja schonmal froh, dass sie nicht gleich wieder mit ihrem Gezeter anfing. Sie hatte sich vorgenommen, heute nicht zu streiten, aber ihr manchmal überschäumendes Temperament machte solche Pläne nunmal nicht immer durchsetzbar. So aber ließ sie sich nichts anmerken und trat richtig in den Garten und zu der Steinbank. “Achwas, die Steinbänke sind doch prima. Wir sind ja nicht verweichlicht.“ Zumindest Axilla war das nicht, aber ein „wir“ klang hierbei einfach netter und lockerer.


    Sie setzte sich also und einen kurzen Moment entstand diese unbehagliche Stille, wenn eigentlich keiner wusste, was er mit dem anderen so genau anfangen sollte. Axilla wusste ja selber nichtmal so genau, wie sie das, was sie sagen wollte, vorbringen sollte. Sie wollte ja nicht streiten und weder belehrend noch gehässig klingen. Sie hatte ja auch nur gute Absichten, aber... nunja, gute Absichten waren halt nichts im Vergleich zu diplomatischer Eloquenz.
    “Schönes Haus. Hast du dich schon gut eingelebt?“ Eigentlich war Axillas Vorgehensweise mehr 'Augen zu und durch', aber diesmal versuchte sie es vielleicht erstmal mit einem etwas einfacheren Thema. Vielleicht wurden sie ja noch ein wenig warm. Wenn nicht, konnte Axilla immernoch die Holzhammermethode probieren.

    Axill war dem Sklaven still gefolgt und hatte nur hier und da unauffällig den Weg gemustert. Die Casa Germanica war wirklich schön, das musste sie schon zugeben. Kein Vergleich zu dem Haus in Alexandria – redete sie sich zumindest ein, um ihren Stolz zu beschwichtigen – aber durchaus sehr schön.
    Schließlich kamen sie im Garten an, und Axilla sah ihre Cousine schon auf der Steinbank sitzen. Sie wartete, bis der Sklave sie angekündigt hatte und dann gegangen war, ehe sie etwas zurückhaltend die Hand zum Gruß einmal kurz und leicht hob. “Salve, Serrana...“ Und weiter war ihr Plan, was sie hier eigentlich wollte, nicht wirklich gegangen. Aber erstmal musste ihre Cousine sie ja auch empfangen.

    Anstelle von Axilla antwortete ihr Sklave. Immerhin war sie eine feine Dame, da gehörte sich das so.


    “Die Domina Iunia Axilla wünscht ihre ehrenwerte Cousine, die Domina Iunia Serrana, zu sprechen, sofern sie zugegen ist und Zeit hat.“

    Im Grunde stand dieser Besuch schon viel länger aus. Immerhin waren ihrer beider Hochzeiten nun schon einen Monat her. Und trotzdem hatte Axilla sich erfolgreich um den Besuch bei ihrer Cousine gedrückt.
    Auf der anderen Seite aber: Sie war Familie. Es gab kaum noch Iunier. Wenn sie nicht bald etwas machte, würde auch der Kontakt zu den wneig verbliebenen noch abreißen. Darüber hinaus gab es da eine Sache, über die sie mit Serrana reden musste und von der sie sicher war, dass diese es vergessen hätte. Vielleicht war es ihr auch gar nicht wichtig. Aber Axilla war es wichtig!
    Da bot die Auktion, bei der Sedulus gegen archias geboten hatte, einen guten Vorwand, danach hier beim Haus der Germanicer aufzulaufen. Axilla sah sich die Casa von außen einmal kurz an und legte die Stirn dabei leicht in Falten. Kaufleute.... die Germanicer waren Kaufleute.... und trotzdem hatten sie ein schöneres Haus als eines von Roms ältesten Geschlechtern.... Axilla verscheuchte alle weiteren Gedanken und hieß ihren Sklaven, anzuklopfen, was dieser auch sogleich pflichtschuldig erledigte.

    Sein Vorwurf, wenn auch gespielt, kratzte ein wenig an Axillas Ego. Woher sollte sie das denn auch ahnen, dass er sie sehen wollte! Immerhin hatten sie sich nun eine ganze Weile nicht gesehen. Das letzte mal... das musste vor ihrer Hochzeit gewesen sein, als er... just in diesem Moment fiel ihr die kleine Holzfigur ein, die sie ihm eigentlich schon längst hatte zurückgeben wollen, es aber nicht getan hatte. Sie redete sich ein, dass sie es einfach nur vergessen hatte, und versuchte, nicht zu ertappt auszusehen. Da war der leichte Anflug von Ärger schon gleich wieder vergessen.
    Sowieso, sie konnte ihm nicht wirklich ernstlich böse sein. Wenngleich es ihr etwas peinlich war, dass er das so offen am Hafen sagte. “Oh, wenn Archias wüsste, dass ich nur Levi hierhin mitgenommen habe, würde er sich aufregen. Wenn es nach ihm ginge, würde ich mit 5 Leibwächtern, die er bezahlt hat, durch die Gegend rennen.“ Axilla zuckte nur leichtfertig die Schultern. Sie hatte wirklich nicht das Bedürfnis, sich noch mehr einsperren zu lassen. Im Palast fühlte sie sich manchmal schon so genug eingeengt, da musste sie nicht auch noch in ihrem täglichen Leben 5 Fremde um sich herum haben. Wenn es iunische Sklaven gewesen wären, die ihr gehört hätten und um deren Treue sie wusste, wäre es vielleicht etwas anderes gewesen. Aber so? Das war wie Überwachung, und Axilla mochte das nicht.
    Apropos Levi, wo steckte der? Kurz sah Axilla sich um, entdeckte ihn aber nicht. Sie sah gerade wieder zurück, als Vala sich mit einer leichten Geste die wilden Haare zurück strich und sie anlächelte. Er verbeugte sich vor ihr, und Axilla fühlte sich einen Moment ganz aufgeregt deswegen. Sie musste grinsen und wusste nicht einmal genau, warum.
    “Bereit wofür?“ Axilla gesellte sich schon zu Vala und lächelte ihn immernoch an. Sie konnte es einfach nicht ausstellen. “Ich bin für alles zu haben“, meinte sie noch und freute sich schon auf die Abwechslung von ihrem mittlerweile so unspektakulär gewordenen Alltag. Sie brauchte dringend mehr Beschäftigung.

    Ob sie eine Lagerhalle hatte? Eine eigene? Für das bisschen Farbe, was jede zweite Woche aus Alexandria hierher geliefert wurde? Offenbar verwechselte Sermo sie mit einem Großunternehmer. Wofür sollte sie eine eigene Lagerhalle brauchen? “Nein, hab ich nicht. Aber wenn es dich nicht stört, lass ich die Ware schonmal auf einen Wagen packen, während wir etwas essen gehen.“
    Axilla war naiv, nicht blöde. Sie winkte Levi heran und erklärte ihm kurz und auf Koine, was er machen sollte. Das war weniger, um Sermo vom Gespräch auszuschließen – wobei das ein Nebeneffekt sein könnte – sondern eher, dass ihr Sklave die Sprache einfach weitaus schneller und besser verstand als das Latein. Immerhin hatte er sein ganzes bisheriges Leben in Alexandria verbracht.
    Levi also nickte kurz und kümmerte sich um alles weitere, während Axilla sich bei Sermo einhängte. Sie war etwas verstimmt, vor allem wegen seinen ersten Worten in ihre Richtung, aber das hieß nicht, dass sie hier neben ihm herstapfen wollte. Und wenn ihr Sklave schon als Begleitschutz wegfiel, musste eben der Quintilier dran glauben.
    “Was genau schätzt du denn an mir so?“ fragte sie möglichst unschuldig. Natürlich fischte sie nach einem Kompliment, vor allem einem, das sie versöhnlicher stimmen würde, aber na und? Nach dieser Abfuhr gerade und den wenig freundlichen Worten zu beginn brauchte sie ein bisschen was, was ihre Seele streichelte


    Sie wandten sich also vom Hafen ab, Axilla direkt an Sermos Seite, und die Iunia ließ sich einfach mal entführen. Wenn er hier Magistrat war, würde er schon wissen, wo man hier einen Happen essen konnte. “Mir ist ganz entgangen, dass du Magistrat geworden bist. Meinen Glückwunsch hierzu“, fing sie ein leichtes Gespräch an, als wäre vorhin rein gar nichts passiert, erst recht kein Missverständnis. Aber Themenwechsel beherrschte Axilla schon immer gut. “Dann wird aus der Führung über den Viminal wohl nichts mehr, hm?“ Sie lächelte ihm verschmitzt zu. Sie hatte sein Versprechen von damals nicht vergessen, und wenn sie mit etwas flirten den Preis drücken konnte, dann war ihr so eine Information grade recht.