GrrrrrrrrrrRRRRRRRRRRRR! Warum verstand dieser Mann sie nicht? War es denn wirklich so schwer zu verstehen? Warum beharrte er so darauf, dass Vala ihr etwas tun wollte und Axilla ihn nicht kennen konnte. Axilla kannte Vala. Das wusste sie mit sicherer Überzeugung. Er war ein Krieger, und Axilla wusste, wie eine Kriegerseele aussah. Sie wusste einfach, dass er damit nichts zu tun hatte. Warum wollte das partout nicht in Archis Schädel?
Und er widersprach sich selber, fand Axilla. Erst relativierte er wegen Rufus, und dann verallgemeinerte er schon wieder. Das war echt zum Haare raufen. Gut, dass Archias sie schon losgelassen hatte, so kam sie nicht in Versuchung, sich extra noch freimachen zu müssen.
“Also, mir hat er noch jeden Brief beantwortet, den ich ihm geschrieben habe. Vielleicht steigst du mal von deinem hohen Ross und versuchst das auch. Ich bin sicher, Rufus freut sich und wird dir auch antworten.“ Der giftige Unterton in ihrer Stimme machte den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage beinahe zunichte. Aber sie meinte, was sie sagte, Rufus würde sich sicher freuen und bestimmt antworten. Wenn Archias also Kontakt haben wollte, lag es an ihm, diesen herzustellen.
“Und an wen haben sich die Duccier denn drangehängt? Kennst du die überhaupt? Warst du schonmal in Mogontiacum, oder bist du für das Gebiet da oben einfach so Experte?“ Jetzt musste Axilla noch eine ganze gens verteidigen, mit der sie selber genaugenommen wenig zu tun hatte, nur weil ihr Mann einen davon nicht leiden mochte. Nun, sie konnte auch nicht beweisen, dass die Duccier nicht irgendwelchen Einfluss bei sonstwem genutzt hätten, aber sie glaubte auch nicht, dass Archias es beweisen konnte, dass sie so etwas getan hätten. Und selbst wenn, das war eben Politik. Es widerstrebte Axilla zwar, die eine recht verklärte Vorstellung von Ehre hatte, aber sie war nicht so dumm, nicht zu sehen, dass es so nunmal funktionierte.
“Und was Vala angeht: Dann hat er halt einen Senator zum Patron. Das haben ungefähr zwanzigtausend andere in dieser Stadt auch!“ Gut, die Zahl war sicher übertrieben, und Axilla wusste auch gar nicht, ob Vala von irgendeinem Senator der Klient war. Sie hatte ihn das nie gefragt und fand das auch nicht nötig. Aber jeder Senator hatte einen ganzen Haufen an Klienten, das war das normalste der Welt. Da Vala einen Vorwurf draus stricken zu wollen fand Axilla reichlich albern. “Was bitte ist daran verwerflich? Du bist doch auch auf deinem Posten, weil dein Vetter der Kaiser ist!“
Kaum eine Sekunde, nachdem Axilla das gesagt hatte, tat es ihr unendlich leid. Das wollte sie nicht so sagen, das war ihr im Zorn herausgerutscht. “Ich... das hab ich nicht so gemeint...“, stammelte sie kurz, wurde dann aber wieder hart. Nein, sie würde nicht hingehen, und sich entschuldigen! Sie war im Recht! Archias war derjenige, der völlig grundlos ihr hier eine eifersüchtige Szene machte! Und dabei hatte Axilla doch gar nichts getan! Durfte sie jetzt keine Freunde mehr haben, weil sie verheiratet war?
“Oh, keine Sorge, ich werde dann keinen Ton sagen, weil das nie im Leben passieren wird!“ brüllte sie ihm noch hinterher, als er an ihr vorbeiging, um das Zimmer zu verlassen. Jetzt ging der einfach auch noch! Und Axilla hatte kein Ventil für ihre Wut.
Nunja, fast keines, denn ihr Schminktisch war ja schon aufgestellt und hielt ein ansehnliches Arsenal an Tiegeln und Töpfchen bereit. Kaum also, dass Archias zur Tür raus war, schnappte sie sich die feinen Gefäße und schleuderte sie gegen das dicke Holz, jeweils begleitet von einem zornigen Knurren. Zack, der grüne Lidschatten, Peng, der blaue hinterher. Lippenrot und einige Haarspangen hatten nicht so gute Flugeigenschaften und landeten auf halben Weg auf dem Boden. Aber die Puderdose flog ganz hervorragend, als sie in einer Staubwolke an der Wand neben der Tür in Stücke brach.
Axilla sank daraufhin heulend in sich zusammen. Warum verstand er sie so gar nicht? Warum traute er ihr so gar nicht? Hatte sie ihm Grund gegeben, anzunehmen, sie sei ihm untreu? Oder aber hatte er einfach erkannt, wie schlecht und verdorben sie im Grunde doch war, und wie wenig sie hierher passte? Seiana, die hätte hierher gepasst. Bei ihr hätte er sich sicher auch nicht gestritten. Sie war die perfekte, römische Matrone. Und Axilla? Sie sah zu der Zerstörung, die sie angerichtet hatte, und fühlte sich elend. Sie sah zur anderen Seite, zur Rüstung ihres Vaters, und fühlte sich noch elender. Vielleicht sollte sie besser heimgehen, dann tat sie niemandem mehr weh.
Aber nicht jetzt. Sie rappelte sich halb auf und ließ sich erst einmal aufs Bett fallen, schnappte sich ein Kissen und zog es an sich. Sie schluchzte, und erstickte die Töne in dem Kissen.
Wie sehr ihr Leander doch in diesem Moment fehlte...