Über seinen ersten Satz musste Axilla erst einmal grübeln. Auch ihr vater hatte gesagt, dass ein Mann mit seinen Aufgaben wächst und dabei manchmal sogar über sich hinauswächst. Aber sie war sich sicher, dass das bei ihr eher anders war. Sie konnte sich wirklich nicht vorstellen, dass sie sowas wichtiges könnte. Sie war ja nur Axilla, nichts weiter.
Daher war auch der nächste Satz fast schon ein wenig erschreckend für Axilla. Natürlich hatte auch sie bemerkt, dass ihre Cousine langsam älter wurde. Sie bekam graue Haare, in letzter Zeit irgendwie immer mehr, und war deshalb ein wenig niedergeschlagen. Axilla tat dann immer so, als würde sie das überhaupt gar nicht bemerken – abgesehen davon, dass Urgulania für sie trotzdem noch die schönste Frau der ganzen Stadt war. Aber natürlich war sie nicht so blind, wie sie sich gab, und wenn Nikolaos es so direkt sagte, amchte es ihr fast ein wenig Angst.
“Ach, sie bleibt uns bestimmt noch lange erhalten.“ Ob sie das aus Überzeugung sagte oder nur, um sich selber zu beruhigen, wusste Axilla selber noch nichtmal so genau. “Und irgendwann werd ich wohl heiraten müssen. Es ist ja unanständig, wenn eine Frau nicht heiratet. Also, außer, man wird Vestalin, aber… ich glaub, das ist noch weniger was für mich als Eutheniarche.“ Abgesehen davon, dass sie es aufgrund von so einer Kleinigkeit wie fehlender Jungfräulichkeit auch gar nicht mehr konnte.
“Also, wenn sich mal jemand findet. Hier sind ja nur Legionäre.“
Leichthin zuckte Axilla die Schultern. Warum sie sich mit Nikolaos überhaupt darüber unterhielt, war ihr ein Rätsel. Wahrscheinlich, weil er selber so gelassen und fröhlich wirkte, so dass sie sich darüber gar keine Gedanken machte und einfach drauflosplapperte. Es tat auch gut, einfach mal zu reden, ohne immer nachzudenken, was man da sagte.
Von den zwei Heiratsanträgen, die sie schon abgelehnt hatte (wobei beide ja gar keine richtigen waren), erzählte sie trotzdem nichts, ein bisschen Anstand hatte sie ja doch.
Ihr Gespräch kam wieder auf die Zeichnungen, und Axilla schüttelte lachend den Kopf.
“Silanus? Nein, bestimmt nicht. Der hat mir ja sogar verboten, ihn im Castellum zu besuchen, weil er nicht wollte, dass die Soldaten mich erschrecken mit sowas. Aber das hätten die nicht.
Weißt du, mein Vater war ja auch bei der Legion. Und sein Schwertbruder war… naja, also, ich will jetzt nichts böses sagen. Aber er war halt schon sehr direkt und so. Mutter hat immer gemeint, er hätte gar keine Manieren und hat geschimpft, wenn Vater ihn eingeladen hatte zum Abendessen. Castricius Tegula hieß er.
Naja, und der hat öfter sowas erzählt. Mutter war dann immer böse, weil ich noch so jung war. Sie meinte immer, das sei kein Umgang für ein Mädchen der Iunier.“
Sie lächelte, als sie sich daran zurückerinnerte. Ja, damals war ihre kleine Welt noch perfekt gewesen. Ihr hatte die herbe Sprache immer sehr wenig ausgemacht. Davon fiel schon keiner gleich um. Und ihr Vater hatte dann ihr immer heimlich zugezwinkert, wenn Mutter nicht hingeschaut hatte, ehe er ihr wieder schuldbewusst recht gegeben hatte, sobald der Gast weg war.
Ein wenig wurde ihr wehmütig ums Herz, und sie begann es wieder schnell unter noch mehr gezeigter Fröhlichkeit zu begraben. Die ließ sich auch nicht durch die Frage nach Khristianern in der Familie beirren, im Gegenteil lachte Axilla jetzt sogar.
“Bei uns? Oh, ich glaube, da würden einige Ahnen aufschreien, immerhin war mein Vorfahr der erste Consul, den Rom hatte. Nein, da haben wir keinen in der gens, zum Glück.
Aber ich versteh sowieso nicht, wie man an sowas glauben kann. Gut, lieb und nett zueinander sein ist ja in Ordnung, aber diesen Quatsch den sie reden, dass die Götter nicht existieren und nur ihr einer Gott, den man nichtmal sehen kann… das ist intolerant. Nichtmal die Juden sind so schlimm. Aber zu sagen, die Götter existierten gar nicht, ist doch verrückt.“
Selbst für Axilla, die sich weigerte, zu opfern – außer zu ganz speziellen Anlässen – existierten die Götter sehr wohl. Sie sah nur keinen Sinn darin, ihnen Opfer darzubringen, da diese Wesen ohnehin nicht machten, was man wollte, und einem nichtmal zuhörten. So zumindest ihr Gefühl, von dem sie sich auch nicht durch religiöse Eiferer abbringen ließ.
Und so schüttelte sie nur heftig den Kopf und drückte damit ihr Unverständnis darüber aus. Und dann lächelte sie wieder.
“Und keine Sorge, ich würde niemals einen Freund verraten. Nie.“ Auch wenn Axilla lachte und offensichtlich in scherzhafter Stimmung war, meinte sie das vollkommen ernst. Bewusst würde sie nie ein Geheimnis verraten, das ihr zugetragen worden war. Eher würde sie selber alles mögliche erdulden, als einen Freund zu verraten. In dieser Beziehung war sie standhaft und verlässlich wie ein Fels. Solange sie sich nicht verplapperte.