Da Axilla nicht die geringste Ahnung hatte, was der praefectus annonae denn den lieben langen Tag so tat, zuckte sie nur ganz leicht mit den Schultern und streichelte geistesabwesend weiter. Nur, als Archias kurz meinte, er sei immer für sie da, wenn sie ihn brauchte, unterbrach sie kurz die Bewegung, um zu ihm aufzuschauen. Auch wenn Axilla so gut wie nie eifersüchtig oder neidisch war, in diesem Moment beneidete sie Seiana aufrichtig. Es musste ein wundervolles Gefühl sein, geliebt zu werden von dem, den man liebte. Ein trauriges, kleines Lächeln umspielt kurz ihre Lippen, und sie hätte etwas sehr liebevolles zu ihm sagen wollen, hätte er nicht just in dem Moment weitergeredet und wäre wieder auf Urgulanias Tod zu sprechen gekommen.
Axilla legte ihren Kopf wieder in die Kuhle an seiner Schulter und fuhr damit fort, ihn sanft zu streicheln. Es war beruhigend, seinen Herzschlag zu hören, und sie schloss einen Moment ihre Augen.
“Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass er es war. Ganz tief in meinem Herzen weiß ich das.“ Wie sollte sie das nur erklären? Urgulania hatte so lange Angst vor ihm gehabt, hatte sich so lange Sorgen um Axilla gemacht. Er muste es einfach gewesen sein, es musste wahr sein. Denn jede andere Wahrheit wäre noch um ein vielfaches schrecklicher als diese.
“Ich weiß nicht, wie sie gestorben ist. Merula hat ja fast nichts geschrieben. Ich werde Timos gleich nachher schreiben und ihn bitten, mir alles zu berichten. Er ist ja Strategos, und er macht das bestimmt für mich. Seine Familie und meine sind schon so lange in Alexandria verbündet, er muss es einfach...“ Axilla krallte sich wieder etwas fester an Archias, als sie merkte, dass sie wieder drohte, den Halt zu verlieren. Sie zitterte kurz und versuchte, den neuerlich sich anbahnenden Heulkrampf zu ersticken.
Es dauerte ein wenig, bis sie sich soweit unter Kontrolle hatte, ihn wieder loszulassen und mit leicht wässrigen Augen nochmal anzuschauen. “Du glaubst mir doch, oder?“ fragte sie fast schon verzweifelt. Sie fühlte sich wie verrückt, wie wahnsinnig, aber sie wusste einfach, dass sie es nicht war.
Und dann aus einem inneren Impuls heraus spannte Axilla einmal und gab Archias einen ganz sanften Kuss. Er war nicht wie der aus Alexandria, der aus Blödelei geboren war und sehr schnell sehr begehrend und heftig geworden war. Ein Versprechen für Leidenschaft eben. Dieser hier war ganz sanft und liebevoll und vorsichtig, mehr wie eine stumme Bitte ohne jedes Drängen.
“Tut mir leid“, hauchte Axilla nur leise, als sie sich nach nur ein paar Sekunden auch gleich zurückzog und wieder hinlegte. Sie fühlte sich nur so tot und leer und wusste nicht, wie sie das ändern sollte.