Offenbar war das die falsche Antwort gewesen, und Piso schickte den Kellner nochmal weg. Axilla sah entschuldigend drein, sie wusste es doch einfach nicht besser. Warum auch sollte ausgerechnet sie bestellen, wo der Experte doch eigentlich direkt daneben saß? Und dass er Experte war, bewies er gleich, indem er Axilla hundert Dinge fragte, über die sie sich noch nie in ihrem Leben Gedanken gemacht hatte. Was um Elysiums Willen war Roséwein?
Axilla öffnete einmal den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder, als sie erstmal ihre Gedanken in die richtige Reihenfolge bringen musste. Sie sah dem Kellner nochmal hinterher, aber der war schon am Bedienen anderer Gäste. Hier war offensichtlich keine Hilfe zu erwarten. Etwas verlegen schaute sie wieder zu Piso rüber, und rückte näher, als müsse sie ihm ein Geheimnis anvertrauen. Sie flüsterte auch, damit niemand mithörte.
“Ich weiß nicht, was für ein Wein gut ist. Ich trink eigentlich so gut wie nie welchen, weil ich immer ganz schnell betrunken werde. Ich hoffe, du hältst mich jetzt nicht für einfältig, aber ich hab einfach noch nie so wirklich Wein getrunken.“
Sie sah ihn an, als hätte sie ihm eben gestanden, unfruchtbar zu sein oder ähnlich katastrophales. Sie hatte ihn gern und wollte, dass er eine gute Meinung von ihr hatte. Aber mit ihren 17 hatte sie von so einigem einfach mal keine Ahnung. Sie hoffte nur, dass das nicht zu schlimm war.
“Vielleicht etwas süßeres, das nicht zu schwer ist? Rot, weiß... ich weiß nicht? Kannst du nicht was vorschlagen?“
Hoffnungsvoll sah sie zu Piso auf und merkte dabei erst, dass sie ja noch immer ganz direkt neben ihm saß, so dass ihre Arme sich sogar berührten. Fast etwas verschreckt rückte sie wieder auf angemesseneren Abstand von ihm weg, mit einem gemurmelten “Entschuldige“ auf den Lippen.
Beiträge von Iunia Axilla
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Mit der Einladung in der Hand war es kein Problem für die beiden jungen Iuniae, eingelassen zu werden. Hübsch hatten sie sich für diese Verlobungsfeier gemacht, Leander hatte Stunden damit zugebracht, sie beide zu frisieren. Auch wenn er nur die alexandrinischen Haarmoden beherrschte, war das sicher besser als das, was Serranas Sklavin zaubern wollte. Axilla trug ein dunkelgrünes Kleid, dazu einen schlanken, goldenen Gürtel. Goldene Fibeln hielten das Kleid an den Schultern, und eine fein gedrehte Kette um den Hals, so ließ ihr griechischer Sklave sie dann auch aus dem Haus gehen. Dazu eine Palla aus so dünner Seide, dass Axilla von ihr gar nichts merkte. Wenigstens ein kleiner Kompromiss, auch wenn sie schon an Serranas Blick gesehen hatte, dass ihr Kleid etwas luftiger geschnitten war, als es hier wohl üblich war. Aber warum sollte sie sich verstecken? Sie war ja nicht häßlich. Und in Alexandria lief jeder so herum.
Und Serrana ging es auch nicht viel besser, denn Leander nahm sich ausgiebigst für ihre Frisur Zeit und war äußerst kritisch bei der Kleiderwahl. Bis die beiden so also zu seiner Zufriedenheit aussahen, dauerte es eine ganze Weile.Doch nun waren sie hier und betraten gerade den Raum. Überall roch es nach Rosen. Axilla hatte keine Ahnung, wie das ging, mussten diese ja eigentlich schon längst verblüht sein und auf den nächsten Frühling warten. Und so schaute sie nicht schlecht, als sie das wahre Blütenmeer hier überall bestaunte.
Einige Gäste waren schon da, aber niemand, den Axilla kannte. Oder besser gesagt, sie sah niemanden, es mochte durchaus jemand anwesend sein. Irgendwo. Ein klein wenig Angst hatte Axilla ja schon vor dieser Feier. Vor allem, da sie ja niemanden außer Serrana kannte, an dem sie sich festhalten konnte. Oder hinter dem sie sich verstecken konnte, wenn man es ganz genau nahm.
“Siehst du jemanden, den wir kennen?“ fragte sie leise ihre Cousine, während sie darauf wartete, dass jemand sie begrüßen kommen würde. Sie konnten sich ja schlecht einfach unters Volk mischen, ohne vorher Hallo gesagt zu haben. -
Jetzt setzte er sich einfach mitten im Streit hin und gab auf! Axilla knurrte wegen dieser Tatsache allein schon wütend. Ein Soldat war er wirklich nicht, sondern ein furchtbar lauwarmer Politiker. Wo war der Kerl hin, in den sie sich verliebt hatte, der in seiner Rüstung mit Caligae durch die Villa gestapft war und sich wie ein Mann benommen hatte? In diesem Moment fragte sich Axilla wirklich, was genau sie an ihm so unendlich geliebt hatte.
“Dann geh ich eben unter. Was kümmert es dich? Es hat dich das ganze letzte Jahr nicht gekümmert, was ich gemacht habe. Weißt du auch nur irgend etwas von mir? Du kennst mich gar nicht.“
Wütend drehte sie sich von ihm weg und stapfte zum Fenster rüber. Jetzt im Winter war der Garten trist und tot, passend zu ihrer Stimmung. “Wenigstens wird keiner sagen, dass ich nichtmal versucht hätte, den Tod meiner Verwandten zu rächen. Du willst ja nur, dass ich ja nicht auffalle, um deine politische Karriere zu gefährden, stimmt's? Keine Sorge, du wirst dir nicht die Finger schmutzig machen müssen.“Axilla sah nicht einmal zu ihm. Von ihrer Seite aus war eigentlich alles gesagt, ihre Fronten waren nach wie vor wie in Stein gemauert. Und dass sich daran etwas ändern würde, wagte sie stark zu bezweifeln. Sie war Feuer, und er war... lauwarmes Wasser. “War das alles, was du wolltest?“
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Warum sie sich in seinen Wirkungskreis begeben sollte? Silanus war nicht der einzige, der sauer war, und so kam Axilla ihm doch wieder nahe. Mit funkelnden Augen blieb sie keine zehn digiti vor ihm stehen, stellte sich sogar auf die Zehenspitzen, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein, und zischte ihm in übelstem Ernst zu. “Damit ich das entsetzen in seinen Augen sehen kann, wenn er erkennt, wer das Verderben über ihn gebracht hat. Damit ich ihn am Boden zerschmettert vor mir liegen sehen kann, ehe ich die Klinge in seinen Eingeweiden herumdrehe, auf das er Schmerzen leide. Damit er weiß, weswegen ihn das trifft.“
Die kleine, süße, sanfte Axilla, die keiner Fliege etwas zuleide tun konnte, wollte nur eines: Rache. So sehr, wie sie Urgulania geliebt hatte, so sehr wollte sie Rache. Sie wollte, dass Cyprianus ihren Schmerz mitfühlte, und da dieser unendlich war, würde auch er unendlich leiden müssen. “und es ist mir egal, ob du das glaubst oder nicht“, setzte sie noch als Spitze dazu, ehe sie sich von ihm abwandte und ihn wieder stehen ließ. Sollte er doch die gesamte Einrichtung zerschmettern, Axilla hatte keine Angst vor ihm.Sie drehte sich wieder zu ihm, und noch immer war nichts von ihrer Wut gewichen. “Außerdem kann ich sehr gut auf mich aufpassen. Wenn ich einen Beschützer brauche, dann such ich mir einen.“ Und das bist nicht du, setzte sie nicht minder wütend in Gedanken dazu.
Womit er allerdings recht hatte – was Axilla aber nie zugeben würde – war die Sache mit den Beweisen. Wenn Timos Beweise finden könnte, könnte man hier in Rom vielleicht etwas erreichen.
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Wie viel Sorgen Silanus sich wohl erst machen würde, wenn er von dem Fluch wüsste? Axilla wusste, warum sie niemandem davon erzählt hatte, aber in jedes ihrer Gebete schloss sie die Bitte ein, Dis möge Terentius Cyprianus verderben. Im Moment aber war Axilla einfach nur rasend vor Wut.
“Ich weiß wen ich beschuldige, das weiß ich sogar ganz genau. Und mir hat das eine Mal, das er mich direkt angesprochen hat, gereicht. „Ein Pferd, das man ordentlich zureiten muss“, erinnerst du dich?
Urgulania war der festen Überzeugung, dass er so etwas plant. Sie hat gedacht, ich merke nichts und bekomme nichts mit, aber ich weiß, dass sie mit Nikolaos Kerykes deswegen über mich geredet hat. Dass er mich wegbringen soll, wenn ihr etwas passiert. Ich weiß es, weil ich sogar den Kapitän kennengelernt habe, der mich dann wegfahren sollte. Sie denken immer alle, ich bekomme nichts mit, weil ich still bin und nichts sage, aber ich weiß es!“
Natürlich wusste Axilla das. Als Scriba von Nikolaos war es nunmal ihre Aufgabe, seine Korrespondenz zu kennen. Und dass etwas im Gange war, das hatte sie nur sehr deutlich mitbekommen, allein durch Urgulanias Angst und Unruhe.
“Verstehst du das denn nicht? Es ist meine Schuld! Wenn ich nicht gegangen wäre, dann hätte ich sie beschützen können. Sie wäre nicht allein vor dem Tychaion gewesen...“ Ein paar Tränen kullerten aus Wut, aber Axilla machte sofort eine abwehrende Bewegung. Sie wollte nicht getröstet werden. Es wurde nicht alles wieder gut, nur durch eine Umarmung. Und sie wollte ihre Wut.
“Und jetzt sag mir, was willst du machen? Was willst du hier in Rom machen, gegen den, wie du so schön betont hast, vom Kaiser eingesetzten Statthalter? Was? Verrat es mir, was du zu tun gedenkst, um den Tod deiner Verwandten zu rächen? Schreit dein Blut nicht auch nach Rache, nichtmal so ein klein wenig?“
Axilla schüttelte den Kopf, weil sie die Antwort schon zu kennen glaubte. “Du bist wirklich kein Krieger“, meinte sie halb resignierend daher. Ihr Vater hätte diesem Mann vermutlich noch eigenhändig das verräterische Herz aus der Brust geschnitten. Und sie würde es am liebsten ebenso tun. -
Zum Glück wollte Livianus nicht weiter über den Aufstand sprechen. Auch wenn es Axilla ganz gut getan hätte, mit jemandem zu sprechen, der dort dabei gewesen war, behielt sie es lieber in sich verschlossen, um nicht in Gefahr zu geraten, sich dabei in Gefühlen zu ergeben.
Was beim nächsten Thema auch nicht so einfach war, aber Axilla versuchte ihr bestes, gleichmütig und fröhlich wie immer zu wirken.
“Nunja, ein wenig Ehrgeiz ist auch für eine Frau keine schlechte Eigenschaft, oder? Und mein Vater hat mich dazu erzogen, auf meinen eigenen Beinen zu stehen und für mein Wort selbst einzustehen.“ Man könnte auch sagen, ihr Vater hatte in ihrer Erziehung keinen Unterschied in der Tatsache gemacht, dass sie ein Mädchen war, oder nur einen verschwindend kleinen. Vermutlich deshalb, weil er keinen Erben hatte, sondern nur die Tochter.
“Aber es stimmt, Frauen sind auch in der Politik dort aktiv. Meine Großcousine Urgulania... war Eutheniarche und später Exegete, sogar Archepyrtane. Ein Freund der Familie bot mir ja auch schon Hilfe an, sollte ich mich wählen lassen wollen. Aber ich denke, das wäre doch etwas viel für eine Siebzehnjährige gewesen.“ -
Axilla verdrehte leicht übertrieben die Augen. “Was soll ich denn hier schon großartig machen? Hier bin ich weg von allem! Ich bin hier niemand und kenne niemanden. Was soll ich denn da gegen Terentius Cyprianus unternehmen?“ Außer ihn zu verfluchen, auf das die Furien seine Seele geißeln mögen. “In Alexandria habe ich Einfluss, da habe ich Freunde. Ich könnte mich auch wählen lassen! Ich bin mir sicher, Nikolaos könnte genug Stimmen für mich mobilisieren...“ Axilla deutete mit ihrer Hand grob in Richtung Süden, überhaupt wurden ihre Gesten energischer und kraftvoller. “Und hier? Was kann ich hier schon machen? Warten, dass du eine Nachricht bekommst? Er hat Urgulania umgebracht, Silanus! Auf offener Straße hat er sie erstechen lassen. Und du willst, dass ich hier sitze und Däumchen drehe.“
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Wie sie reagiert hätten, wenn jemand sich als Iunier ausgegeben hätte, obwohl er keiner war? Axilla hätte neugierig so lange nachgefragt, bis sie die wahre Geschichte gehört hätte. Urgulania hingegen...die hätte den Hochstapler vielleicht sogar vor Gericht stellen lassen, wegen Ehrbeleidigung oder dergleichen. Kurz umschmiegte ein etwas trauriges Lächeln ihre Züge, was aber gleich fortgewischt war, als Livianus nach ihrer Vergangenheit fragte. Axillas Blick wanderte zu Boden und heftete sich dort fest, während sie versuchte, die leichten Worte zu finden, die sie schon so oft gebraucht hatte. Langsam dachte sie, es müsse ihr leichter fallen, aber das tat es nicht.
“Mein Vater ist bei einem Aufstand in Nordhispania gefallen, als ich zwölf war. Meine Mutter hatte eine sehr kränkliche Konstitution, schon immer, und nach Vaters Tod wurde es schlimmer. Als ich 15 war, starb sie schließlich, und um die Rechnungen zu bezahlen und wie mein Vater es gewünscht hätte allen Sklaven die Freiheit zu schenken, habe ich dann den Hof verkauft und bin zu meinen nächsten Verwandten gezogen. Und die waren zu dem Zeitpunkt eben in Alexandria.“
Axilla zuckte mit den Schultern, als bekümmere sie das ganze gar nicht. Sie hatte es schon so oft erzählt, sich schon so oft verstellt, dass es ihr nicht mehr sonderlich schwer fiel, und nur die, die sie gut kannten, wohl die kleinen Unterschiede feststellen konnten.
“Aber eigentlich war das ganz gut, Ägypten ist wirklich wunderbar. Gerade die Freiheit, die man dort als Frau genießt, ist nicht zu vergleichen. Ich habe dort zwei Betriebe, die mir allein gehören. Und dort ist das ganz normal.“ Auch, wenn Seiana sie vorhin gewarnt hatte, das nicht jedem auf die Nase zu binden, im Moment dachte sich Axilla nichts dabei. Außerdem lenkte es ab. -
Axilla blinzelte kurz und überlegte. Wie meinte Silanus das, es war sein Wunsch? Er hatte doch nicht wieder vor, ihr einen Antrag zu machen? Dreimal abzulehnen empfand sie doch als sehr hart, aber es nützte nichts. Es musste sein. Sie ging ein paar Schritte wieder mehr in den Raum hinein und brachte damit etwas Abstand zwischen sich und Silanus.
Als sie zu ihm rüberschaute, bemerkte sie zum ersten Mal, dass es nicht weh tat. Gar nicht. Sie lauschte kurz in sich hinein, aber da war kein unterdrückter Schmerz mehr. Als hätte die Tatsache, dass sie in einen anderen verliebt war, diesen nun endlich und endgültig ausgelöscht. Es war ein merkwürdiges Gefühl, aber nicht unbedingt ein schlechtes.
“Ich habe mich noch nicht entschieden. Meine Betriebe sind in Alexandria, und ich habe Nikolaos eigentlich gesagt, dass ich zurückkehre. Und... ich habe Angst um Alexandria, was der Terentier damit machen wird. Ich finde, wir Iunier sollten uns nicht von dieser Stadt abwenden. Treue ist eine Tugend...“ Aus ihrem Mund klang es für sie etwas zweideutig, aber eigenltich meinte Axilla es aufrichtig. “... ich denke nicht, dass wir die Augen verschließen sollten, nur, weil wir jetzt hier in Rom sind. Es gibt viele Menschen, die auf Urgulania vertraut hatten, und denen will ich auch eine Freundin sein.“ -
Sie und schlecht arbeiten! Pah! Sie verschusselte vielleicht das ein oder andere, aber sie arbeitete immer nach bestem Wissen und Gewissen. Vorausgesetzt, das war etwas wert, wenn man kein Wissen und ein sehr dehnbares Gewissen hatte...
Axilla schaute sich auch nach dem Siegelzeug um, aber bei diesem Chaos das zu finden war die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Oder besser, der Nadel im Nadelhaufen. Das alles aufzuräumen konnte wirklich dauern. Vielleicht sollte Axilla Archias mal Leander leihen, der hatte ein Talent für Ordnung. Sonst würde ihr eigenes Cubiculum wohl nicht viel besser aussehen. “Ach, das machen wir dann einfach später“, winkte sie lapidar ab. Ihr war Archias Wort ohnehin mehr wert als ein Fetzen Papier.Als er dann von dem Kurs sprach, war Axilla noch nicht ganz überzeugt. Aber mit ihm gemeinsam zu büffeln war vielleicht gar nicht so schlimm, wie alleine. “Gut, aber nur, wenn du mitmachst. Und du musst ihn mir nicht ausgeben. Aber du darfst, wenn du magst.“
Axilla war keine arme Bettelmaus. Sie könnte sowas bezahlen, und mehr. Aber wenn er es ihr schenken wollte, durfte er das gerne machen.
“Und ich glaube, die Wache wäre sehr unglücklich, wenn sie mich nicht durchsuchen dürfte.“ Sie hatte vorhin zwar nicht viel mitbekommen, aber dass der Prätorianer durchaus an ihr interessiert gewesen war – was auch immer er an einer verheulten Frau anziehend gefunden hatte – das hatte sie mitbekommen. Axilla schaute kurz noch zu Archias auf, dann stand sie in einer fließenden Bewegung auf und umarmte ihn ohne Vorwarnung. Sie schmiegte sich an ihn, hielt sich an ihm fest und schmuste sich regelrecht an seine Schulter, auf die sie ihren Kopf leicht legte. “Danke, dass du mich vorhin geholt hast. Ich wusste sonst nicht, wohin. Danke, dass du mich gerettet hast“, sagte sie leise, ohne dabei den sanften Druck zu mindern. Sie mochte das Geräusch von seinem Herzen und den Geruch seiner Haut. Und die Gefahr, dass ihre tintigen Finger oder ihr verschmiertes Kleid auch seine Sachen versauen konnten, realisierte sie im Moment nicht. Sie blieb noch einen Moment so, ehe sie die Umarmung lockerte, um ihn wieder freizulassen. -
Als er zu ihr kam und die Rüstung ihres Vaters berührte, schaute Axilla kurz traurig zu ihm rüber. Ja, vielleicht war er wirklich kein Soldat, und das, was sie in ihm gesehen hatte, war nicht mehr als der Wunsch dessen, was sie hatte sehen wollen. Vielleicht war er wirklich kein Krieger, kein Soldat, und kein Kommandant. So langsam verstand Axilla es, und deshalb tat es auch nicht mehr weh, wenn sie ihn ansah.
Sie öffnete die Schnallen an der Seite, die sie geschlossen hatte, damit die Rüstung auf dem Ständer hielt. Mit einem geschickten Griff schließlich war sie abgenommen, um in der Truhe direkt daneben vorsichtig verstaut zu werden. Silanus war vielleicht kein Soldat, aber Axilla war die Tochter von einem, und das sprach aus jeder ihrer geübten Bewegungen.
“Du hast halt viel zu tun. Und ich brauche ja auch nichts. In Alexandria hatte ich ja Urgulania...“ Kurz brach Axilla ab und räusperte sich leicht. Sie wollte nicht schon wieder heulen, sie hatte genug Tränen vergossen.
Sie atmete noch einmal tief durch, und erhob sich dann wieder, den Truhendeckel schließend.“Und jetzt komm ich auch ganz gut alleine zurecht. Serrana hilft mir ja auch, und Aelius Archias hat mich angestellt. Du siehst, ich habe alles, was ich benötige.“
Axilla wunderte sich fast selber über ihre Selbständigkeit, aber sie brauchte wirklich im Grunde genommen nichts. Sie wusste zwar nicht, wo ihr Weg hinging, oder ob es ihn überhaupt gab, aber gehen konnte sie ihn. -
Bei seinem Kompliment errötete Axilla noch ein wenig mehr und ein Lächeln schlich sich in ihr Gesicht, dass sich nicht unterdrücken ließ. Mit Komplimenten umzugehen musste sie nach wie vor lernen, und so versteckte sie ihre Verlegenheit hinter einem weiteren, großen Schluck aus ihrem Becher. Er fragte sie nach der Dauer ihres Aufenthaltes, und Axilla war sich unschlüssig, ob sie ihm alles genau so sagen sollte, wie sie es Seiana gesagt hatte. Er kam zum Schluss noch auf falsche Gedanken, wenn sie meinte, sie würde auf den richtigen Mann warten und es davon abhängig machen, ob sie hier blieb oder nicht. Das klang so, also ob... naja, als ob sie sich anbieten würde, fand sie. Und das wollte sie ja nun wiederum nicht.
“Nein, ich wollte zumindest noch warten, bis das Meer wieder ruhig ist. Und Decima Seiana und Aelius Archias heiraten ja im Frühjahr irgendwann, und ich bin ja auch eingeladen. So lange bleibe ich in jedem Fall noch hier. Und den Rest... den lass ich mal auf mich zukommen und entscheide dann. Carpe diem.“ Oder anders gesagt: Wer planlos ist, der kann nur von Tag zu Tag entscheiden.Axilla drehte den Becher wieder etwas in der Hand und suchte nach einer Möglichkeit, sich selbst mehr ins Gespräch einzubringen. Sie wollte ja nicht, dass der Senator glaubte, er würde sie verhören, nur weil ihr nichts vernünftiges einfiel.
“Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, dass ich mich beschwert habe, dass du uns in Alexandria nicht besucht hast. Ich verstehe natürlich, dass du als Senator da ja eigentlich gar nicht hättest sein dürfen und es nur aus den Umständen heraus so war.“ Ihr Blick wurde etwas hypnotisierter, während sie scheinbar interessiert beobachtete, wie sich das Licht auf ihrem Saft spiegelte. “Wie konntest du eigentlich entkommen?“ fragte sie, ehe sie bemerkte, dass das vielleicht kein so gutes Thema war, aber da war die frage schon raus. “Tut mir leid. Das ist vielleicht... kein so gutes Thema.“ -
Axilla nickte nur stumm auf seine Frage und ließ Silanus eintreten. Ein wenig perplex war sie noch, dass er so unvermittelt vor ihrer Tür stand. Er war ihr die ganze Zeit bisher sehr erfolgreich aus dem Weg gegangen, und jetzt war er hier. In ihrem Schlafzimmer.
Erst, als Axilla merkte, sie er sich umsah, und er ihr direkt darauf eine Frage stellte, fiel ihr auf, dass sie noch immer wie angewurzelt stehen geblieben war. Und dass die Rüstung ihres Vaters nicht in der Truhe, sondern gerade aufgebaut war.
Beinahe peinlich berührt, gleichzeitig auch schützend, ging sie fix zu dem verstärkten Lederpanzer hin. Das Schwert lag noch davor, frisch eingeölt. Mit einer geübten Bewegung beförderte sie es zurück in seine Scheide, während sie zu sprechen begann.
“Ja, ich denke doch. Ich habe ja Leander aus Alexandria mitgebracht. Er ist der beste, ich glaube, ohne ihn wüsste ich nichtmal, was ich morgens anziehen soll. Und er sorgt schon für alles. Ich glaube ja, er ist fast eifersüchtig, wenn jemand anderes mir etwas bringt.“
Es war ein kleiner Scherz, immerhin stand Leander einzig und ausschließlich auf Männer, weshalb er überhaupt auch nur so nahe bei Axilla sein durfte. Aber sie kam mit Männern eben besser klar als mit Frauen, und das schloss Sklaven mit ein.Das Schwert wanderte vorsichtig in die Truhe, die Scheide in ein Öltuch eingeschlagen, und Axilla machte sich auch gleich daran, die Riemen vom Brustpanzer zu lösen, damit sie diesen auch wieder verräumen konnte. Natürlich wollte sie die Rüstung auch verräumen, aber eigentlich war es nur eine willkommene Ablenkung, nicht direkt zu Silanus schauen zu müssen.
“Und du? Gefällt dir deine Arbeit im Palast?“ -
Seit Urgulanias Tod war Axilla um einiges stiller und verschlossener geworden. Ihr fehlte ihre Cousine, und die Aussicht, sie nie wieder sehen zu können, lastete schwer auf ihrem sonst so sonnigen Gemüt. Sie gab sich zwar Serrana zuliebe alle Mühe, trotzdem noch fröhlich zu wirken – jedenfalls die meiste Zeit – aber immer wieder hatte sie auch Phasen, wo sie nichts und niemanden sehen wollte und sich einfach in ihrem Zimmer verschloss. Nicht einmal Leander durfte dann zu ihr. Dennoch ging es langsam wieder besser, und so war sie heute dazu aufgelegt, etwas fröhlicher sich zu geben, als sie eigentlich war.
Als es an der Tür klopfte, dachte sie, es sei die Cousine, und beschwingt ging sie hinüber, um sie zu öffnen.
“Serrana, ich hab dir doch gesagt, wenn die Tür offen ist, brauchst du nicht an…oh.“ Das war nicht Serrana. Das war Silanus. Axilla schaute ihn einen Moment etwas verwundert an, ehe sie zwei Schritte rückwärts ging, um ihm Platz zu machen, falls er eintreten wollte. “Silanus. Ich dachte, du wärst Serrana.“ -
War das denn wirklich so? Axilla hatte, um der Wahrheit die Ehre zu geben, keine Ahnung, wie wichtig der Posten ihres Vetters denn war. Sie wusste ja nichtmal genau, was er machte. Er ging ihr ja auch aus dem Weg, wie sollte sie ihn da danach fragen? Oder gar ihn besuchen und es sich ansehen? Sie hatte also kurzum überhaupt gar keine Ahnung, ob das nun etwas war, oder nicht. Seine Aufgabe davor, Präfekt der Ala, damit hatte sie etwas anfangen können. Sie war nunmal die Tochter eines Soldaten und nicht die eines Politikers.
“Oh, du missverstehst mich, glaube ich. Ich würde nie behaupten, die Iunier seien keine große Gens. Der erste Konsul Roms war Iunier. Wir haben eine lange und stolze Geschichten. [size=6]Wenngleich mit ein paar Schatten...[/size] Ich würde nie etwas anderes als stolz darauf sein. Das schulde ich meinem Vater und seinen Vorfahren, als Mindestes.“
Diese kleine Rede konnte Axilla ganz offen und geradeheraus halten, ohne sich dabei zu schämen oder schüchtern zu wirken. Auf ihre Familie ließ sie da nichts kommen. Sie hatte nur wenig Stolz, aber Familienstolz uneingeschränkt.
“Aber ich allein bin nur ich. Ein Mädchen aus Tarraco, dass in Alexandria nun bei Verwandten war, unverheiratet, ohne nennenswerte Verdienste. Warum sollte der Kaiser mich da sehen wollen?“ Axilla wollte sich nicht auf den Verdiensten ihrer Verwandten ausruhen. In Momenten wie diesen fragte sie sich, warum die Götter aus ihr keinen Mann gemacht hatten. Sie wäre ein hervorragender Mann geworden, der der Familie sicher viel Ehre gemacht hätte.Doch dann fragte Livianus weiter nach Silanus, und Axilla schaute doch wieder etwas schüchterner beiseite. Auch wenn sie über ihn nun wirklich und endgültig hinweg war, fiel es ihr schwer, über ihn so nachzudenken und zu reden. Hauptsächlich, weil es sie belastete, dass er ihr so sehr auswich.
“Silanus ist der Vetter meines Vaters. Mein Großvater und sein Vater waren Brüder.“ -
Er war bei der Legion? Sah irgendwie gar nicht danach aus. Natürlich, wie wär er sonst gefangen worden? Dummkopf..., schalt sie sich selbst in Gedanken und hörte ihm dann aufmerksam zu. Als das Thema so auf Silanus kam, wurde ihr etwas mulmig zumute, da war es ihr grade recht, dass gerade ein Sklave mit neuem Saft kam. Sie verbarg ihr kleines Unwohlsein hinter ein paar kleinen Schluck und drehte danach den Becher ein wenig verspielt in den Händen, so dass die helle Flüssigkeit darin leicht hin und herschwappte, ohne überzulaufen.
“Nein, ich muss ehrlich sagen, ich sehe ihn auch nur ganz selten. Ab und zu bei der Cena, aber sonst eigentlich nie.“ Ging ja auch schlecht, denn wie schon in Alexandria ging er ihr geschickt aus dem Weg.
“Aber Aelius Archias war so nett, mich einzuladen. Ich denke, da wird er mir den Palast auch bestimmt zeigen. Der Imperator ist aber grade gar nicht in Rom, oder? Also, nicht dass ich den sehen wollte...“ Sie wäre zwar neugierig, aber der hatte sicher besseres zu tun, als eine schusselige Iunia kennenzulernen. Dann fiel ihr aber auf, wie sie das eben gesagt hatte, und setzte rasch noch hinterher. “.. ähm, also, wollen würd ich schon, aber geht ja nicht, weil er ist ja er und ich bin ja ich, und das geht ja nicht. Also, weil ich ja niemand bin... also niemand wichtiges, den er sehen müsste.“ Axilla war sich nicht sicher, ob ihr Gesprächspartner das jetzt verstanden hatte, es war doch ein wenig durcheinander aus ihr herausgesprudelt. -
Gut, er war nicht böse auf sie. Das wäre also schonmal geklärt. Sie hatte ja eher befürchtet, es könne ihm vielleicht nicht so gut gefallen haben, dass sie sich mehr oder minder bei ihm beschwert hatte, dass er nicht beim Haus der Iunier in Alexandria vorbeigekommen war, aber entweder war dem wirklich nicht so, oder er war einfach nur nett zu ihr.
Dass er Seiana nicht einmal hinterherschaute oder irgendwas zu ihr sagte, wunderte Axilla aber schon. Er schaute die ganze Zeit nur zu ihr herüber, als wäre die Decima gar nicht im Raum gewesen. Ein bisschen komisch fand Axilla das schon. Sie war es nicht gewohnt, die Aufmerksamkeit eines anderen derartig auf sich selbst zu ziehen und fragte sich schon, ob sie etwas falsch machte.
Er bot ihr nochmal Platz an und Axilla setzte sich fast ein wenig linkisch hin. Natürlich, setzen, das war eine Idee, auf die sie auch selber hätte kommen können. Also saß sie und sah dann auffällig beiseite, während die Sklaven Livianus aus seiner Toga schälten. Sie fand, dass das doch ein wenig intim war, und gab ihm daher das bisschen Privatsphäre, das sie ihm zugestehen konnte. Als er fertig war, sah er schon viel normaler aus. Der ganze Stoffberg wurde von den Sklaven weggetragen und wahrscheinlich neu gewaschen und gestärkt.
“Naja, das Meer war doch schon ziemlich unruhig. Und ich vertrage das nicht so gut, mir war eigentlich die ganze Zeit schlecht“, gestand sie etwas scheu und schaute dann leicht verlegen auf. Die Sache mit dem Becher tat ihr immernoch unendlich leid, und machte sie so unsicher, dass sie gar nicht wusste, was sie denn sagen sollte, um charmant zu wirken. “Aber dafür ist es hier ja sehr schön. Meine Cousine versucht schon, mir die ganze Stadt zu zeigen. Du kennst sie? Iunia Serrana. Rom ist ja wirklich sehr sehenswert.“ -
Ein paar Sklaven kamen angetrippelt, während Livianus Axilla auch schon sanft, aber bestimmt wieder aufhalf. Mit roten Wangen und einem Blick wie ein ertapptes Reh stand sie also langsam wieder auf und blieb erstmal ein wenig verschüchtert stehen, während um sie herum schon gewuselt und geputzt wurde. Sie trat nur noch schnell beiseite, um nicht im Weg herumzustehen.
“Das tut mir leid. Ich bin normalerweise nicht so tollpatschig.“ Stimmte. Normalerweise war sie noch tollpatschiger.
Seiana nahm Axilla die durchtränkte Palla ab, die ein wenig vor sich hin tröpfelte, und schaute sie dann ein wenig mitleidig an. Archias hatte wirklich eine furchtbar nette verlobte, denn sofort bot sie ihr an, sie waschen zu lassen, und dass sie sich gegebenenfalls sogar umziehen konnte. “Ähm, nein, ich denke, das geht so. Ich will keine Umstände machen. Danke“, meinte sie noch immer etwas schüchtern und beobachtete dann fast ein wenig verschreckt, dass Seiana ging und sie und den Senator allein ließ.
Sie hatte jetzt keine Angst vor dem Senator, er schien ihr ja ganz nett zu sein. Aber sie kannte ihn noch gar nicht, und Seiana war sowas wie ein kleiner Strohhalm gewesen, an dem sie sich in ihrem Meer an Unsicherheit noch festhalten konnte. Oder sich hinter ihm in ihrer Schusseligkeit verstecken. Jetzt aber war sie erstmal auf sich gestellt und wusste nicht so recht, was sie tun sollte. Daheim hatte Leander ihr hundert Dinge mitgegeben, die sie sagen und machen sollte, aber im Moment herrschte in ihrem Hirn eine vakuumartige Leere.
“Oh, ich möchte mich für die Einladung bedanken“, fiel ihr dann eine Sache doch noch ein. Allerdings war es das auch schon mit ihren Geistesblitzen, und sie blieb einfach weiter gegenüber von Livianus stehen, während die Sklaven sich langsam mit den nassen Tüchern auch schon wieder trollten. -
Axilla versuchte, so wenig Wein wie irgendwie möglich zu trinken. Sie merkte, dass ihre Wangen nach den wenigen Schlucken schon langsam aber sicher eine rötliche Färbung annahmen, und einer der Sklaven schenkte ihr schon nach, ehe sie Einspruch erheben konnte. Zum Glück wurde aber auch gleich etwas zu Essen aufgetragen, was hoffentlich verhindern würde, dass sie nachher nach Hause torkeln würde. Sie nahm sich gerade einen kleinen Happen, als sie Archis Kommentar zu Vera ein wenig verwundert hörte und dann auch gleich selber ein doch recht eindeutiges Augenrollen von Archias bekam. Ein bisschen verwirrt sah sie an ihm vorbei zu Piso, und dann wieder zurück.
“Piso ist doch Patrizier, der darf mich doch gar nicht heiraten“, raunte Axilla Archias zu. Ob er es allerdings verstanden hatte, wusste sie nicht, denn Seiana brachte das Thema auf ihre und Archias Hochzeit, und damit war sie auch erstmal aus der Schusslinie.
Axilla sah sich die beiden einmal an, wie sie miteinander scherzten und sich angrinsten. Sie lächelte den beiden zu, aber es war nicht ihr ehrlichstes Lächeln. Irgendwie war es komisch. Oh, sie freute sich für Archias, er liebte sie. Und Seiana war wirklich nett und hilfsbereit und gut erzogen und aus gutem Hause... Und trotzdem war es ein etwas komisches Gefühl, daran zu denken, dass er bald schon verheiratet sein würde. Ein ganz komisches Gefühl.
Sie widmete ihrem Teller wieder mehr Aufmerksamkeit und aß ohne rechten Appetit ein paar Bissen, und griff auch wieder nach ihrem Weinbecher, um doch ein paar Schlucke mehr zu trinken. So schlecht schmeckte der Wein ja gar nicht, und sicher konnte sie ein wenig vertragen, ehe sie anfing, zu singen. -
Axilla hörte dem Aedituus nicht aufmerksam zu. Sie klebte geradezu an seinen Lippen und sog jedes Wort auf wie ein durstiger Schwamm. Leise reden genügte also, aber sie musste deutlich werden? Gut, dann würde sie flüstern, musste niemand mitbekommen, dass dieses Opfer zur Untermauerung eines Fluchs gedacht war. Das ging nur Dis und sie etwas an. Nichtmal Serrana kannte die ganze Wahrheit, sicher hätte sie sonst versucht, Axilla abzuhalten. Einen Fluch auszusprechen war etwas böses, und Axilla wusste das ja auch. Aber sie war jetzt zu weit gegangen, um sich abhalten zu lassen.
Das Voropfer war also nicht das Problem. Wenn sie es statt in Schalen auf dem Hausaltar eben direkt in eine Mulde kippen sollte, würde sie das machen. Beten bekam sie auch hin. Sie durfte nur die Drehung nach Rechts nicht vergessen. Dass sie sich gleich nochmal waschen sollte, war zwar nicht unbedingt toll – immerhin war das Wasser wirklich kalt – aber würde sie auch nicht umbringen. Und die genaue Anleitung des Priesters gab ihr ein Stück weit wieder Ruhe, auch wenn sie von stoischer Gelassenheit immernoch meilenweit entfernt blieb.
“Darf Serrana mir das Voropfer angeben?“ fragte sie noch sicherheitshalber nach. Nicht, dass es an so einer Kleinigkeit noch scheiterte. Und Axilla wollte die Cousine gerne mit einbeziehen, wenngleich sie sie auf der anderen Seite auch heraushalten wollte. Sie wollte ja nicht, dass sie umsonst mitgekommen war und eigentlich nur dastand und wartete. Auf der anderen Seite wollte Axilla nicht, dass die liebe und süße Serrana an dem Fluch einen Anteil hatte, das war ihre Sache. Ein sehr zweischneidiges Schwert.“Ähm, nein, nein, muss nicht so öffentlich sein. Der Gott weiß dann schon, was ich von ihm will, da können wir dann gleich fortfahren“, antwortete sie noch auf die Frage, ob sie ihre Bitte nochmal öffentlich wiederholen wollte. Sie konnte ja wohl kaum auf der Treppe stehen und laut und deutlich den Fluch wiederholen. Nein, das wäre nicht so gut gewesen, und es hätte sicherlich die Wirkung des Fluches auch abgeschwächt.
Die Sache mit den Vitalia war aber dann doch etwas, wo Axilla nochmal stutzte. “Was machen? Das entnehmen, oder das untersuchen?“ Irgendwie hatte sie das jetzt nicht kapiert. Sie dachte, der Victimarius würde das Tier ausweiden? Und von innereien verstand sie jetzt nicht so viel, das sollte vielleicht jemand machen, der Erfahrung hatte. Ihr ging es dabei gar nicht um das Blut oder darum, Eingeweide anzufassen, sondern nur darum, dass sie keine Ahnung um die richtige Vorgehensweise hatte.
“Ich glaube, das machst du besser, du hast sicher mehr Erfahrung. Und... ist es möglich, den Rest, der dann gekocht wird, den Menschen hier zu spenden?“ Der Ochse war immerhin ziemlich groß, das war eine ganze Menge Fleisch, die dabei übrig bleiben würde. Und bis auf die Vitalia, die dem Gott vorbehalten waren, war es ja üblich, das gekochte Fleisch dann auch zu verwenden. Allerdings hatte der iunische Haushalt nicht Verwendung für derartig viel Fleisch, und wenn Axilla damit den Ärmeren unter Roms Bevölkerung etwas gutes tun konnte, empfand sie das für eine barmherzige und gute Sache – auch wenn der Grund, wie es überhaupt zu dem Fleischsegen kam, düster und absolut unbarmherzig war.