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Der Tempel des Dis Pater war nur einer von vielen kleineren Tempeln, welche über ganz Rom hinweg waren verteilt, einer von jenen, welche einfach, beinahe glanzlos erschienen im Vergleich zu den prächtigen, bunten Bauten der Kaiserforen, des kapitolinischen Hügels oder des Circus Flaminius, welche den den Römern liebsten, den Staatsmännern und dem Staate vorteilshaftesten Göttern waren geweiht. Doch während auch und insbesondere viele der kleineren Tempel und Altäre in den Straßen vom einfachen Volk, Frauen, Arbeitern, Handwerkern und Händlern wurden frequentiert, da jenen viele der Numina neben den Hauptgöttern sooft viel erreichbarer schienen für ihre Sorgen und Nöte, während in jenen Tempel durchaus immer jemand ein oder aus ging, lag der Tempel des Pluto in Einsamkeit, schien es beinah als streife der atemlose, eisige Hauch seines Bewohners um ihn und hielte alles Leben von ihm fort. Instinktiv wechselten vorübereilende Passanten die Straßenseite, gingen einen Bogen um den Vorplatz, niemand ruhte sich im Schatten des Gebäudes aus, niemand auf den steinernen Treppen des aedes. Die Römer respektierten den Tod, sie ehrten ihn im häuslichen Kult, doch selten nur öffentlich, und nicht öfter als dies notwendig war. Als die flavische Sänfte auf dem Tempelvorplatz hielt, berührte die Sonne bereits die Dächer der gegenüberliegenden Häuser, und die ersten Arbeiter, jene, welche ihren Tag noch vor dem eigentlichen Tage hatten begonnen, machten sich auf den Weg zu ihren Heimstätten, wo das warme Herdfeuer, das wärmende Lächeln ihrer Frauen und die innigen Begrüßungen ihrer Kinder auf sie warteten. Gracchus fröstelte beim Anblick des Tempels, der drohend sich vor ihm erhob, doch jenes marginale Zittern, welches stets von seinen Händen Besitz ergriff, so es galt den Unterirdischen ihren Tribut zu zollen, blieb an diesem Tage aus. Sein Sklave Sciurus reichte ihm das Paket, ein in weiche, samtige Stoffbahnen gehülltes Etwas, und einen kleinen Beutel mit der kostbaren Räucherung. Die wenigen Stufen hinauf zu den schweren Flügeltüren aus dunkelfarbenem Holz schienen Gracchus weitaus länger, weitaus steiler als die Stufen jedes anderen Tempels, welchen er je hatte betreten, obgleich ihre Anzahl eher gering war. Als er die schmale Türe, welche in die großen Flügeltüren war eingelassen, aufdrückte, ächzte sie in ihren Angeln und seufzte gleich dem Hauch eines Sterbenden, und wie dieser aus der trockenen Kehle des verendenden Leibes entwich die stickige Luft aus dem Tempelinneren. Dieses selbst war spärlich nur beleuchtet durch den goldfarbenen Schein der Kerzenflammen, welche im Hauch des hereinwehenden Luftzuges flackerten und konturlose Schatten über die im Halbdunkel dahindämmernden Wände tanzen ließen. Gracchus trat ein und schloss hinter sich die Türe, verharrte einige Augenblicke, dass seine Pupillen an das fahle Licht sich konnten gewöhnen und sein wild in der Brust schlagendes Herz sich konnte beruhigen.
tbc ...